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BFH 22.11.2011 - VIII R 5/08
BFH 22.11.2011 - VIII R 5/08 - (Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG - Wechsel der Gewinnermittlungsart - Ungleichbehandlung - Verfassung)
Normen
§ 4 Abs 4a EStG 1999 vom 22.12.1999, Art 3 Abs 1 GG, § 4 Abs 1 EStG 1999, § 4 Abs 3 EStG 1999
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 22. März 2007, Az: 16 K 4797/04 F, Urteil
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Personengesellschaft (GbR), die im Streitjahr 1999 von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zur Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) überging und (zunächst) einen festzustellenden Gewinn von 312.967,22 DM erklärte. Dieser Gewinn beruhte u.a. auf der Einnahmenüberschussrechnung, in der Schuldzinsen in Höhe von 62.495,43 DM als Betriebsausgaben abgezogen waren, sowie der Ermittlung eines --unstreitigen-- Übergangsverlustes wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart in Höhe von 606.285,72 DM.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging (zunächst) davon aus, dass der erklärte Gewinn um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von 37.083,65 DM zu erhöhen sei (Gewinn 312.967,32 DM ./. Entnahmen 931.028,21 DM = Überentnahmen 618.060,89 DM x 6 % = 37.083,65 DM). Demgemäß stellte er die Einkünfte im erstmaligen Feststellungsbescheid 1999 unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung auf 350.050 DM fest.
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Die Klägerin beantragte, den Bescheid unter Ansatz eines Gewinns ohne die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG zu ändern. Insgesamt seien Unterentnahmen in Höhe von 67.617,78 DM entstanden. Der Übergangsverlust sei bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG nicht einzubeziehen. Ferner seien Einlagen aus Sonderbilanzen der Gesellschafter (79.392,95 DM) zu berücksichtigen.
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Das FA lehnte den Änderungsantrag ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Das FA stellte die Einkünfte mit seiner Einspruchsentscheidung --weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung-- auf 347.980,34 DM fest. Es ging dabei von einem Gesamtgewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von 313.851,34 DM aus und erhöhte ihn um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von 34.129 DM. Den Hinzurechnungsbetrag ermittelte das FA ausgehend von der bereits um Einlagen gekürzten "Summe der Entnahmen" (882.667,95 DM), dem Gewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG (313.851,34 DM) und den sich daraus ergebenden Überentnahmen für das Streitjahr 1999 (568.816,61 DM). Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
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Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Selbst wenn man von der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG ausgehe, müsse die Vorschrift teleologisch dahingehend ausgelegt werden, dass bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Entnahmen auch in der Höhe zulässig seien, in der Gewinne wirtschaftlich bereits erwirtschaftet worden seien, aber als Betriebseinnahme nach § 11 EStG noch nicht hätten erfasst werden können.
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Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Feststellungsbescheid für 1999 vom 15. Dezember 2004 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2004 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte i.S. des § 18 EStG in Höhe von 313.851,34 DM festgestellt werden und der Gewinn entsprechend dem erstinstanzlich gestellten Antrag auf die Feststellungsbeteiligten verteilt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat § 4 Abs. 4a EStG zutreffend angewendet.
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1. Nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert ermittelt mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen).
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Mit der inzwischen ständigen Rechtsprechung geht der erkennende Senat zunächst davon aus, dass § 4 Abs. 4a EStG verfassungsgemäß ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. September 2005 X R 47/03, BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504; vom 17. August 2010 VIII R 42/07, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041; BFH-Beschluss vom 13. Februar 2009 VIII B 73/08, BFH/NV 2009, 920 unter Bezugnahme auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2008 2 BvL 12/01, BVerfGE 120, 56, BGBl I 2008, 481).
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2. Entgegen der Auffassung der Klägerin unterscheidet sich der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a EStG mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift nicht von dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG (BFH-Urteile vom 21. September 2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125; vom 7. März 2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588; BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2007 XI B 158/06, juris; ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 17. November 2005 IV B 2 -S 2144- 50/05, BStBl I 2005, 1019 Rdnr. 8; Korn, § 4 EStG Rz 840; Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl., § 4 Rz 523; Crezelius in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 4 Rz 163; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1057; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §§ 4, 5 EStG, Rz 1657; Wendt, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 417, 423, 424; Paus, FR 2000, 957, 960; Hegemann/Querbach, Deutsches Steuerrecht 2000, 408, 411; Wieczorek, Die Steuerberatung 2000, 301, 303; Eggesiecker/ Ellerbeck, FR 2000, 689, 692; a.A. Ley, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 3, S. 11167, 11172). Für diese Auslegung der Vorschrift sprechen der Wortlaut der Bestimmung und der Sinn und Zweck des Gesetzes (vgl. BFH-Urteil in BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588).
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3. Diese Maßgeblichkeit des Gewinns i.S. des § 4 Abs. 1 und 3 EStG für die Anwendung des Absatzes 4a kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch dann keine Einschränkung erfahren, wenn dieser wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart einen Übergangsgewinn oder --wie im Streitfall-- einen Übergangsverlust umfasst.
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a) Dagegen spricht schon, dass eine solche Sonderbehandlung von Übergangsverlusten in § 4 Abs. 4a EStG nicht vorgesehen ist, im Übrigen aber jeweils unterschiedliche Ausnahmen von der Bindungswirkung an den allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG sowohl in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung als auch i.d.F. des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) benannt werden.
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b) Des Weiteren weisen derartige Übergangsverluste keine Besonderheiten auf, die eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG im Sinne des Klagebegehrens nahe legen.
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aa) Die Einbeziehung solcher Übergangsverluste --wie auch ggf. entstehender Übergangsgewinne-- dient allein dem Zweck, den Gewinn für das Wirtschaftsjahr des Wechsels der Gewinnermittlungsart so zu ermitteln, dass das Gesamtergebnis des unternehmerischen Erfolgs durch den Wechsel nicht verfälscht, sondern durch Korrekturen derart festgestellt wird, dass dem Steuerpflichtigen durch den Übergang weder steuerliche Vor- oder Nachteile erwachsen (BFH-Urteil vom 4. August 1977 IV R 119/73, BFHE 123, 154, BStBl II 1977, 866, zum Übergang vom Bestandsvergleich zur Überschussrechnung). Mit diesen Gewinnkorrekturen wird lediglich sichergestellt, dass betriebliche Vorgänge wie Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben erfasst werden, die ohne diese Korrekturen wegen der unterschiedlichen Systematik des Bestandsvergleichs einerseits und der Einnahmenüberschussrechnung andererseits nicht oder aber doppelt erfasst würden (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 15/70, BFHE 111, 404, BStBl II 1974, 315; zur entsprechenden Behandlung des Übergangsgewinns bei Wechsel von der Einnahmenüberschussrechnung zum Bestandsvergleich s. BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, m.w.N.).
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bb) Der so durch Übergangsgewinne oder -verluste korrigierte Gewinn ist "Gewinn" i.S. des § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG und als solcher für alle einkommensteuerrechtlichen Regelungen maßgeblich, die an den "Gewinn" anknüpfen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1990 IV R 39/89, BFHE 159, 502, BStBl II 1990, 495, zur Maßgeblichkeit für die Steuerermäßigung des § 34e EStG; zur entsprechenden Maßgeblichkeit für die Berechnung des begünstigten nicht entnommenen Gewinns nach § 10a EStG a.F. s. auch BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 IV 340/65, BFHE 99, 531, BStBl II 1970, 755).
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cc) Für den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG gilt nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss die Regelung nämlich nicht bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich und der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG stets zum gleichen Ergebnis führen. § 4 Abs. 4a EStG ist auf die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG sinngemäß anzuwenden (§ 4 Abs. 4a letzter Satz EStG). Durch die unterschiedliche Gewinnermittlung ergeben sich in einzelnen Jahren unterschiedliche Beträge. Daher sind beim Wechsel der Gewinnermittlungsart anfallende Übergangsgewinne zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041; ebenso BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 1019 Rdnr. 8). Soweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlung besteht, obliegt es dem Steuerpflichtigen, das für ihn günstige Verfahren zu wählen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Folgen der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG auf nach § 4 Abs. 1 oder nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Gewinne (BFH-Urteile in BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504; in BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041), mit der Folge, dass die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung durch die Wahl der Gewinnermittlungsart vermieden werden kann und schon deshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu verneinen ist.
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