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BFH 06.08.2010 - IV B 151/09
BFH 06.08.2010 - IV B 151/09 - Atypisch stille Gesellschaft - Auslegung von Gesellschaftsverträgen - Nichtzulassungsbeschwerde
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 116 FGO, § 15 Abs 1 Nr 2 EStG 1997, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 13. November 2009, Az: 14 K 3312/07 F, Urteil
Leitsatz
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NV: Fehler bei der Auslegung von Verträgen gehören zu den materiell-rechtlichen Gesetzesverstößen. Sie sind weder geeignet, die Revision wegen eines Verfahrensfehlers zu eröffnen, noch führen sie zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Auch erfordert die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nur dann die Zulassung der Revision, wenn das FG gegen die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von Willenserklärung in einem Maß verstoßen hat, dass die Entscheidung nicht mehr nachvollziehbar und damit willkürlich ist.
Tatbestand
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I. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgrund des Gesellschaftsvertrags vom 15. März 1999 (Vertrag) am Einzelunternehmen seines Vaters (V), über dessen Vermögen im Juni 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt hat und deshalb für die Jahre 1999 bis 2001 (Streitjahre) ein Gewinnfeststellungsverfahren durchzuführen ist.
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1. Der Kläger hatte gemäß § 1 des Vertrags eine Einlage in Höhe von 250.000 DM zu leisten und war nach § 3 des Vertrags mit einem Anteil von 25 % am laufenden Gewinn und Verlust des Einzelunternehmens beteiligt; seine Verlustteilhabe war zudem auf 5 % der "Beteiligungssumme" pro Jahr begrenzt. Gemäß § 4 Satz 1 des Vertrags nahm der Kläger im Falle der Aufgabe des Unternehmens (z.B. Einstellung, Verkauf) am Liquidationsergebnis entsprechend der Regelung des § 3 des Vertrags teil. Für den Fall der Kündigung der Gesellschaft war in § 4 Satz 2 des Vertrags die Aufdeckung aller stillen Reserven sowie eine Beteiligung des Klägers in Höhe von "grundsätzlich ... 25 %" vorgesehen.
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2. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hat das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft verneint. Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass (erstens) ein fremder Dritter angesichts der finanziellen Situation des V kein atypisch stilles Gesellschaftsverhältnis eingegangen wäre, (zweitens) aus § 4 des Vertrags nicht ersichtlich sei, ob der Kläger im Falle der Auseinandersetzung an den stillen Reserven sowie dem Geschäftswert des Unternehmens beteiligt werde, und (drittens) der Vertrag auch nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt worden sei.
Entscheidungsgründe
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II. Der Senat lässt offen, ob die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
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1. Unschlüssig ist die Rüge, das FG habe deshalb gegen die Verpflichtung zur Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) und damit gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 2003 II B 121/02, BFH/NV 2004, 666) verstoßen, weil es sich im Rahmen seiner ersten Erwägung (fehlende Fremdüblichkeit der Beteiligung; s. oben zu I.2.) nicht habe davon überzeugen können, dass "die schwierige finanzielle Situation des Einzelunternehmens ... -vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses im März 1999 aus betrachtet - für den Kläger unvorhersehbar" gewesen sei; es habe hierbei --so der Kläger im Beschwerdeverfahren-- außer Acht gelassen, dass nach dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 29. Juni 2006 (dort: Seite 3) Forderungsausfälle bzw. die "Inhaftungnahme der Einzelunternehmung (über) 750.000 DM aus den Jahren 2000 und 2001 zur Insolvenzeröffnung (geführt hätten)".
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a) Abgesehen davon, dass sich in den Akten des FG lediglich eine Kopie des vom Insolvenzverwalter erstellten Eröffnungsberichts vom 30. August 2001 befindet und die Vorinstanz hierauf in den Urteilsgründen Bezug genommen hat, können dem Bericht weder Forderungsausfälle in der konkret genannten Höhe noch deren Zuordnung zu den Jahren 2000 und 2001 entnommen werden. Vielmehr erläutert der Bericht, dass die Insolvenz des V auf "eine ganze Reihe von Ursachen zurückzuführen (sei)"; neben nicht realisierten Forderungen gegenüber öffentlichen Auftraggebern, der fehlenden Kostenreduktion trotz Umsatzrückgangs sowie dem überdurchschnittlichen Lohnniveau wird insbesondere auf die bereits im Jahre 1996 eingetretene Insolvenz des Partners einer Arbeitsgemeinschaft mit der Folge der gesamtschuldnerischen Haftung des V hingewiesen.
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b) Im Übrigen verkennt der Vortrag des Klägers, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (hier: i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) wird deshalb erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 16. Mai 2008 IV B 112/07, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Demgemäß wäre es zur substantiierten Rüge des geltend gemachten Verstoßes erforderlich gewesen, solche besonderen Umstände darzulegen und --woran es vorliegend gleichfalls fehlt-- anhand der gesamten Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz aufzuzeigen, dass ein entscheidungserheblicher Teil des Sachverhalts vom FG nicht berücksichtigt worden ist.
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2. Nicht durchzugreifen vermag ferner der Vortrag, das FG sei im Rahmen seiner zweiten Erwägung (s. oben zu I.2.) zu Unrecht sowie zudem unter Verstoß gegen "fundamentalste Denkansätze" davon ausgegangen, dass aufgrund § 4 Satz 1 des Vertrags nicht ersichtlich sei, ob der Kläger bei Aufgabe des Unternehmens an den stillen Reserven und dem Geschäftswert des Einzelunternehmens beteiligt gewesen sei. Hiermit wird im Kern lediglich die fehlerhafte Vertragsauslegung gerügt. Fehler bei der Auslegung von Verträgen wie die Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln oder von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen gehören jedoch zu den materiell-rechtlichen Gesetzesverstößen. Sie sind deshalb weder geeignet, die Revision wegen eines Verfahrensfehlers zu eröffnen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; BFH-Beschluss vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817), noch führen sie zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; BFH-Beschlüsse vom 15. April 2003 X B 104/01, juris; vom 5. Dezember 2000 VIII B 64/00, juris). Auch erfordert im Streitfall die Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 FGO) nicht, die Revision zuzulassen. Zwar ist dieser Zulassungsgrund zu bejahen, wenn das Gericht gegen die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von Willenserklärungen in einem Maße verstößt, dass die Entscheidung nicht mehr nachvollziehbar und damit objektiv willkürlich ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 2000 1 BvR 441/00, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 1200). Hiervon kann jedoch vorliegend keine Rede sein, da der Vorinstanz jedenfalls darin zuzustimmen ist, dass § 4 des Vertrags zwischen der Aufgabe des Einzelunternehmens (Satz 1) und der Kündigung des Vertrags (Satz 2) differenziert und deshalb auch nur im Wege der Vertragsauslegung eine Entscheidung darüber möglich ist, ob der Kläger im Falle der Unternehmensaufgabe --aufgrund der (nur) hierfür vereinbarten entsprechenden Anwendung des § 3 des Vertrags (betreffend laufende Gewinne und Verluste)-- von der Teilhabe an den stillen Reserven des Anlagevermögens (einschließlich des Geschäftswerts) ausgeschlossen war.
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3. Soweit der Kläger im Hinblick auf die dritte Erwägung der Vorinstanz (keine vereinbarungsgemäße Vertragsdurchführung; s. oben zu I.2.) Gründe für die Revisionszulassung vorträgt, ist hierauf nicht einzugehen. Der Vortrag vermag der Beschwerde bereits deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil das FG seine Entscheidung nicht nur auf die nach seiner Ansicht fehlende Durchführung des Vertrags, sondern --tragend-- auch auf die ersten beiden Urteilserwägungen gestützt (s. oben zu I.2.) und der Kläger hiergegen --wie erläutert (s. oben zu II.1. und II.2.)-- keine durchgreifenden Zulassungsgründe geltend gemacht hat (zur sog. kumulativen Urteilsbegründung s. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz 28, m.w.N.).
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