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BFH 23.03.2010 - IV B 28/09
BFH 23.03.2010 - IV B 28/09 - Grundsätzliche Bedeutung - Untervollmacht umfasst Empfangsvollmacht - Wirksame Zustellung an Unterbevollmächtigten
Normen
§ 62 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 80 Abs 1 AO, § 7 Abs 1 S 2 VwZG
Vorinstanz
vorgehend FG München, 27. Januar 2009, Az: 6 K 4404/06, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die (Prozess-)Vollmacht ermächtigt, sofern dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, auch zur Erteilung einer Untervollmacht.
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2. NV: Die Untervollmacht kann ebenso wie die Vollmacht formlos erteilt werden.
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3. NV: Die Zustellung an den Unterbevollmächtigten ersetzt die Zustellung an den Bevollmächtigten.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger unterhielt in den Streitjahren (1994 bis 1997) einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) ermittelt wurde. Seit dem 1. November 1994 erzielt der Kläger Einnahmen aus der Kompostierung von Bioabfall für den Landkreis X über die Y GbR. Die Einnahmen gab der Kläger in den Steuererklärungen der Streitjahre nicht an.
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Nach Bekanntwerden des Sachverhalts erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die Streitjahre geänderte Einkommensteuerbescheide und erfasste die Gewinne aus der Kompostierung gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
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Im Laufe des dagegen angestrengten Einspruchsverfahrens wechselten die Kläger den steuerlichen Berater. Nunmehr bevollmächtigten sie A mit der Vertretung in ihren steuerlichen Angelegenheiten. Die schriftlich beim FA eingereichte Vollmacht erstreckte sich daneben auch auf den Empfang der Verwaltungsakte und Mitteilungen des FA.
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Noch vor Erlass der Einspruchsentscheidung teilte B dem FA mit, dass die Einsprüche zur weiteren Bearbeitung an die zentrale Informationsabteilung für Steuern und Recht abgegeben worden seien. Da das Mandat erst kürzlich von der A übernommen worden sei, bat die B um Fristverlängerung zur Stellungnahme.
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Der weitere Schriftverkehr im Einspruchsverfahren wurde sodann ausschließlich mit der B geführt.
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Die Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2006 wurde der B am 13. Oktober 2006 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Die B leitete die Einspruchsentscheidung mit Fax vom 20. Oktober 2006 an die E Steuerberatungsgesellschaft z. Hd. Herrn C weiter. C ist der für A zuständige Steuerberater.
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Dagegen haben die Kläger, nunmehr vertreten durch die E, am 16. November 2006 per Telefax Klage erhoben. Die E erteilte ihrerseits B Untervollmacht zur Vertretung der Kläger im Prozess.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die einmonatige Klagefrist gemäß § 47 der Finanzgerichtsordnung (FGO) habe mit der Zustellung der Einspruchsentscheidung an die B am 13. Oktober 2006 begonnen und sei am 13. November 2006 abgelaufen. Die erst am 16. November 2006 erhobene Klage sei daher verfristet.
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Der Wirksamkeit der Zustellung der Einspruchsentscheidung an B stehe nicht entgegen, dass die dem FA vorliegende schriftliche Empfangsvollmacht auf die A laute. B sei das Mandat von der A übertragen worden. Da B während des gesamten weiteren Einspruchsverfahrens der Ansprechpartner des FA gewesen sei, habe dieses davon ausgehen können, dass auch die abschließende Einspruchsentscheidung an B zu richten gewesen sei. Die durch das Verhalten der B entstandene Anscheinsvollmacht werde nicht durch die schriftliche Empfangsvollmacht überlagert.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit der vorliegenden Beschwerde. Sie beantragen, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2005 IV B 62/04, BFH/NV 2006, 543, unter 1. der Gründe; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28).
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b) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine durch das Auftreten eines Berufsträgers entstandene Anscheinsvollmacht gegenüber den Finanzbehörden eine vom Steuerpflichtigen schriftlich erteilte Vollmacht überlagert, oder ob eine schriftlich erteilte Vollmacht von den Finanzbehörden vorrangig zu beachten ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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aa) Der Klärungsfähigkeit der so formulierten Rechtsfrage steht bereits entgegen, dass die Bevollmächtigung der B nach den Feststellungen des FG nicht auf einer Anscheinsvollmacht, sondern auf einer Untervollmacht der A beruht.
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Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Vertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und das FA annehmen durfte, dass der Vertretene das Handeln des vermeintlichen Vertreters billigt (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 80 AO Rz 10, m.w.N. zur Rechtsprechung). Im Streitfall hatten die Kläger aber Kenntnis von dem Handeln der B. Denn sie mussten sich die Kenntnis ihres Bevollmächtigten A zurechnen lassen. Nach den Feststellungen des FG hat die A der B die weitere Auseinandersetzung mit dem FA im Einspruchsverfahren übertragen. Diese Ausführungen können nur dahin verstanden werden, dass die A die ihr auf Grund der Vollmacht zustehende Vertretungsmacht auf die B übertragen hat. Die A war auf Grund der ihr eingeräumten Vollmacht auch ermächtigt, B eine Untervollmacht zu erteilen. Die Vollmacht ermächtigt gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus dem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Aufgrund dieser weiten Ermächtigung ist davon auch das Recht zur Erteilung einer Untervollmacht umfasst (vgl. zum Umfang der insoweit vergleichbaren Prozessvollmacht: Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 62 FGO Rz 19). Der von den Klägern der A erteilten Vollmacht, deren Inhalt das FG festgestellt hat, ist eine entsprechende Einschränkung nicht zu entnehmen. Ebenso wie die Vollmacht kann auch die Untervollmacht formlos erteilt werden (§ 80 Abs. 1 Satz 3 AO). Dass die B ohne entsprechende Unterbevollmächtigung im Verwaltungsverfahren aufgetreten ist, wird von ihr weder behauptet, noch lässt sich dies den Verfahrensakten entnehmen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl das FA als auch das FG irrtümlich von dem Vorliegen einer Anscheinsvollmacht ausgegangen sind.
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bb) Ausgehend von dem Vorliegen einer Untervollmacht kommt der Rechtssache auch deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage der Wirksamkeit der Zustellung der Einspruchsentscheidung an B eindeutig im Sinne der Vorentscheidung zu beantworten ist.
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Wählt das FA, wie im Streitfall, die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung mittels Zustellung, muss diese gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) an den Bevollmächtigten gerichtet werden, wenn dieser eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Da A eine schriftliche Vollmacht zu den Akten des FA gereicht hatte, war die Zustellung der Einspruchsentscheidung grundsätzlich an sie und nicht an die Kläger zu richten. Mit der Zustellung der Einspruchsentscheidung an B ist dem Zustellungserfordernis gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG aber Genüge getan. Denn mit der Erteilung der Untervollmacht hat A zugleich ihre Empfangsvollmacht auf B übertragen. Die Zustellung der Einspruchsentscheidung an B ist deshalb der A zuzurechnen, sie gilt mithin i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG als an A gerichtet.
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2. Aus den Ausführungen unter 1. folgt zugleich, dass eine Revisionszulassung ebenfalls nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alterna-tive FGO) in Betracht kommt.
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