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BFH 17.02.2010 - VII R 41/08
BFH 17.02.2010 - VII R 41/08 - Steuererstattung bei als rechtsstaatswidrig aufgehobenem DDR-Steuerbescheid
Normen
§ 37 Abs 2 AO, § 1 Abs 7 VermG, § 1 Abs 1 S 2 VwRehaG, Art 19 S 2 EinigVtr
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. August 2008, Az: 3 K 2037/05, Urteil
Leitsatz
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Die Erstattung in der DDR gezahlter Steuern, deren Rechtsgrund durch Aufhebung des als rechtsstaatswidrig erkannten Verwaltungsakts gemäß Art. 19 Satz 2 EinigVtr entfallen ist, richtet sich nicht nach § 37 Abs. 2 AO, sondern nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG). § 1 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes schließt die Anwendung des § 1 Abs. 7 VermG auf die Rückgabe von Vermögenswerten im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen steuerrechtlichen Entscheidungen nicht aus .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die ein Unternehmen im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) betrieb, wurde 1964 liquidiert. Auf einen anlässlich der Liquidation entstandenen Buchgewinn wurden mit Bescheid vom 17. August 1965 Steuern (Körperschaft- und Gewerbesteuer) festgesetzt, die zum Teil durch Verwertung von Forderungen beglichen, zum Teil erlassen wurden.
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Auf Antrag der Klägerin hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Januar 1998 den Steuerbescheid vom 17. August 1965 gemäß Art. 19 Satz 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag --EinigVtr--) vom 31. August 1990 (BGBl II 1990, 889) auf, lehnte jedoch die Erstattung der entrichteten Steuern ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, dass der Erstattungsanspruch durch einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids geltend zu machen sei. Der daraufhin auf Antrag der Klägerin unter dem 18. April 2005 erlassene Abrechnungsbescheid wies aus der Aufhebung des Steuerbescheids vom 17. August 1965 zu erstattende Steuern und Nebenleistungen in Höhe von 0 € aus.
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Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG wiederum ab. Das FG urteilte, dass Art. 19 Satz 2 EinigVtr nur eine Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Verwaltungsakten sei, jedoch keinen Anspruch auf Erstattung aufgrund des aufgehobenen Verwaltungsakts erbrachter Leistungen begründe. Ein solcher Anspruch sei vielmehr nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGBl I 2005, 205) geltend zu machen, denn gemäß § 1 Abs. 7 VermG, der als spezialgesetzliche Regelung die Anwendung des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ausschließe, gelte das VermG entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen stehe. "Verwaltungsrechtliche Entscheidungen" seien alle von Verwaltungsstellen der DDR getroffenen Entscheidungen. Sei eine rechtsstaatswidrige verwaltungsrechtliche Entscheidung aufgehoben worden, werde die auf dieser Entscheidung beruhende Vermögensverschiebung durch die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen nach Maßgabe des VermG rückabgewickelt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des später erlassenen Gesetzes über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz --VwRehaG--) vom 23. Juni 1994 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl I 1997, 1620) Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen von diesem Gesetz nicht erfasst würden, denn Art. 19 Satz 2 EinigVtr gelte gleichwohl als "andere Vorschrift" i.S. des § 1 Abs. 7 VermG weiter.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass das VwRehaG auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen keine Anwendung finde und damit --auch nach Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)-- ebenso die Anwendbarkeit des VermG entfalle. Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 37 Abs. 2 AO.
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Das FA ist der Ansicht, dass sich der Erstattungsanspruch nach dem VermG richte, was auch durch den Umstand, dass das VwRehaG auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen keine Anwendung finde, nicht infrage gestellt werde.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Die Klägerin hat keinen durch Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) auszuweisenden Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Erstattung in der DDR gezahlter Steuern, deren Rechtsgrund durch Aufhebung des als rechtsstaatswidrig erkannten Verwaltungsakts entfallen ist, nicht nach § 37 Abs. 2 AO, sondern nach den Vorschriften des VermG zu erfolgen hat, denn das VermG enthält für die Erstattung gezahlter Steuern aufgrund von Verwaltungsakten der DDR, die nach dem Beitritt als rechtsstaatswidrig aufgehoben worden sind, eine spezialgesetzliche Grundlage.
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Nach § 1 Abs. 7 VermG gilt das Gesetz entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger (u.a.) verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Februar 1999 7 C 9.98, BVerwGE 108, 315), der der erkennende Senat folgt, handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine Rechtsfolgenverweisung, welche die nach anderen Wiedergutmachungs- oder Rehabilitierungsvorschriften begründete Pflicht zur Rückgabe von Vermögenswerten den Regelungen des VermG unterwirft. Wird eine rechtsstaatswidrige Vermögensentziehung nicht nach dem VermG, sondern aufgrund anderer Vorschriften aufgehoben, soll der entsprechende Herausgabeanspruch des Geschädigten aus Gründen der Gleichbehandlung gleichwohl denselben Beschränkungen wie ein durch das VermG begründeter Rückgewähranspruch unterliegen. Ist also auf einer ersten Stufe eine (u.a.) verwaltungsrechtliche Entscheidung der DDR, die zu einer Vermögensentziehung geführt hat, als rechtsstaatswidrig aufgehoben worden und steht damit der Rückgewähranspruch des Geschädigten dem Grunde nach fest, wird auf der zweiten Stufe die nunmehr rechtsgrundlose Vermögensentziehung nach Maßgabe des VermG von den insoweit zuständigen Behörden rückabgewickelt.
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Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 VermG liegen im Streitfall vor. Zu den "anderen Vorschriften" im Sinne dieser Vorschrift gehören nicht nur diejenigen des VwRehaG, welches nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 2 auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen und auf Maßnahmen, die vom VermG oder vom Entschädigungsrentengesetz erfasst werden, keine Anwendung findet, sondern auch Art. 19 Satz 2 EinigVtr. Dies ergibt sich --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- aus der Entstehungsgeschichte des VwRehaG. Nach der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht hatte sich Art. 19 Satz 2 EinigVtr als Rechtsgrundlage für die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen bewährt und sollte hierfür auch nach dem Inkrafttreten des VwRehaG bestehen bleiben, weshalb die Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf steuerrechtliche Entscheidungen der DDR für nicht erforderlich gehalten wurde (BTDrucks 12/4994, S. 22). Anders als die Revision meint, lässt sich somit aus der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG nicht schließen, dass die vermögensrechtliche Rückabwicklung rechtsstaatswidriger Steuerbescheide der DDR, die nach Art. 19 Satz 2 EinigVtr aufgehoben wurden, nicht in den Anwendungsbereich des VermG fällt.
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Mit der Rückzahlung der aufgrund des Bescheids vom 17. August 1965 gezahlten Steuern begehrt die Klägerin somit die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der Aufhebung einer rechtsstaatswidrigen verwaltungsrechtlichen Entscheidung nach "anderen Vorschriften" (andere als solche des VermG), nämlich nach Art. 19 Satz 2 EinigVtr, steht. Dass der Bescheid vom 17. August 1965 --wie das FG geurteilt hat-- eine "verwaltungsrechtliche Entscheidung" ist, hält der erkennende Senat für zweifelsfrei. Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG geregelte Ausschluss steuerrechtlicher Verwaltungsentscheidungen lässt sich --insbesondere in Anbetracht der vorstehend erwähnten Motive des Gesetzgebers-- auf § 1 Abs. 7 VermG nicht übertragen.
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Der mit Schreiben des BMF vom 27. April 2006, auf das sich die Revision beruft, vertretenen Ansicht, wonach das VermG auf Maßnahmen der Steuerverwaltung der DDR grundsätzlich keine Anwendung findet, vermag sich der Senat aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen. Zweifelhaft ist überdies, ob das BMF mit dieser Aussage überhaupt Fälle der vorliegenden Art, in denen der Steuerbescheid nach Art. 19 Satz 2 EinigVtr aufgehoben worden ist, gemeint hat, denn das BMF führt lediglich aus, dass das VwRehaG auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen keine Anwendung findet und dass deshalb auch keine Rückgewähr der Steuern nach dem VermG möglich ist. Dem ersten Satz in Abs. 5 dieses Schreibens kann aber entnommen werden, dass das BMF eine Anwendung des VermG für möglich hält, wenn der DDR-Steuerbescheid nach Art. 19 Satz 2 EinigVtr aufgehoben worden ist.
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Ob die Klägerin nach dem VermG einen Anspruch auf Rückgewähr des aufgrund des inzwischen aufgehobenen Bescheids vom 17. August 1965 gezahlten Steuerbetrags hat, ist mangels Rechtswegzuständigkeit (§ 33 FGO) vom erkennenden Senat nicht zu entscheiden.
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