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BAG 16.06.2021 - 10 AZR 208/20
BAG 16.06.2021 - 10 AZR 208/20 - Zulässigkeit der Revision - ordnungsgemäße Revisionsbegründung - Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 72 Abs 5 ArbGG, § 74 Abs 1 S 1 ArbGG, § 74 Abs 1 S 3 ArbGG, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO, § 559 Abs 1 ZPO, VTV-Bau
Vorinstanz
vorgehend ArbG Wiesbaden, 17. Oktober 2018, Az: 11 Ca 1927/16, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 24. Januar 2020, Az: 10 Sa 71/19 SK, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2020 - 10 Sa 71/19 SK - wird als unzulässig verworfen.
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2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
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Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Er begehrt von dem Beklagten - soweit für die Revision von Interesse - Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für die Zeit von Januar 2015 bis Dezember 2016 in Höhe von 27.213,99 Euro. Der Kläger stützt sich dafür auf den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF vom 10. Dezember 2014 (VTV 2014) und idF vom 24. November 2015 (VTV 2015). Beide Verfahrenstarifverträge wurden für allgemeinverbindlich erklärt.
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Der Beklagte unterhielt im Streitzeitraum als Einzelunternehmer einen Gewerbebetrieb in Mönchengladbach. In seinem Briefkopf warb er mit den Tätigkeiten „Verkauf von Fliesen, Naturstein, Teppichböden, PVC, Laminat und Fertigparkett, Verlegearbeiten, Sanierung, Trockenbau, Handelsvertretung“. Im Gewerberegister der Stadt Mönchengladbach ist der Betrieb mit den Tätigkeiten eingetragen: Handelsvertretungen, Verkauf von Teppichböden und Zubehör, Bodenleger (Verlegen von Linoleum-, Kunststoff- und Gummiböden), Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Estrich- und Parkettleger.
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Der Kläger hat behauptet, die Beschäftigten des Beklagten hätten im streitigen Zeitraum Bodenbeläge einschließlich Parkett verlegt, Schreinerarbeiten versehen, Mineralakustikdeckenplatten montiert, Trockenbauarbeiten ausgeführt, Holz- und Bautenschutz vorgenommen, Dachdeckerarbeiten verrichtet und Balkone saniert. Darüber hinaus hätten sie Elektro- und Silikonarbeiten versehen, Fliesen und Platten verlegt, Maler- und Lackiererarbeiten sowie Entrümpelungen durchgeführt. Der Beklagte habe keine Fachleute aus dem Handwerksbereich beschäftigt.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte unterliege der Beitragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft. Er unterfalle dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge, weil die beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer überwiegend Tätigkeiten baugewerblicher Natur versehen hätten. Auch Malerarbeiten seien vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst. Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII der Verfahrenstarifverträge seien nicht erfüllt.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision erheblich - beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 27.213,99 Euro zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, im Betrieb des Beklagten seien überwiegend Malerarbeiten durchgeführt worden. Dabei habe es sich um einfache Arbeiten gehandelt, die ohne Vorqualifikation zu leisten gewesen seien. Das Gewerbe sei nicht gefahrgeneigt.
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Der Beklagte hat deshalb gemeint, der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei nicht eröffnet. Malerarbeiten stellten nicht „per se Arbeiten aus dem Bereich des Baus oder der Baunebentätigkeiten“ dar. Zudem sei nicht erklärbar, warum „malerische Arbeiten“ nur als solche gälten, wenn sie durch Fachpersonal versehen würden.
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Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für den Beitragszeitraum der Kalenderjahre 2015 und 2016 zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
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I. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionskläger muss darlegen, weshalb er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens. Es reicht auch nicht aus, wenn der Revisionskläger die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt. Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will (BAG 12. Januar 2021 - 4 AZR 271/20 - Rn. 10 mwN).
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II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Beklagten nicht gerecht.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte unterliege der Beitragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft. Der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei eröffnet. Im entscheidungserheblichen Zeitraum seien im Betrieb des Beklagten überwiegend Malertätigkeiten versehen worden. Der Beklagte könne sich jedoch nicht auf § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 der Verfahrenstarifverträge berufen, wonach Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks nicht erfasst seien. Bei Malerarbeiten handle es sich um „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“, die auch von Betrieben des Baugewerbes erledigt würden. Für die Abgrenzung von Malerhandwerk und Baugewerbe sei vorrangig an die Ausbildung des Betriebsinhabers oder der beschäftigten Arbeitnehmer anzuknüpfen. Bei Betrieben - wie dem des Beklagten -, in denen mindestens zu 50 % Arbeiten erbracht würden, die typisch für ein Ausnahmehandwerk wie zB das Malerhandwerk seien, sei die Zuordnung allein auf der Grundlage der im Betrieb fehlenden Ausbildung nicht eindeutig. Daher sei eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in die alle Umstände des Einzelfalls einzustellen seien. Dabei seien auch andere Kriterien als die Ausbildung erheblich. Nach dieser Gesamtbetrachtung unterfalle der Betrieb des Beklagten den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes.
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2. Mit der tragenden Begründung des Landesarbeitsgerichts, für die Abgrenzung von Baugewerbe einerseits sowie Maler- und Lackiererhandwerk andererseits komme es auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls an, setzt sich die Revision im Schriftsatz vom 29. Mai 2020 nicht auseinander.
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a) Die Revision führt zwar aus, dass die im Betrieb des Beklagten versehenen Arbeiten als einfache Tätigkeiten zu qualifizieren seien und es für die Einordnung eines Betriebs in das Malerhandwerk nicht auf die Qualifikation des Personals ankomme. Mit diesem Vortrag geht die Revision jedoch nicht auf die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gesamtbetrachtung aller Einzelfallumstände ein.
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b) Soweit die Revision ausführt, Malerarbeiten seien nicht per se als baugewerbliche Tätigkeiten zu bewerten, drückt sie eine bloße Rechtsansicht aus, ohne sich mit der Argumentation im Berufungsurteil zu befassen. Gleiches gilt für die Äußerung, Betriebe, die Malerarbeiten in einem beschränkten einfachen Bereich anböten, seien dem Malerhandwerk zuzurechnen.
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c) Die Zulässigkeit der Revision ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte ordnungsgemäße Verfahrensrügen erhoben hätte.
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aa) Eine Verfahrensrüge kann darauf gestützt werden, der verfassungsrechtliche Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt. Besteht die Rüge darin, Sachvortrag sei übergangen worden, ist in der Revisionsbegründung anzugeben, welchen konkreten Sachvortrag das Berufungsgericht übergangen haben soll, und dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Sofern sich das nicht aus der Art des gerügten Verfahrensfehlers von selbst ergibt, ist dafür darzulegen, dass das Landesarbeitsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte (BAG 18. November 2019 - 4 AZR 105/19 - Rn. 18).
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bb) Dem entsprechen die Ausführungen auf Seite 2 der Revisionsbegründung nicht. Soweit der Beklagte dort Tatsachen unter Beweis stellt, legt er nicht dar, dass es sich insoweit um Tatsachenvortrag von hinreichender Substanz handelt, der bereits in den Tatsacheninstanzen vorgebracht und vom Landesarbeitsgericht übergangen worden ist. Ebenso führt er nicht aus, dass bei zutreffender Behandlung möglicherweise eine andere Entscheidung ergangen wäre. Sofern in dem Vorbringen lediglich neuer Sachvortrag in der Revisionsinstanz liegen sollte, könnte der Senat ihn mit Blick auf § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 559 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigen. Schon deshalb können diese Ausführungen nicht dazu beitragen, dass die Revision zulässig ist.
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3. An diesem Ergebnis können die weiteren Schriftsätze des Beklagten vom 4. Januar, 25. Mai und 27. Mai 2021 nichts ändern. Nach Ablauf der nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 3 ArbGG verlängerten Frist zur Begründung der Revision mit dem 4. Juni 2020 war eine den aufgezeigten Erfordernissen Rechnung tragende Ergänzung der Begründung ausgeschlossen. Materiell-rechtliche Sachrügen können nur „nachgeschoben“ werden, wenn die Revision zulässig ist (BAG 31. Juli 2018 - 3 AZR 386/17 - Rn. 15; 18. Juli 2017 - 1 AZR 555/15 - Rn. 13 mwN).
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III. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Pulz
Pessinger
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