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BSG 05.06.2014 - B 5 R 11/14 BH
BSG 05.06.2014 - B 5 R 11/14 BH - Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Zulässigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts über eine unzulässige Wiederaufnahmeklage durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung
Normen
§ 12 Abs 1 S 2 SGG, § 33 Abs 1 S 2 SGG, § 124 Abs 3 SGG, § 153 Abs 1 SGG, § 158 S 1 SGG, § 158 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 179 Abs 1 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, § 579 ZPO, § 580 ZPO, § 585 ZPO, § 589 Abs 1 S 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Ulm, 30. Oktober 2012, Az: S 10 R 1903/12, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 7. Februar 2014, Az: L 10 R 4606/13 WA, Beschluss
Tenor
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Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Februar 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
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Mit Beschluss vom 7.2.2014 hat das LSG Baden-Württemberg die Restitutions- und Nichtigkeitsklage der Klägerin gegen das rechtskräftige Berufungsurteil vom 18.7.2013 als unzulässig verworfen und damit gleichzeitig die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 10 R 4927/12 abgelehnt, in dem die Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 22.11.2004 im Zugunstenverfahren geltend gemacht hatte.
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Um das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss durchzuführen, hat die Klägerin beim BSG beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) "zur Bestellung eines zugelassenen Prozessbevollmächtigten" zu bewilligen.
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Dieser Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin erfolgreich zu begründen.
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Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
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Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.
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I. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Zulassung der Revision gegen den angegriffenen Beschluss auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht ersichtlich.
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II. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
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III. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
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1. Es ist nicht erkennbar, dass das LSG verfahrensfehlerhaft eine Prozessentscheidung erlassen haben könnte, anstatt eine Sachentscheidung zu treffen (vgl dazu BSG Urteil vom 6.3.1975 - 7 RAr 114/74 - BSGE 39, 200, 201 = SozR 1500 § 144 Nr 3 S 8 und Beschluss vom 28.11.2007 - B 11a/7a AL 34/07 B - SozR 4-1500 § 151 Nr 3 RdNr 10). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin einen der in § 179 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO genannten Wiederaufnahmegründe schlüssig dargelegt hat und die Wiederaufnahmeklage deshalb zulässig sein könnte. Vor allem ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin weder, dass sie im Berufungsverfahren "nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war" (§ 579 Nr 4 ZPO), noch, dass dort eine bislang unbekannte Urkunde nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt worden ist (§ 580 Nr 7b ZPO), wie das LSG zu Recht ausführt.
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2. Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass das LSG über die - unzulässige - Wiederaufnahmeklage ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 158 S 1 und 2 SGG entschieden hat. Entscheidungen des LSG, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 153 Abs 1, § 124 Abs 3 SGG). Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 33 Abs 1 S 2 iVm § 12 Abs 1 S 2 SGG). Über die unzulässige Wiederaufnahmeklage durfte das Berufungsgericht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, sodass es nur mit den Berufsrichtern vorschriftsmäßig besetzt war und kein absoluter Revisionsgrund iS von § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO vorliegt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 10; Nr 2 RdNr 10; Nr 6 RdNr 8; SozR 4-1500 § 153 Nr 12). Dies folgt aus § 179 Abs 1 SGG iVm § 585 ZPO und entsprechender Anwendung von § 158 S 1 und S 2 SGG. Das Vierte Buch der ZPO (§§ 578 ff ZPO), auf das § 179 Abs 1 SGG verweist, enthält keine Bestimmung darüber, in welcher Form die gerichtliche Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage zu ergehen hat. § 589 Abs 1 S 2 ZPO normiert zwar, dass eine unzulässige Wiederaufnahmeklage zu verwerfen ist, sieht aber keine Regelung vor, ob dies durch Beschluss oder Urteil zu erfolgen hat. § 585 ZPO bestimmt lediglich, dass für das weitere Verfahren die allgemeinen Vorschriften entsprechend gelten. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass sich für das sozialgerichtliche Verfahren die Entscheidung im Beschlusswege verbieten würde. Vielmehr ist § 158 S 1 SGG, der nach seinem Wortlaut nur die unzulässige Berufung erfasst, auf die unzulässige Wiederaufnahmeklage entsprechend anzuwenden (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 6 RdNr 13 mwN). Denn die Ablehnung eines unzulässigen Wiederaufnahmeantrags rechtfertigt kein aufwändigeres Verfahren als die Entscheidung über die Berufung selbst (BSG aaO, RdNr 16). Zudem existiert kein prozessualer Rechtssatz, wonach über die Wiederaufnahmeklage immer in jener Form zu entscheiden wäre, die das Berufungsgericht für die Entscheidung im vorausgegangen Berufungsverfahren gewählt hat (BSG aaO).
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Da der Klägerin somit PKH nicht zu bewilligen war, hat sie nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.
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