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BSG 06.03.2013 - B 6 KA 6/12 C
BSG 06.03.2013 - B 6 KA 6/12 C - Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - Gewährung rechtlichen Gehörs
Normen
§ 62 SGG, § 178a Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 178a Abs 2 S 1 SGG, § 178a Abs 2 S 5 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 18. April 2007, Az: S 2 KA 37/07, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Saarland, 1. Oktober 2010, Az: L 3 KA 23/07, Urteil
Tenor
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Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Oktober 2012 - B 6 KA 42/11 R - wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
Gründe
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I. Die Klägerin wendet sich gegen die Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen für den Beigeladenen zu 3. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision der Klägerin mit Urteil vom 17.10.2012 zurückgewiesen, weil der Widerspruch der Klägerin nicht fristgerecht eingelegt worden war. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 30.10.2012 erhobene Anhörungsrüge.
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II. Die Anhörungsrüge der Klägerin, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung und dementsprechend ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheiden kann (§ 12 Abs 1 Satz 2 iVm § 124 Abs 3 SGG; s dazu BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 RdNr 16 f; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f), hat keinen Erfolg, denn sie ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet.
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Für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge ist erforderlich, dass ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), dass die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben (§ 178a Abs 2 Satz 1 SGG) und dass eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung dargelegt wird (§ 178a Abs 2 Satz 5 SGG). Die ersten beiden Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin konnte insbesondere bereits nach Verkündung des Urteils zulässig eine Anhörungsrüge erheben. Anders verhält es sich mit der dritten Voraussetzung. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin mit ihrem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) durch das Urteil des Senats vom 17.10.2012 schlüssig dargetan hat. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
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Zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gehört grundsätzlich auch das Recht der Beteiligten darauf, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt sowie zu der relevanten Rechtslage zu äußern (vgl zB BVerfGE 86, 133, 144). Dabei hat das Gericht zwar nicht die Pflicht, seine Auffassung zur Sach- und Rechtslage vor der Entscheidung zu erkennen zu geben. Jedoch darf ein Urteil nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, mit denen die Beteiligten nicht haben rechnen müssen. Daraus können sich Hinweispflichten des Gerichts ergeben (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 62 RdNr 8a ff mwN). In der mündlichen Verhandlung dient auch die Darstellung des Sachverhalts (§ 112 Abs 1 Satz 2 SGG), die Anhörung der Beteiligten (§ 112 Abs 2 Satz 1 SGG) und die Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses mit den Beteiligten (§ 112 Abs 2 Satz 2 SGG) der Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190). Darüber hinaus soll dieses Verfahrensgrundrecht sicherstellen, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (vgl BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Aus ihm ergibt sich zwar keine Pflicht des Prozessgerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Die Beteiligten müssen aber ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen innerhalb angemessener Zeit haben. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl BVerfGE aaO), zB wenn ein Gericht - ohne entsprechende Beweisaufnahme - das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nicht existent behandelt (vgl BVerfGE 22, 267, 274) oder wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, es sei denn, der Tatsachenvortrag ist nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich (BVerfGE 86, 133, 146). Art 103 Abs 1 GG schützt indes nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - BVerfGK 14, 238 = WM 2008, 2084 f, unter Hinweis auf BVerfGE 64, 1, 12 und BVerfGE 87, 1, 33 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 4).
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Soweit die Klägerin rügt, der Senat habe den Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass er völlig überraschend eine generelle Ausschlussfrist von nur einem Jahr ab Zusicherung/Erteilung des Versorgungsauftrages bestimmt habe, trifft dies bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht zu. Die Klägerin räumt selbst ein, dass die Frage der Verfristung im Verwaltungsverfahren und im gesamten gerichtlichen Verfahren thematisiert worden ist. Sie ist auch in der mündlichen Verhandlung am 17.10.2012 ausführlich besprochen worden, was die Klägerin ebenfalls nicht in Abrede stellt. Zutreffend weist die Klägerin auch darauf hin, dass ein Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG in baurechtlichen Nachbarschaftsstreitigkeiten erfolgt ist. Auch daraus ergab sich ohne Weiteres die nähere Erörterung einer Jahresfrist und der Folgen einer Fristversäumnis. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin vorgetragen, von der Erteilung der Sonderbedarfszulassung und der Zusicherung und Erteilung des Versorgungsauftrags keine Kenntnis gehabt zu haben. Die rechtlich maßgeblichen Gesichtspunkte waren damit Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Abgesehen davon, dass der Senat weder verpflichtet noch berechtigt war, in der mündlichen Verhandlung die rechtliche Qualifizierung der Jahresfrist abschließend zu beurteilen, war nach dem Gang der Verhandlung für die rechtskundigen Vertreter der Beteiligten deutlich, dass die Jahresfrist und ihre Einhaltung voraussichtlich von entscheidender Bedeutung sein würden. Dass hierzu keine Gelegenheit zur Stellungnahme bestand, behauptet die Klägerin zu Recht nicht. Soweit sie meint, ihr diesbezüglicher Vortrag sei nicht zur Kenntnis genommen worden, fehlt es dafür an Anhaltspunkten. Sie verkennt zum einen, dass die Gerichte nicht verpflichtet sind, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; es muss nur das Wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (stRspr des BVerfG, s zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - BVerfGK 13, 303 = Juris RdNr 9 ff mwN; Beschluss vom 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04 - BVerfGK 7, 485, 488). Zum anderen zeigt schon der Umstand, dass der Senat für den Beginn der Jahresfrist auf die tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit abstellt, die Berücksichtigung möglicher praktischer Hindernisse für eine Kenntnisnahme. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin hat der Senat abgewogen gegen die Interessen des Beigeladenen zu 3. Auf die konkrete Kenntnis der Klägerin kam es danach nicht mehr an. Dass der Senat insofern der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.
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Die Ausführungen der Klägerin zur Begründung einer Gehörsverletzung zielen letztlich darauf ab, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu beanstanden. Sie hält die Ausschlussfrist für rechtswidrig und unpraktikabel und begründet erneut, warum sie keine Kenntnis von der Zulassung des Beigeladenen zu 3. und der Erteilung eines Versorgungsauftrags haben konnte. Auch ihr Vortrag, es hätte Vertrauensschutz gewährt werden müssen, betrifft allein die sachliche Entscheidung des Senats und nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör. Gleiches gilt für das Vorbringen, der Senat schütze überraschend und einseitig den neu zugelassenen Dialysearzt. Damit ist nicht dargetan, dass die Klägerin keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu entscheidungserheblichen Gesichtspunkten gehabt hätte. Eine Gewähr dafür, dass Anträgen und Auffassungen eines Beteiligten gefolgt wird, bietet der Anspruch auf rechtliches Gehör aber nicht (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 13).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos eingelegten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Die Festsetzung eines gesonderten Streitwerts für das Anhörungsverfahren ist entbehrlich, da als Gerichtsgebühr ein fester Betrag anfällt, der nicht nach dem Streitwert bemessen wird (Nr 7400 des Kostenverzeichnisses - Anlage 1 - zum GKG).
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