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BVerfG 19.11.2020 - 1 BvR 856/20
BVerfG 19.11.2020 - 1 BvR 856/20 - Verwerfung einer Gegenvorstellung gegen die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde - keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - offensichtlich unzulässiges Rechtsmittel (hier: zivilprozessuale Nichtzulassungsbeschwerde bei Streitwert unter Erwachsenheitssumme des § 26 Nr 8 S 1 EGZPO aF) hält Beschwerdefrist nicht offen
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG, § 544 ZPO, § 26 Nr 8 S 1 ZPOEG vom 21.06.2018
Vorinstanz
vorgehend BVerfG, 22. September 2020, Az: 1 BvR 856/20, Kammerbeschluss ohne Begründung
vorgehend BGH, 9. März 2020, Az: VI ZR 124/18, Beschluss
vorgehend KG Berlin, 22. Februar 2018, Az: 10 U 47/17, Beschluss
vorgehend LG Berlin, 4. Mai 2017, Az: 27 O 585/16, Urteil
Tenor
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Die Gegenvorstellung vom 5. Oktober 2020 und 26. Oktober 2020 gegen den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. September 2020 - 1 BvR 856/20 - wird verworfen.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer wandte sich mit seiner ursprünglichen Verfassungsbeschwerde gegen die im Rubrum benannten Entscheidungen, mit denen die Fachgerichte eine den Beschwerdeführer, der bundesweit unter seinem Künstlernamen bekannt ist, mit bürgerlichem Namen identifizierende Berichterstattung anlässlich eines Gewaltschutzverfahrens für zulässig erachteten.
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In der beim Landgericht Berlin eingereichten Klageschrift gab der Beschwerdeführer den Streitwert seiner Unterlassungsklage mit "20.000,00 Euro" an. Das Landgericht wies die Klage mit Urteil vom 4. Mai 2017 ab. Das vom Beschwerdeführer zum Kammergericht eingelegte Rechtsmittel blieb erfolglos; das Kammergericht wies die Berufung mit Beschluss vom 22. Februar 2018 zurück. Landgericht und Kammergericht setzten den Streitwert jeweils auf "20.000,00 Euro" fest. In der gegen die Entscheidung des Kammergerichts erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ließ der Beschwerdeführer ausführen, diese sei nach § 26 Nr. 8 EGZPO a.F. zulässig, obwohl er den Streitwert mit lediglich 20.000 Euro angegeben und sich im weiteren Verlauf nicht dagegen gewehrt habe, dass sowohl Landgericht als auch Kammergericht den Streitwert dieser Angabe entsprechend festgesetzt hätten; richtigerweise sei aber von einem Streitwert von mindestens 22.500 Euro auszugehen. Der Bundesgerichtshof verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 9. März 2020, weil der Wert der vom Beschwerdeführer mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht übersteige (§ 26 Nr. 8 EGZPO a.F.; § 544 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO). Mit Fax vom 14. April 2020 hat der Beschwerdeführer gegen die im Rubrum genannten Entscheidungen Verfassungsbeschwerde erhoben.
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Mit Beschluss vom 22. September 2020 nahm die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts seine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil sie nicht binnen Monatsfrist nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erhoben worden ist.
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Dagegen hat der Beschwerdeführer unter dem 5. Oktober 2020 eine Anhörungsrüge erhoben und vorgetragen, die Einlegung seiner Verfassungsbeschwerde sei fristgerecht erfolgt, weil ihm der Beschluss des Bundesgerichtshofs am 12. März 2020 zugestellt worden sei, so dass unter Berücksichtigung der gesetzlichen Feiertage Ostersonntag und Ostermontag die Monatsfrist erst am 14. April 2020 abgelaufen sei.
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Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2020 bat der Beschwerdeführer darum, den Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 als Gegenvorstellung zu verstehen, und trug ergänzend vor, er habe mit Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den Rechtsweg erschöpfen wollen. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht offensichtlich unzulässig gewesen.
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II.
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Der als Gegenvorstellung zu wertende Antrag des Beschwerdeführers ist zu verwerfen.
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Nichtannahmeentscheidungen der Kammern sind unanfechtbar und können auf Gegenvorstellungen hin grundsätzlich durch die Kammer selbst nicht mehr abgeändert werden. Nach Erschöpfung des Rechtswegs und Durchführung des Annahmeverfahrens besteht ein erhebliches Interesse an einer endgültigen Beendigung des Verfahrens, das der Zulässigkeit weiterer gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelfe grundsätzlich entgegensteht. Es kann dahinstehen, ob ausnahmsweise eine Abänderungskompetenz der Kammer besteht, wenn bei der Entscheidung entscheidungserheblicher, dem Bundesverfassungsgericht vorliegender Prozessstoff in einer Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise außer Acht geblieben ist (vgl. Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Betghe, BVerfGG, Stand Juli 2020, § 93b Rn. 19). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Februar 2008 - 2 BvR 256/08 -; vom 13. Juli 2016 - 2 BvR 1304/14 -; vom 1. Februar 2017 - 2 BvR 2148/16 - und Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2019 - 2 BvR 2255/17 -; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Juni 2020 - 1 BvR 1586/14 -).
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Soweit der Beschwerdeführer betreffend das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung auf die Entscheidung BVerfGE 16, 1 2 ff.> verweist, trägt seine Argumentation nicht. Zwar wird das Gebot der vorgängigen Erschöpfung des Rechtswegs durch den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit begrenzt. Die Einlegung eines Rechtsmittels ist zumutbar, wenn dessen Zulässigkeit unterschiedlich beurteilt werden kann. In diesem Fall setzt auch eine Zurückweisung des Rechtsmittels als unzulässig die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG neu in Lauf. Bei offensichtlich unzulässigen Rechtsmitteln ist dies jedoch gerade nicht der Fall (vgl. bereits BVerfGE 5, 17 19 f.>). So liegt es hier. Dem Beschwerdeführer, jedenfalls seiner Verfahrensbevollmächtigten, war bekannt, dass nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO a.F. "die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht nur zulässig ist, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro übersteigt". Der Beschwerdeführer hat zugestanden, einen Wert von 20.000 Euro selbst angegeben und sich gegen die antragsgemäßen Wertfestsetzungen der Instanzgerichte nicht gewehrt zu haben.
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht hinsichtlich der sogenannten rügelosen Wertfestsetzung keine Uneinigkeit zwischen den Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs. Dass eine nachträgliche Korrektur des Streitwerts für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen sei, erkannte bereits 2009 der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 26. November 2009 - III ZR 116/09 -, NJW 2010, S. 681). Dieser Bewertung schloss sich mit Entscheidung vom 8. März 2012 der I. Zivilsenat an (Az. I ZR 160/11, GRUR-RR 2012, S. 232) und bekräftigte sie mit Beschluss vom 10. Mai 2012 (Az. I ZR 160/11, GRUR-RR 2012, S. 496). Dieser Rechtsprechung schlossen sich der II. Zivilsenat (Beschlüsse vom 24. Juni 2014 - II ZR 195/13 -, BeckRS 2014, S. 13950, und vom 29. Juli 2014 - II ZR 73/14 -, juris), der VII. Zivilsenat (Beschlüsse vom 16. Mai 2013 - VII ZR 253/12 -, NJW-RR 2013, S. 1402 und vom 19. Februar 2015 - VII ZR 176/14 -, BauR 2015, S. 1009), der VIII. Zivilsenat (Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14 -, juris) sowie der vom Beschwerdeführer angerufene VI. Zivilsenat (Beschluss vom 14. Juli 2015 - VI ZA 11/15 -, juris) an. Dass es der V. Zivilsenat in zwei Entscheidungen habe dahinstehen lassen, ob es einem Kläger verwehrt sei, seine vorinstanzlichen Angaben zum Streitwert im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu korrigieren, begründet keine unterschiedliche Bewertung der (Un-)Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde bei Unterschreiten des Beschwerdewertes.
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Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde war offensichtlich unzulässig im Sinne der zuvor genannten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Der Beschwerdeführer konnte nach dem Stand der Rechtsprechung bei Einlegung des Rechtsmittels nicht im Ungewissen sein, dass seine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Nichterreichen der Erwachsenheitssumme verworfen werden würde. Ein offensichtlich unzulässiger Rechtsbehelf gehört indes nicht zum Rechtsweg des § 90 Abs. 2 BVerfGG und ist nicht geeignet, die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG erneut in Lauf zu setzen (vgl. auch Peters, in: Barczak, BVerfGG, § 93 Rn. 21; Grünewald, in: BeckOK, BVerfGG, 9. Edition, Stand 1.1.2020, § 93 Rn. 13).
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Auch der Vortrag des Beschwerdeführers, es fehle doch im konkreten Fall nur ein Cent zur Erreichung der Erwachsenheitssumme, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde notwendige Beschwer ist hinlänglich bekannt. Der Beschwerdeführer selbst hat den Streitwert als unter diesem Betrag liegend angegeben. Die Instanzgerichte haben dies akzeptiert und entsprechend den Streitwert - vom Beschwerdeführer unwidersprochen - unter der Erwachsenheitssumme liegend festgesetzt.
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Dem Beschwerdeführer, der die Problematik der zweifelhaften Zulässigkeit seiner Nichtzulassungsbeschwerde ausweislich der vorgelegten Nichtzulassungsbeschwerdebegründung gesehen hat, hätte es zudem freigestanden, nach Eingang der Berufungsentscheidung fristgerecht und den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG entsprechend Verfassungsbeschwerde zu erheben und bei Erhebung darum zu ersuchen, diese nicht ins Verfahrensregister einzutragen, sondern zunächst nur im Allgemeinen Register zu führen. Der Beschwerdeführer hätte so die Frist wahren und gleichzeitig die Verwerfung der Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung durch das Bundesverfassungsgericht vor einer Entscheidung der Fachgerichte über den eingelegten Rechtsbehelf verhindern können (vgl. etwa Peters, in: Barczak, BVerfGG, § 93 Rn. 22; Grünewald, in: BeckOK, BVerfGG, 9. Edition, Stand 1.1.2020, § 93 Rn. 21 ff.; Lechner/Zuck, BVerfGG, 8. Aufl. 2019, § 93 Rn. 25; Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Juli 2020, § 93 Rn. 36).
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