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BVerfG 12.03.2019 - 1 BvR 2535/16
BVerfG 12.03.2019 - 1 BvR 2535/16 - Nichtannahmebeschluss: Zu den Voraussetzungen eines Fortbestehens des Rechtsschutzinteresses trotz Erledigung der Hauptsache (Aufnahme der Beschwerdeführerin in eine weiterführende Schule) - Anordnung der Auslagenerstattung aus Billigkeitsgründen (§ 34a Abs 3 BVerfGG) bei geklärter verfassungsrechtlicher Lage aufgrund stattgebender Entscheidung in gleichgelagertem Fall - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 28. Oktober 2016, Az: 7 B 2632/16.R, Beschluss
vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 7. Oktober 2016, Az: 7 B 2510/16, Beschluss
vorgehend VG Frankfurt, 23. August 2016, Az: 1 L 2391/16.F, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Das Land Hessen hat der Beschwerdeführerin zu 1) ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über die Aufnahme der Beschwerdeführerin zu 1) an einer weiterführenden Schule.
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1. Das von den Beschwerdeführern zu 2) und 3), den Eltern der Beschwerdeführerin zu 1), als Wunschschule angegebene Gymnasium R. lehnte deren Aufnahme ab. Das Begehren der Beschwerdeführerin zu 1) auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg. Seit dem 6. Februar 2017 besucht die Beschwerdeführerin zu 1) das Gymnasium R.
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2. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen das Verfahren betreffend der Wahl der weiterführenden Schule, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2016, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2016 über die Zurückweisung der Beschwerde und den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 über die Zurückweisung der Anhörungsrüge. Sie rügen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführerin zu 1) rügt darüber hinaus eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG; die Beschwerdeführer zu 2) und 3) rügen darüber hinaus eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 GG.
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Das Land Hessen hat zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Die Gerichtsakten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist.
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1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 2) und 3) ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügt.
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2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) ist mit Annahme des Schulplatzes unzulässig geworden, da damit das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde entfallen ist.
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a) Erledigt sich eine Verfassungsbeschwerde hinsichtlich des mit ihr verfolgten Rechtsschutzziels, ist die Verfassungsbeschwerde mangels Rechtsschutzinteresses regelmäßig unzulässig (vgl. BVerfGE 116, 69 79>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Oktober 2008 - 1 BvR 2733/04, 1 BvR 2782/04 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2015 - 2 BvR 2019/09 -, NJOZ 2016, S. 465 467>; Hellmann, in: Barczak, BVerfGG, § 90 Rn. 260). Das Rechtsschutzinteresse kann jedoch in besonderen Fällen trotz Erledigung fortbestehen (vgl. BVerfGE 50, 244 248>; 116, 69 79>). Dies ist dann der Fall, wenn die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung andernfalls unterbliebe und der gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend erscheint oder wenn eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist oder die gegenstandlos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer weiterhin beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 81, 138 140>; 110, 177 188>; BVerfGK 17, 512 516>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2015 - 2 BvR 2019/09 -, NJOZ 2016, S. 465 467>).
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b) Gemessen an diesem Maßstab fehlt es vorliegend am Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde.
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aa) Das Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerin zu 1) war auf (vorläufige) Aufnahme im Gymnasium R. gerichtet. Dieses Ziel hat die Beschwerdeführerin zu 1) mit der Annahme des Schulplatzes erreicht.
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bb) Es liegt auch kein Fall vor, in dem trotz Erledigung das Rechtsschutzinteresse fortbesteht.
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Durch die Annahme der Erledigung unterbleibt vorliegend nicht die Klärung einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Frage. Eine solche stellt sich nicht und wird von der Beschwerdeführerin zu 1) auch nicht aufgezeigt. Die entscheidungserheblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind vielmehr bereits durch das Bundesverfassungsgericht geklärt. Es steht lediglich die Anwendung im Einzelfall in Streit. Dass der Beschwerdeführerin zu 1) unter im Wesentlichen unveränderten Umständen eine identische Entscheidung droht (Wiederholungsgefahr), ist nicht zu erkennen.
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Die Beschwerdeführerin zu 1) ist auch nicht weiterhin von den angefochtenen Entscheidungen beeinträchtigt.
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Unerheblich ist insoweit, dass die Beschwerdeführerin zu 1) weiterhin mit den Kosten des Gerichtsverfahrens beschwert ist. Denn die aus der Kostenentscheidung herrührende Beschwer reicht nicht aus, um ein Rechtsschutzbedürfnis für die verfassungsrechtliche Überprüfung der gesamten Gerichtsentscheidung und deren Aufhebung zu begründen (vgl. BVerfGE 33, 247 256 ff.>; 50, 244 248>; 75, 318 325>; 85, 109 113>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2015 - 2 BvR 2019/09 -, NJOZ 2016, S. 465 467>).
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Eine fortwährende Beeinträchtigung aus den angefochtenen Entscheidungen folgt auch nicht daraus, dass die Hauptsacheklage der Beschwerdeführerin zu 1) noch als Fortsetzungsfeststellungsklage anhängig ist. Denn die Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage ist rechtlich nicht durch die angefochtenen Entscheidungen gebunden.
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cc) Schließlich besteht das Rechtsschutzinteresse auch nicht deshalb fort, weil andernfalls die Schulbehörde stets eine Erledigung herbeiführen und so eine verfassungsgerichtliche Entscheidung verhindern könnte. Dies zeigt sich schon daran, dass in einem inhaltlich parallel gelagerten Verfahren (1 BvR 2721/16) gerade keine Erledigung herbeigeführt wurde.
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III.
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1. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
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Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Erledigt sich die Verfassungsbeschwerde während des Verfahrens, so entspricht es der Billigkeit, eine Auslagenerstattung anzuordnen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft und davon auszugehen ist, dass dies deshalb erfolgt ist, weil sie das Begehren des Beschwerdeführers für berechtigt hält oder wenn der Erfolg der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder die verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleichgelagerten Fall - bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 115 f.>; 133, 37 38 f.>; BVerfGK 3, 247 253>). Darauf, ob der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, kommt es nicht an (vgl. BVerfGE 85, 109 115 f.>; BVerfGK 7, 283 302 f.>).
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Danach ist hier zugunsten der Beschwerdeführerin zu 1) die Auslagenerstattung anzuordnen. Dabei kann dahinstehen, ob davon ausgegangen werden kann, dass das Land Hessen dadurch, dass es der Beschwerdeführerin zu 1) einen Schulplatz an ihrer Wunschschule angeboten hat, deren Begehren als berechtigt anerkannt hat. Denn aus den im stattgebenden Beschluss im Verfahren 1 BvR 2721/16 genannten Gründen steht fest, dass die - insoweit zulässig erhobene - Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) wegen einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2016 begründet war (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. März 2019 - 1 BvR 2721/16 -, www.bverfg.de).
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2. Den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im verfassungsgerichtlichen Verfahren setzt die Kammer nach § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG auf 25.000 € fest.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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