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BFH 28.11.2017 - III B 86/17
BFH 28.11.2017 - III B 86/17 - Kindergeld für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer
Normen
§ 62 Abs 2 Nr 3 Buchst b EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, Art 3 Abs 1 GG, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 27. Juni 2017, Az: 11 K 8266/15, Urteil
Leitsatz
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NV: Der Senat hält daran fest, dass § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG verfassungsgemäß ist .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Juni 2017 11 K 8266/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist kamerunische Staatsangehörige und besitzt einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes. Sie lebte im Streitzeitraum bereits seit mehr als drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und durfte eine Erwerbstätigkeit ausüben. Von Juli 2013 bis Mai 2014 bezog sie aufstockende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); in den Monaten August und Dezember 2013 sowie Januar und Februar 2014 war sie nicht erwerbstätig.
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Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hatte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum Juli 2013 bis Mai 2014 Kindergeld für ihre 2009 geborene Tochter und den 2012 geborenen Sohn festgesetzt. Nachdem sie die Klägerin zur Vorlage von Nachweisen i.S. von § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Zeitraum Juni 2013 bis Mai 2014 aufgefordert hatte (Ausübung einer Erwerbstätigkeit, Bezug von Geldleistungen nach dem SGB III oder die Inanspruchnahme von Elternzeit), hob sie die Kindergeldfestsetzung auf und forderte das überzahlte Kindergeld zurück.
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Aufgrund des Einspruchs der Klägerin erging ein geänderter Bescheid, worin Kindergeld für die Monate Juli 2013, September bis November 2013 und März bis Mai 2014 festgesetzt und nur noch das für August 2013 sowie das für Dezember 2013 bis Februar 2014 überzahlte Kindergeld zurückgefordert wurde.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
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Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor, die Rechtssache sei grundsätzlich bedeutsam und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Die Klägerin rügt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) stütze sich auf § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG. Diese Norm sei jedoch verfassungswidrig, da sie diskriminierend wirke und zu Rechtsunsicherheiten führe. Das ergebe sich auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 2012 1 BvL 2-4/10, 1 BvL 3/11 (BVerfGE 132, 72) zu den gleich lautenden Regelungen in § 1 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b des Bundeserziehungsgeldgesetzes 2006 und § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit sowie den Vorlagebeschlüssen des Niedersächsischen FG vom 19. August 2013 7 K 9/10, 7 K 111-114/13, 7 K 116/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 932 ff.).
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Soweit der Senat im Beschluss vom 9. November 2012 III B 138/11 (BFH/NV 2013, 372) ausgeführt habe, die Ausweitung der Kindergeldberechtigung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, die ihren Unterhalt mit Sozialleistungen bestreiten, bringe für diese in der Regel keine finanziellen Vorteile, rechtfertige das nicht die fortdauernde Anwendung verfassungswidriger Normen. Die dem Beschluss in BFH/NV 2013, 372 zugrunde liegende Annahme treffe zudem nicht zu. Denn sie --die Klägerin-- gerate in eine existentielle Notlage, da ihr das zurückgeforderte Kindergeld aufgrund des sozialrechtlichen Zuflussprinzips nicht erstattet werde. Das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Erwerbstätigkeit sei auch verfassungswidrig, weil es keine Rechtssicherheit biete: Es werde bereits erfüllt, wenn eine Person einen Tag im Monat arbeite; bei unregelmäßiger Erwerbstätigkeit wechselten sich dann Monate mit und Monate ohne Kindergeldberechtigung ab.
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b) Die Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG ist vom Senat bereits mehrfach bejaht worden (z.B. Senatsurteile vom 28. April 2010 III R 1/08, BFHE 229, 262, BStBl II 2010, 980; vom 7. April 2011 III R 72/09, BFH/NV 2011, 1134; Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2013, 372; vom 26. März 2013 III B 158/12, BFH/NV 2013, 968), und zwar auch für Fälle, in denen sich drittstaatsangehörige Ausländer bereits längere Zeiträume in Deutschland aufhielten (Nachweise bei Avvento in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 62 Rz 2).
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c) Die Klägerin weist zutreffend auf die Probleme drittstaatsangehöriger Ausländer mit einem Aufenthaltstitel i.S. des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG hin, die im Wechsel in einigen Monaten erwerbstätig sind und dadurch einen auf ihre daneben bezogenen Sozialleistungen angerechneten Kindergeldanspruch erlangen, in anderen Monaten jedoch nicht arbeiten und dadurch den gleichwohl angerechneten Kindergeldanspruch verlieren. Denn sozialrechtlich dürfte zugeflossenes Kindergeld, welches als Einkommen auf die Bewilligung von SGB II-Leistungen angerechnet wurde, auch dann Einkommen bleiben, wenn die Bewilligung des Kindergeldes rückwirkend aufgehoben wird (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2012 L 2 AS 5392/11, juris).
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Diese möglichen Nachteile führen jedoch nicht zur Zulassung der Revision wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG.
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aa) Dabei handelt es sich zunächst nicht um ein dem § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG eigentümliches Problem. Es gibt vielmehr zahlreiche Konstellationen, in denen die Erfüllung der Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs von Monat zu Monat wechseln kann. Dies trifft z.B. zu, wenn ein Kind sich in einigen Monaten um einen Ausbildungsplatz bewirbt (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), in anderen Monaten jedoch nicht (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2011 III R 35/08, BFH/NV 2012, 232) oder wenn es seine ausbildungsplatzbezogene Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht rechtzeitig erneuert (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2012, 232). Gleiches gilt für den Kindergeldanspruch für volljährige behinderte Kinder, der von deren Fähigkeit zum Selbstunterhalt abhängt, die für jeden Monat gesondert zu ermitteln ist (z.B. Senatsurteil vom 11. April 2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037).
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bb) Ein Kindergeldberechtigter kann den daraus entstehenden nachteiligen Folgen entgehen, indem er dem Sozialleistungsträger und der Familienkasse jeweils unverzüglich mitteilt, dass im kommenden oder laufenden Monat keine Beschäftigung zu erwarten ist und somit kein (anzurechnender) Kindergeldanspruch entsteht.
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cc) Wird diese Mitteilung --wie im Streitfall-- versäumt, so kann ein Billigkeitserlass nach § 227 der Abgabenordnung gerechtfertigt sein, wenn zu Unrecht gewährtes Kindergeld zurückgefordert wird, das bei der Berechnung der Höhe von Transferleistungen als Einkommen angesetzt worden ist und eine nachträgliche Korrektur der Leistungen nicht möglich ist (Senatsurteile vom 15. März 2007 III R 54/05, BFH/NV 2007, 1298; vom 19. November 2008 III R 108/06, BFH/NV 2009, 357; vom 18. Dezember 2008 III R 93/06, BFH/NV 2009, 749, und vom 30. Juli 2009 III R 22/07, BFH/NV 2009, 1983; Senatsbeschluss vom 23. Februar 2015 III B 41/14, BFH/NV 2015, 658).
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dd) Gegen die von der Klägerin angenommene Verfassungswidrigkeit spricht schließlich auch, dass § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG bei in den deutschen Arbeitsmarkt fest integrierten Ausländern mit minderem Aufenthaltstitel durch Auslegung des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG geholfen werden kann (z.B. Senatsurteil vom 4. August 2011 III R 62/09, BFHE 234, 324, BStBl II 2012, 732, betreffend geduldete Ausländerin im "Meister-BAFöG").
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2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2) zu den Vorlagebeschlüssen des Niedersächsischen FG zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO); von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.
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