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BFH 20.09.2012 - III B 44/12
BFH 20.09.2012 - III B 44/12 - Entscheidung über Nichtzulassungsbeschwerde zusammen mit PKH-Antrag - offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler - Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 76 Abs 1 S 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 10. Februar 2012, Az: 13 K 541/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Werden sowohl der PKH-Antrag als auch die Nichtzulassungsbeschwerde von einem sachkundigen Prozessbevollmächtigten gestellt bzw. erhoben und begründet, ist eine vorherige Entscheidung über das PKH-Begehren im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich .
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2. NV: Mit einem pauschalen und nicht weiter substantiierten Vortrag wird kein offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Geweicht dargelegt .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog für seinen, sich in einer Ausbildung befindenden Enkel S Kindergeld. Nach Vorlage einer aktuellen Erklärung zu den Einkünften und Bezügen des S hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes wegen Überschreitung des Grenzbetrags des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung mit Bescheid vom 23. Dezember 2010 ab Januar 2010 auf und forderte das bis einschließlich Dezember 2010 überzahlte Kindergeld in Höhe von 2.208 € zurück.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung verwies das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen darauf, die geltend gemachten Aufwendungen für die Anschaffung einer Sehhilfe seien keine Werbungskosten und die pauschal angesetzten Kosten für Fachliteratur und Arbeitskleidung könnten mangels hinreichenden Nachweises nicht anerkannt werden. Damit komme lediglich der Ansatz des Arbeitnehmer-Pauschbetrags in Höhe von 920 € in Betracht, so dass Einkünfte in Höhe von 8.729,60 € verblieben. Die Familienkasse sei damit zu Recht von einer Überschreitung des Grenzbetrags ausgegangen. Der Kläger könne der Rückforderung auch weder Treu und Glauben noch Verwirkung entgegenhalten.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), da die Entscheidung auf der Grundlage einer mangelhaften Beweiserhebung ergangen sei. Zudem beruhe die Entscheidung auf fehlerhafter Rechtsanwendung, da sich das FG nicht damit auseinandergesetzt habe, dass ihm, dem Kläger, zugesichert worden sei, er habe Anspruch auf Kindergeld. Auch damit, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, habe sich das FG nicht befasst.
Entscheidungsgründe
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II. Der Senat kann ohne vorherige Entscheidung über den für das Beschwerdeverfahren anhängig gemachten --und mit Beschluss vom 20. September 2012 beschiedenen-- Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zum Beschwerdevorbringen entscheiden.
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Eine vorherige Bescheidung des Begehrens auf PKH ist nur erforderlich, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten ist, mithin die mögliche Einschaltung eines beizuordnenden Anwalts oder Steuerberaters Einfluss auf die Sachentscheidung des Gerichts haben kann (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. Juli 1992 1 BvR 99/90, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1993, 382; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2010 VIII B 173/09, juris). Dies trifft im vorliegenden Fall, in dem sowohl der PKH-Antrag als auch die Nichtzulassungsbeschwerde bereits von einem (sachkundigen) Prozessbevollmächtigten gestellt bzw. erhoben und begründet worden ist, nicht zu (z.B. BFH-Beschluss vom 26. August 2010 X B 210/09, BFH/NV 2010, 2287).
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III.
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Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Der Kläger hat keinen der angeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise bezeichnet.
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1. Die Verfahrensrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), das FG habe es versäumt, den angebotenen Beweisen nachzugehen, ist nicht schlüssig erhoben.
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a) Wird das Übergehen von Beweisanträgen als Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt, so muss neben dem Beweisthema und dem angebotenen Beweismittel insbesondere substantiiert vorgetragen werden, inwiefern das Urteil des FG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann und welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätte (zur Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung wegen Nichterhebung angebotener Beweise vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 8. August 1996 V B 12/96, BFH/NV 1997, 186, und vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, jeweils m.w.N.). Allgemeine Hinweise, etwa auf früheres Vorbringen oder das Nichterheben von Beweisen, genügen nicht (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 19).
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Begründet das FG selbst im Urteil, weshalb es von der Erhebung beantragter Beweise mit klar bezeichneten Beweisthemen abgesehen hat, genügt bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089, m.w.N.). Da es sich bei der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes um einen verzichtbaren Mangel handelt (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), muss jedoch auch in diesem Fall grundsätzlich vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt worden oder weshalb die Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1089).
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b) Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht vorträgt, dass er die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt habe oder weshalb ihm die Rüge nicht möglich gewesen sei, fehlt es weiter an einem schlüssigen Vortrag, dass das angefochtene Urteil auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen könne.
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2. Soweit der Kläger die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG rügt, wendet er sich gegen die materielle Richtigkeit des Urteils. Hiermit kann jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht begründet werden (z.B. BFH-Beschluss vom 4. November 2010 VII B 60/10, BFH/NV 2011, 869).
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Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn es sich bei dem behaupteten Mangel um einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung handelt, die geeignet wäre, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen, wenn sie nicht vom Rechtsmittelgericht korrigiert würde (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. November 2004 I B 43/04, BFH/NV 2005, 707; vom 5. Juli 2005 VI B 150/04, BFH/NV 2005, 2025). Hierzu reicht indes eine fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles nicht aus (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.). Die besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift auszuführen (BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 2006 II B 65/05, BFH/NV 2006, 813, m.w.N.; vom 24. Juli 2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006, 2269).
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An einer solchen Darlegung fehlt es in der Beschwerdebegründung. Der Kläger beruft sich allein darauf, die Familienkasse habe ihm zugesichert, dass ihm das Kindergeld zustehe, und so einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Das FG habe in fehlerhafter Rechtsanwendung festgestellt, dass eine bindende Zusicherung nicht vorgelegen habe. Dieser pauschale und nicht weiter substantiierte Vortrag genügt nicht, um einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht darzulegen.
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3. Soweit der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen --angeblichen-- Verstoß gegen den "Gleichbehandlungsgrundsatz" des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stützt, kommt eine Zulassung der Revision ebenfalls nicht in Frage.
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Bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer steuerrechtlichen Vorschrift kommt zwar eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) in Betracht. Es reicht aber nicht aus, vorzutragen, der Verstoß liege darin, dass im Jahr 2012 die Bestimmungen über die Anrechnung von "Eigeneinkommen aus Ausbildungsvergütung" geändert worden seien, so dass für das Jahr 2010 nichts anderes gelten könne. Es muss zumindest dargelegt werden, welche gesetzliche Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und welche Folgerungen aus diesem Verstoß zu ziehen sind (z.B. verfassungskonforme Auslegung oder Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG). Im Streitfall ist nicht einmal die Vorschrift genannt, die verfassungswidrig sein soll.
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