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BFH 13.12.2011 - VIII B 136/11
BFH 13.12.2011 - VIII B 136/11 - Kein Vertrauensschutz bei offenbarer Unrichtigkeit - Verzinsung von Steuernachzahlungen
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 129 AO, § 164 Abs 2 AO, § 233a AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 2. März 2011, Az: 12 K 4826/08, Urteil
Leitsatz
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NV: Teilt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen schriftlich mit, sein Steuerfall sei abschließend geprüft, ist das Finanzamt deswegen nicht nach Treu und Glauben gehindert, offenkundige Fehler bei der Veranlagung auch weiterhin zu Lasten des Steuerpflichtigen zu korrigieren.
Gründe
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Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.
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1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend macht, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sei nach Treu und Glauben gehindert gewesen, den Einkommensteuerbescheid für 2002 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern, wirft er weder eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist insofern eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH verhindert der Vorbehalt der Nachprüfung grundsätzlich das Entstehen eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestands. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das FA eine bindende Zusage erteilt oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; vom 5. Juni 2003 III R 26/00, BFH/NV 2003, 1529; vom 14. Oktober 2009 X R 37/07, BFH/NV 2010, 406).
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Davon ist das Finanzgericht (FG) im Streitfall zu Recht nicht ausgegangen. Zwar hat das FA mit Schreiben vom 30. Juni 2008 --vor Änderung des Bescheides-- mitgeteilt, dass es den Vorbehalt der Nachprüfung anlässlich der bevorstehenden Änderung des Bescheides aufheben werde, da der Streitfall nun abschließend geprüft sei. Bis zum Zeitpunkt dieser Mitteilung war dem FA noch nicht aufgefallen, dass es den Arbeitslohn des Klägers versehentlich um 10.000 € zu niedrig angesetzt hatte. Soweit das FG in dieser Mitteilung einen Vertrauen begründenden Vorgang nicht erkannt hat, ist dies von Rechts wegen jedoch nicht zu beanstanden. Zum einen hat sich das FA in der Mitteilung die Änderung des Bescheides gerade vorbehalten und nur für den Zeitpunkt der Änderung die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung angekündigt. Der Kläger hatte danach keinen Anlass davon auszugehen, dass der Bescheid nicht mehr geändert werden würde. Zum anderen kann dem Schreiben vom 30. Juni 2008 und der Mitteilung, der Steuerfall sei nun abschließend geprüft, zwar entnommen werden, dass nur die in diesem Schreiben angekündigten Änderungen beabsichtigt waren. Dies schließt es jedoch nicht aus, offenkundige Fehler bei der Veranlagung in der abschließenden Änderung zu berücksichtigen und jederzeit ebenfalls zu korrigieren. Wie § 129 AO zeigt, ist das Vertrauen in den Bestand offenbarer Unrichtigkeiten nicht geschützt. So liegt der Streitfall. Für den Ansatz eines um 10.000 € zu niedrigen Arbeitslohnes gab es keine sachliche Begründung. Es handelte sich mithin um ein mechanisches Versehen, das jederzeit korrigiert werden darf. Unter den gegebenen Umständen bedarf es deshalb keiner weiteren Klärung durch den BFH, wann ein Vertrauenstatbestand vorliegen kann, der eine Bescheidänderung nach § 164 Abs. 2 AO ausschließt.
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2. Soweit sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Anschaffungskosten von 700 € für Geschirr wendet, das er von seiner Mutter zur Ausstattung der Zweitwohnung am Arbeitsort erworben haben will, ist die Revision ebenfalls nicht zuzulassen. Ein Verfahrensfehler (Aufklärungsmangel, Vorwegnahme der Beweiswürdigung) liegt nicht darin, dass das FG die im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Mutter des Klägers nicht von Amts wegen befragt oder als Zeugin vernommen hat. Rechtlich zutreffend hat das FG zunächst untersucht, ob der vom Kläger behauptete Kaufvertrag nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Es hat dies verneint, weil der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt hatte, welche Gegenstände er von seiner Mutter erworben haben will. Dazu haben dem Gericht auch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht ausgereicht, wonach es sich um gebrauchte, aber neuwertige Gegenstände vom Kochtopf bis zum Geschirr oder Besteck gehandelt haben soll. Aufgrund der Angaben des Klägers konnte das Gericht nicht ansatzweise beurteilen, ob der zwischen ihm und seiner Mutter vereinbarte Kaufpreis auch zwischen einander fremden Dritten vereinbart worden wäre. Es hat deshalb zu Recht angenommen, dass sich nach den Angaben des Klägers die Fremdüblichkeit nicht feststellen lasse, was zu Lasten des Klägers ging. Ohne hinreichend konkrete Darlegungen des Klägers war das FG nicht verpflichtet, den Sachverhalt von sich aus und insofern "ins Blaue hinein", etwa durch eine informatorische Befragung der Mutter des Klägers, weiter aufzuklären. Dass der betreffende Zahlungsvorgang zwischen dem Kläger und seiner Mutter durch Überweisungsbelege dokumentiert ist, war für die Entscheidung des Gerichts unerheblich.
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3. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil der Kläger geklärt wissen will, ob Zinsen auf eine Steuernachzahlung nicht erhoben werden dürfen, wenn der Fehler, der zu der Nachzahlung geführt hat, dem FA anzulasten ist. Die Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn sie ist ersichtlich aus dem Gesetz heraus so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Die Verzinsung soll typisierend objektive Zins- und Liquiditätsvorteile des Steuerpflichtigen ausgleichen, ohne dass es darauf ankommt, ob und ggf. in welchem Umfang diese Vorteile im konkreten Einzelfall tatsächlich in Anspruch genommen worden sind und auf welchen Ursachen sie beruhen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115; Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 233a AO Rz 91). Das Gesetz stellt nicht darauf ab, wie es zu dem objektiven Zins- und Liquiditätsvorteil gekommen ist; auf Verschulden kommt es ebenfalls nicht an. Selbst die Erhebung der Nachzahlungszinsen widerspricht nach der Rechtsprechung des BFH nicht den Wertungen des § 233a AO, wenn die Nachzahlung auf einem vorwerfbaren Verhalten des Finanzbeamten beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Februar 2001 XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003; Heuermann in HHSp, a.a.O. Rz 92, m.w.N.). Danach wirft der Streitfall auch insoweit keinen im allgemeinen Interesse liegenden Klärungsbedarf auf. Die Umstände des Falles sprechen vielmehr weder gegen die Festsetzung noch gegen die Erhebung der gesetzlichen Nachzahlungszinsen.
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