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BFH 22.02.2011 - VII B 210/10
BFH 22.02.2011 - VII B 210/10 - Verwahrungsgebühren für vom Beförderer bei der Zollstelle gestellte, aber vom Empfänger nicht abgeholte Postsendungen - Vorläufiger Rechtsschutz - Gebührenrechtlicher Veranlasser
Normen
§ 5 Abs 2 ZollVG, § 13 Abs 1 Nr 1 VwKostG, § 7 Abs 1 Nr 1 ZollKostV, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 178 Abs 4 AO, Art 244 ZK, Art 244 EWGV 2913/92
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 29. September 2010, Az: 4 V 104/10, Beschluss
Leitsatz
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NV: Es bestehen ernstliche Zweifel, ob der Beförderer aus Drittländern stammender gestellungspflichtiger Postsendungen, der diese ohne Zollanmeldung gestellt, als Schuldner entstandener Kosten für die anschließende zollamtliche Verwahrung in Anspruch genommen werden kann und ob bejahendenfalls auch der Empfänger der Postsendung als Kostenschuldner in Betracht kommt .
Tatbestand
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I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) befördert Postsendungen. Gestellungspflichtige Sendungen aus Drittländern meldet sie in der Regel bei einer der vier sog. Auswechslungsstellen im Namen des Empfängers unter Inanspruchnahme der ihr gemäß § 5 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) verliehenen Vollmacht zu einem Zollverfahren an. Ist dies nicht möglich, weil entweder die für eine Zollanmeldung erforderlichen Unterlagen nicht vorhanden sind oder der Empfänger sich als sog. "Selbstverzoller" hat registrieren lassen, wird die Postsendung zu der für den Empfänger zuständigen Zollstelle befördert, dort gestellt und der Empfänger über den Verbleib der Sendung benachrichtigt.
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Für die Lagerung mehrerer auf diese Weise im Februar und März 2010 in die zollamtliche Verwahrung gelangter Postsendungen, die von ihrem jeweiligen Empfänger nicht abgeholt wurden, hat der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) mit Kostenbescheid vom … Verwahrungsgebühren in Höhe von insgesamt … € von der Antragstellerin erhoben, welche die Antragstellerin inzwischen entrichtet hat. Über die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Es hat allerdings dem zugleich mit der Klage gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung entsprochen, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kostenbescheids bestünden. Zweifelhaft sei, ob die Antragstellerin i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) vom 23. Juni 1970 (BGBl I 1970, 821) die zollamtliche Verwahrung der Postsendungen veranlasst habe oder ob nicht vielmehr angenommen werden müsse, dass sie bei der Gestellung objektiv erkennbar im Namen des jeweiligen Empfängers gehandelt habe und sich ihre Vollmacht, für diesen zu handeln, aus § 5 Abs. 2 ZollVG herleiten lasse.
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Mit seiner Beschwerde macht das HZA geltend, dass allein die Antragstellerin durch die Gestellung der Postsendung die kostenpflichtige Amtshandlung i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG "veranlasst" habe, zumal die Gestellung allein ihrem Pflichtenkreis zuzurechnen sei, denn es sei die Antragstellerin, nicht aber der Empfänger der Postsendung, der die Pflicht obliege, das Versandverfahren "Post" (Art. 91 Abs. 2 Buchst. f des Zollkodex --ZK--) durch Gestellung der Postsendung bei der Bestimmungszollstelle zu beenden (Art. 92 ZK). Die gesetzliche Vollmacht der Antragstellerin zur Abgabe einer Zollanmeldung ändere daran nichts, da es an dem erkennbaren Willen fehle, im fremden Namen handeln zu wollen. Aus Sicht der Zollverwaltung sei die Gestellung der Postsendung durch die Antragstellerin nur als Erfüllung ihrer eigenen Pflicht zur Beendigung des Versandverfahrens zu verstehen.
Entscheidungsgründe
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II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat die Vollziehung des Kostenbescheids zu Recht aufgehoben.
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Der beschließende Senat geht mit dem FG davon aus, dass für den im Streitfall begehrten vorläufigen Rechtsschutz § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die maßgebende Vorschrift ist, weil nach § 178 Abs. 4 der Abgabenordnung auf die Festsetzung von Kosten für die besondere Inanspruchnahme oder Leistung der Zollverwaltung die für Verbrauchsteuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind und somit Art. 244 ZK keine Anwendung findet (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 178 Rz 10).
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Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen oder (Satz 3 der Vorschrift) seine Vollziehung aufheben. Die Aussetzung bzw. Aufhebung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken.
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Ausgehend von der vom FG aufgrund summarischer Prüfung angenommenen Einhaltung der Klagefrist, die im Hauptsacheverfahren abschließend zu beurteilen sein wird, hat das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kostenbescheids vom … zu Recht bejaht, wobei das FG auch zutreffend angenommen hat, dass derartige Zweifel hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids vom …, der Erfüllung des Gebührentatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Zollkostenverordnung (ZollKostV) vom 6. September 2009 (BGBl I 2009, 3001) und der Rechtmäßigkeit der ZollKostV sowie des maßgebenden Gebührentatbestands nicht bestehen (insoweit wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen FG-Beschluss verwiesen), sondern allein hinsichtlich der Frage, ob die Antragstellerin Kostenschuldnerin ist.
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Nach der im Streitfall allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird. Gebührenrechtlicher Veranlasser ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), der der beschließende Senat folgt, wer die Amtshandlung willentlich herbeigeführt hat, oder derjenige, in dessen Pflichtenkreis sie erfolgt (BVerwG-Urteile vom 22. Oktober 1992 3 C 2.90, BVerwGE 91, 109, und vom 14. Juni 2005 1 C 15.04, BVerwGE 124, 1). Danach liegt es im Streitfall zwar zunächst nahe, die Antragstellerin als Veranlasser der zollamtlichen Verwahrung der Postsendungen anzusehen, weil sie die Sendungen dem HZA gestellt hat (Art. 50 ZK) und --wie die Beschwerde zutreffend ausführt-- die Gestellung auch ihrem Pflichtenkreis zuzurechnen ist, da sie die Postsendungen im externen Versandverfahren befördert hat (Art. 91 Abs. 2 Buchst. f ZK) und somit verpflichtet war, das Versandverfahren durch Gestellung der Postsendungen bei der Bestimmungszollstelle ordnungsgemäß zu beenden (Art. 92 ZK).
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Der Senat hält es allerdings für bedenkenswert, dass --wie vom FG Düsseldorf angenommen (Beschluss vom 12. Oktober 2010 4 V 2938/10 A (Z), nicht veröffentlicht)-- auch andere Personen als gebührenrechtlicher Veranlasser in Betracht kommen, wie z.B. der Empfänger, der sich als sog. "Selbstverzoller" die Abgabe der Zollanmeldung vorbehalten hat und damit bewirkt, dass die Antragstellerin die Postsendung lediglich gestellt, ohne eine Zollanmeldung abzugeben. Nicht fernliegend erscheint es auch, dass --wie vom FG im Streitfall angenommen-- die Antragstellerin aufgrund ihrer gesetzlichen Vollmacht, eine Zollanmeldung im Namen des Empfängers abzugeben, auch berechtigt ist, die Postsendung für den Empfänger beim zuständigen HZA nur zu gestellen, und dass der Wille, im fremden Namen zu handeln, im Zeitpunkt der Gestellung auch erkennbar ist. Auch in dem mit dem BVerwG-Urteil in BVerwGE 91, 109 entschiedenen Fall war nicht derjenige Kostenschuldner, der durch sein Handeln die gebührenpflichtige Amtshandlung unmittelbar ausgelöst hatte, sondern derjenige, für den diese Handlung vorgenommen worden und dem sie deshalb zuzuordnen war.
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Da Kostenschuldner gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG ebenso derjenige ist, zu dessen Gunsten die Amtshandlung vorgenommen wird, ist schließlich auch zu erwägen, dass Begünstigter im Streitfall nicht die Antragstellerin sein dürfte, die --wovon auch die Beschwerde ausgeht-- mit der Gestellung der Postsendung ihre Pflicht aus dem Versandverfahren erfüllt hat und vom HZA auch keine weitere Amtshandlung mehr "erwartet", so dass die anschließende Amtshandlung des HZA, für welche Gebühren berechnet werden, nämlich die Verwahrung der Warensendung über einen bestimmten Zeitraum, allein zu Gunsten des Empfängers der Sendung erfolgt, dem Gelegenheit gegeben wird, die für ihn bestimmte Sendung einer zollrechtlichen Bestimmung zuzuführen (Art. 48, Art. 49 ZK).
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Diese Zweifel, wer in Fällen der vorliegenden Art die zollamtliche Verwahrung "veranlasst" hat, auszuräumen, bedarf einer eingehenden rechtlichen Prüfung, welche über die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene lediglich summarische Prüfung hinausgeht und deshalb dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist. Die summarische Rechtsprüfung führt --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- zu dem Ergebnis, dass nicht allein die Antragstellerin als Kostenschuldnerin in Betracht kommt. Anders als die Beschwerde meint, könnte der angefochtene Kostenbescheid auch dann keinen Bestand haben, wenn neben anderen Personen jedenfalls auch die Antragstellerin als gebührenrechtlicher Veranlasser anzusehen wäre, da in einem solchen Fall das HZA von seinem Auswahlermessen keinen Gebrauch gemacht hätte.
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Für die gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO mögliche Anordnung einer Sicherheit besteht, zumal in Anbetracht des relativ geringen streitigen Betrags, kein Anlass.
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