Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs (im Folgenden: IGH) steht dem nicht entgegen. Urteile des IGH sind gemäß Art. 59 IGH-Statut zwar nur zwischen den Parteien verbindlich. Gutachten und Urteile des IGH entfalten aber eine faktische Orientierungswirkung über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus, dienen als völkerrechtliche Rechtserkenntnisquelle nach Art. 38 Abs. 1 Buchstabe d IGH-Statut und sind unter dem Gesichtspunkt der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes von deutschen Gerichten zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 9, 174 192 f.>; vgl. zum Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit BVerfGE 148, 296 350 ff. Rn. 126 ff.>). Die IGH-Rechtsprechung tendierte zwar zu einem restriktiveren Verständnis des Art. 51 VN-Charta, wonach die Zulässigkeit von gegen Staaten gerichtete Selbstverteidigungshandlungen als Reaktion auf Handlungen nichtstaatlicher Akteure eine Zurechnung dieser Aktivitäten zum betroffenen Staat voraussetzt (vgl. IGH, Urteil vom 27. Juni 1986 - Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. Vereinigte Staaten von Amerika -, ICJ Reports 1986, S. 14 64 f. Rn. 115; 103 f. Rn. 195>; Gutachten vom 9. Juli 2004 - Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory -, ICJ Reports 2004, S. 136 194 Rn. 139>). In der jüngeren Rechtsprechung hat der IGH sich in dieser Hinsicht aber zum einen nicht mehr festgelegt (vgl. IGH, Urteil vom 19. Dezember 2005 - Armed Activities on the Territory of Congo, Kongo v. Uganda -, ICJ Reports 2005, S. 168 223 Rn. 147>). Zum anderen hat er bislang nicht entschieden, ob dies auch gilt, wenn sich Verteidigungshandlungen unter Berufung auf Art. 51 VN-Charta nicht gegen den betroffenen Staat selbst, sondern unmittelbar lediglich gegen einen auf dessen Gebiet verfestigten nichtstaatlichen Akteur richten (die Richter Kooijmans und Simma haben in ihren Sondervoten eine Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht in solchen Fällen für zulässig erachtet, vgl. IGH, Urteil vom 19. Dezember 2005 - Armed Activities on the Territory of Congo, Kongo v. Uganda -, Sondervotum Simma, ICJ Reports 2005, S. 334 337 f. Rn. 12 f.> und Sondervotum Kooijmans, ICJ Reports 2005, S. 306 313 f. Rn. 25 ff.>; siehe auch IGH, Gutachten vom 9. Juli 2004 - Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory -, Erklärung Buergenthal, ICJ Reports 2004, S. 240 242 f. Rn. 6>). In diesem Fall sind die Rechte des Territorialstaats nur dadurch betroffen, dass das Gebiet, auf dem die Verteidigungshandlung erfolgt, ihm völkerrechtlich zugeordnet ist, obwohl er dort allenfalls noch eingeschränkt Staatsgewalt ausübt (vgl. für die Anwendbarkeit des Art. 51 VN-Charta auf diese Fälle z. B. Dau, Die völkerrechtliche Zulässigkeit von Selbstverteidigung gegen nicht-staatliche Akteure, 2018, S. 60 ff.; 115 ff.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 87a Rn. 13a; Finke, AVR 2017, S. 1 31 ff.>; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. 2017, Rn. 845 f.; Cremer, ZG 2016, S. 97 104 f.>; Moir, in: Weller, The Oxford Handbook of the Use of Force in International Law, 2015, S. 720; Peters, EJIL:Talk vom 8. Dezember 2015; in diese Richtung gehend auch von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 1119; Bothe, in: Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, S. 608; Nolte/Randelzhofer, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus, The Charter of the United Nations, Bd. II, 3. Aufl. 2012, Art. 51 Rn. 41; a.A. Payandeh/Sauer, ZRP 2016, S. 34 35 f.>; Starski, ZaöRV 75 2015>, S. 455 ff.).