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EuGH 24.10.2018 - C-124/17
EuGH 24.10.2018 - C-124/17 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 24. Oktober 2018 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 57 – Richtlinie 2014/25/EU – Art. 80 – Vergabe öffentlicher Aufträge – Verfahren – Ausschlussgründe – Höchstzulässiger Zeitraum des Ausschlusses – Obliegenheit des Wirtschaftsteilnehmers, zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenzuarbeiten“
Leitsatz
In der Rechtssache C-124/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Vergabekammer Südbayern (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 10. März 2017, in dem Verfahren
Vossloh Laeis GmbH
gegen
Stadtwerke München GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Vossloh Laeis GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte K. Fischer und H.-J. Hellmann,
der Stadtwerke München GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte H. Kern und M. Winstel,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und D. Klebs als Bevollmächtigte,
der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou, A. Magrippi, D. Tsagaraki und K. Georgiadis als Bevollmächtigte,
der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und E. Sebestyén als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2018
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) in Verbindung mit Art. 57 Abs. 4, 6 und 7 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vossloh Laeis GmbH und der Stadtwerke München GmbH wegen des Ausschlusses der Erstgenannten aus dem von der Letztgenannten für die Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien eingerichteten Qualifizierungssystem.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2014/24
Der 102. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 lautet:
Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass Wirtschaftsteilnehmer Compliance-Maßnahmen treffen können, um die Folgen etwaiger strafrechtlicher Verstöße oder eines Fehlverhaltens zu beheben und weiteres Fehlverhalten wirksam zu verhindern. Bei diesen Maßnahmen kann es sich insbesondere um Personal- und Organisationsmaßnahmen handeln, wie den Abbruch aller Verbindungen zu an dem Fehlverhalten beteiligten Personen oder Organisationen, geeignete Personalreorganisationsmaßnahmen, die Einführung von Berichts- und Kontrollsystemen, die Schaffung einer internen Audit-Struktur zur Überwachung der Compliance oder die Einführung interner Haftungs- und Entschädigungsregelungen. Soweit derartige Maßnahmen ausreichende Garantien bieten, sollte der jeweilige Wirtschaftsteilnehmer nicht länger alleine aus diesen Gründen ausgeschlossen werden. Wirtschaftsteilnehmer sollten beantragen können, dass die im Hinblick auf ihre etwaige Zulassung zum Vergabeverfahren getroffenen Compliance-Maßnahmen geprüft werden. Es sollte jedoch den Mitgliedstaaten überlassen werden, die genauen verfahrenstechnischen und inhaltlichen Bedingungen zu bestimmen, die in diesem Fall gelten. Es sollte ihnen insbesondere freistehen[,] zu entscheiden, es den jeweiligen öffentlichen Auftraggebern zu überlassen, die einschlägigen Bewertungen vorzunehmen, oder sie anderen Behörden auf zentraler oder dezentraler Ebene zu übertragen.“
In Art. 57 („Ausschlussgründe“) der Richtlinie 2014/24 heißt es:
„(1) Die öffentlichen Auftraggeber schließen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren aus, wenn sie durch eine Überprüfung gemäß den Artikeln 59, 60 und 61 festgestellt haben oder anderweitig davon Kenntnis erlangt haben, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer aus einem der nachfolgenden Gründe rechtskräftig verurteilt worden ist:
…
(2) Ein Wirtschaftsteilnehmer ist von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn dem öffentlichen Auftraggeber bekannt ist, dass der Wirtschaftsteilnehmer seinen Verpflichtungen zur Entrichtung seiner Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge nicht nachgekommen ist und dies durch eine endgültige und verbindliche Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung gemäß den Rechtsvorschriften des Landes seiner Niederlassung beziehungsweise des Mitgliedstaats des öffentlichen Auftraggebers festgestellt wurde.
Außerdem können die öffentlichen Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen oder von Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, wenn der öffentliche Auftraggeber auf geeignete Weise nachweisen kann, dass der Wirtschaftsteilnehmer der Verpflichtung zur Entrichtung seiner Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge nicht nachgekommen ist.
Dieser Absatz findet keine Anwendung mehr, wenn der Wirtschaftsteilnehmer seinen Verpflichtungen dadurch nachgekommen ist, dass er die Zahlung vorgenommen oder eine verbindliche Vereinbarung im Hinblick auf die Zahlung der fälligen Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge gegebenenfalls einschließlich etwaiger Zinsen oder Strafzahlungen eingegangen ist.
…
(4) Öffentliche Auftraggeber können in einer der folgenden Situationen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen oder dazu von den Mitgliedstaaten verpflichtet werden:
Der öffentliche Auftraggeber kann auf geeignete Weise Verstöße gegen geltend[e] Verpflichtungen gemäß Artikel 18 Absatz 2 nachweisen;
der Wirtschaftsteilnehmer ist zahlungsunfähig oder befindet sich in einem Insolvenzverfahren oder in Liquidation, seine Vermögenswerte werden von einem Insolvenzverwalter oder Gericht verwaltet, er befindet sich in einem Vergleichsverfahren, seine gewerbliche Tätigkeit wurde eingestellt[,] oder er befindet sich aufgrund eines in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahrens in einer vergleichbaren Lage;
der öffentliche Auftraggeber kann auf geeignete Weise nachweisen, dass der Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Integrität in Frage stellt;
der öffentliche Auftraggeber verfügt über hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür, dass der Wirtschaftsteilnehmer mit anderen Wirtschaftsteilnehmern Vereinbarungen getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen;
ein Interessenkonflikt gemäß Artikel 24 kann durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden;
eine aus der vorherigen Einbeziehung der Wirtschaftsteilnehmer in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens resultierende Wettbewerbsverzerrung gemäß Artikel 41 kann nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden;
der Wirtschaftsteilnehmer hat bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags, eines früheren Auftrags mit einem Auftraggeber oder eines früheren Konzessionsvertrags erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen, die die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrags, Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben;
der Wirtschaftsteilnehmer hat sich bei seinen Auskünften zur Überprüfung des Fehlens von Ausschlussgründen und der Einhaltung der Eignungskriterien einer schwerwiegenden Täuschung schuldig gemacht, derartige Auskünfte zurückgehalten oder ist nicht in der Lage, die gemäß Artikel 59 erforderlichen zusätzlichen Unterlagen einzureichen, oder
der Wirtschaftsteilnehmer hat versucht, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die er unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder fahrlässig irreführende Informationen zu übermitteln, die die Entscheidungen über Ausschluss, Auswahl oder Auftragszuschlag erheblich beeinflussen könnten.
Ungeachtet des Unterabsatzes 1 Buchstabe b können die Mitgliedstaaten verlangen oder die Möglichkeit vorsehen, dass der öffentliche Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in jenem Buchstaben genannten Situationen befindet, nicht ausschließt, wenn der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung der geltenden nationalen Vorschriften und Maßnahmen betreffend die Fortführung der Geschäftstätigkeit in den Situationen nach Buchstabe b festgestellt hat, dass der fragliche Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, den Auftrag zu erfüllen.
…
(6) Jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in den Absätzen 1 und 4 genannten Situationen befindet, kann Nachweise dafür erbringen, dass die Maßnahmen des Wirtschaftsteilnehmers ausreichen, um trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. Werden solche Nachweise für ausreichend befunden, so wird der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Zu diesem Zweck weist der Wirtschaftsteilnehmer nach, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch eine Straftat oder Fehlverhalten verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder Verfehlungen zu vermeiden.
Die von den Wirtschaftsteilnehmern ergriffenen Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der Schwere und besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens bewertet. Werden die Maßnahmen als unzureichend befunden, so erhält der Wirtschaftsteilnehmer eine Begründung dieser Entscheidung.
Ein Wirtschaftsteilnehmer, der durch eine rechtskräftig[e] gerichtlich[e] Entscheidung von der Teilnahme an Verfahren zur Auftrags- oder Konzessionsvergabe ausgeschlossen wurde, ist während des Ausschlusszeitraumes, der in dieser Entscheidung festgelegt wurde, nicht berechtigt, in den Mitgliedstaaten, in denen die Entscheidung wirksam ist, von der in diesem Absatz gewährten Möglichkeit Gebrauch zu machen.
(7) Die Mitgliedstaaten legen durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift und unter Beachtung des Unionsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels fest. Sie bestimmen insbesondere den höchstzulässigen Zeitraum des Ausschlusses für den Fall, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Maßnahmen gemäß Absatz 6 zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit ergreift. Wurde [ein] Ausschlusszeitraum nicht durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt, so darf dieser Zeitraum in den in Absatz 1 genannten Fällen fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung und in den in Absatz 4 genannten Fällen drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis nicht überschreiten.“
Richtlinie 2014/25
In Art. 77 („Qualifizierungssystem“) der Richtlinie 2014/25 heißt es:
„(1) Die Auftraggeber, die dies wünschen, können ein Qualifizierungssystem für Wirtschaftsteilnehmer einrichten und betreiben.
Die Auftraggeber, die ein Qualifizierungssystem einrichten und betreiben, sorgen dafür, dass Wirtschaftsteilnehmer die Qualifizierung zu jedem Zeitpunkt beantragen können.
(2) Das in Absatz 1 genannte System kann verschiedene Qualifizierungsstufen umfassen.
Die Auftraggeber legen objektive Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Wirtschaftsteilnehmern, die die Qualifizierung beantragen, sowie objektive Kriterien und Vorschriften für die Funktionsweise des Qualifizierungssystems fest, wie beispielsweise die Aufnahme in das System, die regelmäßige Aktualisierung etwaiger Qualifizierungen und die Dauer der Aufrechterhaltung des Systems
Beinhalten diese Kriterien technische Spezifikationen, so gelten die Artikel 60 und 62. Die Kriterien und Vorschriften können nach Bedarf aktualisiert werden.
…“
Art. 80 („In der Richtlinie 2014/24/EU festgelegte Ausschlussgründe und Auswahlkriterien“) der Richtlinie 2014/25 sieht vor:
„(1) Die objektiven Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Wirtschaftsteilnehmern, die eine Qualifizierung im Rahmen eines Qualifizierungssystems beantragen, und die objektiven Vorschriften und Kriterien für den Ausschluss und die Auswahl von Bewerbern und Bietern in offenen Verfahren, nichtoffenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen oder Innovationspartnerschaften können die in Artikel 57 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen beinhalten.
Handelt es sich beim Auftraggeber um einen öffentlichen Auftraggeber, beinhalten diese Kriterien und Vorschriften die in Artikel 57 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen.
Wenn die Mitgliedstaaten dies vorschreiben, beinhalten diese Kriterien und Vorschriften überdies die in Artikel 57 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Ausschlussgründe zu den dort festgelegten Bedingungen.
…
(3) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 gelten die Artikel 59 bis 61 der Richtlinie 2014/24/EU.“
Deutsches Recht
Die Richtlinie 2014/24 wurde durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in deutsches Recht umgesetzt.
§ 124 GWB bestimmt:
„(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn
…
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden,
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen Vereinbarungen mit anderen Unternehmen getroffen hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken,
…“
§ 125 GWB sieht vor:
„(1) Öffentliche Auftraggeber schließen ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 123 oder § 124 vorliegt, nicht von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren aus, wenn das Unternehmen nachgewiesen hat, dass es
für jeden durch eine Straftat oder ein Fehlverhalten verursachten Schaden einen Ausgleich gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat,
die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten und dem dadurch verursachten Schaden in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber umfassend geklärt hat, und
konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden.
…“
§ 126 GWB lautet:
„Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden,
bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Im Ausgangsverfahren stehen sich Vossloh Laeis und die Stadtwerke München als öffentlicher Auftraggeber gegenüber. Dabei geht es um den Ausschluss der Erstgenannten aus dem Qualifizierungssystem im Sinne des Art. 77 der Richtlinie 2014/25, das die Letztgenannte im Jahr 2011 für die Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien eingerichtet hatte. Dieses Qualifizierungssystem wurde mehrfach verlängert, zuletzt am 22. Dezember 2015, und lief Ende 2016 aus.
Vossloh Laeis stellt Oberbaumaterial her, u. a. Weichen und andere aus Stahl hergestellte Bauelemente, die für Gleisanlagen benötigt werden. Im März 2016 verhängte das Bundeskartellamt (Deutschland) gegen sie ein Bußgeld, weil sie bis 2011 an kartellrechtsrelevanten Absprachen über Weichen (im Folgenden: Schienenkartell) teilgenommen hatte. Dabei kam für sie eine Bonusregelung zur Anwendung, um ihrer Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt zur Aufklärung ihres kollusiven Verhaltens Rechnung zu tragen. Die Stadtwerke München erhoben als möglicher Geschädigter des Schienenkartells eine zivilrechtliche Schadensersatzklage gegen Vossloh Laeis.
Nach der Abgabe eines Angebots durch Vossloh Laeis im Rahmen eines weiteren Vergabeverfahrens äußerten die Stadtwerke München mit Schreiben vom 15. Juni 2016 Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bieterin wegen ihrer Beteiligung am Schienenkartell. In Beantwortung dieses Schreibens erläuterte Vossloh Laeis am 16. Juni 2016 die organisatorischen und personellen „Selbstreinigungsmaßnahmen“, die sie getroffen habe, um zu verhindern, dass sich unzulässige Absprachen und unlautere wettbewerbliche Vorgänge wiederholten. Außerdem erklärte sie sich zum Ausgleich des den Stadtwerken München durch ihr unrechtmäßiges Verhalten entstandenen Schadens bereit.
Allerdings weigerte sich Vossloh Laeis, den Stadtwerken München den gegen sie ergangenen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts zu übermitteln. Diese Übermittlung war von den Stadtwerken München gewünscht worden, um den Bescheid prüfen und – über diese Zusammenarbeit – den Kartellrechtsverstoß der Betroffenen aufklären zu können. Vossloh Laeis vertrat insoweit die Auffassung, dass eine Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt für die Selbstreinigung ausreichend sei.
Da die Stadtwerke München die Erläuterungen von Vossloh Laeis nicht als Nachweis dafür ansahen, dass diese hinreichende Maßnahmen im Sinne des § 125 GWB ergriffen hätte, teilten sie ihr am 4. November 2016 mit, dass sie gemäß § 124 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 GWB mit sofortiger Wirkung endgültig von dem betreffenden Prüfungsverfahren ausgeschlossen werde.
Vossloh Laeis reichte am 17. November 2016 bei der Vergabekammer Südbayern (Deutschland) einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gegen diese Ausschlussentscheidung ein. Ihrer Ansicht nach haben die Stadtwerke München § 125 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GWB falsch ausgelegt und die Entscheidung über ihren Ausschluss nicht hinreichend begründet, da Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 nur eine Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden vorsehe, nicht aber mit dem öffentlichen Auftraggeber. Außerdem sei der Ausschluss von dem Vergabeverfahren nach § 126 Nr. 2 GWB nur für die drei Jahre, die auf den einen Ausschlussgrund begründenden Sachverhalt folgten, statthaft. Dieser Sachverhalt habe sich hier aber länger als drei Jahre vor dem Ausschluss zugetragen.
Unter diesen Umständen hat die Vergabekammer Südbayern beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Zur ersten und zur zweiten Frage
Mit seinen zusammen zu prüfenden ersten beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 80 der Richtlinie 2014/25 in Verbindung mit Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der seine Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes nachweisen möchte, die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit nicht nur mit der Ermittlungsbehörde, sondern auch mit dem öffentlichen Auftraggeber umfassend klären muss, um Letzterem den Nachweis der Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit zu erbringen.
Nach Art. 57 der Richtlinie 2014/24, auf den Art. 80 der Richtlinie 2014/25 verweist, muss oder kann ein öffentlicher Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausschließen, wenn einer der in Art. 57 Abs. 1, 2 und 4 aufgezählten Ausschlussgründe vorliegt.
Gemäß Art. 57 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 weist ein Wirtschaftsteilnehmer, der seine Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes im Sinne der Abs. 1 und 4 dieses Artikels nachweisen möchte, nach, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch eine Straftat oder Fehlverhalten verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, dass er die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt hat und dass er konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder Verfehlungen zu vermeiden.
Was den Zusammenhang betrifft, in den sich diese Bestimmung einfügt, ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Wirtschaftsteilnehmer nach Art. 57 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen wird, wenn die von ihm erbrachten Nachweise mit Blick auf die hierfür einschlägigen Regeln des nationalen Rechts für ausreichend befunden werden. Werden die ergriffenen Maßnahmen dagegen für unzureichend befunden, so erhält der Wirtschaftsteilnehmer nach Art. 57 Abs. 6 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/24 eine Begründung dieser Entscheidung.
Als Zweites geht aus dem 102. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 hervor, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, wenn er Compliance-Maßnahmen, die ausreichende Garantien bieten, getroffen hat, um die Folgen eines strafrechtlichen Verstoßes oder eines Fehlverhaltens zu beheben und weiteres Fehlverhalten wirksam zu verhindern, nicht länger alleine aus diesen Gründen ausgeschlossen werden sollte. Nach diesem Erwägungsgrund sollten Wirtschaftsteilnehmer beantragen können, dass die im Hinblick auf ihre etwaige Zulassung zum Vergabeverfahren getroffenen Compliance-Maßnahmen geprüft werden. Außerdem wird an selber Stelle klargestellt, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die genauen verfahrenstechnischen und inhaltlichen Bedingungen zu bestimmen, die in diesem Fall gelten, und dass es ihnen insbesondere freistehen sollte, zu entscheiden, es den jeweiligen öffentlichen Auftraggebern zu überlassen, die einschlägigen Bewertungen vorzunehmen, oder sie anderen Behörden auf zentraler oder dezentraler Ebene zu übertragen.
Der Nachweis, dass Maßnahmen im Sinne des Art. 57 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24, zu denen u. a. die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden zählt, ergriffen wurden, ist somit nach Maßgabe der nationalen Regelung im Rahmen des Verhältnisses zu demselben öffentlichen Auftraggeber zu erbringen, der über den Ausschluss gemäß Art. 57 dieser Richtlinie entscheidet. Wenn die Mitgliedstaaten es dem öffentlichen Auftraggeber überlassen, die einschlägigen Bewertungen vorzunehmen, kommt es mithin diesem zu, nicht nur zu beurteilen, ob ein Grund für einen Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers vorliegt, sondern auch, ob gegebenenfalls dieser Wirtschaftsteilnehmer seine Zuverlässigkeit tatsächlich wiederhergestellt hat.
Um zu prüfen, ob gewisse Ausschlussgründe vorliegen, können die öffentlichen Auftraggeber unter bestimmten Umständen zu Nachforschungen und Überprüfungen veranlasst sein. So kann ein öffentlicher Auftraggeber nach Art. 57 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 „auf geeignete Weise“ nachweisen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer gegen die für ihn geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen hat, die durch Rechtsvorschriften der Union, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder internationale umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Vorschriften festgelegt sind. Ebenso kann der öffentliche Auftraggeber nach Art. 57 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 „auf geeignete Weise“ nachweisen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Integrität in Frage stellt. Die Vornahme einer Überprüfung durch den öffentlichen Auftraggeber kann auch erforderlich sein, um beispielsweise das Vorliegen eines der in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g und i dieser Richtlinie geregelten Ausschlusstatbestände festzustellen.
Davon abgesehen muss sich jedoch der öffentliche Auftraggeber in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der es ein eigenes Verfahren nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Verfolgung bestimmter Verstöße gibt und in der spezielle Einrichtungen mit den Ermittlungen in dieser Hinsicht betraut sind, im Rahmen der Würdigung der vorgelegten Nachweise grundsätzlich auf das Ergebnis eines solchen Verfahrens stützen.
In diesem Zusammenhang sind die jeweiligen Funktionen der öffentlichen Auftraggeber einerseits und der Ermittlungsbehörden andererseits zu berücksichtigen. Aufgabe der Ermittlungsbehörden ist es, die Verantwortung bestimmter Akteure bei der Begehung eines Rechtsverstoßes zu ermitteln, indem sie unparteiisch die tatsächlichen Feststellungen zu dem möglicherweise einen solchen Verstoß darstellenden Sachverhalt treffen, und das in der Vergangenheit liegende Fehlverhalten dieser Akteure zu ahnden. Demgegenüber müssen die öffentlichen Auftraggeber die Risiken einschätzen, die sie unter Umständen eingehen, indem sie einen Auftrag an einen Bieter mit zweifelhafter Integrität oder Zuverlässigkeit vergeben.
Daraus folgt, wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, dass mit der Aufklärung der Tatsachen und Umstände durch die Ermittlungsbehörden im Sinne des Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 nicht der gleiche Zweck verfolgt wird wie mit der Prüfung der Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers, der in dieser Bestimmung vorgesehene Maßnahmen ergriffen hat und dem öffentlichen Auftraggeber den Nachweis dafür erbringen muss, dass diese Maßnahmen für seine Zulassung zum Vergabeverfahren ausreichend sind. Sofern und soweit die jeweiligen Funktionen des öffentlichen Auftraggebers und der Ermittlungsbehörden dies verlangen, muss somit der Wirtschaftsteilnehmer, der trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachweisen möchte, wirksam mit den Stellen zusammenarbeiten, denen diese jeweiligen Funktionen übertragen worden sind, ganz gleich, ob es sich um den öffentlichen Auftraggeber oder um die Ermittlungsbehörde handelt.
Diese Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber muss jedoch auf die Maßnahmen beschränkt sein, die unbedingt erforderlich sind, damit das Ziel wirksam verfolgt werden kann, das der Prüfung der Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers, um die es in Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 geht, innewohnt.
Genauer ist der Bieter in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden insbesondere gehalten, den Nachweis zu erbringen, dass er die Tatsachen und Umstände bezüglich des Kartells, an dem er beteiligt war, umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit der für entsprechende Sachverhalte zuständigen Ermittlungsbehörde geklärt hat.
Insoweit ist festzustellen, dass der öffentliche Auftraggeber von einem Wirtschaftsteilnehmer, dessen Verantwortung für einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht festgestellt worden ist, verlangen können muss, dass er die ihn betreffende Entscheidung der Wettbewerbsbehörde vorlegt. Der Umstand, dass die Übermittlung eines solchen Dokuments die Durchführung einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage des öffentlichen Auftraggebers gegen diesen Wirtschaftsteilnehmer erleichtern könnte, kann diese Feststellung nicht in Frage stellen. Zu den Maßnahmen, die ein Wirtschaftsteilnehmer zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit ergreifen muss, gehört nämlich die Erbringung des Nachweises, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch seine Straftat oder sein Fehlverhalten verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat.
Außerdem ist festzustellen, dass grundsätzlich die Übermittlung der Entscheidung, mit der der Verstoß des Bieters gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt, auf diesen aber wegen seiner Zusammenarbeit mit der Wettbewerbsbehörde eine Bonusregelung angewandt wurde, an den öffentlichen Auftraggeber ausreichen sollte, um diesem gegenüber nachzuweisen, dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine Zusammenarbeit mit der Wettbewerbsbehörde geklärt hat, was aber vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.
Im Übrigen kann der öffentliche Auftraggeber von dem Wirtschaftsteilnehmer, da er von ihm auch Nachweise für die Maßnahmen verlangen kann, die dieser ergriffen hat und die geeignet sind, weitere Verstöße der festgestellten Art zu verhindern, Tatsachenmaterial einfordern, das belegen kann, dass die Maßnahmen, auf die sich der Wirtschaftsteilnehmer beruft, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, unter denen die festgestellten Verstöße begangen wurden, tatsächlich geeignet sind, weiteres Verhalten der beanstandeten Art zu verhindern. Der Umstand, dass die vom Wirtschaftsteilnehmer insoweit vorzulegenden Beweise schon von der Wettbewerbsbehörde während ihrer Ermittlung verlangt wurden, rechtfertigt für sich allein genommen nicht, dass der Wirtschaftsteilnehmer davon befreit wäre, dem öffentlichen Auftraggeber diese Beweise vorzulegen, es sei denn, die Tatsachen oder Umstände, deren Nachweis damit verlangt wird, ergeben sich hinreichend klar aus anderen Unterlagen, die der Wirtschaftsteilnehmer vorgelegt hat, namentlich aus der Entscheidung, mit der der Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wurde.
Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 80 der Richtlinie 2014/25 in Verbindung mit Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der seine Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes nachweisen möchte, die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem begangenen Fehlverhalten in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit nicht nur mit der Ermittlungsbehörde, sondern auch mit dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der diesem eigenen Rolle umfassend klären muss, um Letzterem den Nachweis der Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit zu erbringen, sofern diese Zusammenarbeit auf die Maßnahmen beschränkt ist, die für die betreffende Prüfung unbedingt erforderlich sind.
Zur dritten und zur vierten Frage
Mit seinen zusammen zu prüfenden Fragen 3 und 4 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass bei einem Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers, das den Ausschlussgrund des Art. 57 Abs. 4 Buchst. d dieser Richtlinie erfüllt und von einer zuständigen Behörde geahndet wurde, der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses ab dem Datum der Entscheidung dieser Behörde zu berechnen ist.
Nach den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen verhängte das Bundeskartellamt eine Sanktion gegen Vossloh Laeis, weil sie sich bis 2011 im Rahmen des Schienenkartells an Absprachen beteiligt hatte, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielten. Vossloh Laeis macht geltend, das „betreffende Ereignis“ im Sinne des Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24, ab dem der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses berechnet werde, sei die Beendigung der Kartellbeteiligung. Das vorlegende Gericht führt aus, die Gesetzesbegründung zu § 126 GWB, mit dem besagter Art. 57 Abs. 7 umgesetzt werden solle, könne die Ansicht stützen, dass die Entscheidung der zuständigen Wettbewerbsbehörde dieses Ereignis darstelle.
Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 die Mitgliedstaaten den höchstzulässigen Zeitraum des Ausschlusses für den Fall bestimmen, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Maßnahmen gemäß Art. 57 Abs. 6 dieser Richtlinie zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit ergriffen hat, und dass dieser Zeitraum, wenn ein Ausschlusszeitraum nicht durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt wurde, in den in Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie genannten Ausschlussfällen drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis nicht überschreiten darf.
Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 regelt zwar weder die Art des „betreffenden Ereignisses“ noch insbesondere den Zeitpunkt seines Eintritts näher, sieht aber für die zwingenden Ausschlussgründe des Art. 57 Abs. 1, wenn ein Ausschlusszeitraum nicht durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt wurde, vor, dass die Dauer von fünf Jahren ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung zu berechnen ist, ohne dass dem Zeitpunkt Rechnung getragen würde, zu dem sich der Sachverhalt, der zu dieser Verurteilung geführt hat, ereignet hat. Somit wird diese Dauer für die genannten Ausschlussgründe ab einem Zeitpunkt berechnet, der in manchen Fällen deutlich nach der Begehung des Delikts liegt.
Im vorliegenden Fall wurde das Verhalten, das den einschlägigen Ausschlussgrund erfüllt, durch eine Entscheidung der zuständigen Behörde geahndet, die im Rahmen eines Verfahrens nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Feststellung eines gegen eine Rechtsvorschrift verstoßenden Verhaltens erging. In dieser Situation ist aus Gründen der Kohärenz mit den Berechnungsmodalitäten für die Frist bei zwingenden Ausschlussgründen, aber auch aus Gründen der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit davon auszugehen, dass die in Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 vorgesehene Dauer von drei Jahren ab dem Datum dieser Entscheidung berechnet wird.
Diese Lösung erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn, wie der Generalanwalt in den Nrn. 83 bis 85 seiner Schlussanträge festgestellt hat, das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen erst nach dem Erlass einer solchen Entscheidung, die den Sachverhalt rechtlich entsprechend einordnet, als erwiesen erachtet werden kann.
Im Übrigen behält der betroffene Wirtschaftsteilnehmer, wie die Kommission betont hat, während dieses Zeitraums die Möglichkeit, Maßnahmen im Sinne des Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit zu ergreifen, wenn er gleichwohl an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilnehmen möchte.
Folglich ist der Ausschlusszeitraum nicht ab der Kartellbeteiligung zu berechnen, sondern ab dem Datum, an dem die zuständige Behörde einen Verstoß durch das Verhalten festgestellt hat.
Demnach ist auf die Fragen 3 und 4 zu antworten, dass Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass bei einem Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers, das den Ausschlussgrund des Art. 57 Abs. 4 Buchst. d dieser Richtlinie erfüllt und von einer zuständigen Behörde geahndet wurde, der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses ab dem Datum der Entscheidung dieser Behörde berechnet wird.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 80 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG in Verbindung mit Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der seine Zuverlässigkeit trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes nachweisen möchte, die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem begangenen Fehlverhalten in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit nicht nur mit der Ermittlungsbehörde, sondern auch mit dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der diesem eigenen Rolle umfassend klären muss, um Letzterem den Nachweis der Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit zu erbringen, sofern diese Zusammenarbeit auf die Maßnahmen beschränkt ist, die für die betreffende Prüfung unbedingt erforderlich sind.
Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass bei einem Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers, das den Ausschlussgrund des Art. 57 Abs. 4 Buchst. d dieser Richtlinie erfüllt und von einer zuständigen Behörde geahndet wurde, der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses ab dem Datum der Entscheidung dieser Behörde berechnet wird.
von Danwitz
Jürimäe
Lycourgos
Juhász
Vajda
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Oktober 2018.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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