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EuGH 07.12.2023 - C-830/21
EuGH 07.12.2023 - C-830/21 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 7. Dezember 2023 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Art. 52 – Parallelhandel – Verordnung (EU) Nr. 547/2011 – Kennzeichnungsanforderungen für Pflanzenschutzmittel – Anhang I Nr. 1 Buchst. b und f – Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung – Chargennummer“
Leitsatz
In der Rechtssache C-830/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland) mit Beschluss vom 9. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Dezember 2021, in dem Verfahren
Syngenta Agro GmbH
gegen
Agro Trade Handelsgesellschaft mbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter N. Piçarra, M. Safjan, N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Syngenta Agro GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte P. Gey und H.-G. Kamann,
der Agro Trade Handelsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. P. Koof,
der griechischen Regierung, vertreten durch V. Karra, K. Konsta und E. Leftheriotou als Bevollmächtigte,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Collabolletta, Avvocato dello Stato,
der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und V.-S. Strasser als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und M. Ter Haar als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. April 2023
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. b und f der Verordnung (EU) Nr. 547/2011 der Kommission vom 8. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Kennzeichnungsanforderungen für Pflanzenschutzmittel (ABl. 2011, L 155, S. 176).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Syngenta Agro GmbH und der Agro Trade Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: Agro Trade) über das Verbot des Inverkehrbringens eines Pflanzenschutzmittels.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 1107/2009
In den Erwägungsgründen 8, 9 und 31 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) wird ausgeführt:
Mit dieser Verordnung soll ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gewährleistet und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sichergestellt werden. …
Um die aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten möglicherweise bestehenden Handelshemmnisse bei Pflanzenschutzmitteln so weit wie möglich zu beseitigen, sollten in dieser Verordnung ferner harmonisierte Regelungen für die Genehmigung von Wirkstoffen und für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, einschließlich der Regelungen über die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen sowie über den Parallelhandel festgelegt werden. Zweck dieser Verordnung ist es somit, den freien Verkehr der entsprechenden Produkte und die Verfügbarkeit dieser Produkte in den Mitgliedstaaten zu verbessern.
…
Für den Fall, dass identische Pflanzenschutzmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten zugelassen wurden, sollte in dieser Verordnung ein vereinfachtes Verfahren für die Erteilung einer Genehmigung für den Parallelhandel vorgesehen werden, um den Handel mit solchen Produkten zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern.“
Art. 1 („Gegenstand und Ziel“) Abs. 3 dieser Verordnung lautet:
„Ziel dieser Verordnung ist die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt und das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.“
In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung heißt es:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
‚Zulassung eines Pflanzenschutzmittels‘ einen Verwaltungsakt, mit dem die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels auf dessen Gebiet zulässt;
‚Hersteller‘ eine Person, die Pflanzenschutzmittel, Wirkstoffe, Safener, Synergisten, Beistoffe oder Zusatzstoffe selbst herstellt oder einen Dritten damit beauftragt, diese für sie herzustellen, oder eine Person, die vom Hersteller für die Zwecke der Einhaltung dieser Verordnung als alleiniger Vertreter benannt wurde;
…
‚Inhaber einer Zulassung‘ jede natürliche oder juristische Person, die Inhaber einer Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist;
…“
Art. 28 („Zulassung zum Inverkehrbringen und zur Verwendung“) der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht vor:
„(1) Ein Pflanzenschutzmittel darf nur in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurde.
(2) Abweichend von Absatz 1 ist in folgenden Fällen keine Zulassung erforderlich:
…
Inverkehrbringen und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, für die bereits eine Genehmigung für den Parallelhandel nach Artikel 52 erteilt wurde.“
Art. 52 („Parallelhandel“) der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt:
„(1) Ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist, kann, sofern eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt, in Verkehr gebracht oder verwendet werden (Einfuhrmitgliedstaat), wenn dieser Mitgliedstaat feststellt, dass das Pflanzenschutzmittel in seiner Zusammensetzung mit einem Pflanzenschutzmittel identisch ist, das in seinem Gebiet bereits zugelassen ist (Referenzmittel). Der Antrag ist an die zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedstaats zu richten.
(2) Eine Genehmigung für den Parallelhandel wird binnen 45 Arbeitstagen nach Erhalt eines vollständigen Antrags nach einem vereinfachten Verfahren erteilt, sofern das einzuführende Pflanzenschutzmittel identisch im Sinne des Absatzes 3 ist. …
(3) Pflanzenschutzmittel gelten als identisch mit dem Referenzmittel, wenn
sie von demselben Unternehmen oder einem angeschlossenen Unternehmen oder unter Lizenz nach demselben Verfahren hergestellt wurden;
sie in Spezifikation und Gehalt an Wirkstoffen, Safenern und Synergisten sowie in Formulierungsart identisch sind; und
sie hinsichtlich der enthaltenen Beistoffe und der Größe, des Materials oder der Form der Verpackung im Hinblick auf die potenziellen nachteiligen Auswirkungen auf die Sicherheit des Produkts in Bezug auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt identisch oder gleichwertig sind.
(4) Der Antrag auf Genehmigung für den Parallelhandel umfasst Folgendes:
Bezeichnung und Zulassungsnummer des Pflanzenschutzmittels im Ursprungsmitgliedstaat;
Angabe des Ursprungsmitgliedstaats;
Name und Anschrift des Genehmigungsinhabers im Ursprungsmitgliedstaat;
Original des Etiketts und der Gebrauchsanleitung, mit denen das einzuführende Pflanzenschutzmittel im Ursprungsmitgliedstaat vertrieben wird, wenn dies als für die Prüfung durch die zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedstaats erforderlich angesehen wird. Die zuständige Behörde kann eine Übersetzung der wesentlichen Teile dieser Gebrauchsanleitung verlangen;
Name und Anschrift des Antragstellers;
Bezeichnung, unter der das Pflanzenschutzmittel im Einfuhrmitgliedstaat vertrieben werden soll;
Etikettentwurf für das Produkt, das in Verkehr gebracht werden soll;
Probe des einzuführenden Produkts, wenn dies von der zuständigen Behörde des Einfuhrmitgliedstaats für erforderlich gehalten wird;
Bezeichnung und Zulassungsnummer des Referenzmittels.
…
(5) Ein Pflanzenschutzmittel, für das eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt wurde, darf nur nach den Bestimmungen der Zulassung für das Referenzmittel in Verkehr gebracht und verwendet werden. Um die Überwachung und Kontrolle zu erleichtern, legt die Kommission in einer Verordnung gemäß Artikel 68 spezifische Anforderungen an die Kontrolle des einzuführenden Produkts fest.
(6) Die Genehmigung für den Parallelhandel ist für die Dauer der Zulassung des Referenzmittels gültig. Beantragt der Inhaber der Zulassung für das Referenzmittel die Aufhebung der Zulassung gemäß Artikel 45 Absatz 1 und sind die Anforderungen gemäß Artikel 29 noch erfüllt, so endet die Gültigkeit der Genehmigung für den Parallelhandel an dem Tag, an dem die Zulassung für das Referenzmittel normalerweise abgelaufen wäre.
(7) Unbeschadet der spezifischen Bestimmungen dieses Artikels gelten die Bestimmungen der Artikel 44, 45, 46 und 55 und 56 Absatz 4 sowie der Kapitel VI bis X sinngemäß für Pflanzenschutzmittel im Parallelhandel.
(8) Unbeschadet des Artikels 44 kann eine Genehmigung für den Parallelhandel aufgehoben werden, wenn die Zulassung für das eingeführte [Pflanzenschutzmittel] im Ursprungsmitgliedstaat aus Gründen der Sicherheit oder Wirksamkeit aufgehoben wurde.
(9) Ist das Produkt nicht im Sinne des Absatzes 3 mit dem Referenzmittel identisch, so kann der Einfuhrmitgliedstaat die für das Inverkehrbringen und die Verwendung erforderliche Zulassung nur gemäß Artikel 29 erteilen.
…
(11) Unbeschadet von Artikel 63 können die Behörden der Mitgliedstaaten Informationen über Genehmigungen zum Parallelhandel öffentlich zugänglich machen.“
In Art. 55 der Verordnung („Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“) heißt es:
„Pflanzenschutzmittel müssen sachgemäß angewendet werden.
Die sachgemäße Verwendung umfasst die Befolgung der Grundsätze der guten Pflanzenschutzpraxis und die Einhaltung der gemäß Artikel 31 festgelegten und auf dem Etikett angegebenen Bedingungen. …“
Art. 56 („Angaben über potenziell schädliche oder unannehmbare Auswirkungen“) Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 lautet:
„Der Inhaber einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel erstattet den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die sein Pflanzenschutzmittel zugelassen haben, jährlich Bericht, wenn ihm Informationen über eine unerwartet schwache Wirksamkeit, die Bildung einer Resistenz oder unerwartete Auswirkungen auf Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder die Umwelt vorliegen.“
Art. 65 („Kennzeichnung“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„Die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln umfasst die Anforderungen in Bezug auf Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gemäß der Richtlinie 1999/45/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (ABl. 1999, L 200, S. 1)] und muss den Anforderungen einer Verordnung entsprechen, die nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle gemäß Artikel 79 Absatz 4 erlassen wird.
…“
Verordnung Nr. 547/2011
Art. 1 der Verordnung Nr. 547/2011 lautet:
„Die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln muss den Anforderungen gemäß Anhang I entsprechen und erforderlichenfalls die Standardsätze bei besonderen Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt gemäß Anhang II sowie die Standardsätze mit Sicherheitshinweisen zum Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier oder der Umwelt gemäß Anhang III enthalten.“
Anhang I („Kennzeichnungsanforderungen gemäß Artikel 1“) Nr. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„Folgende Angaben sind deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung von Pflanzenschutzmitteln anzubringen:
…
Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung und die Zulassungsnummer des Pflanzenschutzmittels sowie, falls nicht identisch, Name und Anschrift der Person, die für die Endverpackung und -kennzeichnung bzw. für die Endkennzeichnung des Pflanzenschutzmittels verantwortlich ist;
…
die Chargennummer der Formulierung und das Herstellungsdatum;
…“
Verordnung (EG) Nr. 1272/2008
In Art. 1 („Zweck und Geltungsbereich“) der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) heißt es:
„(1) Zweck dieser Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sowie den freien Verkehr von in Artikel 4 Absatz 8 genannten Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen durch folgende Maßnahmen zu gewährleisten:
…
Verpflichtung der
…
Lieferanten eines Stoffes oder Gemisches zur Kennzeichnung und Verpackung von in Verkehr gebrachten Stoffen und Gemischen;
…
…“
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung sieht vor:
„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
…
‚Lieferant‘: Hersteller, Importeur, nachgeschalteter Anwender oder Händler, der einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch oder ein Gemisch in Verkehr bringt;
…“
Art. 17 („Allgemeine Vorschriften“) in Titel III („Gefahrenkommunikation durch Kennzeichnung“) der Verordnung bestimmt:
„(1) Ein Stoff oder Gemisch, der bzw. das als gefährlich eingestuft und verpackt ist, trägt ein Kennzeichnungsetikett mit folgenden Elementen:
Name, Anschrift und Telefonnummer des bzw. der Lieferanten;
…“
Deutsches Recht
In § 49 Abs. 4 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) heißt es:
„Verwendet der Inhaber der Genehmigung für die Kennzeichnung nach § 47 Absatz 1 nicht die Chargennummer des Zulassungsinhabers des parallel einzuführenden Pflanzenschutzmittels, so hat er Aufzeichnungen zu führen und für die Dauer von mindestens fünf Jahren aufzubewahren, aus denen sich die Entsprechung der von ihm verwendeten Chargennummer mit denen des Zulassungsinhabers des parallel einzuführenden Pflanzenschutzmittels ergibt. …“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Syngenta Agro ist eine Vertriebsgesellschaft der Syngenta-Gruppe, die in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Pflanzenschutzmittel herstellt und vertreibt.
Agro Trade ist ein Handelsunternehmen im Agrarbereich, das Pflanzenschutzmittel, insbesondere parallel eingeführte, vertreibt.
Zu Letzteren gehören die Produkte von Syngenta Agro, die Agro Trade in Deutschland in ungeöffneten Originalkanistern von Syngenta Agro vertreibt, wobei sie zuvor das Originaletikett durch ihr eigenes Etikett ersetzt.
Auf dem eigenen Etikett finden sich u. a. Angaben über Agro Trade als Importeurin und Vertreiberin, nicht aber solche über Syngenta Agro als Inhaberin der Zulassung für das betreffende Pflanzenschutzmittel im Ursprungsmitgliedstaat. Agro Trade ersetzt auch die ursprüngliche Chargennummer der Herstellerin durch eine eigene Identifikationsnummer und hält eine Registratur vor, aus der hervorgeht, welche Identifikationsnummer welcher ursprünglichen Chargennummer entspricht.
Syngenta Agro erhob Klage beim Landgericht Hamburg (Deutschland) und beantragte, Agro Trade im deutschen Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen der von ihr stammenden parallel eingeführten Pflanzenschutzmittel im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, wenn die Angaben zu Name und Anschrift der Inhaberin der Zulassung auf der Originalverpackung entfernt wurden und/oder die Chargennummer der Formulierung auf der Originalverpackung entfernt und durch eine anderweitige Identifikationsnummer ersetzt wurde. Sie begründete ihren Antrag damit, dass das Verhalten von Agro Trade gegen Art. 1 in Verbindung mit Anhang I Nr. 1 Buchst. b und f der Verordnung Nr. 547/2011 verstoße.
Das Landgericht Hamburg gab der Klage von Syngenta Agro statt, soweit sie auf Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 gestützt war und die Angaben zu Name und Anschrift der Inhaberin der Zulassung betraf. Dagegen wies es die Klage ab, soweit sie auf Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011 gestützt war und die Chargennummer der betreffenden Formulierung betraf.
Syngenta Agro und Agro Trade legten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland), dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache, ein.
Dieses Gericht äußert Zweifel hinsichtlich der zutreffenden Auslegung von Anhang I Nr. 1 Buchst. b und f der Verordnung Nr. 547/2011, da diese Verordnung für die Kennzeichnung von parallel eingeführten Pflanzenschutzmitteln keine eigenständige Regelung treffe.
Unter diesen Umständen hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 1 in Verbindung mit Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 so auszulegen, dass im Fall eines Parallelimports eines Pflanzenschutzmittels der Name und die Anschrift des Inhabers der Zulassung aus dem Ursprungsmitgliedstaat, aus welchem das Pflanzenschutzmittel importiert worden ist, bei dem Vertrieb in einem anderen Mitgliedstaat auf der Verpackung anzugeben sind?
Ist Art. 1 in Verbindung mit Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011 so auszulegen, dass im Fall eines Parallelimports eines Pflanzenschutzmittels zwingend die vom Hersteller ursprünglich vergebene Chargennummer unverändert auf der Verpackung anzugeben ist, oder ist es mit der genannten Vorschrift vereinbar, dass der Parallelimporteur die ursprüngliche Chargennummer entfernt und auf der Verpackung eine eigene Identifikationsnummer anbringt, wenn er Aufzeichnungen führt, aus denen sich die Entsprechung der von ihm verwendeten Chargennummern mit denen des Zulassungsinhabers des parallel einzuführenden Pflanzenschutzmittels ergibt?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 dahin auszulegen sind, dass ein Importeur, der ein Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage einer Genehmigung für den Parallelhandel in einen Mitgliedstaat einführt, auf der Verpackung des Pflanzenschutzmittels Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat durch seinen eigenen Namen und seine eigene Anschrift ersetzen darf.
Nach Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 umfasst die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln, die gemäß dieser Verordnung in Verkehr gebracht oder verwendet werden, die Anforderungen gemäß der Richtlinie 1999/45, die durch die Verordnung Nr. 1272/2008 aufgehoben und ersetzt wurde. Außerdem muss diese Kennzeichnung den Anforderungen der Verordnung Nr. 547/2011 entsprechen, die auf der Grundlage von Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 zur Durchführung der in dieser Verordnung vorgesehenen Kennzeichnungsanforderungen für Pflanzenschutzmittel erlassen wurde.
Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 547/2011 muss die besagte Kennzeichnung den Anforderungen gemäß Anhang I dieser Verordnung entsprechen.
Aus Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 ergibt sich, dass Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung von Pflanzenschutzmitteln anzubringen sind.
Die Verordnungen Nr. 1107/2009 und Nr. 547/2011 enthalten keine spezifischen Bestimmungen über die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln, für die eine Genehmigung für den Parallelhandel beantragt wurde, und Art. 52 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht lediglich vor, dass für diese Produkte u. a. die allgemeinen Bestimmungen über die Kennzeichnung in Kapitel VII dieser Verordnung „sinngemäß“ gelten.
Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung von Unionsvorschriften nicht nur ihr Wortlaut entsprechend dessen üblichem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden (Urteil vom 22. Juni 2022, Leistritz,C-534/20, EU:C:2022:495, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Außerdem ist eine Durchführungsverordnung nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit der Grundverordnung auszulegen (Urteil vom 19. Juli 2012, Pie Optiek,C-376/11, EU:C:2012:502, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie die Wendung „Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung“ in Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 im Rahmen der Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln im Parallelhandel im Sinne von Art. 52 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 zu verstehen ist, ist im Einklang mit dieser Rechtsprechung zu bestimmen.
Als Erstes ist, was die wörtliche Auslegung dieser Wendung betrifft, festzustellen, dass der Wortlaut von Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 insoweit keinen sachdienlichen Anhaltspunkt liefert.
Was als Zweites die systematische Auslegung anbelangt, ergibt sich aus Art. 3 Nrn. 10 und 24 sowie aus Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009, dass die Verpflichtung, auf der Verpackung von Pflanzenschutzmitteln Name und Anschrift des Inhabers einer Zulassung anzubringen, grundsätzlich für die natürliche oder juristische Person gilt, der von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats mittels eines spezifischen Verwaltungsakts gestattet wurde, das betreffende Pflanzenschutzmittel im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats in Verkehr zu bringen.
Bei einem Pflanzenschutzmittel im Parallelhandel ist es aber nach Art. 52 der Verordnung Nr. 1107/2009 der Inhaber der Genehmigung für den Parallelhandel, der für das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels im Hoheitsgebiet des Einfuhrmitgliedstaats verantwortlich ist, nachdem überprüft wurde, dass dieses Pflanzenschutzmittel mit dem Referenzmittel identisch ist.
Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass die Genehmigung für den Parallelhandel personengebunden ist und in dem Mitgliedstaat, der sie erteilt hat, nur der Inhaber dieser Genehmigung ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringen darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2021, Agrimotion,C-912/19, EU:C:2021:173, Rn. 26 und 37).
Daraus folgt, wie die Generalanwältin in Nr. 52 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, dass, während mit einer nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 erteilten Zulassung deren Inhaber an den Ursprungsmitgliedstaat gebunden ist, eine nach Art. 52 dieser Verordnung erteilte Genehmigung für den Parallelhandel ihren Inhaber an den Einfuhrmitgliedstaat bindet und dass eine vom Ursprungsmitgliedstaat erteilte Zulassung für ihren Inhaber keine Rechte oder Pflichten im Einfuhrmitgliedstaat begründet.
Folglich ist das in Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 aufgestellte Erfordernis der Angabe von Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung im Rahmen des Parallelhandels so zu verstehen, dass es sich auf Name und Anschrift des Inhabers der Genehmigung für den Parallelhandel bezieht. Dieser muss daher auf dem Etikett des im Einfuhrmitgliedstaat in Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittels seinen Namen und seine Anschrift neben oder anstelle von Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat anbringen.
Bestätigung findet diese Auslegung von Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 auch in den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1272/2008.
Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1272/2008 „[trägt e]in Stoff oder Gemisch, der bzw. das als gefährlich eingestuft und verpackt ist, … ein Kennzeichnungsetikett mit … Name, Anschrift und Telefonnummer des bzw. der Lieferanten“.
Aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii dieser Verordnung geht hervor, dass diese eine Verpflichtung der Lieferanten zur Kennzeichnung und Verpackung von in Verkehr gebrachten Stoffen und Gemischen vorsieht, während nach der Definition in Art. 2 Nr. 26 der Verordnung der Ausdruck „Lieferant“ jeden Hersteller, Importeur, nachgeschalteten Anwender oder Händler erfasst, der einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch oder ein Gemisch in Verkehr bringt.
Daraus folgt, dass ein Importeur oder Händler mit einer Genehmigung für den Parallelhandel, wenn er in dem Mitgliedstaat, der diese Genehmigung erteilt hat, ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringt, die in der Verordnung Nr. 1272/2008 vorgesehenen Kennzeichnungsanforderungen erfüllt, wenn die Verpackung des Pflanzenschutzmittels ein Etikett mit seinem Namen, seiner Anschrift und seiner Telefonnummer trägt.
Als Drittes steht die Auslegung von Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 oben in Rn. 39 im Einklang mit dem doppelten Ziel, das mit Art. 52 der Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgt wird und, wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 8, 9 und 31 dieser Verordnung ergibt, darin besteht, den Parallelhandel mit identischen Pflanzenschutzmitteln, die in verschiedenen Mitgliedstaaten zugelassen sind, zu erleichtern und zugleich ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2019, Vaselife International und Chrysal International, C-445/18, EU:C:2019:968, Rn. 32).
Zum einen behindert nämlich die Angabe von Name und Anschrift des Inhabers der Genehmigung für den Parallelhandel mit einem Pflanzenschutzmittel auf dessen Etikett keineswegs den Parallelhandel mit diesem Produkt, da damit an sich keine Voraussetzungen für den Vertrieb des Produkts außerhalb des Ursprungsmitgliedstaats verbunden sind.
Zum anderen ist in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt mit der griechischen Regierung festzustellen, dass ein hohes Schutzniveau dafür durch die Kontrollen der sachgemäßen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln gewährleistet wird, die mit Art. 55 der Verordnung Nr. 1107/2009, der nach deren Art. 52 Abs. 7 für Pflanzenschutzmittel im Parallelhandel gilt, vorgeschrieben ist.
Solche Kontrollen erfolgen unter Berücksichtigung des Inhalts der Genehmigung für den Parallelhandel mit dem betreffenden Pflanzenschutzmittel, der in Bezug auf die Bedingungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung dieses Mittels gemäß Art. 52 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 demjenigen der Zulassung des Referenzmittels im Einfuhrmitgliedstaat entspricht.
Außerdem entspricht nach Art. 52 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 die Gültigkeitsdauer der Genehmigung für den Parallelhandel mit einem Pflanzenschutzmittel grundsätzlich der Gültigkeitsdauer, die in der Zulassung des Referenzmittels im Einfuhrmitgliedstaat festgelegt ist.
Folglich finden sich sowohl für die zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedstaats als auch für die Händler und Anwender eines parallel gehandelten Pflanzenschutzmittels die wichtigsten Angaben und Informationen zu diesem Mittel ausschließlich in der Genehmigung für den Parallelhandel mit diesem Produkt.
Zu diesen Angaben und Informationen gehören aber Name und Anschrift des Inhabers der Genehmigung für den Parallelhandel mit dem betreffenden Pflanzenschutzmittel, der, wie sich aus Rn. 37 des vorliegenden Urteils ergibt, der alleinige Verantwortliche für das Inverkehrbringen dieses Produkts im Hoheitsgebiet des Einfuhrmitgliedstaats ist.
Ebenso müssen, wenn im Einfuhrmitgliedstaat ein Anwender Informationen über die Kulturen, für die ein Pflanzenschutzmittel im Parallelhandel zugelassen ist, oder über die Bedingungen für dessen Verwendung und Dosierung erhalten möchte, Name und Anschrift auf dem Etikett des Pflanzenschutzmittels diejenigen des Inhabers der Genehmigung für den Parallelhandel mit diesem Mittel sein, da es dieser Inhaber und nicht derjenige der Zulassung für das gleiche Produkt im Ursprungsmitgliedstaat ist, der in der Lage ist, diese Informationen zu erteilen.
Diese Informationen sind jedoch im Hinblick auf die Verwirklichung des mit der Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgten Ziels, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt im Einfuhrmitgliedstaat zu gewährleisten, von grundlegender Bedeutung.
Für den Fall schließlich, dass die Zulassung für das eingeführte Pflanzenschutzmittel im Ursprungsmitgliedstaat aus Gründen der Sicherheit oder Wirksamkeit aufgehoben wird, genügt der Hinweis, dass die zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedstaats gemäß Art. 52 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 über die notwendigen Informationen verfügt, um dieses Mittel zurückzuverfolgen und den Inhaber der Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat zu identifizieren. Damit wird diese Behörde in die Lage versetzt, die Genehmigung für den Parallelhandel gegebenenfalls gemäß Art. 52 Abs. 8 dieser Verordnung aufzuheben.
Unter diesen Umständen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 547/2011 dahin auszulegen sind, dass ein Importeur, der ein Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage einer Genehmigung für den Parallelhandel in einen Mitgliedstaat einführt, auf der Verpackung des Pflanzenschutzmittels Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat durch seinen eigenen Namen und seine eigene Anschrift ersetzen darf.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011 dahin auszulegen sind, dass ein Importeur, der ein Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage einer Genehmigung für den Parallelhandel in einen Mitgliedstaat einführt, verpflichtet ist, auf der Verpackung des Pflanzenschutzmittels die vom Hersteller ursprünglich vergebene Chargennummer der Formulierung anzugeben.
Wie sich aus den Rn. 27 und 28 des vorliegenden Urteils ergibt, muss die Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln, die nach der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verkehr gebracht oder verwendet werden, den Anforderungen gemäß Anhang I der Verordnung Nr. 547/2011 entsprechen, dessen Nr. 1 Buchst. f vorsieht, dass „die Chargennummer der Formulierung und das Herstellungsdatum“ deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung von Pflanzenschutzmitteln anzubringen sind.
Zum Begriff „Chargennummer“ ist festzustellen, dass er weder in der Verordnung Nr. 547/2011 noch in der Verordnung Nr. 1107/2009 und auch nicht in der Verordnung Nr. 1272/2008 definiert wird.
Aus der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass, um zu bestimmen, wie dieser Begriff zu verstehen ist, sein Wortlaut entsprechend dessen üblichem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie sein Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der er gehört, verfolgt werden.
Der Wortlaut „Chargennummer“ bezieht sich seiner Bedeutung im gewöhnlichen Sprachgebrauch nach auf eine Folge von Identifikationsziffern und/oder -buchstaben, die einer mengenmäßigen Gruppe von Produkten zugeordnet ist, welche die gleichen Merkmale aufweisen und im selben Herstellungsvorgang erzeugt wurden.
Mit der österreichischen Regierung ist festzustellen, dass Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011 konkret auf die „Chargennummer der Formulierung“ abstellt und damit die „Chargennummer“ untrennbar mit der „Formulierung“ verknüpft, die von ihrem Hersteller produziert wird.
Im Übrigen spiegelt sich die oben in Rn. 59 angesprochene Bedeutung u. a. in Art. 2 Buchst. m der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1280 der Kommission vom 2. August 2021 über Maßnahmen zur guten Vertriebspraxis für Wirkstoffe, die als Ausgangsstoffe für Tierarzneimittel verwendet werden, gemäß der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2021, L 279, S. 1) wider, in dem eine „Charge“ definiert wird als „eine bestimmte Menge an Ausgangsstoff, Verpackungsmaterial oder Produkt, die in einem einzigen Prozess oder einer Reihe von Prozessen so verarbeitet wird, dass davon auszugehen ist, dass sie homogen ist“, sowie in Art. 2 Buchst. p dieser Verordnung, der die „Chargennummer“ als „eine unverwechselbare Kombination von Zahlen oder Buchstaben zur eindeutigen Identifizierung einer Charge“ definiert.
Daraus folgt, dass unter dem Begriff „Chargennummer“ im Sinne von Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011 die Chargennummer zu verstehen ist, die einem Pflanzenschutzmittel von seinem Hersteller ursprünglich zugewiesen wurde.
Diese Auslegung findet darin Bestätigung, dass sich „das Herstellungsdatum“ völlig unmissverständlich auf die Herstellungstätigkeit des „Herstellers“ im Sinne von Art. 3 Nr. 11 der Verordnung Nr. 1107/2009 bezieht. Wer die Produkte neu etikettiert oder neu verpackt, kann aber nicht als „Hersteller“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden.
Weitere Bestätigung findet die Auslegung oben in Rn. 62 in dem mit der Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgten Ziel, das u. a., wie oben in Rn. 44 ausgeführt, darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten, was voraussetzt, dass die Pflanzenschutzmittel zurückverfolgt und wirksam kontrolliert werden können.
Was insbesondere die Rückverfolgbarkeit der Pflanzenschutzmittel betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass im Fall einer bei einem solchen Produkt auftretenden Unregelmäßigkeit die ursprüngliche Chargennummer der betroffenen Formulierung der einzige sachdienliche Bezugspunkt ist und dass die zuständigen Behörden bei Dringlichkeit das Produkt nur mit dieser Nummer gezielt und unverzüglich vom Markt nehmen können.
Wäre es einem Parallelimporteur hingegen gestattet, die ursprüngliche Chargennummer der betreffenden Formulierung zu entfernen und durch eine neue persönliche Identifikationsnummer zu ersetzen, wäre die Rückverfolgbarkeit des fraglichen Pflanzenschutzmittels nur über eine Datenbank möglich, die diese Nummern einander zuordnet, was eine etwaige Marktrücknahme des Produkts verlangsamen und verkomplizieren würde.
Daher läuft, wie die Generalanwältin in Nr. 81 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, eine nationale Regelung, nach der es einem Parallelimporteur freisteht, auf der Verpackung eines parallel gehandelten Pflanzenschutzmittels die ursprüngliche Chargennummer der betreffenden Formulierung durch seine Identifikationsnummer zu ersetzen, dem mit der Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgten Ziel zuwider, und zwar unabhängig davon, dass diese Regelung den Parallelimporteur verpflichtet, Aufzeichnungen zu führen, aus denen sich die Entsprechung seiner persönlichen Identifikationsnummern mit den ursprünglichen Chargennummern ergibt.
Unter diesen Umständen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011 dahin auszulegen sind, dass ein Importeur, der ein Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage einer Genehmigung für den Parallelhandel in einen Mitgliedstaat einführt, verpflichtet ist, auf der Verpackung des Pflanzenschutzmittels die vom Hersteller ursprünglich vergebene Chargennummer der betreffenden Formulierung anzugeben.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 547/2011 der Kommission vom 8. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Kennzeichnungsanforderungen für Pflanzenschutzmittel
sind dahin auszulegen, dass
ein Importeur, der ein Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage einer Genehmigung für den Parallelhandel in einen Mitgliedstaat einführt, auf der Verpackung des Pflanzenschutzmittels Name und Anschrift des Inhabers der Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat durch seinen eigenen Namen und seine eigene Anschrift ersetzen darf.
Art. 1 und Anhang I Nr. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 547/2011
sind dahin auszulegen, dass
ein Importeur, der ein Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage einer Genehmigung für den Parallelhandel in einen Mitgliedstaat einführt, verpflichtet ist, auf der Verpackung des Pflanzenschutzmittels die vom Hersteller ursprünglich vergebene Chargennummer der betreffenden Formulierung anzugeben.
Jürimäe
Piçarra
Safjan
Jääskinen
Gavalec
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2023.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Die Kammerpräsidentin
K. Jürimäe
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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