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EuGH 21.10.2021 - C-373/19
EuGH 21.10.2021 - C-373/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer) - 21. Oktober 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j – Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten – Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht – Schul- und Hochschulunterricht – Elementare Schwimmkurse“
Leitsatz
In der Rechtssache C-373/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2019, in dem Verfahren
Finanzamt München Abteilung III
gegen
Dubrovin & Tröger GbR – Aquatics
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Neunten Kammer sowie der Richter S. Rodin (Berichterstatter) und N. Piçarra,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der deutschen Regierung, vertreten durch S. Eisenberg und J. Möller als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und R. Pethke als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt München Abteilung III (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt) und Dubrovin & Tröger – Aquatics (im Folgenden: Dubrovin & Tröger) wegen der Weigerung des Finanzamts, die von Dubrovin & Tröger erbrachten Leistungen des Schwimmunterrichts von der Umsatzsteuer zu befreien.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Richtlinie 2006/112 enthält u. a. ein Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“). In diesem Kapitel bestimmt Art. 132 Abs. 1:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht;
…“
Deutsches Recht
§ 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes vom 21. Februar 2005 (BGBl. 2005 I S. 386) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: UStG) bestimmt:
„Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. …
…“
§ 4 („Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen“) UStG bestimmt:
„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
…
-
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemein bildender oder berufsbildender Einrichtungen,
wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten,
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer
an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemein bildenden oder berufsbildenden Schulen oder
an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen;
-
die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden,
andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht;
…“
-
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Dubrovin & Tröger betreibt eine Schwimmschule in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Rahmen ihrer Tätigkeit führt sie im Wesentlichen für Kinder Kurse auf verschiedenen Niveaus durch, in denen die Grundlagen und Techniken des Schwimmens vermittelt werden. Sie ist hierbei der Auffassung, dass diese Leistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien seien.
Da das Finanzamt nach einer Steuerprüfung für die Jahre 2007 bis 2011 davon ausging, dass diese Leistungen nicht unter die Umsatzsteuerbefreiungen nach § 4 Nrn. 21 und 22 UStG fielen, erließ es am 22. November 2011, am 3. September 2012 und am 12. August 2013 Umsatzsteuerjahresbescheide für diese Jahre.
Dubrovin & Tröger focht diese Bescheide mit einem Einspruch und nach dessen Zurückweisung mit einer Klage beim Finanzgericht (Deutschland) an.
Während der Anhängigkeit dieser Klage erließ das Finanzamt am 21. Dezember 2017 geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide, in denen es zwar die Einstufung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen als steuerbare Umsätze aufrechterhielt, aber die entrichtete Vorsteuer berücksichtigte und als Vorsteuer abzog. Nach den geltenden steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften wurden diese geänderten Jahresbescheide Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzgericht.
Dieses Gericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zwar nicht nach nationalem Recht steuerfrei seien, aber nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof und den Bundesfinanzhof (Deutschland) steuerfrei sein müssten.
Das Finanzgericht war nämlich der Auffassung, dass die Vermittlung grundlegender Schwimmtechniken Schulunterricht darstelle und dass sich im Übrigen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in gleicher Weise wie ein Einzelunternehmer auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 berufen könne.
Das Finanzamt legte gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision beim vorlegenden Gericht, dem Bundesfinanzhof, ein. Es machte insbesondere geltend, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen weder nach Unionsrecht noch nach nationalem Recht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerbefreiungen fielen, da Dubrovin & Tröger keine Privatlehrerin im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 sei.
Insoweit ist das vorlegende Gericht erstens der Ansicht, dass die von Dubrovin & Tröger erbrachten Dienstleistungen Unterricht im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 darstellten, da ein ausgeprägtes Gemeininteresse am Erlernen der elementaren Grundfähigkeit des Schwimmens bestehe, über die jeder Mensch verfügen sollte, um insbesondere Notsituationen in Gewässern bewältigen zu können.
Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich von der Rechtssache, in der das Urteil vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie (C-449/17, EU:C:2019:202), ergangen sei, in dem der Gerichtshof festgestellt habe, dass der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 nicht den Fahrunterricht in einer Fahrschule umfasse. Abgesehen davon, dass dieser ein spezialisierter Unterricht sei, während die einzelnen Schwimmkurse aufeinander aufbauten, bestehe an ihm nämlich kein Gemeinwohlinteresse.
Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, nach welchen Kriterien eine Einrichtung als Einrichtung anerkannt werden kann, die eine „vergleichbare Zielsetzung“ wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts verfolgt, die die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung oder berufliche Umschulung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 zum Gegenstand haben.
Das vorlegende Gericht neigt zu der Auffassung, dass die im Urteil vom 15. November 2012, Zimmermann (C-174/11, EU:C:2012:716), aufgestellten Kriterien zur Anerkennung des „sozialen Charakters“ einer Einrichtung im Hinblick auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 entsprechend auf die Anerkennung einer Einrichtung als Einrichtung „mit … vergleichbarer Zielsetzung“ im Rahmen von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie anzuwenden seien. So könne sich die Anerkennung von Dubrovin & Tröger als Einrichtung „mit … vergleichbarer Zielsetzung“ aus dem Gemeinwohlinteresse ergeben, das mit dem Erlernen der elementaren Grundfähigkeit des Schwimmens verbunden sei.
Drittens fragt sich das vorlegende Gericht, welche Anforderungen an das Merkmal des „Privatlehrers“ zu stellen seien, das der Wirtschaftsteilnehmer aufweisen müsse, um in den Genuss der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Steuerbefreiung kommen zu können. In dieser Hinsicht könne es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbieten, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirkten, für die Zwecke der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt würden, je nachdem, ob es sich um Einzelunternehmer oder um Gesellschaften des bürgerlichen Rechts handele. Darüber hinaus habe der Gerichtshof bereits entschieden, dass es der Anerkennung einer Tätigkeit als Privatlehrer nicht entgegenstehe, wenn der Unterrichtende mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteile (Urteil vom 14. Juni 2007, Haderer, C-445/05, EU:C:2007:344, Rn. 30 und 31).
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Umfasst der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 auch die Erteilung von Schwimmunterricht?
Kann sich die Anerkennung einer Einrichtung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit den Aufgaben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, des Schul- und Hochschulunterrichts, der Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung betraut sind, daraus ergeben, dass es sich bei dem von dieser Einrichtung erteilten Unterricht um die Erlernung einer elementaren Grundfähigkeit (hier: Schwimmen) handelt?
Bei Verneinung der zweiten Frage: Setzt die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 voraus, dass der Steuerpflichtige Einzelunternehmer ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Vorlagefrage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst.
Art. 132 der Richtlinie 2006/112 sieht Steuerbefreiungen vor, mit denen, wie die Überschrift des Kapitels zeigt, zu dem dieser Artikel gehört, die Förderung bestimmter, dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten bezweckt wird. Diese Befreiungen betreffen jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind (Urteile vom 4. Mai 2017, Brockenhurst College, C-699/15, EU:C:2017:344, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 17).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellen die genannten Steuerbefreiungen autonome unionsrechtliche Begriffe dar, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung verhindern sollen (Urteile vom 26. Oktober 2017, The English Bridge Union, C-90/16, EU:C:2017:814, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 18).
Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen des Art. 132 der Richtlinie 2006/112 umschrieben sind, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen, sich aus Art. 2 dieser Richtlinie ergebenden Grundsatz darstellen, dass jede Leistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet jedoch nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen des Art. 132 verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (Urteil von 4. Mai 2017, Brockenhurst College, C-699/15, EU:C:2017:344, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 19).
Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 enthält keine Definition des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“.
Angesichts dieser Sachlage hat der Gerichtshof zum einen befunden, dass die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vom Unterrichtenden an die Studierenden ein besonders wichtiger Bestandteil der Unterrichtstätigkeit ist (Urteile vom 14. Juni 2007, Horizon College, C-434/05, EU:C:2007:343, Rn. 18, und vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 21).
Zum anderen hat er klargestellt, dass sich der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne der Richtlinie 2006/112 nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern dass er andere Tätigkeiten einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (Urteile vom 28. Januar 2010, Eulitz, C-473/08, EU:C:2010:47, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 22 und 23).
Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 umfasst mithin Tätigkeiten, die sowohl durch ihre spezifische Art als auch aufgrund des Rahmens, in dem sie ausgeübt werden, gekennzeichnet sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2007, Horizon College, C-434/05, EU:C:2007:343, Rn. 20, sowie vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 24).
Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber mit diesem Begriff auf einen bestimmten Typus von Unterrichtssystem abstellen wollte, der allen Mitgliedstaaten unabhängig von den jeweiligen Besonderheiten der nationalen Systeme gemeinsam ist (Urteil vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 25).
Für die Zwecke der Mehrwertsteuerregelung verweist der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts daher allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen (Urteil vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 26).
Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob der von einer Schwimmschule wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erteilte Schwimmunterricht unter den Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 fallen kann.
Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass ein ausgeprägtes Gemeininteresse am Schwimmunterricht bestehe und dass dieser Umstand es für die Zwecke der in Art. 132 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Steuerbefreiung erlaube, diesen Unterricht von anderen Lernangeboten wie beispielsweise dem von einer Fahrschule erteilten Fahrunterricht zu unterscheiden, der in der Rechtssache in Rede stand, in der das Urteil vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie (C-449/17, EU:C:2019:202), ergangen ist.
Es ist jedoch festzustellen, dass der Schwimmunterricht in einer Schwimmschule wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zwar unzweifelhaft von Wichtigkeit ist und ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, jedoch gleichwohl ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht bleibt, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt (vgl. entsprechend Urteil vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, EU:C:2019:202, Rn. 29, sowie Beschluss vom 7. Oktober 2019, Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, C-47/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:840, Rn. 33).
Auch wenn sich im Übrigen die Bedeutung der im Rahmen von Fahrunterricht und Segelunterricht vermittelten Kenntnisse nicht leugnen lässt, insbesondere für die Bewältigung von Notsituationen und ganz allgemein für die Gewährleistung der Sicherheit und körperlichen Unversehrtheit von Personen, hat der Gerichtshof dennoch im Urteil vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie (C-449/17, EU:C:2019:202), und im Beschluss vom 7. Oktober 2019, Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst (C-47/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:840), entschieden, dass diese Unterrichtsangebote nicht unter den Begriff der „Schul- oder Hochschulausbildung“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 fallen.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst.
Zur zweiten und zur dritten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Antwort auf die zweite und die dritte Frage.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst.
Jürimäe
Rodin
Piçarra
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Oktober 2021.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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