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EuGH 16.09.2020 - C-528/19
EuGH 16.09.2020 - C-528/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) - 16. September 2020 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Art. 17 Abs. 2 Buchst. a – Vorsteuerabzug – Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug – Ausbau einer zu einer Gemeinde gehörenden Straße – Verbuchung der durch die Arbeiten entstandenen Kosten als allgemeine Aufwendungen des Steuerpflichtigen – Feststellung des Vorliegens eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen – Unentgeltliche Lieferung – Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellte Lieferung – Art. 5 Abs. 6“
Leitsatz
In der Rechtssache C-528/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2019, in dem Verfahren
Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG
gegen
Finanzamt Y
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und N. Wahl (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie AG, vertreten durch Rechtsanwalt O.-G. Lippross,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und L. Mantl als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 6 und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie AG und dem Finanzamt Y (Deutschland) über die Ablehnung des Abzugs der Vorsteuer für die Durchführung von Arbeiten zum Ausbau einer Straße, die zu einer Gemeinde gehört.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie bestimmt:
„Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter.“
Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor:
„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;
die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
Die Mitgliedstaaten können Abweichungen von diesem Absatz vorsehen, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.
Deutsches Recht
§ 1 („Steuerbare Umsätze“) des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) sieht vor:
„(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
…“
In § 3 UStG heißt es:
„(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
…
(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt
1. die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2. die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3. jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.“
§ 15 („Vorsteuerabzug“) UStG bestimmt:
(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
…
(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:
1. steuerfreie Umsätze;
…“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Die Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist eine geschäftsführende Holdinggesellschaft. Zwischen ihr und ihren Tochtergesellschaften A-GmbH und B-GmbH besteht eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.
Infolge der Entscheidung des Regierungspräsidiums, den Neuaufschluss und Betrieb eines Kalksteinbruchs zu genehmigen, wurde der A-GmbH mit Bescheid vom 16. Februar 2001 der Betrieb dieses Steinbruchs unter der Auflage der Erschließung über eine öffentliche Straße der Gemeinde, auf deren Gebiet sich der Steinbruch befindet, gestattet (im Folgenden: in Rede stehende Gemeindestraße). Dieser Bescheid wurde 2005 geändert zwecks Klarstellung, dass die Genehmigung zum Betrieb des Steinbruchs erlischt, wenn der Ausbau dieser Straße nicht bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen ist.
Da der Abtransport des Kalksteins den Ausbau erforderte, wurde darüber zwischen der betreffenden Gemeinde und der Rechtsvorgängerin der A-GmbH eine Vereinbarung geschlossen, mit der sich die Gemeinde zum einen zur Planung und zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße und zum anderen bei Fortbestand der öffentlich-rechtlichen Widmung verpflichtete, sie der Rechtsvorgängerin der A-GmbH uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Als Gegenleistung war vorgesehen, dass die die Rechtsvorgängerin der A-GmbH sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Ausbau dieser Straße trägt. Im Jahr 2006 beauftragte die A-GmbH die ausführende B-GmbH mit dem Ausbau entsprechend der Vereinbarung mit der Gemeinde. Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde der Streckenabschnitt ab Dezember 2006 von den Lastwagen der A-GmbH sowie von anderen Fahrzeugen genutzt.
Im Rahmen der Steueranmeldungen für die Umsatzsteuer 2006 wurden die Aufwendungen der A-GmbH für die Baumaßnahmen zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße von der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht berücksichtigt. Sie zog jedoch die in den Eingangsleistungen der B-GmbH enthaltenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer ab.
Aufgrund einer Prüfung vertrat das Finanzamt Y die Auffassung, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit dem Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße eine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Werklieferung gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG an die Gemeinde erbracht habe, und erließ am 1. März 2012 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2006, in dem sie die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer zum Steuersatz von 16 % erhöhte.
Während der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erhobene Einspruch zurückgewiesen wurde, gab das Hessische Finanzgericht (Deutschland) der von ihr gegen diesen Bescheid erhobenen Klage teilweise statt. Es war der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG für eine Besteuerung der an der Gemeindestraße durchgeführten Arbeiten nicht vorlägen. Allerdings seien die Vorsteuerbeträge für die im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Arbeiten getätigten Eingangsumsätze nicht zu berücksichtigen, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Deutschland) der Unternehmer, der bereits bei Bezug von Eingangsleistungen beabsichtige, die bezogenen Leistungen ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG zu verwenden, nicht zum Abzug der diese Leistungen betreffenden Umsatzsteuer berechtigt sei.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts Revision zum vorlegenden Gericht ein.
Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Revision nach nationalem Recht unbegründet sei, da die Klägerin des Ausgangsverfahrens keinen Anspruch auf Abzug der in Rede stehenden Umsatzsteuer habe. So sei das Recht zum Vorsteuerabzug ausgeschlossen, weil die von der B-GmbH bezogenen Eingangsleistungen zur Ausführung einer unentgeltlichen Lieferung an die Stadt bezogen worden seien. Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel, ob diese Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
In Bezug auf die erste Vorlagefrage führt es nämlich aus, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach den Urteilen vom 22. Oktober 2015, Sveda (C-126/14, EU:C:2015:712), und vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments (C-132/16, EU:C:2017:683), ein Recht auf Vorsteuerabzug für die erhaltenen Eingangsleistungen geltend machen könne.
In Bezug auf die zweite und die dritte Vorlagefrage hebt es hervor, dass mit ihnen ermittelt werden solle, ob, falls die Klägerin des Ausgangsverfahrens zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, eine Saldierung des Vorsteueranspruchs mit einer Umsatzsteuerforderung aus einer entgeltlichen Lieferung oder aus einer ihr gleichgestellten Lieferung im Sinne von Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie vorzunehmen sei, um gemäß dem Zweck dieser Bestimmung einen unversteuerten Endverbrauch durch die Gemeinde zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Steht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in dem eine Steuerpflichtige im Auftrag einer Stadt Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße vornimmt, dieser Steuerpflichtigen, die Leistungen zur Errichtung der auf die Gemeinde übertragenen Straße von anderen Steuerpflichtigen bezogen hat, hierfür gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie der Vorsteuerabzug zu?
Falls die Frage 1 bejaht wird: Liegt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in dem eine Steuerpflichtige im Auftrag einer Stadt Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße vornimmt, eine entgeltliche Lieferung von Gegenständen vor, bei der die Genehmigung des Betriebs eines Steinbruchs die Gegenleistung für die Lieferung einer Straße ist?
Falls die Frage 2 verneint wird: Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in dem eine Steuerpflichtige im Auftrag einer Stadt Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße vornimmt, die unentgeltliche Übertragung der öffentlich gewidmeten Straße an die Gemeinde gemäß Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie einer unentgeltlichen Lieferung von Gegenständen gleichgestellt, obwohl die Übertragung unternehmerischen Zwecken dient, um einen unversteuerten Endverbrauch der Gemeinde zu vermeiden?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Steuerpflichtiger ein Recht auf Abzug der Vorsteuer hat, die für zugunsten einer Gemeinde durchgeführte Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße entrichtet wurde.
Hierzu ist einleitend darauf hinzuweisen, dass die Sechste Richtlinie durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1), die am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, aufgehoben wurde, ohne dass inhaltliche Änderungen dieser gegenüber erfolgt wären. Folglich ist, da die maßgeblichen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen dieselbe Tragweite haben wie die der Richtlinie 2006/112, die zu jener Richtlinie ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs auch auf die Sechste Richtlinie anwendbar (Urteil vom 17. Oktober 2018, Ryanair, C-249/17, EU:C:2018:834, Rn. 14).
Was das in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug betrifft, ist dieses integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Es kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer nämlich vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet so die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Aus Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie ergibt sich, dass ein Steuerpflichtiger, soweit er zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands oder einer Dienstleistung als solcher handelt und den Gegenstand oder die Dienstleistung für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, berechtigt ist, die für diesen Gegenstand oder diese Dienstleistung geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer abzuziehen (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach ständiger Rechtsprechung muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer setzt voraus, dass die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daraus folgt, dass das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug anhand der Ausgangsumsätze bestimmt wird, auf die sich die Eingangsumsätze beziehen. Das genannte Recht besteht somit dann, wenn der der Mehrwertsteuer unterworfene Eingangsumsatz einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen aufweist, für die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet ist. Ist dies nicht der Fall, ist zu untersuchen, ob die Ausgaben, die für den Bezug von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der vorausgehenden Umsatzstufe getätigt wurden, zu den allgemeinen Aufwendungen gehören, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammenhängen. In beiden Fällen liegt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang nur dann vor, wenn die Kosten der Eingangsleistungen jeweils Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit liefert bzw. erbringt (Urteil vom 29. Oktober 2009, SKF, C-29/08, EU:C:2009:665, Rn. 60).
Um zu ermitteln, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die für Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße entrichtet wurde, einer Steuerpflichtigen wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens zuzuerkennen ist, ist also zu bestimmen, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Ausbauarbeiten und einem von ihr durchgeführten Ausgangsumsatz oder ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit besteht.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Finanzverwaltungen und die nationalen Gerichte im Rahmen der ihnen obliegenden Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs alle Umstände zu berücksichtigen haben, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen haben, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Das Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist daher in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zum einen geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass ohne die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße der Betrieb des Kalksteinbruchs sowohl praktisch als auch rechtlich unmöglich gewesen wäre. Der Ausbau der Straße hat nämlich deren Anpassung an den vom Betrieb des Steinbruchs hervorgerufenen Schwerlastverkehr ermöglicht, und gemäß der im Jahr 2005 erfolgten Änderung des Bescheids vom 16. Februar 2001, mit dem der Betrieb des Steinbruchs mittels der Erschließung über die in Rede stehende Gemeindestraße genehmigt worden war, sollte die Betriebsgenehmigung des Steinbruchs auslaufen, wenn diese Ausbauarbeiten nicht bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen würden.
Daraus folgt, dass die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße für die Konkretisierung des Projekts zum Betrieb des Kalksteinbruchs unerlässlich waren und dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht hätte ausüben können, wenn diese Arbeiten nicht durchgeführt worden wären.
Zum anderen hat das vorlegende Gericht erläutert, dass die Kosten der erhaltenen Eingangsleistungen, die mit den Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße in Zusammenhang standen, Kostenelemente der steuerpflichtigen Ausgangsumsätze der Klägerin des Ausgangsverfahrens seien.
Anhand solcher Umstände kann das Bestehen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße und der gesamten mit dem Betrieb des Kalksteinbruchs in Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit dargetan werden.
Diese Schlussfolgerung kann nicht mit dem Umstand in Frage gestellt werden, dass die Gemeindestraße der Öffentlichkeit kostenlos offensteht.
Denn es trifft zwar zu, dass es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für Umsätze verwendet werden, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen kann. In diesen beiden Fällen ist nämlich der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen den Eingangskosten und den anschließenden wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen unterbrochen (Urteil vom 22. Oktober 2015, Sveda, C-126/14, EU:C:2015:712, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Allerdings ist der Umstand, dass die Öffentlichkeit auf der in Rede stehenden Gemeindestraße kostenlos fahren kann, irrelevant. Es geht nämlich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße nicht für die Bedürfnisse der betreffenden Gemeinde oder des öffentlichen Verkehrs durchgeführt wurden, sondern um die in Rede stehende Gemeindestraße an den Schwerlastverkehr anzupassen, der vom Betrieb des Kalksteinbruchs durch die Klägerin des Ausgangsverfahrens hervorgerufen wird. Außerdem wurde diese Straße in der Folge sowohl von diesem Schwerlastverkehr als auch von anderen Fahrzeugen genutzt. Jedenfalls können die der Klägerin des Ausgangsverfahrens für den Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße entstandenen Kosten, wie aus Rn. 34 des vorliegenden Urteils hervorgeht, mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Steuerpflichtiger in Verbindung gebracht werden, so dass sich vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht durchzuführenden Prüfung diese Ausgaben nicht auf Tätigkeiten beziehen, die von der Steuer befreit sind oder außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liegen.
Was schließlich den Umfang des Rechts auf Steuerabzug betrifft, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob sich die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße auf das beschränkt haben, was erforderlich war, um den Betrieb des Kalksteinbruchs durch die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu gewährleisten. Wenn sich die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße auf das dafür Notwendige beschränkt haben, dann müsste nämlich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht auf Vorsteuerabzug für sämtliche durch diese Arbeiten hervorgerufenen Kosten anerkannt werden. Wenn hingegen diese Arbeiten über das hinausgingen, was erforderlich war, um den Betrieb dieses Steinbruchs zu gewährleisten, dann ist der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen diesen Arbeiten und der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin des Ausgangsverfahrens teilweise unterbrochen, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für die Vorsteuer zuzuerkennen wäre, die in Bezug auf den Teil der für die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße angefallenen Kosten entrichtet wurde, der objektiv erforderlich war, um der Klägerin des Ausgangsverfahrens zu ermöglichen, ihre wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 37 bis 39).
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Steuerpflichtiger ein Recht auf Abzug der Vorsteuer für die zugunsten einer Gemeinde durchgeführten Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße hat, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, falls die erste Frage bejaht wird, die Sechste Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Genehmigung zum Betrieb eines Steinbruchs, die einseitig von einer Verwaltung eines Mitgliedstaats erteilt wurde, die von einem Steuerpflichtigen, der ohne Gegenleistung in Geld Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße durchgeführt hat, erhaltene Gegenleistung darstellt, so dass diese Arbeiten einen „Umsatz gegen Entgelt“ im Sinne dieser Richtlinie darstellen.
Das vorlegende Gericht hat ausgeführt, dass es in Anbetracht des Unionsrechts nicht sicher sei, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens zugunsten der betreffenden Gemeinde eine entgeltliche Lieferung vorgenommen habe. Es bezweifelt jedoch, ob die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße als unentgeltliche Lieferung eingestuft werden können. Die vom Regierungspräsidium erteilte Genehmigung zum Betrieb des Kalksteinbruchs könnte die Gegenleistung für diese Arbeiten darstellen, so dass diese Arbeiten als entgeltliche Leistung zu qualifizieren wären, was ein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnete, aber auch die Pflicht nach sich zöge, die Mehrwertsteuer für die Arbeiten zum Ausbau der Gemeindestraße zu entrichten.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer unterliegen.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht außerdem hervor, dass ein „Umsatz gegen Entgelt“ im Bereich der Mehrwertsteuer nur voraussetzt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung besteht. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (Urteil vom 3. Juli 2019, UniCredit Leasing, C-242/18, EU:C:2019:558, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass die Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen in einer Dienstleistung bestehen und deren Steuerbemessungsgrundlage im Sinne von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sein kann, vorausgesetzt jedoch, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung und der Wert der Dienstleistung kann in Geld ausgedrückt werden. Gleiches gilt, wenn eine Lieferung von Gegenständen gegen eine Dienstleistung getauscht wird, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil vom 26. September 2013, Serebryannay vek, C-283/12, EU:C:2013:599, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Schließlich geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es sich bei Tauschverträgen, bei denen die Gegenleistung per definitionem in einer Sachleistung besteht, und Umsätzen, bei denen die Gegenleistung in Geld erbracht wird, unter wirtschaftlichen und geschäftlichen Gesichtspunkten um zwei gleichartige Situationen handelt (Urteil vom 26. September 2013, Serebryannay vek, C-283/12, EU:C:2013:599, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Als Erstes ist festzustellen, dass zwischen der betreffenden Gemeinde und der Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Rechtsverhältnis besteht. So hat sich mit der Vereinbarung über die Erschließung der in Rede stehenden Gemeindestraße zum einen die Gemeinde verpflichtet, den Ausbau der Straße zu planen und auszuführen und der Klägerin des Ausgangsverfahrens die ausgebaute Straße im Fall eventueller Entwicklungen des Kalksteinbruchs ohne Beschränkung zur Verfügung zu stellen, und zum anderen die Klägerin des Ausgangsverfahrens verpflichtet, alle Kosten in Verbindung mit diesem Ausbau zu tragen, ohne dass diese Vereinbarung eine Zahlungspflicht für die Gemeinde vorsieht.
Eine solche Vereinbarung kann jedoch nicht den Rechtsrahmen bilden, innerhalb dessen gegenseitige Leistungen – der Ausbau der Gemeindestraße und die Erteilung der Genehmigung zum Betrieb des Kalksteinbruchs – ausgetauscht werden.
Aus organisatorischer Sicht wurden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arbeiten nämlich erstens auf einer der Gemeinde gehörenden Straße durchgeführt, wohingegen die Genehmigung zum Betrieb des Kalksteinbruchs von der Bezirksregierung erteilt wurde.
Zweitens ist die Entscheidung, die Genehmigung zum Betrieb des Steinbruchs zu erteilen, eine einseitige Entscheidung der Bezirksregierung vom 16. Februar 2001. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass ein einseitiger Hoheitsakt grundsätzlich kein Rechtsverhältnis begründen kann, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2017, Posnania Investment, C-36/16, EU:C:2017:361, Rn. 31 bis 35).
Drittens steht fest, dass die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße zu keiner Zahlung irgendeiner Gegenleistung in Geld geführt haben.
Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass die Gegenleistung für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen eine Geld- oder eine Sachleistung sein kann. Da nach der einseitigen Entscheidung der Bezirksregierung, den Betrieb des Kalksteinbruchs zu genehmigen, diese Genehmigung ausgelaufen wäre, wenn die Arbeiten zum Ausbau der Gemeindestraße nicht bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen worden wären, sind diese Arbeiten allerdings nicht die Gegenleistung für das Recht, diesen Steinbruch zu betreiben, sondern conditio sine qua non für die Ausübung dieses Rechts.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann kein direkter Zusammenhang zwischen der Übertragung der Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße an die betreffende Gemeinde und der Erteilung der Genehmigung zum Betrieb des Kalksteinbruchs an die Klägerin des Ausgangsverfahrens hergestellt werden, da diese Genehmigung nicht als Gegenleistung für die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße angesehen werden kann.
Als Zweites ist hervorzuheben, dass der Gerichtshof im Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments (C-132/16, EU:C:2017:683), einem Steuerpflichtigen ein Recht zum Abzug der Vorsteuer für eine Erbringung von Dienstleistungen, die darin bestanden, eine Immobilie, deren Eigentümer ein Dritter war, zu errichten oder zu modernisieren, bereits zuerkannt hat, falls diese Dienstleistungen sowohl von diesem Steuerpflichtigen als auch von diesem Dritten im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten genutzt wurden, obwohl dieser Dritte unentgeltlich in den Genuss des Ergebnisses dieser Dienstleistungen kam.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Sechste Richtlinie, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 1, dahin auszulegen ist, dass die Genehmigung zum Betrieb eines Steinbruchs, die einseitig von einer Verwaltung eines Mitgliedstaats erteilt wurde, nicht die von einem Steuerpflichtigen, der ohne Gegenleistung in Geld Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße durchgeführt hat, erhaltene Gegenleistung darstellt, so dass diese Arbeiten keinen „Umsatz gegen Entgelt“ im Sinne dieser Richtlinie darstellen.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht letztlich wissen, ob Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Arbeiten zum Ausbau einer der Öffentlichkeit offenstehenden Gemeindestraße, die von einem Steuerpflichtigen unentgeltlich zugunsten einer Gemeinde durchgeführt wurden, einen Umsatz darstellen, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung gleichzustellen ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bei der Auslegung von Bestimmungen des nationalen Rechts grundsätzlich gehalten ist, die der Vorlageentscheidung zu entnehmenden Qualifizierungen zugrunde zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof nämlich nicht befugt, das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats auszulegen (Urteil vom 17. März 2011, Naftiliaki Etaireia Thasou und Amaltheia I Naftiki Etaireia, C-128/10 und C-129/10, EU:C:2011:163, Rn. 40).
Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass das vorlegende Gericht seine dritte Frage auf die Prämisse stützt, nach der gemäß § 3 Abs. 4 UStG die Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße eine Werklieferung an die betreffende Gemeinde darstellen. So habe die Bundesrepublik Deutschland von der in Art. 5 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Lieferung bestimmter Bauleistungen der Lieferung von Gegenständen gleichzustellen.
Es ist nicht Sache des Gerichtshofs, eine solche Prämisse in Frage zu stellen. Da zum einen die Klägerin des Ausgangsverfahrens geltend macht, dass sie mit der Vornahme der Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße Dienstleistungen erbracht habe, so dass Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar sei, und zum anderen der Wortlaut von Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, die die Lieferung von Gegenständen bzw. die Erbringung von Dienstleistungen betreffen, jedoch erhebliche Unterschiede aufweist, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob nach deutschem Recht die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße eine Werklieferung darstellen.
In Bezug auf Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ist darauf hinzuweisen, dass der Zweck dieser Bestimmung darin besteht, sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt, und der Endverbraucher, der einen Gegenstand gleicher Art erwirbt, gleichbehandelt werden (Urteil vom 11. Mai 2017, Posnania Investment, C-36/16, EU:C:2017:361, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Besteuerung der in Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Sechsten Richtlinie erwähnten Entnahmen dient nämlich zur Verhinderung von unversteuertem Endverbrauch (Urteil vom 30. September 2010, EMI Group, C-581/08, EU:C:2010:559, Rn. 18).
Zu diesem Zweck stellt diese Bestimmung bestimmte Umsätze, für die der Steuerpflichtige keine tatsächliche Gegenleistung erhalten hat, entgeltlich ausgeführten Lieferungen von Gegenständen gleich, die der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom 17. Juli 2014, BCR Leasing IFN, C-438/13, EU:C:2014:2093, Rn. 23).
Genauer gesagt stellt Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleich, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (Urteil vom 11. Mai 2017, Posnania Investment, C-36/16, EU:C:2017:361, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedoch stellt diese Bestimmung Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster für die Zwecke des Unternehmens einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt nicht gleich.
Es ist auch festzustellen, dass aus den Antworten auf die erste und die zweite Frage hervorgeht, dass die Sechste Richtlinie dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße ein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen und als unentgeltliche Übertragung eingestuft werden können, so dass einige Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 5 Abs. 6 dieser Richtlinie erfüllt sind.
Außerdem stellen die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße keine Geschenke von geringem Wert oder Warenmuster im Sinne dieser Bestimmung dar.
Da die Arbeiten an die betreffende Gemeinde erbracht wurden, steht schließlich fest, dass kein Fall des Verbrauchs für den privaten Bedarf oder den des Personals des Unternehmens vorliegt und auch die Zuordnung zu unternehmensfremden Zwecken ausgeschlossen ist, da diese Arbeiten für die Bedürfnisse der Klägerin des Ausgangsverfahrens durchgeführt wurden. Dieser letztgenannte Umstand steht jedoch der Anwendung von Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht nämlich aus seinem Wortlaut hervor, dass Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Sechsten Richtlinie die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen, den dieser unentgeltlich weitergibt, dann einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellt und somit der Mehrwertsteuer unterwirft, wenn dieser Gegenstand zu einem Vorsteuerabzug berechtigt hat, ohne dass es grundsätzlich entscheidend wäre, ob diese Weitergabe für die Zwecke des Unternehmens stattfindet (Urteil vom 27. April 1999, Kuwait Petroleum, C-48/97, EU:C:1999:203, Rn. 22).
Ebenso steht der vom vorlegenden Gericht erwähnte Umstand, dass die in Rede stehende Gemeindestraße nicht von der betreffenden Gemeinde zu privaten Zwecken genutzt wird, sondern vielmehr gratis dem öffentlichen Verkehr offensteht, der Anwendung von Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie grundsätzlich nicht entgegen. Im Sinne dieser Bestimmung betrifft die Entnahme eines Gegenstands für eine Verwendung zu solchen Zwecken jedenfalls die Entnahme und Verwendung durch den Steuerpflichtigen, im vorliegenden Fall die Klägerin des Ausgangsverfahrens, und nicht durch einen Dritten, also die betreffende Gemeinde. Die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße wurden jedoch ausgeführt, um den Bedürfnissen der Klägerin des Ausgangsverfahrens nachzukommen, und das Ergebnis dieser Arbeiten – die Straße, die erschlossen wurde, um den Schwerlastverkehr aufzunehmen, der vom Betrieb des Kalksteinbruchs hervorgerufen wird – wird vor allem für ihre Bedürfnisse genutzt.
Angesichts der Tatsache, dass die Lieferung der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens unentgeltlich durchgeführten Arbeiten zum Ausbau der in Rede stehenden Gemeindestraße an die betreffende Gemeinde nicht geeignet ist, zu einem unversteuerten Endverbrauch oder einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu führen, stellen solche Arbeiten jedoch keinen Umsatz dar, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne von Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie gleichzustellen ist.
Selbst wenn die in Rede stehende Gemeindestraße dem öffentlichen Verkehr offensteht, ist nämlich der tatsächliche Endverbrauch dieser Straße zu berücksichtigen. Aus der Antwort auf die erste Frage geht hervor, dass vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen zum einen die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße der Klägerin des Ausgangsverfahrens zugutekommen und einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit aufweisen, die zu besteuerten Umsätzen führt, und zum anderen die Kosten der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens bezogenen, mit den Arbeiten zum Ausbau dieser Straße in Verbindung stehenden Eingangsleistungen zu den Kostenelementen der von ihr vorgenommenen Ausgangsumsätze gehören.
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass zugunsten einer Gemeinde durchgeführte Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße, die der Öffentlichkeit offensteht, aber im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der diese Arbeiten unentgeltlich durchgeführt hat, von ihm sowie von der Öffentlichkeit genutzt wird, keinen Umsatz darstellen, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung gleichzustellen ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger ein Recht auf Abzug der Vorsteuer für die zugunsten einer Gemeinde durchgeführten Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße hat, wenn diese Straße sowohl von diesem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als auch von der Öffentlichkeit benutzt wird, soweit diese Ausbauarbeiten nicht über das hinausgingen, was erforderlich war, um diesem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und ihre Kosten im Preis der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind.
Die Sechste Richtlinie 77/388, insbesondere ihr Art. 2 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass die Genehmigung zum Betrieb eines Steinbruchs, die einseitig von einer Verwaltung eines Mitgliedstaats erteilt wurde, nicht die von einem Steuerpflichtigen, der ohne Gegenleistung in Geld Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße durchgeführt hat, erhaltene Gegenleistung darstellt, so dass diese Arbeiten keinen „Umsatz gegen Entgelt“ im Sinne dieser Richtlinie darstellen.
Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass zugunsten einer Gemeinde durchgeführte Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße, die der Öffentlichkeit offensteht, aber im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der diese Arbeiten unentgeltlich durchgeführt hat, von ihm sowie von der Öffentlichkeit genutzt wird, keinen Umsatz darstellen, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung gleichzustellen ist.
Rossi
Malenovský
Wahl
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. September 2020.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Die Präsidentin der Achten Kammer
L. S. Rossi
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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