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EuGH 09.07.2020 - C-374/19
EuGH 09.07.2020 - C-374/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) - 9. Juli 2020 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Berichtigung des Vorsteuerabzugs – Änderung des Rechts auf Vorsteuerabzug – Investitionsgut, das sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze verwendet wird – Beendigung der Tätigkeit, die zum Vorsteuerabzug berechtigt – Verbleibende Verwendung ausschließlich für steuerbefreite Umsätze“
Leitsatz
In der Rechtssache C-374/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2019, in dem Verfahren
HF
gegen
Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi, der Präsidentin der Dritten Kammer A. Prechal (Berichterstatterin) und des Richters N. Wahl,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von HF, vertreten durch M. S. Thum, Steuerberater,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios, J. Jokubauskaitė und R. Pethke als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 185 und 187 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen HF und dem Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt). Dieser Rechtsstreit betrifft die Berichtigung des Abzugs der Umsatzsteuer, die HF auf die Errichtung einer Cafeteria in einem Anbau des von ihr umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entrichtet hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Nach Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
Art. 168 dieser Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
…“
Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“
Art. 185 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.
(2) Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.
Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.“
Art. 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„(1) Bei Investitionsgütern erfolgt die Berichtigung während eines Zeitraums von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem diese Güter erworben oder hergestellt wurden.
Die Mitgliedstaaten können jedoch für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung dieser Güter beginnt.
Bei Grundstücken, die als Investitionsgut erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden.
(2) Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel beziehungsweise im Falle der Verlängerung des Berichtigungszeitraums den entsprechenden Bruchteil der Mehrwertsteuer, mit der diese Investitionsgüter belastet waren.
Die in Unterabsatz 1 genannte Berichtigung erfolgt entsprechend den Änderungen des Rechts auf Vorsteuerabzug, die in den folgenden Jahren gegenüber dem Recht für das Jahr eingetreten sind, in dem die Güter erworben, hergestellt oder gegebenenfalls erstmalig verwendet wurden.“
Deutsches Recht
§ 15a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: UStG) bestimmt:
„Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von zehn Jahren.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist Organträgerin einer GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim umsatzsteuerfrei betreibt. Im Jahr 2003 errichtete diese GmbH in einem Anbau dieses Alten- und Pflegeheims eine Cafeteria, die für Besucher durch einen Außeneingang und für Heimbewohner durch den Speisesaal des Pflegeheims zugänglich war.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte ursprünglich erklärt, dass sie die fragliche Cafeteria ausschließlich für steuerpflichtige Umsätze nutzen werde, da diese Cafeteria für auswärtige Besucher und nicht für die Heimbewohner gedacht gewesen sei, die im Speisesaal bleiben sollten. Nach einer ersten Prüfung im Jahr 2006 war das Finanzamt mit dieser Erklärung im Wesentlichen einverstanden, jedoch erschien es ihm unwahrscheinlich, dass überhaupt keine Heimbewohner mit ihren Besuchern die Cafeteria aufsuchten und nutzten. Daraufhin verständigten sich die Parteien des Ausgangsverfahrens auf die Annahme, die Cafeteria werde zu 10 % für steuerbefreite Umsätze genutzt. Dies führte zu einer Berichtigung nach § 15a UStG für die Jahre ab 2003.
Nach einer zweiten Prüfung stellte das Finanzamt fest, dass die GmbH, um die es im Ausgangsverfahren geht, in den Jahren 2009 bis 2012 in der fraglichen Cafeteria keine Warenumsätze mehr getätigt habe und das Gewerbe außerdem im Februar 2013 abgemeldet worden sei. Diese Feststellung veranlasste das Finanzamt zu einer weiter gehenden Berichtigung nach § 15a UStG für diese Jahre, da die Cafeteria überhaupt nicht mehr für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, genutzt worden sei.
Nach erfolglosem Einspruch gegen die Entscheidung des Finanzamts, sie zu einer zweiten Berichtigung heranzuziehen, erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens Klage beim zuständigen Finanzgericht, das die Klage abwies. In seinem Urteil stellte das Finanzgericht fest, dass die Absicht zur Nutzung der fraglichen Cafeteria für steuerpflichtige Bewirtungsumsätze entfallen sei. Da die Räumlichkeiten nicht von auswärtigen Besuchern genutzt würden, hätten sich die Nutzungsanteile zwangsläufig dahin geändert, dass die Cafeteria nunmehr ausschließlich von den Heimbewohnern und somit zu 100 % für steuerbefreite Umsätze genutzt werde.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil Revision beim vorlegenden Gericht ein und machte geltend, dass die fragliche Cafeteria, die Gegenstand des Unternehmensvermögens ohne private Nutzungsmöglichkeit sei, zwar nicht mehr zu steuerpflichtigen Zwecken verwendet werde, dies jedoch keine Änderung der Nutzung dieser Cafeteria sei, die zu einer Berichtigung nach § 15a UStG führen könne. Die Nichtnutzung sei als Ergebnis einer Fehlinvestition aufzufassen. Dass das Finanzamt eine Teilwertabschreibung abgelehnt habe, belege, dass in den Jahren 2009 bis 2012 noch eine Absicht zur Nutzung der Cafeteria bestanden habe. Der Zugang zu der Cafeteria sei allein aus Sicherheitsgründen geschlossen worden. Ihre Nutzung durch die Heimbewohner habe nicht zugenommen.
Das vorlegende Gericht führt unter Bezugnahme u. a. auf das Urteil vom 28. Februar 2018, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários (C-672/16, EU:C:2018:134), aus, dass das Recht auf Vorsteuerabzug auch dann erhalten bleibe, wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände oder Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt hätten, später aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig seien, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze habe verwenden können. Die vom Willen des Unternehmers unabhängige Nichtverwendung könne einer solchen Nichtverwendung trotz Absicht der steuerpflichtigen Nutzung gleichzustellen sein.
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Schließung des Betriebs der Cafeteria auf fehlender wirtschaftlicher Rentabilität und damit auf der Erfolglosigkeit der Klägerin des Ausgangsverfahrens beruhe, die für sich genommen keine Änderung der zu einem Abzugsrecht führenden Verhältnisse im Sinne von Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie begründe, da sich der Umfang der umsatzsteuerfreien Nutzung der Cafeteria durch die Heimbewohner durch die Betriebsschließung nicht geändert habe. Somit sei die Nutzung der Cafeteria für steuerpflichtige Umsätze ersatzlos entfallen, ohne dass an die Stelle dieser bisherigen Verwendung eine erhöhte Nutzung durch die Heimbewohner getreten sei. Es könnte rechtsfehlerhaft sein, die unterbleibende Nutzung der fraglichen Cafeteria dahin zu deuten, dass nunmehr eine ausschließliche Nutzung für steuerbefreite Umsätze vorliege.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof (Deutschland) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss ein Steuerpflichtiger, der einen Investitionsgegenstand im Hinblick auf eine steuerpflichtige Verwendung mit Recht auf Vorsteuerabzug herstellt (hier: Errichtung eines Gebäudes zum Betrieb einer Cafeteria), den Vorsteuerabzug nach Art. 185 Abs. 1 und Art. 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie berichtigen, wenn er die zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsatztätigkeit (hier: Betrieb der Cafeteria) einstellt und der Investitionsgegenstand im Umfang der zuvor steuerpflichtigen Verwendung nunmehr ungenutzt bleibt?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der ein Steuerpflichtiger, der das Recht erworben hat, die auf die Errichtung einer zur Nutzung sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze bestimmten Cafeteria im Anbau eines von ihm umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entfallende Vorsteuer anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten dieser Cafeteria eingestellt hat.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Steuerpflichtige durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo, C-140/17, EU:C:2018:595, Rn. 29).
Das Abzugsrecht setzt voraus, dass der Betreffende „Steuerpflichtiger“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie ist und dass die fraglichen Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet worden sind. Allerdings bestimmt die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen nur den Umfang des ursprünglichen Vorsteuerabzugs, zu dem der Steuerpflichtige befugt ist, und den Umfang etwaiger Berichtigungen während der darauffolgenden Zeiträume, berührt jedoch nicht die Entstehung des Abzugsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2018, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários, C-672/16, EU:C:2018:134, Rn. 33 und 39).
Der in den Art. 184 bis 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Berichtigungsmechanismus ist Bestandteil der mit dieser Richtlinie eingeführten Vorsteuerabzugsregelung. Er soll die Genauigkeit der Vorsteuerabzüge in der Weise erhöhen, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleistet wird, so dass die auf einer früheren Stufe bewirkten Umsätze weiterhin nur insoweit zum Abzug berechtigen, als sie der Erbringung von Leistungen dienen, die dieser Steuer unterliegen. Dieser Mechanismus verfolgt somit das Ziel, einen engen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Vorsteuerabzugsrecht und der Nutzung der betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für besteuerte Ausgangsumsätze herzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2019, Mydibel, C-201/18, EU:C:2019:254, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem können nämlich nur Steuern abgezogen werden, mit denen die von einem Steuerpflichtigen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendeten Gegenstände oder Dienstleistungen auf der Vorstufe belastet waren. Der Vorsteuerabzug ist an die Erhebung der Steuern auf der folgenden Stufe geknüpft. Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, so kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2018, SEB bankas, C-532/16, EU:C:2018:228, Rn. 38).
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens das Recht zum Abzug der Umsatzsteuer erworben hat, die sie auf die Errichtung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Cafeteria entrichtet hatte. Dieses Recht war Gegenstand einer ersten Berichtigung im Jahr 2006, durch die das Finanzamt den Umfang des Abzugsrechts auf 90 % der auf die Errichtung dieser Cafeteria entfallenden Umsatzsteuer festsetzte. Dabei legte es seine – von der Klägerin des Ausgangsverfahrens nicht beanstandete – Schätzung zugrunde, wonach die Cafeteria zu 10 % für steuerbefreite Umsätze genutzt werde.
Zu der Berichtigung für die Jahre 2009 bis 2012, die Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass das Finanzamt sie auf der Grundlage der Feststellung vorgenommen hat, dass in diesem Zeitraum in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Cafeteria überhaupt keine besteuerten Umsätze mehr getätigt worden seien, die Cafeteria somit nunmehr ausschließlich für steuerbefreite Umsätze genutzt worden sei. Dieser Umstand stellt nach Auffassung des Finanzamts eine Änderung im Sinne von Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie dar, die eine Berichtigung des Abzugs für diese Jahre erfordere.
Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel daran, dass hier eine solche Änderung vorliegt, da es der Ansicht ist, dass die bloße Einstellung der besteuerten Tätigkeit darauf beruhe, dass sich der steuerpflichtige Betrieb der fraglichen Cafeteria als wirtschaftlich unrentabel erwiesen und hier weder zu einer Änderung noch zu einer Zunahme der steuerbefreiten Tätigkeit geführt habe.
Zum einen ergibt sich hierzu aus der in Rn. 20 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass die Ausübung des Abzugsrechts grundsätzlich erfordert, dass ein enger und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Recht auf Abzug der auf der Vorstufe entrichteten Mehrwertsteuer und der Verwendung der betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für auf der folgenden Stufe besteuerte Umsätze besteht. Wird während des nach Art. 187 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Berichtigungszeitraums festgestellt, dass dieser Zusammenhang, auch wenn er in einem früheren Stadium tatsächlich bestand, nunmehr entfallen ist, liegt somit bei Investitionsgütern wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Cafeteria grundsätzlich eine Änderung im Sinne von Art. 185 dieser Richtlinie vor, die zu einer Berichtigung des Abzugs verpflichtet.
Zum anderen bleibt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich u. a. selbst dann erhalten, wenn der Steuerpflichtige später die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwendet (Urteil vom 28. Februar 2018, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários, C-672/16, EU:C:2018:134, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hierzu hat der Gerichtshof näher ausgeführt, dass die Annahme, dass es für die Feststellung von Änderungen im Sinne von Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie genügt, dass ein Gebäude nach der Auflösung eines entsprechenden Pachtvertrags aus vom Willen seines Eigentümers unabhängigen Umständen leer gestanden hat, selbst wenn dieser erwiesenermaßen noch immer die Absicht hat, dieses für eine besteuerte Tätigkeit zu nutzen, und die dazu erforderlichen Schritte unternimmt, zu einer Beschränkung des Vorsteuerabzugs mittels der Bestimmungen über die Berichtigung führen würde (Urteil vom 28. Februar 2018, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários, C-672/16, EU:C:2018:134, Rn. 47).
Im vorliegenden Fall dürfte sich jedoch der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, wie ihn das vorlegende Gericht geschildert hat, deutlich von den Sachverhalten unterscheiden, zu denen diese Rechtsprechung ergangen ist.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Rechtsprechung Sachverhalte betrifft, in denen die betreffenden Ausgaben zwar zu dem Zweck getätigt worden waren, besteuerte Umsätze auszuführen, diese sich aber tatsächlich nicht realisierten, so dass überhaupt keine Umsätze getätigt wurden. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass zwischen dem Recht auf Abzug der auf diese Ausgaben entrichteten Mehrwertsteuer und der Ausführung der beabsichtigten besteuerten Umsätze ein enger und unmittelbarer Zusammenhang im Sinne der in Rn. 20 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung besteht.
Hingegen war im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, wie den vom vorlegenden Gericht übermittelten Informationen zu entnehmen ist, die dort in Rede stehende Cafeteria während eines ersten Zeitraums von 2003 bis 2008 tatsächlich sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze in Betrieb, so dass zumindest in diesem Zeitraum und zu dem vom Finanzamt festgesetzten Anteil von 90 % ein enger und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Recht auf Abzug der auf die Errichtung dieser Cafeteria entrichteten Umsatzsteuer und den tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsätzen, für die die Cafeteria verwendet wurde, bestand.
Aus diesen Informationen ergibt sich jedoch auch, dass während eines zweiten Zeitraums von 2009 bis 2012, der allein Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, die besteuerten Umsätze – aus welchem Grund auch immer – weggefallen sind, während die steuerbefreiten Umsätze weiter ausgeführt wurden. Daraus folgt zwangsläufig, dass anders als im Sachverhalt der Rechtssache, in der das Urteil vom 28. Februar 2018, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários (C-672/16, EU:C:2018:134), ergangen ist, die Räumlichkeiten der genannten Cafeteria, die im Übrigen fester Bestandteil eines umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims sind, nicht leer stehen, sondern nunmehr ausschließlich im Rahmen steuerbefreiter Umsätze genutzt werden.
Wie die deutsche Regierung und die Europäische Kommission zutreffend geltend machen, wäre es anders, wenn die Klägerin des Ausgangsverfahrens für die genannten Räumlichkeiten während dieses Zeitraums andere Verwendungen für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze gefunden hätte. Zwar ist den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht zu entnehmen, dass dies der Fall ist, doch wird das vorlegende Gericht gegebenenfalls die hierzu erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen haben.
Soweit die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens zur Errichtung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Cafeteria erworbenen Waren oder Dienstleistungen in den Jahren 2009 bis 2012 ausschließlich für die Zwecke der steuerbefreiten Umsätze der Klägerin des Ausgangsverfahrens verwendet wurden, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist, dienen die im früheren Stadium getätigten Umsätze gemäß der in den Rn. 20 und 21 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung daher nicht mehr der Erbringung besteuerter Leistungen und unterliegen damit dem Mechanismus der Berichtigung der Abzüge. Unter diesen Umständen wäre nämlich der enge und unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Recht auf Abzug der auf Ausgaben auf der Vorstufe entrichteten Umsatzsteuer und den vom Steuerpflichtigen später ausgeführten besteuerten Tätigkeiten, auch wenn er in einem früheren Stadium bestanden hat, nunmehr entfallen.
Wie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, folgt daraus, dass unter diesen Umständen grundsätzlich eine Änderung im Sinne von Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorläge, die die Vornahme einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs erforderlich machte. Dass sich dies aus Umständen ergibt, die vom Willen der Steuerpflichtigen unabhängig sind, stellt diese Erforderlichkeit für sich genommen nicht in Frage (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Gemeente Leusden und Holin Groep, C-487/01 und C-7/02, EU:C:2004:263, Rn. 55).
Schließlich ist festzustellen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dieser Schlussfolgerung nicht entgegensteht. Die Situation eines Unternehmens, das Investitionen im Hinblick auf eine wirtschaftliche Tätigkeit vornimmt, in deren Rahmen sowohl besteuerte als auch steuerbefreite Umsätze bewirkt werden sollen, und das noch immer steuerbefreite Umsätze ausführt, unterscheidet sich nämlich von der eines Unternehmens, das Investitionen im Hinblick auf eine wirtschaftliche Tätigkeit vornimmt, in deren Rahmen lediglich besteuerte Umsätze bewirkt werden sollen, diese Tätigkeit letztlich aber nicht zu solchen Umsätzen führt.
Nach den vorstehenden Erwägungen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Art. 184, 185 und 187 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der ein Steuerpflichtiger, der das Recht erworben hat, die auf die Errichtung einer zur Nutzung sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze bestimmten Cafeteria im Anbau eines von ihm umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entfallende Vorsteuer anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten dieser Cafeteria eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze in diesen Räumlichkeiten getätigt und diese somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 184, 185 und 187 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der ein Steuerpflichtiger, der das Recht erworben hat, die auf die Errichtung einer zur Nutzung sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze bestimmten Cafeteria im Anbau eines von ihm umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entfallende Vorsteuer anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten dieser Cafeteria eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze in diesen Räumlichkeiten getätigt und diese somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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