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EuGH 14.02.2019 - C-531/17
EuGH 14.02.2019 - C-531/17 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer) - 14. Februar 2019 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 143 Abs. 1 Buchst. d – Befreiungen von der Einfuhrumsatzsteuer – Einfuhren mit nachfolgender innergemeinschaftlicher Verbringung – Anschließende innergemeinschaftliche Lieferung – Steuerhinterziehung – Versagung der Befreiung – Voraussetzungen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-531/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 29. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 8. September 2017, in dem Verfahren
Vetsch Int. Transporte GmbH,
Beteiligter:
Zollamt Feldkirch Wolfurt,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Vetsch Int. Transporte GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt P. Csoklich,
des Zollamts Feldkirch Wolfurt, vertreten durch G. Kofler als Bevollmächtigten,
der österreichischen Regierung, vertreten durch F. Koppensteiner, D. Schwab und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und G. Papadaki als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2018
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 143 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) und von Art. 143 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom 25. Juni 2009 (ABl. 2009, L 175, S. 12) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Mehrwertsteuerrichtlinie).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vetsch Int. Transporte GmbH (im Folgenden: Vetsch) und dem Zollamt Feldkirch Wolfurt (Österreich) (im Folgenden: Zollamt) wegen der Befreiung der Einfuhr von Gegenständen aus der Schweiz nach Österreich von der Mehrwertsteuer im Hinblick auf ihre Verbringung nach Bulgarien.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Der Vorlageentscheidung zufolge wurden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anmeldungen zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr im Zeitraum vom 10. Dezember 2010 bis zum 5. Juli 2011 eingereicht. Da die Mehrwertsteuerrichtlinie u. a. durch die Richtlinie 2009/69, deren Umsetzungsfrist am 1. Januar 2011 endete, geändert wurde, sind auf das Ausgangsverfahren die Mehrwertsteuerrichtlinie und die geänderte Mehrwertsteuerrichtlinie anwendbar.
Mehrwertsteuerrichtlinie
Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
die Einfuhr von Gegenständen.“
Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat.“
In Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der [Europäischen Union] versandt oder befördert werden[,] von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.
(2) Außer den in Absatz 1 genannten Lieferungen befreien die Mitgliedstaaten auch folgende Umsätze von der Steuer:
…
die Lieferungen von Gegenständen in Form der Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat, die gemäß Absatz 1 und den Buchstaben a und b des vorliegenden Absatzes von der Mehrwertsteuer befreit wäre, wenn sie an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt würde.“
Art. 143 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Artikel 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Artikel 138 befreit ist;
…“
Art. 201 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Bei der Einfuhr wird die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.“
Geänderte Mehrwertsteuerrichtlinie
Art. 2 Abs. 1 Buchst. d sowie die Art. 138 und 201 der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie sind mit den entsprechenden Artikeln der Mehrwertsteuerrichtlinie identisch. In Art. 143 der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es hingegen:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Artikel 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Artikel 138 befreit ist;
…
(2) Die Steuerbefreiung gemäß Absatz 1 Buchstabe d ist in den Fällen, in denen auf die Einfuhr von Gegenständen eine Lieferung von Gegenständen folgt, die gemäß Artikel 138 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe c von der Steuer befreit ist, nur anzuwenden, wenn der Importeur zum Zeitpunkt der Einfuhr den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats mindestens die folgenden Angaben hat zukommen lassen:
seine im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer oder die im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer seines Steuervertreters, der die Steuer schuldet;
die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 1 geliefert werden, oder seine eigene MwSt.-Identifikationsnummer, die in dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände endet, wenn die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe c verbracht werden;
den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.
Allerdings können die Mitgliedstaaten festlegen, dass der Nachweis nach Buchstabe c den zuständigen Behörden lediglich auf Ersuchen vorzulegen ist.“
Österreichisches Recht
Nach Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs (Binnenmarkt) des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994 – UStG 1994, im Folgenden: UStG 1994) ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 7 UStG 1994 – Anhang (Binnenmarkt) buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.
Nach § 26 Abs. 1 UStG 1994 gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.
Nach § 71a des Zollrechts-Durchführungsgesetzes schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 – (Anhang Binnenmarkt) eine nach Art. 204 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex) entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 204 Abs. 3 des Zollkodex als Schuldner in Betracht kommt.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Vetsch ist eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die eine Spedition betreibt.
Im Zeitraum vom 10. Dezember 2010 bis zum 5. Juli 2011 reichte Vetsch als indirekte Vertreterin zweier in Bulgarien ansässiger Gesellschaften (K und B) beim Zollamt Anmeldungen zur Überführung aus der Schweiz eingeführter Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ein. Im Rahmen dieser Anmeldungen beantragte Vetsch die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 – (Anhang Binnenmarkt) und gab hierfür den Code „Zollverfahren 42“ an. Dementsprechend wurden die betreffenden Waren unter Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt.
Mit Bescheid vom 6. September 2011 forderte das Zollamt Vetsch jedoch auf, für die betreffenden Waren die Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex zu entrichten, weil die Voraussetzungen für die mit den erwähnten Anmeldungen geltend gemachte Steuerbefreiung nicht gegeben seien. Vetsch sei daher Schuldnerin der Mehrwertsteuer geworden. Die von Vetsch gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Zollamt am 31. Januar 2012 abgewiesen.
Die von Vetsch gegen die abweisende Entscheidung des Zollamts erhobene Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht (Österreich) mit Erkenntnis vom 30. März 2016 als unbegründet ab.
Der Vorlageentscheidung zufolge sah es das Bundesfinanzgericht als erwiesen an, dass die bulgarischen Empfänger von der Verkäuferin der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren die Verfügungsmacht über diese Waren erhalten hätten, als sie sich in der Schweiz befunden hätten, d. h. vor ihrer Verzollung in Österreich. Dass die Empfänger diese Verfügungsmacht in Bulgarien nicht mehr gehabt hätten, sei nicht erwiesen. Die Empfänger hätten die innergemeinschaftlichen Erwerbe der betreffenden Waren erklärt, allerdings eine Steuerhinterziehung in Bulgarien zu verantworten, weil sie fälschlich eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung der betreffenden Waren an Vetsch erklärt hätten.
Vetsch erhob gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts Revision an das vorlegende Gericht.
Das vorlegende Gericht führt aus, dass nach österreichischem Recht die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstehe, wenn die Voraussetzung der Steuerfreiheit der sich an die Einfuhr in Österreich anschließenden Verbringung nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht erfüllt werde. In solch einem Fall sehe das nationale Recht vor, dass die Person Steuerschuldner sei, die diese Voraussetzung zu erfüllen habe, also im vorliegenden Fall die betreffenden bulgarischen Empfänger der Ware, deren indirekte Vertreterin Vetsch sei. Im Ausgangsverfahren werde Vetsch dennoch als Gesamtschuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer angesehen.
Dem vorlegenden Gericht zufolge hängt die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie von der Frage ab, ob die innergemeinschaftliche Verbringung nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie steuerbefreit war.
Es stellt hierzu fest, nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts seien die Voraussetzungen für eine solche Befreiung nicht erfüllt gewesen, wobei sich dieses auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs stütze, wonach einem Steuerpflichtigen der Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie versagt werden müsse, wenn er selbst eine Steuerhinterziehung begangen habe oder wenn er gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen sei, und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um dies zu verhindern. Insoweit habe der Gerichtshof die innergemeinschaftliche Verbringung der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts betraf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Fälle, in denen sich die Steuerhinterziehung auf den vom Vorsteuerabzug oder von der Steuerbefreiung oder Steuererstattung betroffenen Umsatz selbst oder auf den diesem vorangegangenen oder nachfolgenden Umsatz bezogen hatte. Die der erwähnten Rechtsprechung zugrunde liegenden Umstände seien jedoch jeweils anders gelagert als die des Ausgangsverfahrens.
Das Bundesfinanzgericht habe festgestellt, dass die beiden bulgarischen Unternehmen, deren innergemeinschaftliche Verbringung in Rede stehe, Steuererklärungen abgegeben und darin den innergemeinschaftlichen Erwerb in Bulgarien erklärt hätten. Erst auf einer nachfolgenden Umsatzstufe, nämlich im Rahmen der Erklärung einer weiteren innergemeinschaftlichen Lieferung der in Rede stehenden Waren durch diese Unternehmen im Hinblick auf ihren Weiterverkauf an Vetsch, nehme das Bundesfinanzgericht eine Steuerhinterziehung an. Die Unternehmen hätten diese innergemeinschaftliche Lieferung zu Unrecht von der Steuer befreit. Das Bundesfinanzgericht habe seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass eine solche Lieferung nicht stattgefunden habe. Dass die bulgarischen Unternehmen im Zeitpunkt der innergemeinschaftlichen Verbringung der Waren nach Bulgarien bereits den Vorsatz gefasst hätten, hinsichtlich des späteren Umsatzes mit diesen Waren eine Steuerhinterziehung zu begehen, sah das Bundesfinanzgericht dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge jedoch nicht als erwiesen an.
Dem vorlegenden Gericht zufolge ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das Recht auf Vorsteuerabzug oder auf Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung zu versagen sei, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begehe.
Hierzu stellt das vorlegende Gericht fest, dass diese Rechtsprechung nicht nur einen Steuerpflichtigen, der eine Steuerhinterziehung begangen habe, sondern auch einen Steuerpflichtigen erfasse, der gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz in eine vom Lieferer oder Leistenden oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen gewesen sei.
Das vorlegende Gericht möchte daher wissen, ob diese Rechtsprechung für einen Fall wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden insofern relevant ist, als die fragliche Steuerhinterziehung erst auf einer späteren Stufe in der Lieferkette erfolgte, also nach der in Rede stehenden innergemeinschaftlichen Verbringung und dem daran anschließenden innergemeinschaftlichen Erwerb.
Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof (Österreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Steuerbefreiung nach Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie für ein innergemeinschaftliches Verbringen aus einem Mitgliedstaat zu versagen, wenn der dieses Verbringen in einen anderen Mitgliedstaat bewirkende Steuerpflichtige im anderen Mitgliedstaat zwar den mit dem innergemeinschaftlichen Verbringen zusammenhängenden innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt, jedoch bei einem späteren steuerpflichtigen Umsatz mit den betroffenen Gegenständen im anderen Mitgliedstaat eine Steuerhinterziehung begeht, indem er zu Unrecht eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus diesem anderen Mitgliedstaat erklärt?
Ist für die Antwort auf die Frage 1 maßgeblich, ob der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des innergemeinschaftlichen Verbringens bereits den Vorsatz gefasst hat, hinsichtlich eines späteren Umsatzes mit diesen Gegenständen eine Steuerhinterziehung zu begehen?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Zunächst ist festzustellen, dass sich die erste Frage auf die Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie bezieht. Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob in einer Situation wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht, die Mehrwertsteuerbefreiung, die für die Einfuhr von Gegenständen aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat unter den Voraussetzungen von Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie gilt, zu versagen ist, wenn diese Gegenstände danach in einem anderen Mitgliedstaat auf eine Person übertragen wurden, die nach der Verbringung mit diesen Gegenständen eine Steuerhinterziehung begangen hat.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Kern wissen möchte, ob Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass die darin normierte Einfuhrumsatzsteuerbefreiung dem gemäß Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur zu versagen ist, wenn der Empfänger der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Verbringung bei einem späteren Umsatz, der mit der Verbringung in keinem Zusammenhang steht, eine Steuerhinterziehung begeht.
Nach Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, von der Steuer, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 dieser Richtlinie befreit ist.
Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer somit davon abhängig, dass der Importeur anschließend eine innergemeinschaftliche Lieferung durchführt, die selbst nach Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie steuerbefreit ist, und hängt demnach von der Beachtung der in diesem Artikel festgelegten materiellen Voraussetzungen ab (Urteil vom 20. Juni 2018, Enteco Baltic,C-108/17, EU:C:2018:473, Rn. 47). Dies gilt auch dann, wenn die Lieferung von Gegenständen wie im vorliegenden Fall in deren Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat besteht.
Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Union versandt oder befördert werden, von der Steuer befreien, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt. Nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten außer den in Abs. 1 genannten Lieferungen auch die Lieferungen von Gegenständen in Form der Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat, die u. a. gemäß Abs. 1 von der Mehrwertsteuer befreit wäre, wenn sie an einen Steuerpflichtigen bewirkt würde, von der Steuer.
Für die Zwecke der Mehrwertsteuerbefreiung ist eine innergemeinschaftliche Verbringung – die in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie als die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat definiert ist – u. a. einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt, deren Mehrwertsteuerbefreiung in Art. 138 dieser Richtlinie vorgesehen ist (vgl. in Bezug auf die entsprechenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [ABl. 1977, L 145, S. 1] Urteil vom 20. Oktober 2016, Plöckl,C-24/15, EU:C:2016:791, Rn. 29).
Im vorliegenden Fall ist jedoch in Anbetracht der Angaben des vorlegenden Gerichts vorbehaltlich der Überprüfung durch dieses davon auszugehen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende innergemeinschaftliche Verbringung die Voraussetzungen nach Art. 138 der Mehrwertsteuerrichtlinie, auf den Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie verweisen, erfüllt.
Außerdem lässt sich der Vorlageentscheidung nicht entnehmen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einfuhren von Waren nicht die übrigen Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer erfüllten, die in den beiden in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils zuletzt genannten Bestimmungen enthalten sind.
Es ist daher von der Prämisse auszugehen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einfuhren von Waren die in Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltenen Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer erfüllen.
Das vorlegende Gericht möchte dennoch wissen, wie sich ein betrügerischer Umsatz, der im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach dieser Einfuhr mit nachfolgender Verbringung bewirkt wird, auf den Anspruch auf die in Rede stehenden Mehrwertsteuerbefreiungen auswirkt. Das vorlegende Gericht zweifelt indes nicht an der Rechtmäßigkeit der Einfuhr und der Verbringung, die der von der Steuerhinterziehung betroffenen innergemeinschaftlichen Lieferung vorangingen.
Wie die Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geltend gemacht hat, sind in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Einfuhr mit nachfolgender innergemeinschaftlicher Verbringung zum einen und die innergemeinschaftliche Lieferung, auf die sich die Steuerhinterziehung bezog, zum anderen als voneinander unabhängige Umsätze anzusehen.
Es ist nämlich festzustellen, dass Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie in Wirklichkeit zwei Befreiungen beinhalten, nämlich erstens eine Befreiung von der Mehrwertsteuer, die gemäß Art. 201 der Mehrwertsteuerrichtlinie normalerweise bei der Einfuhr geschuldet wird, und zweitens eine Befreiung aufgrund der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung oder Verbringung.
Sind also die in Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltenen Voraussetzungen erfüllt, wird die Mehrwertsteuer auf aus einem Drittland in die Union versandte oder beförderte Gegenstände grundsätzlich zum ersten Mal nicht in dem Mitgliedstaat geschuldet, in den sie zuerst eingeführt wurden, sondern in dem Mitgliedstaat, in dem die Versendung oder Beförderung endet. Wie die Generalanwältin in Nr. 53 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, bezwecken diese Bestimmungen eine Vereinfachung, die darin besteht, den grenzüberschreitenden Austausch dadurch zu erleichtern, dass aufgrund der Steuerbefreiung der Einfuhr der andernfalls gegebene Vorsteuerabzug hinsichtlich der ansonsten anfallenden Einfuhrmehrwertsteuer entfallen kann.
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem die fragliche Steuerhinterziehung im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung aus Bulgarien ebendort begangen wurde, ist es Sache der bulgarischen Behörden, die Befreiung von der Mehrwertsteuer für diese Lieferung zu versagen.
Da erwiesen ist, dass diese Steuerhinterziehung nicht die Verbringung betrifft, von der die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie abhängt, kann diese Befreiung dem gemäß Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur nicht versagt werden, wenn es, wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur wusste oder hätte wissen müssen, dass diese im Anschluss an die Einfuhr erfolgende Lieferung in eine von den bulgarischen Empfängern begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 143 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der geänderten Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass die darin normierte Einfuhrumsatzsteuerbefreiung dem gemäß Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur nicht zu versagen ist, wenn, wie im Fall des Ausgangsverfahrens, der Empfänger der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Verbringung bei einem späteren Umsatz, der mit der Verbringung in keinem Zusammenhang steht, eine Steuerhinterziehung begeht und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser spätere Umsatz in eine vom Empfänger begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Auswirkungen es auf die Beantwortung der ersten Frage haben könnte, dass der Empfänger der verbrachten Waren zum Zeitpunkt der innergemeinschaftlichen Verbringung bereits den Vorsatz gefasst hatte, hinsichtlich eines späteren Umsatzes mit diesen Waren eine Steuerhinterziehung zu begehen.
Aus der Vorlageentscheidung geht ausdrücklich hervor, dass im vorliegenden Fall kein solcher Vorsatz festgestellt wurde. Daher ist diese Frage, weil sie hypothetisch ist, unzulässig.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 143 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und Art. 143 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom 25. Juni 2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die darin normierte Einfuhrumsatzsteuerbefreiung dem gemäß Art. 201 dieser Richtlinie als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur nicht zu versagen ist, wenn, wie im Fall des Ausgangsverfahrens, der Empfänger der im Anschluss an diese Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Verbringung bei einem späteren Umsatz, der mit der Verbringung in keinem Zusammenhang steht, eine Steuerhinterziehung begeht und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Importeur wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser spätere Umsatz in eine vom Empfänger begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.
Jürimäe
Juhász
Vajda
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Februar 2019.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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