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EuGH 14.04.2016 - C-522/14
EuGH 14.04.2016 - C-522/14 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 14. April 2016 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Niederlassungsfreiheit — Art. 49 AEUV — Regelung eines Mitgliedstaats, mit der Kreditinstitute verpflichtet werden, der Steuerverwaltung für die Zwecke der Erhebung der Erbschaftsteuer Informationen über das Vermögen verstorbener Kunden mitzuteilen — Anwendung dieser Regelung auf Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat, in dem das Bankgeheimnis eine solche Mitteilung grundsätzlich verbietet“
Leitsatz
In der Rechtssache C-522/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 19. November 2014, in dem Verfahren
Sparkasse Allgäu
gegen
Finanzamt Kempten
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter D. Šváby, J. Malenovský, M. Safjan, und M. Vilaras (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Sparkasse Allgäu, vertreten durch Rechtsanwalt W.-R. Bub,
des Finanzamts Kempten, vertreten durch L. Bachmann als Bevollmächtigten,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
der griechischen Regierung, vertreten durch A. Dimitrakopoulou und A. Magrippi als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. November 2015
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sparkasse Allgäu und dem Finanzamt Kempten wegen der Weigerung des Kreditinstituts, das Finanzamt über bei seiner unselbständigen Zweigstelle in Österreich geführte Konten von Personen zu informieren, die zum Zeitpunkt ihres Todes in Deutschland Steuerinländer waren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2006/48/EG
Art. 23 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. L 177, S. 1) lautet:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die in der Liste in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten in ihrem Hoheitsgebiet gemäß Artikel 25, Artikel 26 Absätze 1 bis 3, Artikel 28 Absätze 1 und 2 sowie den Artikeln 29 bis 37 sowohl über eine Zweigstelle als auch im Wege des Dienstleistungsverkehrs von jedem Kreditinstitut ausgeübt werden können, das durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats zugelassen ist und kontrolliert wird, soweit die betreffenden Tätigkeiten durch die Zulassung abgedeckt sind.“
Zu den in Anhang I der Richtlinie 2006/48 aufgeführten Tätigkeiten gehört u. a. die „Entgegennahme von Einnahmen und anderen rückzahlbaren Geldern“.
Art. 31 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Artikel 29 und 30 berühren nicht die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Unregelmäßigkeiten in seinem Gebiet zu verhindern oder zu ahnden, die den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufen, die er aus Gründen des Allgemeininteresses erlassen hat. Dies umfasst auch die Möglichkeit, einem Kreditinstitut, bei dem Unregelmäßigkeiten vorkommen, die Aufnahme neuer Geschäftstätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet zu untersagen.“
Richtlinie 2011/16/EU
In Art. 8 Abs. 3a der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64, S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/107/EU des Rates vom 9. Dezember 2014 (ABl. L 359, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2011/16) heißt es:
„Jeder Mitgliedstaat ergreift die notwendigen Maßnahmen, um seine MELDENDEN FINANZINSTITUTE zur Befolgung der in den Anhängen I und II enthaltenen Melde- und Sorgfaltsvorschriften und zur Gewährleistung einer wirksamen Anwendung und Einhaltung dieser Vorschriften im Einklang mit Abschnitt IX des Anhangs I zu verpflichten.
Gemäß den geltenden Melde- und Sorgfaltsvorschriften in den Anhängen I und II tauscht die zuständige Behörde jedes Mitgliedstaats innerhalb der in Absatz 6 Buchstabe b festgelegten Frist nach einem automatisierten Verfahren die folgenden Informationen über ein MELDEPFLICHTIGES KONTO in Bezug auf Besteuerungszeiträume ab dem 1. Januar 2016 mit der zuständigen Behörde jedes anderen Mitgliedstaats aus:
Name, Anschrift, STEUERIDENTIFIKATIONSNUMMER(N) sowie Geburtsdatum und -ort (bei natürlichen Personen) jeder MELDEPFLICHTIGEN PERSON, die Inhaber des Kontos ist, sowie bei einem RECHTSTRÄGER, der KONTOINHABER ist und für den nach Anwendung von Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach den Anlagen eine oder mehrere BEHERRSCHENDE PERSONEN ermittelt wurden, die MELDEPFLICHTIGE PERSONEN sind, Name, Anschrift und STEUERIDENTIFIKATIONSNUMMER(N) des RECHTSTRÄGERS sowie Name, Anschrift, STEUERIDENTIFIKATIONSNUMMER(N), Geburtsdatum und -ort jeder MELDEPFLICHTIGEN PERSON,
Kontonummer (oder funktionale Entsprechung, wenn keine Kontonummer vorhanden),
Name und (gegebenenfalls) Identifikationsnummer des MELDENDEN FINANZINSTITUTS,
Kontosaldo oder -wert (einschließlich des BARWERTS oder RÜCKKAUFWERTS bei RÜCKKAUFSFÄHIGEN VERSICHERUNGS- oder RENTENVERSICHERUNGSVERTRÄGEN) zum Ende des betreffenden Kalenderjahrs oder eines anderen geeigneten Meldezeitraums oder, wenn das Konto im Laufe des Jahres beziehungsweise Zeitraums aufgelöst wurde, die Auflösung des Kontos,
…“
Nach Anhang I Abschnitt VIII Unterabschnitt D Nr. 1 der Richtlinie 2011/16 bedeutet der Ausdruck „MELDEPFLICHTIGES KONTO“ u. a. ein von einem meldenden Finanzinstitut eines Mitgliedstaats geführtes Finanzkonto, dessen Inhaber eine oder mehrere meldepflichtige Person(en) sind, sofern es nach den in den Abschnitten II bis VII dieses Anhangs beschriebenen Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten als solches identifiziert wurde.
Deutsches Recht
Nach § 33 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) hat, wer sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befasst, diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen.
Österreichisches Recht
Gemäß § 9 Abs. 1 und 7 des Bankwesengesetzes (BWG) dürfen Zweigstellen von Kreditinstituten, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, Tätigkeiten in Österreich erbringen, wobei sie eine Reihe von Vorschriften des österreichischen Rechts, darunter § 38 BWG, einzuhalten haben.
In § 38 BWG heißt es:
„(1) Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen dürfen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden … anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis) …
(2) Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht nicht
…
wenn der Kunde der Offenbarung des Geheimnisses ausdrücklich und schriftlich zustimmt;
…“
§ 101 BWG bestimmt, dass die Verletzung des Bankgeheimnisses strafbar ist.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Die Sparkasse Allgäu ist ein Kreditinstitut im Sinne der Richtlinie 2006/48, das aufgrund einer von den deutschen Behörden erteilten Zulassung tätig ist. Sie betreibt u. a. eine unselbständige Zweigstelle in Österreich.
Am 25. September 2008 forderte das Finanzamt Kempten die Sparkasse Allgäu auf, ihm für die Zeit ab 1. Januar 2001 in Bezug auf die Kunden ihrer Zweigstelle in Österreich, die zum Zeitpunkt ihres Todes in Deutschland Steuerinländer waren, die Informationen im Sinne des § 33 ErbStG anzuzeigen.
Dagegen legte die Sparkasse Allgäu Einspruch ein, der ebenso wie ihre Klage in erster Instanz ohne Erfolg blieb. Unter diesen Umständen legte sie Revision beim Bundesfinanzhof ein.
Dieser fragt sich, ob § 33 Abs. 1 ErbStG die Niederlassungsfreiheit beschränkt, obwohl die Anzeigepflicht im Sinne dieser Bestimmung für alle deutschen Kreditinstitute gleichermaßen gelte. Aufgrund dieser Pflicht würden nämlich deutsche Kreditinstitute davon abgehalten, in Österreich über eine Zweigstelle geschäftlich tätig zu werden. Der Bundesfinanzhof fragt sich aber auch, ob sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch aus dem Zusammenwirken der Rechtsvorschriften des Sitzmitgliedstaats des Kreditinstituts, also der Bundesrepublik Deutschland, mit den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Zweigstelle belegen sei, also der Republik Österreich, ergeben könne und welchem Mitgliedstaat eine solche Beschränkung zuzurechnen sei.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, vormals Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen Finanzamt anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der Kreditinstitute mit Sitz in diesem Mitgliedstaat den nationalen Behörden Vermögensgegenstände, die bei ihren unselbständigen Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, im Fall des Ablebens des Eigentümers dieser Vermögensgegenstände, der im erstgenannten Mitgliedstaat Steuerinländer war, anzeigen müssen, wenn im zweitgenannten Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 49 AEUV die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit zu beseitigen sind. Nach dieser Vorschrift umfasst die Niederlassungsfreiheit für die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaats für seine eigenen Angehörigen. Die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit erstreckt sich auch auf Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig sind (vgl. u. a. Urteile Kommission/Frankreich, 270/83, EU:C:1986:37, Rn. 13, Royal Bank of Scotland, C-311/97, EU:C:1999:216, Rn. 22, und CLT-UFA, C-253/03, EU:C:2006:129, Rn. 13).
Nach Art. 54 Abs. 2 AEUV sind auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen, Gesellschaften, auf die Art. 49 AEUV anwendbar ist. Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge ist die Sparkasse Allgäu eine juristische Person des öffentlichen Rechts, auf die Art. 49 AEUV Anwendung findet.
Auch wenn die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit ihrem Wortlaut nach die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen sollen, verbieten sie es nach ständiger Rechtsprechung ebenso, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (Urteil Verder LabTec, C-657/13, EU:C:2015:331, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich § 33 Abs. 1 ErbStG jeder, der sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befasst, diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen hat.
Diese Bestimmung ist allgemein gehalten und unterscheidet nicht nach Maßgabe des Ortes, an dem das von ihr in Bezug genommene fremde Vermögen verwahrt oder verwaltet wird. Folglich unterliegt die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die eine nach deutschem Recht errichtete juristische Person ist und ihren Sitz in Deutschland hat, den aus dieser Bestimmung resultierenden Verpflichtungen nicht nur hinsichtlich der Konten, die bei ihren verschiedenen Agenturen und Zweigniederlassungen in Deutschland geführt werden, sondern auch in Bezug auf die Konten, die bei ihrer unselbständigen Zweigstelle in Österreich eröffnet wurden.
Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die Tätigkeit eines deutschen Kreditinstituts, das eine Zweigstelle in Österreich eröffnet hat, durch die Anzeigepflicht des § 33 Abs. 1 ErbStG einerseits und die Pflicht, in Österreich das durch § 38 Abs. 2 und § 101 BWG geschützte Bankgeheimnis zu beachten, andererseits erschwert wird. Dazu führt es aus, dass ein Kreditinstitut, das sich in der Lage der Klägerin des Ausgangsverfahrens befinde, gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 5 BWG die Zustimmung seiner Kunden zu einer etwaigen Übermittlung der sie betreffenden Informationen an die deutschen Behörden einholen müsse, um diesen beiden Pflichten nachzukommen. Dieses Zustimmungserfordernis könnte zur Folge haben, dass unter Umständen die potenziellen Kunden der österreichischen Zweigstelle eines solchen Kreditinstituts zu den österreichischen Banken oder den österreichischen Tochtergesellschaften der deutschen Banken hingelenkt würden, da weder die einen noch die anderen einer entsprechenden Informationsübermittlungspflicht unterlägen.
Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass § 33 Abs. 1 ErbStG die in Deutschland niedergelassenen Kreditinstitute von der Eröffnung von Zweigniederlassungen in Österreich abhalten kann, da die Beachtung der betreffenden Pflicht sie schon deshalb in eine nachteilige Lage versetzen würde, weil die Zweigniederlassungen dann einer Verpflichtung unterlägen, die die in Österreich niedergelassenen Kreditinstitute nicht trifft. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das Bestehen dieser Pflicht als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 49 AEUV qualifiziert werden kann.
Im Licht der Ausführungen des vorlegenden Gerichts ist nämlich festzustellen, dass sich unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die möglichen nachteiligen Folgen einer Pflicht wie der in § 33 Abs. 1 ErbStG vorgesehenen daraus ergeben, dass zwei Mitgliedstaaten parallel zueinander ihre Zuständigkeit einerseits auf dem Gebiet der Regelung der Pflichten von Banken und anderen Kreditinstituten gegenüber ihren Kunden in Bezug auf die Beachtung des Bankgeheimnisses und andererseits auf dem Gebiet der steuerlichen Kontrollen ausgeübt haben (vgl. in diesem Sinne Urteile Kerckhaert und Morres, C-513/04, EU:C:2006:713, Rn. 20, Columbus Container Services, C-298/05, EU:C:2007:754, Rn. 43, und CIBA, C-96/08, EU:C:2010:185, Rn. 25).
Insbesondere kann nach deutschem Recht die Beachtung des Bankgeheimnisses nicht dem Erfordernis vorgehen, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen sicherzustellen, so dass § 33 Abs. 1 ErbStG in Bezug auf den von ihm geregelten Tatbestand eine Pflicht aufstellt, Informationen ohne Zustimmung des Inhabers des betreffenden Kontos an die Steuerbehörden zu übermitteln. Im österreichischen Recht wurde demgegenüber mit § 38 BWG die umgekehrte Wahl getroffen, indem das Bankgeheimnis grundsätzlich gegenüber allen, auch den Steuerbehörden, zu beachten ist.
Zwar trifft zu, dass ein bilaterales Abkommen zwischen den beiden betroffenen Mitgliedstaaten wie auch Maßnahmen auf Unionsebene wie der in Art. 8 Abs. 3a der Richtlinie 2011/16 vorgesehene automatische und verpflichtende Informationsaustausch es vermögen, eine Verwaltungszusammenarbeit im Steuerbereich sicherzustellen und es so unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zu erleichtern, dass die deutschen Steuerbehörden die Informationen erhalten, auf die sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme bezieht.
Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass zwar ein am 1. März 2012 in Kraft getretenes Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich bestehe, das den Austausch von Informationen auf dem Gebiet der Steuern vorsehe. Dieses Abkommen sei aber erst auf die Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume ab dem 1. Januar 2011 anzuwenden, die von der Aufforderung des Finanzamts Kempten an die Sparkasse Allgäu nicht betroffen seien. Auch die Richtlinie 2011/16 wurde erst erlassen, nachdem sich der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt zugetragen hatte.
Somit ist festzustellen, dass es den Mitgliedstaaten beim Stand des Unionsrechts zu der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit in Ermangelung von Harmonisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Informationsaustauschs zu Steuerkontrollzwecken frei stand, den inländischen Kreditinstituten, was deren im Ausland tätige Zweigniederlassungen betrifft, eine Pflicht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen sichergestellt werden soll, aufzuerlegen, sofern nicht die Geschäfte dieser Zweigniederlassungen gegenüber den Geschäften der inländischen Zweigniederlassungen einer diskriminierenden Behandlung unterzogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Columbus Container Services, C-298/05, EU:C:2007:754, Rn. 51 und 53, sowie Beschluss KBC Bank und Beleggen, Risicokapitaal, Beheer, C-439/07 und C-499/07, EU:C:2009:339, Rn. 80).
Wie aber bereits oben in Rn. 22 ausgeführt, gilt § 33 Abs. 1 ErbStG seinem Wortlaut nach für die Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland sowohl in Bezug auf ihre Geschäfte in Deutschland als auch in Bezug auf ihre Geschäfte im Ausland.
Der bloße Umstand, dass das österreichische Recht eine Anzeigepflicht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht kennt, kann nicht zum Ausschluss der Möglichkeit für die Bundesrepublik Deutschland führen, eine solche Pflicht zu normieren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann nämlich die Niederlassungsfreiheit nicht dahin verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, seine Steuervorschriften und im Besonderen eine Anzeigepflicht wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende auf die Steuervorschriften eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen zu gewährleisten, dass jede Diskrepanz, die sich aus den nationalen Regelungen ergibt, beseitigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Columbus Container Services, C-298/05, EU:C:2007:754, Rn. 51, und National Grid Indus, C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 62).
Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach der Kreditinstitute mit Sitz in diesem Mitgliedstaat den nationalen Behörden Vermögensgegenstände, die bei ihren unselbständigen Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, im Fall des Ablebens des Eigentümers dieser Vermögensgegenstände, der im erstgenannten Mitgliedstaat Steuerinländer war, anzeigen müssen, wenn im zweitgenannten Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach der Kreditinstitute mit Sitz in diesem Mitgliedstaat den nationalen Behörden Vermögensgegenstände, die bei ihren unselbständigen Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, im Fall des Ablebens des Eigentümers dieser Vermögensgegenstände, der im erstgenannten Mitgliedstaat Steuerinländer war, anzeigen müssen, wenn im zweitgenannten Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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