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EuGH 12.03.2015 - C-594/13
EuGH 12.03.2015 - C-594/13 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer) - 12. März 2015 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Mehrwertsteuer — Richtlinie 2006/112/EG — Art. 132 Abs. 1 Buchst. g — Steuerbefreiung für eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen — Begriff ‚als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen‘ — Zeitarbeitsunternehmen — Gestellung von qualifizierten Pflegekräften — Ausschluss von der Steuerbefreiung“
Leitsatz
In der Rechtssache C-594/13
betreffend ein Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. August 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 21. November 2013, in dem Verfahren
„go fair“ Zeitarbeit OHG
gegen
Finanzamt Hamburg-Altona
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter J. Malenovský und M. Safjan,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der „go fair“ Zeitarbeit OHG, vertreten durch Rechtsanwalt L. Gause,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
von Irland, vertreten durch E. Creedon, G. Hodge, M. Heneghan und N. J. Travers als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Cordewener, C. Soulay und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g und Art. 134 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Revisionsverfahrens zwischen der „go fair“ Zeitarbeit OHG (im Folgenden: „go fair“) und dem Finanzamt Hamburg-Altona wegen der Erhebung von Mehrwertsteuer für das Steuerjahr 2010 auf von „go fair“ erbrachte Dienstleistungen.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2006/112
Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.“
Art. 10 der Richtlinie bestimmt:
„Die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.“
Titel IX Kapitel 2 der Richtlinie trägt die Überschrift „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“. Dieses Kapitel umfasst die Art. 132 bis 134.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer:
„eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.
Art. 134 der Richtlinie sieht vor:
„In folgenden Fällen sind Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n ausgeschlossen:
sie sind für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich;
sie sind im Wesentlichen dazu bestimmt, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden.“
Deutsches Recht
Gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. 2008 I, S. 2794, im Folgenden: UStG) sind steuerfrei:
„die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von
…
Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe … ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind,
erbracht werden. Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis k erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht.“
In § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (BGBl. 1995 I, 158) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 (BGBl. 2002 I, S. 4607, im Folgenden: AÜG) heißt es:
„Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Schriftform. In der Urkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 besitzt. Der Entleiher hat in der Urkunde anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. …“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
„go fair“ ist eine offene Handelsgesellschaft (OHG), deren Gegenstand die Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG ist.
Als Zeitarbeitsunternehmen verlieh sie im Jahr 2010 bei ihr angestellte Pflegefachkräfte, nämlich Kranken- und Altenpflegepersonal, an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 4 Nr. 16 UStG. Die Arbeitnehmer von „go fair“ waren organisatorisch in die jeweilige Pflegeeinrichtung eingegliedert. Sie führten die Pflegeleistungen im Auftrag dieser Einrichtung durch und waren insoweit weisungsgebunden. Die Dienst- und Fachaufsicht über die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer/-innen oblag ebenfalls der betreffenden Pflegeeinrichtung.
Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat September 2010 vom 18. Oktober 2010 unterwarf das Finanzamt Hamburg-Altona die durch die Dienstleistungen von „go fair“ bewirkten Umsätze dem Regelsteuersatz. Die Klage von „go fair“ gegen diesen Bescheid wurde vom Finanzgericht Hamburg abgewiesen.
Der von „go fair“ im Wege der Revision angerufene Bundesfinanzhof stellte fest, dass „go fair“ die Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG nicht erfülle, weil sie keine Einrichtung zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen betreibe, sondern einen Arbeitnehmerverleih auf Zeit. Ihre Umsätze seien daher nicht nach dieser Vorschrift von der Steuer befreit.
Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass „go fair“„eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene“ Dienstleistungen im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 erbracht habe und nicht auszuschließen sei, dass sie sich unmittelbar auf diese Bestimmung berufen und damit die dort vorgesehene Steuerbefreiung in Anspruch nehmen könne.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Zur Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112:
Kann ein Mitgliedstaat das ihm eingeräumte Ermessen zur Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter dahin gehend ausüben, dass er zwar Personen anerkennt, die ihre Leistungen an Sozial- und Pflegekassen erbringen, nicht aber auch staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen?
Falls staatlich geprüfte Pflegekräfte als soziale Einrichtung anzuerkennen sind: Ergibt sich die Anerkennung einer Zeitarbeitsfirma, die staatlich geprüfte Pflegekräfte an anerkannte Pflegeeinrichtungen (Zieleinrichtungen) verleiht, aus der Anerkennung des verliehenen Personals?
Zur Auslegung von Art. 134 Buchst. a der Richtlinie 2006/112:
Ist die Gestellung von staatlich geprüften Pflegekräften für die Erbringung von Pflegeleistungen der Zieleinrichtung (Entleiher) als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundener Umsatz unerlässlich, wenn die Zieleinrichtung ohne Personal nicht tätig werden kann?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, und/oder ein Zeitarbeitsunternehmen, das solche Pflegekräfte Einrichtungen, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, zur Verfügung stellt, unter den Begriff „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ im Sinne dieser Bestimmung fallen.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe, mit denen die in Art. 132 der Richtlinie 2006/112 aufgeführten Steuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen sind, da diese Befreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet somit nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen im Sinne von Art. 132 verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. Urteile Horizon College, C-434/05, EU:C:2007:343, Rn. 16, Kommission/Niederlande, C-79/09, EU:C:2010:171, Rn. 49, Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 22, und Klinikum Dortmund, C-366/12, EU:C:2014:143, Rn. 26 und 27).
Dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 zufolge gilt die dort vorgesehene Befreiung für eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen (vgl. Urteile Kingscrest Associates und Montecello, C-498/03, EU:C:2005:322, Rn. 34, sowie Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 21).
Hinsichtlich namentlich der letztgenannten Voraussetzung, die Gegenstand der ersten Vorlagefrage ist, ist es grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen, die dies beantragen, eine Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. Urteil Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 26).
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Behörden bei der Bestimmung der Einrichtungen, deren „sozialer Charakter“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 für die Zwecke dieser Bestimmung anzuerkennen ist, allerdings im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte berücksichtigen. Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vorschriften – seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit –, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kügler, C-141/00, EU:C:2002:473, Rn. 57 und 58, Kingscrest Associates und Montecello, C-498/03, EU:C:2005:322, Rn. 53, sowie Zimmermann, C-174/11, EU:C:2012:716, Rn. 31).
Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der deutsche Gesetzgeber Zeitarbeitsunternehmen wie „go fair“, die Pflegeeinrichtungen Personal zur Verfügung stellen, nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 anerkannt hat.
In diesem Kontext möchte das vorlegende Gericht als Erstes wissen, ob sich die Anerkennung von Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter durch einen Mitgliedstaat, die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 erforderlich ist, um die dort vorgesehene Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können, auch auf staatlich geprüfte Pflegekräfte erstreckt, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, ohne dass die Kosten von Einrichtungen der sozialen Sicherheit getragen werden, und ob die Beschränkung nach nationalem Recht daher mit dem Unionsrecht unvereinbar ist.
Insoweit genügt der Hinweis, dass nach Art. 9 der Richtlinie 2006/112 als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt. Aufgrund von Art. 10 dieser Richtlinie schließt diese Voraussetzung Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Folglich kann die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Steuerbefreiung nicht unmittelbar auf das Personal eines Zeitarbeitsunternehmens wie „go fair“ angewandt werden.
Die unter den Umständen des Ausgangsverfahrens einzig relevanten Dienstleistungen sind jedenfalls – wie die Europäische Kommission zutreffend ausführt – nicht die Dienstleistungen, die die bei „go fair“ angestellten Arbeitnehmer weisungsgebunden in den Pflegeeinrichtungen betreuungs- oder pflegebedürftigen Personen erbringen, sondern die von diesem Zeitarbeitsunternehmen erbrachten Dienstleistungen, nämlich die Gestellung dieser Arbeitnehmer.
Obgleich das letztgenannte Unternehmen nach den deutschen Rechtsvorschriften nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt ist, möchte das vorlegende Gericht als Zweites wissen, ob sich ein solches Unternehmen wegen seiner Tätigkeit der Gestellung von Pflegefachkräften auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 berufen kann, um daraus den Anspruch auf Anerkennung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ abzuleiten.
Was zum einen den in dieser Bestimmung verwendeten Begriff „Einrichtung“ betrifft, so ist dieser nach der Rechtsprechung weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen (vgl. Urteil Kingscrest Associates und Montecello, C-498/03, EU:C:2005:322, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine offene Handelsgesellschaft wie „go fair“ kann daher als „Einrichtung“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden.
Was zum anderen die Wortfolge „mit sozialen Charakter“ angeht, ist hingegen eindeutig festzustellen, dass die Gestellung von Arbeitnehmern als solche keine im sozialen Bereich erbrachte Gemeinwohldienstleistung darstellt. Es spielt insoweit weder eine Rolle, dass die betreffenden Arbeitnehmer Pflegekräfte sind, noch, dass diese anerkannten Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass weder staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, noch ein Zeitarbeitsunternehmen, das solche Pflegekräfte Einrichtungen, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, zur Verfügung stellt, unter den in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ fallen.
Zur zweiten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass weder staatlich geprüfte Pflegekräfte, die ihre Leistungen unmittelbar an Pflegebedürftige erbringen, noch ein Zeitarbeitsunternehmen, das solche Pflegekräfte Einrichtungen, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, zur Verfügung stellt, unter den in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff „als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“ fallen.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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