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EuGH 15.05.2014 - C-359/12
EuGH 15.05.2014 - C-359/12 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) - 15. Mai 2014 ( *1) - „Vorabentscheidungsersuchen — Verbraucherschutz — Richtlinie 2003/71/EG — Art. 14 Abs. 2 Buchst. b — Verordnung (EG) Nr. 809/2004 — Art. 22 Abs. 2 und 29 Abs. 1 — Basisprospekt — Prospektnachtrag — Endgültige Bedingungen — Zeitpunkt sowie Art und Weise der Veröffentlichung erforderlicher Informationen — Voraussetzungen der Veröffentlichung in elektronischer Form“
Leitsatz
In der Rechtssache C-359/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Handelsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 12. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juli 2012, in dem Verfahren
Michael Timmel
gegen
Aviso Zeta AG,
Beteiligte:
Lore Tinhofer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Herrn M. Timmel, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Haslinger und J. Motamedi de Silva,
der Aviso Zeta AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Jank,
der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und S. Šindelková als Bevollmächtigte,
der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree als Bevollmächtigte,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Cunha und S. Borba als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, I. Rogalski und R. Vasileva als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. November 2013
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 345, S. 64, im Folgenden: Prospektrichtlinie) sowie der Art. 22 Abs. 2 und 29 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71 betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. L 149, S. 1, im Folgenden: Prospektverordnung).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Timmel und der Aviso Zeta AG (im Folgenden: Aviso Zeta) wegen der Kündigung eines Vertrags, mit dem er 40000 Stück des vom Intermediär Aviso Zeta zum Kauf angebotenen Wertpapiers „Dragon FG Garant“ gezeichnet hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Prospektrichtlinie
Im vierten Erwägungsgrund der Prospektrichtlinie heißt es u. a., dass durch sie „der weitestmögliche Zugang zu Anlagekapital auf Gemeinschaftsbasis durch Gewährung einer Einmalzulassung von Emittenten erleichtert werden“ soll.
Nach ihrem zehnten Erwägungsgrund ist es Ziel dieser Richtlinie und der in ihr vorgesehenen Durchführungsmaßnahmen, in Übereinstimmung mit den strengen Aufsichtsbestimmungen, die in den einschlägigen internationalen Foren festgelegt wurden, den Anlegerschutz und die Markteffizienz sicherzustellen.
Der 31. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:
„Um die Verbreitung der verschiedenen den Prospekt ausmachenden Dokumente zu erleichtern, sollte der Rückgriff auf elektronische Kommunikationsmittel wie das Internet gefördert werden. Der Prospekt sollte Anlegern auf Anfrage stets kostenlos in Papierform zur Verfügung gestellt werden.“
Der 34. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:
„Jeder neue Umstand, der die Anlageentscheidung beeinflussen könnte und nach der Veröffentlichung des Prospekts, aber vor dem Schluss des öffentlichen Angebots oder der Aufnahme des Handels an einem geregelten Markt eintritt, sollte von den Anlegern angemessen bewertet werden können und erfordert deshalb die Billigung und Verbreitung eines Nachtrags zum Prospekt.“
Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. r der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Basisprospekt“„einen Prospekt, der alle in den Artikeln 5, 7 und – im Falle eines Nachtrags – 16 bezeichneten notwendigen Angaben zum Emittenten und zu den öffentlich anzubietenden oder zum Handel zuzulassenden Wertpapieren sowie, nach Wahl des Emittenten, die endgültigen Bedingungen des Angebots enthält“.
Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie sieht vor:
„Für die folgenden Wertpapierarten kann der Prospekt nach Wahl des Emittenten, des Anbieters oder der Person, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, aus einem Basisprospekt bestehen, der alle notwendigen Angaben zum Emittenten und den öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem geregelten Markt zuzulassenden Wertpapieren enthält:
Nichtdividendenwerte, wozu auch Optionsscheine jeglicher Art gehören, die im Rahmen eines Angebotsprogramms begeben werden;
Nichtdividendenwerte, die dauernd oder wiederholt von Kreditinstituten begeben werden,
…
Die Angaben des Basisprospekts sind erforderlichenfalls durch aktualisierte Angaben zum Emittenten und zu den Wertpapieren, die öffentlich angeboten bzw. zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden sollen, gemäß Artikel 16 zu ergänzen.
Werden die endgültigen Bedingungen des Angebots weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag aufgenommen, so sind sie den Anlegern zu übermitteln und bei der zuständigen Behörde zu hinterlegen, sobald ein öffentliches Angebot unterbreitet wird und die Übermittlung bzw. Hinterlegung praktisch durchführbar ist, und dies sofern möglich vor Beginn des Angebots. In diesen Fällen gelten die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a).“
Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für den Fall, dass der endgültige Emissionskurs und das Emissionsvolumen, die Gegenstand des öffentlichen Angebots sind, im Prospekt nicht genannt werden können,
die Kriterien und/oder die Bedingungen, anhand deren die genannten Werte ermittelt werden, bzw. im Falle des Emissionskurses ein Höchstkurs im Prospekt genannt werden oder
die Zusage zum Erwerb bzw. zur Zeichnung der Wertpapiere innerhalb von mindestens zwei Arbeitstagen nach Hinterlegung des endgültigen Emissionskurses und der Gesamtzahl der öffentlich angebotenen Wertpapiere zurückgezogen werden kann.
Der endgültige Emissionskurs und das Emissionsvolumen werden bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaates hinterlegt und gemäß Artikel 14 Absatz 2 veröffentlicht.“
Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie lautet: „Ein Prospekt darf vor der Billigung durch die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats nicht veröffentlicht werden.“
Art. 14 Abs. 2, 5, 7 und 8 der Richtlinie bestimmt:
„(2) Der Prospekt gilt als dem Publikum zur Verfügung gestellt, wenn er
…
dem Publikum in gedruckter Form kostenlos bei den zuständigen Stellen des Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, oder beim Sitz des Emittenten oder bei den Finanzintermediären einschließlich der Zahlstellen, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, zur Verfügung gestellt wurde oder
in elektronischer Form auf der Website des Emittenten und gegebenenfalls auf der Website der die Wertpapiere platzierenden oder verkaufenden Finanzintermediäre einschließlich der Zahlstellen veröffentlicht wird oder
in elektronischer Form auf der Website des geregelten Marktes, für den die Zulassung zum Handel beantragt wurde, veröffentlicht wird oder
in elektronischer Form auf der Website der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats veröffentlicht wird, wenn diese Behörde beschlossen hat, diese Dienstleistung anzubieten.
…
(5) Für den Fall, dass der Prospekt in mehreren Einzeldokumenten erstellt wird und/oder Angaben in Form eines Verweises enthält, können die den Prospekt bildenden Dokumente und Angaben getrennt veröffentlicht und in Umlauf gebracht werden, wenn sie dem Publikum gemäß den Bestimmungen des Absatzes 2 kostenlos zur Verfügung gestellt werden. …
…
(7) Wird der Prospekt in elektronischer Form veröffentlicht, so muss dem Anleger jedoch vom Emittenten, vom Anbieter, von der die Zulassung zum Handel beantragenden Person oder von den Finanzintermediären, die die Wertpapiere platzieren oder verkaufen, auf Verlangen eine Papierversion kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
(8) Um den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen und die einheitliche Anwendung dieser Richtlinie sicherzustellen, erlässt die Kommission nach dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Verfahren Durchführungsmaßnahmen zu den Absätzen 1, 2, 3 und 4. Die ersten Durchführungsmaßnahmen werden bis zum 1. Juli 2004 erlassen.“
Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:
„Jeder wichtige neue Umstand oder jede wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten und die zwischen der Billigung des Prospekts und dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots bzw. der Eröffnung des Handels an einem geregelten Markt auftreten bzw. festgestellt werden, müssen in einem Nachtrag zum Prospekt genannt werden. Dieser Nachtrag ist innerhalb von höchstens sieben Arbeitstagen auf die gleiche Art und Weise zu billigen und zumindest gemäß denselben Regeln zu veröffentlichen, wie sie für die Verbreitung des ursprünglichen Prospekts galten. Auch die Zusammenfassung und etwaige Übersetzungen davon sind erforderlichenfalls durch die im Nachtrag enthaltenen Informationen zu ergänzen.“
Prospektverordnung
Der 21. Erwägungsgrund der Prospektverordnung lautet:
„Ein Basisprospekt und seine endgültigen Konditionen sollten die gleichen Informationen wie ein Prospekt enthalten. Alle allgemeinen Grundsätze eines Prospekts gelten auch für die endgültigen Konditionen. Sind die endgültigen Konditionen indes nicht Gegenstand des Basisprospekts, müssen sie von der zuständigen Behörde auch nicht genehmigt werden.“
Im 25. Erwägungsgrund der Prospektverordnung heißt es, dass die verstärkte Flexibilität bei der Verbindung des Basisprospekts mit seinen endgültigen Konditionen im Vergleich zu einem einzigen Emissionsprospekt den leichten Zugang der Anleger zu wichtigen Informationen nicht beeinträchtigen sollte.
Der 26. Erwägungsgrund der Verordnung lautet: „In Bezug auf die Basisprospekte sollte auf leicht verständliche Art und Weise erläutert werden, welche Informationen als endgültige Konditionen aufzunehmen sind. Dieser Anforderung sollte auf verschiedene Art und Weise nachgekommen werden können: z. B. könnte der Basisprospekt Lücken für Angaben enthalten, die noch in die endgültigen Konditionen aufzunehmen wären, oder er könnte eine Liste der noch fehlenden Informationen enthalten.“
Art. 22 Abs. 1, 2, 4, 5 und 7 der Prospektverordnung bestimmt:
„1. Ein Basisprospekt wird erstellt, indem auf ein Schema bzw. Modul oder aber die Kombinationsmöglichkeiten zwischen ihnen zurückgegriffen wird, die in den Artikeln 4 bis 20 vorgesehen sind. Dabei sind die in Anhang XVIII festgelegten Kombinationsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Wertpapiertypen zugrunde zu legen.
Ein Basisprospekt enthält die in den Anhängen I bis XVII genannten Informationsbestandteile. Diese richten sich nach der Art des jeweiligen Emittenten und der Art der jeweiligen Wertpapiere, so wie sie in den Schemata und Modulen von Artikel 4 bis 20 genannt werden. Die zuständigen Behörden schreiben für den Prospekt nur die in den Anhängen I bis XVII genannten Informationsbestandteile vor.
Um die Einhaltung der in Artikel 5 Absatz 1 der [Prospektrichtlinie] genannten Verpflichtung zu gewährleisten, kann die zuständige Herkunftslandbehörde bei der Genehmigung eines Basisprospekts im Sinne von Artikel 13 dieser Richtlinie vorschreiben, dass die vom Emittenten, vom Anbieter oder von der Person, die die Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt, beigebrachten Informationen für jeden einzelnen Informationsbestandteil im Einzelfall ergänzt werden.
2. Der Emittent, der Anbieter oder die Person, die die Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt, kann auf eine Angabe der Informationsbestandteile verzichten, die zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts nicht bekannt sind und die lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden können.
…
4. Die endgültigen Konditionen, die einem Basisprospekt angefügt sind, enthalten lediglich die Informationsbestandteile, die sich aus den verschiedenen Schemata für Wertpapierbeschreibungen ergeben, denen zufolge der Basisprospekt erstellt wird.
5. Zusätzlich zu den Informationen, die in den Schemata und Modulen genannt werden, auf die in Artikel 4 bis 20 eingegangen wird, sind folgende Informationen in einen Basisprospekt aufzunehmen:
Angabe der Informationen, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind;
Veröffentlichungsmethode für die endgültigen Konditionen. Ist der Emittent zum Zeitpunkt der Genehmigung des Prospekts nicht in der Lage, die Veröffentlichungsmethode für die endgültigen Konditionen zu nennen, so ist anzugeben, wie das Publikum informiert wird und welche Methode für die Veröffentlichung der endgültigen Konditionen verwendet werden soll;
…
7. Tritt ein in Artikel 16 Absatz 1 der [Prospektrichtlinie] genannter Fall in dem Zeitraum ein, der zwischen dem Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts und dem endgültigen Abschluss des Angebots für eine Wertpapieremission im Rahmen des Basisprospekts bzw. dem Zeitpunkt liegt, an dem der Handel mit den Wertpapieren auf einem geregelten Markt beginnt, so hat der Emittent, der Anbieter bzw. die Person, die die Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt beantragt, einen Nachtrag zum Prospekt zu veröffentlichen. Dies hat vor dem endgültigen Abschluss des Angebots oder der Zulassung dieser Wertpapiere zum Handel zu erfolgen.“
Nach Art. 26 Abs. 5 der Prospektverordnung sind die endgültigen Konditionen zum Basisprospekt in Form eines gesonderten Dokuments, das lediglich die endgültigen Konditionen enthält, oder durch Einbeziehung der endgültigen Konditionen in den Basisprospekt zu präsentieren.
Art. 29 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:
„Die Veröffentlichung des Prospekts oder des Basisprospekts in elektronischer Form im Sinne von Artikel 14 Absatz 2 Buchstaben c), d) und e) der [Prospektrichtlinie] oder als ein zusätzliches Mittel der Verfügbarkeit ist an die folgenden Bedingungen gebunden:
der Prospekt oder der Basisprospekt müssen bei Aufrufen der Website leicht zugänglich sein;
…
den Anlegern muss es möglich sein, den Prospekt bzw. den Basisprospekt herunterzuladen und auszudrucken.
…“
Österreichisches Recht
§ 5 Abs. 1 des Kapitalmarktgesetzes vom 6. Dezember 1991 (BGBl. 625/1991) sieht vor:
„Erfolgt ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6, so können Anleger, die Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 [des Konsumentenschutzgesetzes] sind, von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Am 30. Oktober 2006 zeichnete Herr Timmel, der seinen Wohnsitz in Wien (Österreich) hat, bei Aviso Zeta, die ihren Sitz ebenfalls in Wien hat, 40000 Stück des Wertpapiers „Dragon FX Garant“, das eine Stückelung von weniger als 50000 Euro aufwies und dessen Emittent die Lehman Brothers Treasury Co. BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) war.
Herr Timmel erklärte in der Folge, gemäß § 5 des Kapitalmarktgesetzes vom 6. Dezember 1991 von dieser Zeichnung zurücktreten zu wollen, und begründete dies damit, dass das Angebot ohne ordnungsgemäße Veröffentlichung der entsprechenden Informationen gemacht worden sei. Weder die „International Securities Identification Number“ (ISIN) noch die Währung der Emission oder irgendeine Angabe zur vergangenen oder zukünftigen Wertentwicklung des Produkts oder zur Methode der Renditeberechnung sei veröffentlicht worden.
Nach den Angaben von Herrn Timmel wurden am 9. und am 29. August 2006 sowie am 6. und am 26. September 2006 ein Basisprospekt und drei Nachträge veröffentlicht. Ferner seien am 19. September 2006 ein Entwurf endgültiger Konditionen und am 4. Dezember 2006 deren Endfassung veröffentlicht worden.
Jedoch sei keine ordnungsgemäße Veröffentlichung am Börsensitz, am Sitz des Emittenten oder am Sitz des Finanzintermediärs erfolgt. Die verschiedenen Dokumente, aus denen sich der Prospekt zusammensetze, seien nämlich nur in Wien verfügbar gewesen. Darüber hinaus seien die Dokumente zum Wertpapierangebot eine Zeit lang auf der Website der Luxemburger Börse abrufbar gewesen, jedoch habe das Abrufen der Dokumente einen Registrierungsvorgang sowie die Zahlung von Gebühren, insbesondere für den Abruf des zwingenden Nachtrags zum Prospekt in Bezug auf die endgültigen Bedingungen des Angebots, vorausgesetzt.
Vor diesem Hintergrund hat Herr Timmel das Handelsgericht Wien angerufen. Dieses Gericht ist der Auffassung, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge insbesondere davon ab, ob Aviso Zeta gemäß Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung zur Veröffentlichung der grundsätzlich zwingend aufzunehmenden Informationen verpflichtet gewesen sei, die zwar zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts noch nicht bekannt waren, wohl aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Nachtrags.
Das vorlegende Gericht weist auch auf eine Abweichung zwischen den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie in Bezug auf die Frage hin, ob der Prospekt der Öffentlichkeit am Sitz des Emittenten und/oder in den Räumlichkeiten des Finanzintermediärs zur Verfügung gestellt werden muss.
Unter diesen Umständen hat das Handelsgericht Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung dahin gehend auszulegen, dass grundsätzlich zwingend aufzunehmende Informationen, welche zum Zeitpunkt der Billigung des Basisprospekts noch nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Prospektnachtrags bereits bekannt sind, in diesen aufzunehmen sind?
Findet die Ausnahmeregelung des Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung, wonach auf die Angabe der Informationsbestandteile im Sinne des Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 verzichtet werden kann, auch dann Anwendung, wenn diese (zwingend aufzunehmenden) Informationen vor dem Emissionsdatum, allerdings nach Veröffentlichung des Basisprospekts, in dem diese Informationen nicht enthalten waren, bekannt waren?
Kann man von einer ordnungsgemäßen Veröffentlichung sprechen, wenn nur ein Basisprospekt ohne die zwingend notwendigen Informationen gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung insbesondere (bei Wertpapieren mit einer Stückelung von weniger als 50000 Euro) gemäß Anhang V veröffentlicht wurde und keine Veröffentlichung von endgültigen Bedingungen erfolgte?
Ist das in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung festgelegte Erfordernis, dass der Prospekt oder der Basisprospekt bei Aufrufen der Website, wo diese verfügbar gemacht werden, leicht zugänglich sein muss, erfüllt,
wenn für die Abrufbarkeit, das Herunterladen sowie das Ausdrucken eine Registrierung auf der Website erforderlich ist, auf der der Abruf danach erfolgen kann, wobei für die Registrierung die Akzeptanz eines Disclaimers und die Bekanntgabe einer E-Mail-Adresse notwendig sind, oder
wenn dafür ein Entgelt zu leisten ist oder
wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist, aber für den Erhalt sämtlicher zwingender Informationen im Sinne des Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung das Herunterladen von zumindest drei Dokumenten erforderlich ist?
Ist die Bestimmung des Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie dahin gehend zu interpretieren, dass der Basisprospekt am Sitz des Emittenten und des Finanzintermediärs zur Verfügung gestellt werden muss?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift zwingend aufzunehmende Informationen, die zwar zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Prospektnachtrags bekannt sind, in einen Prospektnachtrag aufzunehmen sind oder ob auf die Angabe dieser Informationen gegebenenfalls verzichtet werden kann.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 22 der Prospektverordnung Informationen betrifft, die in den Basisprospekt sowie in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind.
Insoweit geht aus Art. 26 Abs. 5 der Prospektverordnung hervor, dass den Emittenten mit dieser Verordnung eine gewisse Flexibilität eingeräumt werden soll, indem eine Veröffentlichung der endgültigen Konditionen entweder im Basisprospekt oder in einem gesonderten Dokument erlaubt wird.
Es besteht nämlich ein Unterschied zwischen den für den Abschluss einer konkreten Transaktion notwendigen Details (wie z. B. dem endgültigen Emissionskurs der fraglichen Wertpapiere) und allgemeinen Angaben, die Anleger in die Lage versetzen, eine fundierte Bewertung der Risiken vorzunehmen, bevor sie sich zur Zeichnung entschließen.
Gleichwohl verpflichtet Art. 22 Abs. 5 Nr. 1 der Prospektverordnung den Emittenten, im Basisprospekt die Informationen anzugeben, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die in den endgültigen Konditionen enthaltenen Informationen zwar nicht in den Basisprospekt aufgenommen werden müssen, doch muss darin auf ihre Existenz hingewiesen werden.
Außerdem sieht Art. 22 Abs. 7 der Prospektverordnung vor, dass der Emittent oder der Anbieter u. a. dann, wenn im Zeitraum zwischen der Genehmigung des Basisprospekts und dem endgültigen Abschluss des Angebots für eine Wertpapieremission ein wichtiger neuer Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit in Bezug auf die im Basisprospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten, im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie eintritt, vor dem endgültigen Abschluss des Angebots einen Nachtrag zum Prospekt zu veröffentlichen hat.
Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung auszulegen, der es u. a. dem Emittenten oder dem Anbieter erlaubt, bestimmte gemäß Art. 22 Abs. 1 zwingend aufzunehmende Informationen nicht anzugeben, wenn diese zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts nicht bekannt sind und lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden können.
Dazu ergibt sich, wie die Generalanwältin in Nr. 38 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, im Umkehrschluss aus diesen Bestimmungen, dass ein Emittent oder Anbieter die in Art. 22 Abs. 1 der Prospektverordnung genannten Informationen, wenn er sie zum Zeitpunkt der Genehmigung des Basisprospekts kennt oder bestimmen kann, im Basisprospekt veröffentlichen muss.
Stellen die zwingend aufzunehmenden Informationen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt sind und lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden können, als solche weder einen wichtigen neuen Umstand noch eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie dar, müssen sie gegebenenfalls in den endgültigen Konditionen veröffentlicht werden.
Aus den Erwägungsgründen 21 und 25 der Prospektverordnung geht nämlich hervor, dass ein durch die endgültigen Konditionen ergänzter Basisprospekt die gleichen Informationen enthalten sollte wie ein in einem einzigen Dokument veröffentlichter Prospekt. Hieraus folgt insbesondere, dass die gemäß Art. 22 Abs. 1 dieser Verordnung zwingend aufzunehmenden Informationen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt sind und lediglich zum Zeitpunkt der jeweiligen Emission bestimmt werden können, in den endgültigen Konditionen mitgeteilt werden.
Sofern diese Informationen hingegen erstens einen wichtigen neuen Umstand darstellen oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit richtigstellen und zweitens die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen können, machen sie nach Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie und Art. 22 Abs. 7 der Prospektverordnung die Veröffentlichung eines Nachtrags erforderlich.
Insoweit obliegt dem vorlegenden Gericht die Klärung der Frage, ob im Rahmen des Ausgangsverfahrens die fraglichen Informationen die Beurteilung der Wertpapiere im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie beeinflussten.
Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausführt, erfordert die Beantwortung dieser Frage eine Würdigung der Beweise in Bezug auf die Art der Informationen und ihren Einfluss auf die Entscheidung eines Anlegers zur Zeichnung der Wertpapiere.
Daher ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 22 Abs. 2 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift zwingend aufzunehmende Informationen, die zwar zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Nachtrags zu diesem Prospekt bekannt sind, in den Nachtrag aufzunehmen sind, wenn es sich bei den Informationen um einen wichtigen neuen Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten, im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie handelt; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Veröffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung, insbesondere die in Anhang V dieser Verordnung aufgeführten Angaben, und ohne spätere Veröffentlichung von endgültigen Bedingungen, den Anforderungen von Art. 22 der Prospektverordnung genügt.
Aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen geht hervor, dass ein Prospekt nur dann den in Art. 22 der Prospektverordnung aufgestellten Anforderungen genügt, wenn erstens der Basisprospekt im Einklang mit Art. 22 Abs. 1 die zwingend notwendigen und dem Emittenten zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung bekannten Angaben enthält.
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 der Prospektrichtlinie und Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Prospektverordnung der Basisprospekt veröffentlicht worden sein muss, nachdem er durch die zuständigen Behörden gebilligt wurde.
Zweitens müssen die zwingend notwendigen Informationen, die dem Emittenten nach der Veröffentlichung des Basisprospekts, aber vor dem endgültigen Schluss des Angebots bekannt geworden sind, in einen Nachtrag aufgenommen werden, wenn es sich bei ihnen um einen wichtigen neuen Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie handelt.
Die ordnungsgemäße Veröffentlichung eines solchen Nachtrags setzt gemäß Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie ebenfalls seine vorherige Billigung durch die zuständigen Behörden voraus.
Handelt es sich bei den genannten Informationen weder um einen wichtigen neuen Umstand noch um eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Prospektrichtlinie, sind sie in den endgültigen Konditionen zu veröffentlichen, wenn die in Art. 22 Abs. 4 der Prospektverordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind und wenn diese Informationen keine Information des Basisprospekts ändern oder ersetzen.
Außerdem sind gemäß Art. 22 Abs. 5 der Prospektverordnung im Basisprospekt die Informationen anzugeben, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind.
Hierzu ist festzustellen, dass die Veröffentlichung der endgültigen Informationen, wie aus dem 21. Erwägungsgrund der Prospektverordnung hervorgeht, keiner vorherigen Genehmigung durch die zuständigen Behörden bedarf. Aus Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 3 der Prospektrichtlinie geht nämlich hervor, dass die endgültigen Bedingungen des Angebots, wenn sie weder in den Basisprospekt noch in einen Nachtrag aufgenommen werden, unverzüglich und sofern möglich vor Beginn des Angebots den Anlegern zu übermitteln und bei der zuständigen Behörde zu hinterlegen sind.
Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Veröffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gemäß Art. 22 Abs. 1 der Prospektverordnung, insbesondere die in Anhang V dieser Verordnung aufgeführten Angaben, den Anforderungen von Art. 22 der Prospektverordnung nicht genügt, wenn sie nicht durch die Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen ergänzt wird. Damit die Informationen, die gemäß Art. 22 Abs. 1 der Prospektverordnung im Basisprospekt enthalten sein müssen, in die endgültigen Konditionen eingefügt werden können, müssen im Basisprospekt die Informationen angegeben werden, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind, und diese Informationen müssen die in Art. 22 Abs. 4 der Verordnung genannten Anforderungen erfüllen.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass das Erfordernis der leichten Zugänglichkeit eines Prospekts bei Aufrufen der Webseite, auf der er veröffentlicht wird, erfüllt ist, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E-Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist.
Erstens ist zu der mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E-Mail-Adresse verbundenen Registrierungspflicht festzustellen, dass derartige Bedingungen den Zugang zu dem in elektronischer Form veröffentlichten Prospekt beschränken und als solche nicht mit dem in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung aufgestellten Erfordernis der leichten Zugänglichkeit vereinbar sind.
Derartige Bedingungen können insbesondere eine Reihe potenzieller Anleger abschrecken. Zudem stellt die Zustimmung zu einer Haftungsausschlussklausel eine Bedingung dar, die zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Emittenten oder Intermediär und dem potenziellen Anleger führt und daher dem im zehnten Erwägungsgrund der Prospektrichtlinie genannten Ziel, den Anlegerschutz sicherzustellen, zuwiderläuft.
Was zweitens die Entgeltlichkeit der Bereitstellung des Prospekts in elektronischer Form betrifft, ist Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung im Licht von Art. 14 Abs. 5 der Prospektrichtlinie auszulegen, der ausdrücklich vorsieht, dass der Prospekt, auch wenn seine verschiedenen Teile getrennt veröffentlicht werden, dem Publikum kostenlos zur Verfügung gestellt werden muss.
Folglich genügt die elektronische Veröffentlichung eines Prospekts auf einer Website, deren Zugang kostenpflichtig ist oder auf der nur der Abruf einiger diesen Prospekt bildender Dokumente kostenlos ist, nicht dem in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung vorgesehenen Erfordernis leichter Zugänglichkeit.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 Abs. 7 der Prospektrichtlinie, der bestimmt, dass bei einer Veröffentlichung in elektronischer Form dem Anleger auf dessen Verlangen eine Papierversion kostenlos zur Verfügung zu stellen ist, insoweit unerheblich ist.
Weder aus einer Bestimmung der Prospektrichtlinie oder der Prospektverordnung noch aus ihrer allgemeinen Systematik geht nämlich hervor, dass die Voraussetzung der Zugänglichkeit der einen Prospekt bildenden Dokumente je nach der vom Emittenten gewählten Übermittlungsmethode unterschiedlich beurteilt werden könnte.
Vielmehr hat der Unionsgesetzgeber in Art. 29 Abs. 1 der Prospektverordnung klargestellt, dass die dort genannten Bedingungen einer Veröffentlichung in elektronischer Form unabhängig davon erfüllt sein müssen, ob die Veröffentlichung gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. c bis e der Prospektrichtlinie erfolgt oder ob die Veröffentlichung in elektronischer Form nur ein zusätzliches Mittel der Verfügbarkeit ist.
Desgleichen ergibt sich aus dem 31. Erwägungsgrund der Prospektrichtlinie, dass der Gesetzgeber die Veröffentlichung von Prospekten in elektronischer Form fördern wollte, da dies ihre Verbreitung erleichtert. Es liefe aber einem solchen Ziel zuwider, wenn man zuließe, dass im Fall einer elektronischen Veröffentlichung ein geringerer Anlegerschutz bestünde.
Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Prospektverordnung dahin auszulegen ist, dass das Erfordernis der leichten Zugänglichkeit eines Prospekts bei Aufrufen der Webseite, auf der er veröffentlicht wird, nicht erfüllt ist, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E-Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist.
Zur fünften Frage
Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch beim Finanzintermediär zur Verfügung gestellt werden muss.
Das vorlegende Gericht führt dazu aus, dass der Basisprospekt nach der deutschen Sprachfassung dieser Bestimmung dem Publikum am Sitz des Emittenten oder beim Finanzintermediär zur Verfügung gestellt werden muss, während er nach ihrer spanischen, englischen und französischen Fassung an beiden Orten verfügbar sein muss.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Vorschrift, aus deren Wortlaut sich aufgrund von Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen keine klare und einheitliche Auslegung herleiten lässt, anhand ihrer Zielsetzung und ihres Gesamtsystems auszulegen ist (vgl. u. a. Urteile Bouchereau, 30/77, EU:C:1977:172, Rn. 14, und Borgmann, C-1/02, EU:C:2004:202, Rn. 25).
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts schließt es aus, sie in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet, sie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von ihm verfolgten Zweck namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen auszulegen (vgl. Urteil Internetportal und Marketing, C-569/08, EU:C:2010:311, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hinsichtlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorschrift geht aus den Erwägungsgründen 4 und 10 der Prospektrichtlinie klar hervor, dass die Richtlinie u. a. darauf abzielt, den Anlegerschutz sicherzustellen und einen weitestmöglichen Zugang der Unternehmen zu Anlagekapital in der gesamten Europäischen Union durch Gewährung einer Einmalzulassung von Wertpapieremittenten zu gewährleisten.
Wie die Generalanwältin in Nr. 81 ihrer Schlussanträge ausführt, könnten diese Ziele in Fällen, in denen der Emittent seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat als der Finanzintermediär, beeinträchtigt werden, da ein dem Publikum allein in Papierform zur Verfügung gestellter Prospekt dann nur an einem dieser beiden Orte verfügbar wäre.
Darüber hinaus spricht die Systematik der Prospektrichtlinie dafür, dass der Prospekt dem Publikum am Sitz sowohl des Emittenten als auch des Finanzintermediärs zur Verfügung gestellt werden muss.
Da Art. 14 Abs. 7 der Richtlinie nämlich für den Fall der Veröffentlichung des Prospekts in elektronischer Form vorschreibt, dass dem Anleger auf dessen Verlangen vom Emittenten oder von den Finanzintermediären eine Papierversion zur Verfügung gestellt werden muss, ist es erforderlich, dass die Finanzintermediäre über ein Exemplar des Prospekts verfügen, damit sie dieser Verpflichtung nachkommen können. Wie die Kommission hervorhebt, impliziert diese Feststellung, dass der Prospekt sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediären verfügbar sein muss.
Daher ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Prospektrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediären zur Verfügung gestellt werden muss.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Art. 22 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung ist dahin auszulegen, dass gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift zwingend aufzunehmende Informationen, die zwar zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Basisprospekts nicht bekannt waren, jedoch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Nachtrags zu diesem Prospekt bekannt sind, in den Nachtrag aufzunehmen sind, wenn es sich bei den Informationen um einen wichtigen neuen Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten, im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, handelt; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Die Veröffentlichung eines Basisprospekts ohne die zwingend notwendigen Informationen gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 809/2004, insbesondere die in Anhang V dieser Verordnung aufgeführten Angaben, genügt nicht den Anforderungen von Art. 22 der Verordnung, wenn sie nicht durch die Veröffentlichung der endgültigen Bedingungen ergänzt wird. Damit die Informationen, die gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 809/2004 im Basisprospekt enthalten sein müssen, in die endgültigen Konditionen eingefügt werden können, müssen im Basisprospekt die Informationen angegeben werden, die in die endgültigen Konditionen aufzunehmen sind, und diese Informationen müssen die in Art. 22 Abs. 4 der Verordnung genannten Anforderungen erfüllen.
Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung Nr. 809/2004 ist dahin auszulegen, dass das Erfordernis der leichten Zugänglichkeit eines Prospekts bei Aufrufen der Webseite, auf der er veröffentlicht wird, nicht erfüllt ist, wenn auf der Website eine mit einer Haftungsausschlussklausel und der Pflicht zur Bekanntgabe einer E-Mail-Adresse verbundene Registrierungspflicht besteht, wenn dieser elektronische Zugang kostenpflichtig ist oder wenn die kostenlose Abrufbarkeit von Prospektteilen auf zwei Dokumente pro Monat begrenzt ist.
Art. 14 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/71 ist dahin auszulegen, dass der Basisprospekt dem Publikum sowohl am Sitz des Emittenten als auch bei den Finanzintermediären zur Verfügung gestellt werden muss.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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