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EuGH 24.10.2013 - C-440/12
EuGH 24.10.2013 - C-440/12 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) - 24. Oktober 2013 ( *1) - „Steuerrecht — Mehrwertsteuer — Glücksspiele mit Geldeinsatz — Regelung eines Mitgliedstaats, nach der auf den Betrieb von Geldspielautomaten mit begrenzter Gewinnmöglichkeit kumulativ Mehrwertsteuer und eine Sonderabgabe erhoben werden — Zulässigkeit — Bemessungsgrundlage — Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer“
Leitsatz
In der Rechtssache C-440/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2012, in dem Verfahren
Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
gegen
Finanzamt Hamburg-Bergedorf
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie des Richters S. Rodin,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), vertreten durch Rechtsanwalt B. Hansen,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und A. Cordewener als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2, Art. 73, Art. 135 Abs. 1 Buchst. i und Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (im Folgenden: Metropol) und dem Finanzamt Hamburg-Bergedorf (im Folgenden: Finanzamt) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Einnahmen aus der Veranstaltung von Glücksspielen mit Hilfe von Geldspielautomaten mit begrenzter Gewinnmöglichkeit (im Folgenden: Spielgeräte oder Geldspielgeräte).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrichtlinie
Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.
Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.
…“
Art. 73 dieser Richtlinie lautet:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“
Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
i) Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden.“
Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.“
Deutsches Recht
§ 4 (Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Fassung sieht in Nr. 9 Buchst. b vor, dass „die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen“, steuerfrei sind.
§ 12 Abs. 2 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit – Spielverordnung (SpielV) in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Fassung bestimmt im Wesentlichen, dass bei Geldspielgeräten Gewinne in solcher Höhe ausgezahlt werden müssen, dass bei langfristiger Betrachtung kein höherer Betrag als 33 Euro je Stunde als Kasseninhalt verbleibt.
In § 13 SpielV heißt es:
„(1) Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
…
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 80 Euro nicht übersteigen.
…“
Das Hamburgische Gesetz über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank in seiner geänderten Fassung sieht in § 3 vor:
„(1) Das Spielbankunternehmen hat an die Freie und Hansestadt Hamburg eine Spielbankabgabe in Höhe von 70 vom Hundert der Bruttospielerträge zu entrichten. Zusätzlich hat das Spielbankunternehmen eine Sonderabgabe in Höhe von 20 vom Hundert des Bruttospielertrags zu entrichten. …
(2) Die tarifliche Spielbankabgabe nach Absatz 1 ermäßigt sich um die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und zu entrichtende Umsatzsteuer auf Grund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind. …“
§ 4 Abs. 1 des Spielbankgesetzes des Landes Schleswig-Holstein in geänderter Fassung bestimmt:
„Die Spielbankabgabe beträgt 50 % des Bruttospielertrages. Auf die Spielbankabgabe wird die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer aufgrund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, angerechnet.“
In § 7 des Spielbankgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern heißt es:
„(1) Der Betrieb einer Spielbank unterliegt der Spielbankabgabe.
(2) Die Spielbankabgabe beträgt
bei einem Bruttospielertrag im Wirtschaftsjahr von bis zu 500000 Euro 25 Prozent,
…
für den zehn Millionen Euro im Wirtschaftsjahr übersteigenden Bruttospielertrag 80 Prozent des Bruttospielertrags.
…
(7) … Auf die Spielbankabgabe ist die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt ist, anzurechnen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Im Wirtschaftsjahr 2010 betrieb die Klägerin des Ausgangsverfahrens in sieben Spielhallen in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Geldspielgeräte. Auf den Betrieb dieser Geräte wird durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in den beiden zuletzt genannten Ländern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen erhoben.
An jedem Geldspielgerät wurde der Kassensaldo, d. h. das von den Spielern eingeworfene Geld abzüglich des an sie ausgezahlten Geldes, erhöht um Entnahmen und vermindert um Geräteauffüllungen (im Folgenden: Kasseneinnahmen), von der Klägerin des Ausgangsverfahrens monatlich aus der elektronischen Kontrolleinrichtung ausgelesen. Die Spielgeräte verfügen neben der Kasse über einen „Hopper“, d. h. eine Münzspeicher- und Auszahleinheit. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und ein Fach mit 2-Euro-Münzen und wird vor jeder Inbetriebnahme des Geräts vom Betreiber gefüllt. Werfen die Spieler Münzen zu 20 Cent und zu 2 Euro ein, fallen diese solange in den Hopper, bis er voll ist; der Überschuss wird sodann automatisch in die Kasse geleitet. Andere Münzen und eingeführte Scheine gelangen immer sofort zur Kasse, deren Bestand elektronisch gezählt wird. Bestandsveränderungen des Hoppers werden von der Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahme ebenfalls berücksichtigt.
Die Spielgeräte verfügen über einen Geldspeicher und einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird vom Gerät als „Einsatz“ registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als „Gewinn“, wobei ein Punkt einem Cent entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der Punktestand eines Spielers im Punktespeicher kann von ihm jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, und der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.
Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher, d. h. ein „Einsatz“ im Sinne der SpielV, ist in zweifacher Weise beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden und auf 80 Euro pro Stunde, nach Abzug der Gewinne. Ist die Grenze von 80 Euro pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts mehr vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden („Buchungspause“). Die Veränderungen des Punktestands im Punktespeicher (umgangssprachlich Spiele, Einsätze, Verluste oder Gewinne) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.
Die Jahressumme aller monatlichen Kasseneinnahmen aller Geräte der Klägerin des Ausgangsverfahrens belief sich im Wirtschaftsjahr 2010 auf 1018041,78 Euro (sogenannte „Bruttokasse“). Aufgrund des deutschen Mehrwertsteuer-Normalsatzes von 19 % errechnete Metropol daraus eine Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer von 855497,29 Euro (sogenannte „Nettokasse“, entsprechend 100/119 von 1018041,78 Euro) und einen Umsatzsteuerbetrag von 162544,49 Euro, der nahezu der gesamten geschuldeten Umsatzsteuer entsprach. Die Umsatzsteuer auf alle anderen von ihr getätigten Umsätze beträgt 1790,20 Euro. Da Metropol Vorsteuer in Höhe von 69355,76 Euro gezahlt hatte, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 29. März 2012 die noch geschuldete Umsatzsteuer auf 94978,93 Euro fest.
Metropol erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen diesen Bescheid. Sie ist nämlich der Auffassung, die Modalitäten der Besteuerung der Geldspielgeräteumsätze verstießen gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität, der Abwälzbarkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer. Sie beantragt daher, den Umsatzsteuerbescheid für 2010 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer von 94978,93 Euro auf 1790,20 Euro herabgesetzt wird. Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Das mit dieser Klage befasste nationale Gericht führt erstens aus, dass in anderen Bereichen eine Abgabe, die sich hinreichend von der Mehrwertsteuer unterscheide, immer neben ihr erhoben werden dürfe.
Zweitens müsse nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Mehrwertsteuer zum Preis der erbrachten Dienstleistungen genau proportional sein. Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. Mai 1994, Glawe (C-38/93, Slg. 1994, I-1679), entschieden, dass bei den dort in Rede stehenden Geldspielautomaten, die so eingestellt worden seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinne an die Spieler ausgezahlt werde, der den Gewinnen entsprechende, gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze nicht zur Bemessungsgrundlage gehöre. Im Anschluss an diese Rechtsprechung habe sich aber in Deutschland die Praxis herausgebildet, als Bemessungsgrundlage nicht die Summe aller Einsätze, sondern nur den Kasseninhalt – in der Regel pro Kalendermonat – zugrunde zu legen. Die monatlichen Kasseneinnahmen hingen allerdings von den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spieler ab, und es bestehe seitdem keine Relation mehr zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und dem Einsatz des einzelnen Spielers.
Zudem sei die in Deutschland bis Ende 2005 geltende Mindestgewinnquote von 60 % der Einsätze abgeschafft und 2006 durch eine Begrenzung des Einsatzes und des Verlustes pro Zeiteinheit ersetzt worden. In technischer Hinsicht erfüllten die Hopper, bei denen es sich um eine Innovation der Spielgeräte handele, zwar grundsätzlich dieselbe Funktion wie seinerzeit die „Münzstapelrohre“, um die es im Urteil Glawe gegangen sei, doch habe der Betreiber auf den Inhalt der Hopper jederzeit Zugriff.
Drittens äußert das nationale Gericht Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Randnr. 24 des Urteils vom 8. Juni 1999, Pelzl u. a. (C-338/97, C-344/97 und C-390/97, Slg. 1999, I-3319), sowie der Randnrn. 28, 31, 34 und 37 des Urteils vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona (C-475/03, Slg. 2006, I-9373), wonach es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend sei, dass sie auf den Endverbraucher abgewälzt werde. Aus diesen Urteilen gehe nämlich nicht klar hervor, ob die Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer lediglich ein typisches Merkmal dieser Steuer darstelle oder eine Voraussetzung für ihre Erhebung sei. Bestünden nun, wie hier, Preisbeschränkungen, könne der Unternehmer den Preis für die Leistung nicht erhöhen und die Mehrwertsteuer nicht auf den Verbraucher abwälzen, wenn er bereits am oberen Ende der zulässigen Preisspanne kalkuliere.
Viertens führt das Gericht aus, dass in Deutschland zwei rechtliche Regime für Glücksspiele bestünden. So bedürften Spielbankbetreiber einer Konzession, und die Einsätze und Gewinne seien im Prinzip unbegrenzt. Spielbanken müssten nach den Spielbankgesetzen der Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern eine spezielle Spielbankabgabe zahlen, die darauf ausgerichtet sei, ihren Gewinn weitgehend abzuschöpfen. Die Gründung von Spielhallen sei demgegenüber grundsätzlich frei, werde aber behördlich überwacht und rechtlich reglementiert. Die Spielhallenbetreiber würden in der Regel mit einer örtlichen Sonderabgabe (Vergnügungssteuer) belegt.
Nach Streichung der früheren Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken im Jahr 2006 müssten sie nunmehr Umsatzsteuer zahlen; diese werde auf die – im Vergleich zur Umsatzsteuer höhere – Spielbankabgabe angerechnet. Das vorgesehene Besteuerungssystem könnte eine Umgehung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes ermöglichen. So könnte ein Mitgliedstaat für zwei vergleichbare Gruppen von Steuerpflichtigen eine nationale Sonderabgabe einführen, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer aufweise, und bei einer dieser Gruppen die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf die Sonderabgabe anordnen. Ein solcher Fall liege hier allerdings nicht vor.
Schließlich gebe die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung den Mehrwertsteuerpflichtigen keinen Anreiz, bei den ihnen erbrachten Umsätzen u. a. für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung Sorge zu tragen. Denn fehle die Rechnung oder sei sie nicht ordnungsgemäß, könnten sie zwar die Vorsteuer nicht abziehen, doch habe dies, da die dadurch höhere Umsatzsteuerschuld auf die Spielbankabgabe angerechnet werde, keine wirtschaftliche Auswirkung für sie.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?
Nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe, oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt („elektronisch gezählte Kasse“) des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?
Nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Was ist gegebenenfalls unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?
Nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?
Nur falls ja zu 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen – etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?
Ist Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?
Nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen ist, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ und nicht kumulativ erhoben werden dürfen.
Nach Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie „hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf … Spiele und Wetten … sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen“. Der Wortlaut dieses Artikels verbietet es den Mitgliedstaaten somit nicht, einen Umsatz der Mehrwertsteuer und, kumulativ, einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die keinen Umsatzsteuercharakter hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1986, Kerrutt, 73/85, Slg. 1986, 2219, Randnr. 22).
Speziell zu Glücksspielen mit Geldeinsatz hat der Gerichtshof zum einen bereits entschieden, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuerrichtlinie, der „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden“, eine Mehrwertsteuerbefreiung u. a. dieser Spiele vorsieht, dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien (Urteil vom 10. Juni 2010, Leo-Libera, C-58/09, Slg. 2010, I-5189, Randnr. 39).
Zum anderen hat der Gerichtshof in Randnr. 38 des genannten Urteils ferner entschieden, dass es hinsichtlich des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität ohne Belang ist, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele, zu der bestimmte mehrwertsteuerpflichtige Veranstalter und Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer angepasst wird. Der Gerichtshof hat also bereits bestätigt, dass das Unionsrecht einer kumulativen Erhebung der Mehrwertsteuer und einer anderen allgemeinen Abgabe auf Glücksspiele, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat, grundsätzlich nicht entgegensteht.
Wie aus der Vorlageentscheidung und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervorgeht, ist aber unstreitig, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vergnügungssteuern nicht den Charakter einer Umsatzsteuer haben.
Infolgedessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen ist, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.
Zur zweiten Frage
Da die zweite Frage nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof die erste Frage bejaht, ist sie nicht zu beantworten.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der … Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom … Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“, umfasst.
Überdies hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände, wie aus Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervorgeht, eines der wesentlichen Merkmale dieser harmonisierten Steuer ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1992, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, C-200/90, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11, Pelzl u. a., Randnr. 25, und vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a., C-283/06 und C-312/06, Slg. 2007, I-8463, Randnr. 40).
In den Rechtssachen, in denen die in der vorstehenden Randnummer angeführten Urteile ergangen sind, hat der Gerichtshof auf die Proportionalität der Mehrwertsteuer nur Bezug genommen, um festzustellen, ob eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erhobene innerstaatliche Gebühr oder Abgabe den Charakter einer Umsatzsteuer hatte und daher nicht kumulativ mit der in der Union harmonisierten Mehrwertsteuer erhoben werden durfte. In diesen Urteilen ging es hingegen nicht um die Frage, ob die Mehrwertsteuer proportional zu den Zahlungen sein muss, die mehrere Adressaten einer Dienstleistung im Laufe einer komplexen Tätigkeit erbringen, die als solche der Mehrwertsteuer unterliegt, und noch weniger um die Frage, ob die Mehrwertsteuer zwingend und in allen Fällen proportional zu den Zahlungen sein muss, die jeder einzelne Adressat leistet.
Hierzu ist festzustellen, dass sich der Grundsatz der Proportionalität der Mehrwertsteuer nur auf die Bemessungsgrundlage beziehen kann. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss, doch geht schon aus dem Wortlaut von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervor, dass dies nicht immer und zwangsläufig der Fall ist. Nach Art. 73 besteht die Bemessungsgrundlage nämlich aus allem, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Erbringer einer Dienstleistung von deren Empfänger „oder einem Dritten erhält“, und zwar „einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“. Somit richtet sich die Bemessungsgrundlage danach, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 19. Juni 2003, First Choice Holidays, C-149/01, Slg. 2003, I-6289, Randnrn. 28 bis 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Eine Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, verstößt folglich nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht, weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht.
Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass bei Geldspielautomaten, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt sind, dass durchschnittlich mindestens 60 % der Spieleinsätze als Gewinne an die Spieler ausgezahlt werden, die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in dem Teil der Einsätze besteht, über den er effektiv selbst verfügen kann (Urteil Glawe, Randnr. 9). Zwar brauchte der Gerichtshof in diesem Urteil nicht über die Frage zu entscheiden, ob der Grundsatz der „Individualbesteuerung“ es gebietet, die Bemessungsgrundlage anhand der Einsätze für ein Spiel oder eine Spielserie – mit anderen Worten anhand der Einsätze eines bestimmten Spielers – zu errechnen. Aus den Randnrn. 5 und 14 dieses Urteils geht in Verbindung mit den Nrn. 27 bis 30 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in dieser Rechtssache aber klar hervor, dass dies nach Ansicht des Gerichtshofs nicht der Fall war.
Da der Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil Glawe ergangen ist, mit dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens vergleichbar ist, ist die vom Gerichtshof in diesem Urteil gegebene Antwort auf die vorliegende Rechtssache übertragbar. Von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung sieht nämlich § 12 Abs. 2 SpielV im Wesentlichen vor, dass bei Geldspielgeräten Gewinne in solcher Höhe ausgezahlt werden müssen, dass bei langfristiger Betrachtung kein höherer Betrag als 33 Euro je Stunde als Kasseninhalt verbleibt. Nach § 13 SpielV, der u. a. Begrenzungen für die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler vorsieht, müssen die Geräte so eingestellt sein, dass sie die Anforderungen der SpielV erfüllen, die zu einer Begrenzung der mit den Geräten erzielbaren Einnahmen führen.
Unter diesen Umständen wird die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, durch „zwingende gesetzliche Vorschriften“ festgelegt und besteht daher nur „in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann“ (vgl. Urteile Glawe, Randnr. 9, und vom 19. Juli 2012, International Bingo Technology, C-377/11, Randnr. 26), d. h. in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums.
Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Geldspielautomaten, die Gegenstand des Urteils in der Rechtssache Glawe waren, mit einem Münzstapelrohr versehen waren, das zur Auszahlung der gesetzlich vorgeschriebenen Gewinne an die Spieler diente, während die Spielgeräte, um die es im Ausgangsverfahren geht, zu diesem Zweck mit einem Hopper ausgestattet sind. Denn der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass der Hopper zwar eine technische Innovation der Spielgeräte darstellt, aber im Prinzip dieselbe Funktion erfüllt wie die früheren Münzstapelrohre. Irrelevant ist insoweit auch die vom vorlegenden Gericht angeführte Tatsache, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers hat. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wird nämlich jede Bestandsveränderung des Hoppers von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen ebenfalls berücksichtigt. Diese Kasseneinnahmen, über die der Betreiber effektiv selbst verfügen kann, können folglich genau ermittelt werden.
Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.
Zur vierten Frage
Da die vierte Frage nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof die dritte Frage bejaht, ist sie nicht zu beantworten.
Zur fünften, zur sechsten und zur siebten Frage
Mit der fünften, der sechsten und der siebten Frage, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Spieler abwälzen kann, und ob, wenn ja, zur Abwälzbarkeit die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises gehört. Gegebenenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine innerstaatliche Regelung, die das dem Betreiber zustehende Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränkt, so anzuwenden ist, dass das festgesetzte Entgelt die Mehrwertsteuer nicht einschließt. Schließlich möchte das vorlegende Gericht, falls die Mehrwertsteuer mangels Abwälzbarkeit nicht erhoben werden darf, wissen, ob für den gesamten Umsatz mit den Spielgeräten oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, keine Mehrwertsteuer zu erheben ist.
Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere die Ziele des Verbraucherschutzes, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können; in Ermangelung einer Harmonisierung der Regelung der Glücksspiele auf Unionsebene ist es danach außerdem Sache jedes Mitgliedstaats, in diesem Bereich im Einklang mit seiner eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben, sofern die vorgeschriebenen Beschränkungen den Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C-42/07, Slg. 2009, I-7633, Randnrn. 56, 57 und 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Dass es speziell eine „Preisregulierung“ und/oder eine gesetzliche Begrenzung der Verluste der Benutzer von Spielgeräten gibt, ist dem Grundsatz nach vom Gerichtshof im Urteil Glawe implizit gebilligt worden, insbesondere im Hinblick auf ihre Behandlung für die Zwecke der Erhebung der Mehrwertsteuer. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich unter Zugrundelegung eines gesetzlichen Gewinnanteils von 60 % ausgeführt, dass diese Gewinne, deren Auszahlung das deutsche Recht vorschrieb, nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen waren (vgl. Urteil Glawe, Randnr. 9). Die Einführung einer Regelung, mit der im Kern die Höhe der Verluste der Spieler bei Glücksspielen und infolgedessen die von den Betreibern solcher Spiele erzielten Einnahmen begrenzt werden, ist somit im Unionsrecht bereits für zulässig erachtet worden.
Demnach sind die Mitgliedstaaten im Bereich der Glücksspiele mit Geldeinsatz grundsätzlich berechtigt, insbesondere die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler temporär oder absolut zu begrenzen. Hat ein Mitgliedstaat, wie es im Ausgangsverfahren der Fall zu sein scheint, tatsächlich von diesem Recht Gebrauch gemacht, stellt sich nicht die Frage, ob die Betreiber von Spielgeräten ihre Einnahmen über die in der einschlägigen Regelung vorgesehenen Grenzen hinaus erhöhen dürfen, um die Mehrwertsteuer in höherem Maße auf die Spieler abwälzen zu können. Denn unter diesen Umständen ist eine solche Erhöhung schlicht in legitimer Weise verboten.
Sodann ist festzustellen, dass die fünfte, die sechste und die siebte Frage auf der Prämisse beruhen, dass eine innerstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende es den Betreibern von Spielgeräten nicht erlaubt, die Mehrwertsteuer in vollem Umfang auf die Endverbraucher, d. h. die Spieler, abzuwälzen. Eine Beantwortung dieser Fragen ist aber für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nur erforderlich, sofern diese Prämisse zutrifft.
Es hat jedoch nicht den Anschein, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Abwälzung der Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher verhindert.
Wie nämlich aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ist Bemessungsgrundlage im vorliegenden Fall nur die „Nettokasse“, d. h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer. Nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung gehören zur Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer nur die Einnahmen, die der Betreiber von Spielgeräten tatsächlich erzielt, und die geschuldete Mehrwertsteuer, die sich aus der Anwendung des gesetzlichen Mehrwertsteuersatzes auf die Nettokasse als Bemessungsgrundlage ergibt, ist von den Endverbrauchern auch tatsächlich gezahlt worden.
Mithin ist festzustellen, dass eine innerstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenzt, es dem Betreiber erlaubt, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen.
Da die fünfte, die sechste und die siebte Frage folglich hypothetischen Charakter haben, sind sie nicht zu beantworten.
Zur achten Frage
Mit seiner achten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird.
Erstens ist hinsichtlich des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, auf den das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz, der ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, Ausdruck des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der Mehrwertsteuer ist. Er hat insbesondere zur Folge, dass die Steuerpflichtigen bei gleichartigen und miteinander in Wettbewerb stehenden Leistungen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (vgl. u. a. Urteil vom 19. Dezember 2012, Grattan, C-310/11, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, verpflichtet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuer jedoch nur im Rahmen dieses harmonisierten Systems zur Gewährleistung von Gleichbehandlung und Neutralität. Da die geschuldete Mehrwertsteuer nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, könnte diese Regelung allenfalls Zweifel in Bezug auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Hinblick auf diese nicht harmonisierte Abgabe aufwerfen und nicht im Verhältnis zur Mehrwertsteuer. Im Ausgangsverfahren kommt dies jedenfalls nicht zum Tragen, da die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach den Angaben des vorlegenden Gerichts keine Spielbankabgabe entrichten muss.
Überdies hat der Gerichtshof zu einer Argumentation, die im Wesentlichen dem in Randnr. 56 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Vorbringen entsprach, bereits festgestellt, dass es für den Grundsatz der steuerlichen Neutralität ohne Belang ist, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele, zu der bestimmte mehrwertsteuerpflichtige Veranstalter und Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer angepasst wird (vgl. Urteil Leo-Libera, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zweitens ist zu möglichen Problemen praktischer Art – wie dem fehlenden Anreiz des Leistungsempfängers, dafür zu sorgen, dass er von seinem Vertragspartner eine ordnungsgemäße Rechnung erhält – festzustellen, dass weder die Vorlageentscheidung noch die Erklärungen der Beteiligten substantiierte Ausführungen enthalten, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass solche Probleme bereits in Deutschland aufgetreten sind, oder die es erlaubten, ihre Auswirkung auf das ordnungsgemäße Funktionieren des harmonisierten Mehrwertsteuersystems zu beurteilen. Mangels entsprechender konkreter Angaben ist daher über die möglichen Folgen dieser vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Hypothese nicht zu entscheiden.
Daher ist auf die achte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.
Zur neunten Frage
Da die neunte Frage nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof die achte Frage bejaht, ist sie nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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