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EuGH 11.04.2013 - C-535/11
EuGH 11.04.2013 - C-535/11 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 11. April 2013 ( *1) - „Vorabentscheidungsersuchen — Verordnung (EG) Nr. 726/2004 — Humanarzneimittel — Zulassungsverfahren — Zulassungserfordernis — Begriff der Arzneimittel, die mit Hilfe bestimmter biotechnologischer Verfahren ‚hergestellt‘ werden, in Nr. 1 des Anhangs dieser Verordnung — Umpacken — Injektionslösung, die in Flaschen zur einmaligen Verwendung vertrieben wird, deren Inhalt an therapeutischer Lösung größer ist als die tatsächlich zur ärztlichen Behandlung verwendete Menge — Inhalt solcher Flaschen, der auf Verschreibung durch einen Arzt teilweise, je nach Höhe der verschriebenen Dosen, in Spritzen gefüllt wird, ohne das Arzneimittel zu verändern“
Leitsatz
In der Rechtssache C-535/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2011, in dem Verfahren
Novartis Pharma GmbH
gegen
Apozyt GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.-C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Novartis Pharma GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte L. Kröner, C. Schoonderbeek und I. Millarg,
der Apozyt GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Prinz und durch C. Künzer,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,
Irlands, vertreten durch E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von S. Woulfe, BL,
der hellenischen Regierung, vertreten durch I. Bakopoulos und O. Souropani als Bevollmächtigte,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. Antunes als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 31. Januar 2013
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Novartis Pharma GmbH (im Folgenden: Novartis) und der Apozyt GmbH (im Folgenden: Apozyt) über die Möglichkeit Letzterer, Fertigspritzen, die für die Behandlung von Augenkrankheiten bestimmt sind und Dosen der Arzneimittel Lucentis und Avastin enthalten, herzustellen, zu vertreiben und zu bewerben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Erwägungsgründe 7 und 13 der Verordnung Nr. 726/2004 lauten:
Die Erfahrung, die seit dem Erlass der Richtlinie 87/22/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der einzelstaatlichen Maßnahmen betreffend das Inverkehrbringen technologisch hochwertiger Arzneimittel, insbesondere aus der Biotechnologie [ABl. 1987, L 15, S. 38], gewonnen wurde, hat gezeigt, dass ein zwingendes zentralisiertes Verfahren für die Genehmigung von technologisch hochwertigen Arzneimitteln, insbesondere aus der Biotechnologie, eingerichtet werden muss, damit das hohe Niveau der wissenschaftlichen Beurteilung dieser Arzneimittel in der Europäischen Union aufrechterhalten wird und das Vertrauen der Patienten und der medizinischen Fachkräfte in diese Beurteilung erhalten bleibt. …
...
Im Interesse der öffentlichen Gesundheit sollten für die im Rahmen des zentralisierten Verfahrens zu treffenden Entscheidungen über eine Genehmigung die objektiven wissenschaftlichen Kriterien der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels unter Ausschluss wirtschaftlicher oder sonstiger Erwägungen zugrunde gelegt werden. …“
Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung darf „[e]in unter den Anhang fallendes Arzneimittel … innerhalb der Gemeinschaft nur in Verkehr gebracht werden, wenn von der Gemeinschaft gemäß dieser Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen [im Folgenden auch: Zulassung] erteilt worden ist“.
In Art. 3 Abs. 2 der Verordnung wird ergänzt:
„Für ein nicht unter den Anhang fallendes Arzneimittel kann von der Gemeinschaft gemäß dieser Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werden, wenn
das Arzneimittel einen neuen Wirkstoff enthält, der bei Inkrafttreten dieser Verordnung nicht in der Gemeinschaft genehmigt war, oder
der Antragsteller nachweist, dass das Arzneimittel eine bedeutende Innovation in therapeutischer, wissenschaftlicher oder technischer Hinsicht darstellt oder dass die Erteilung einer Genehmigung gemäß dieser Verordnung auf Gemeinschaftsebene im Interesse der Patienten oder der Tiergesundheit ist.
...“
Nr. 1 des Anhangs („Von der Gemeinschaft zu genehmigende Arzneimittel“) der Verordnung lautet:
„Arzneimittel, die mit Hilfe eines der folgenden biotechnologischen Verfahren hergestellt werden:
Technologie der rekombinierten DNS;
kontrollierte Expression in Prokaryonten und Eukaryonten, einschließlich transformierter Säugetierzellen, von Genen, die für biologisch aktive Proteine kodieren;
Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern.“
In Bezug auf den Inhalt eines Zulassungsantrags verweist Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 auf die insbesondere in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2010/84/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 (ABl. L 348, S. 74) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83) genannten Angaben.
Aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 geht insoweit hervor, dass zu den Angaben und Unterlagen, die einem Zulassungsantrag beizufügen sind, insbesondere der Name des Arzneimittels, die Zusammensetzung nach Art und Menge aller Bestandteile des Arzneimittels, Angaben über die Herstellungsweise, die Dosierung, die Darreichungsform, die Art und Form der Anwendung sowie die mutmaßliche Dauer der Haltbarkeit zählen.
Nach Art. 16 der Verordnung Nr. 726/2004 ist der Inhaber einer Zulassung u. a. verpflichtet, der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten unverzüglich alle neuen Informationen mitzuteilen, die die Änderung der Angaben oder Unterlagen gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 nach sich ziehen könnten. Schlägt er Änderungen an diesen Angaben und Unterlagen vor, so muss er einen entsprechenden Antrag bei der EMA stellen.
Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 sieht vor, dass die Überwachungsbehörden für die Union auch zu prüfen haben, ob der Inhaber der Zulassung für ein Humanarzneimittel insbesondere die in Titel IV der Richtlinie 2001/83, der deren Art. 40 bis 53 enthält, festgelegten Anforderungen erfüllt.
Insoweit bestimmt Art. 40 der Richtlinie 2001/83:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen alle zweckdienlichen Maßnahmen, damit die Herstellung von Arzneimitteln auf ihrem Gebiet von einer Erlaubnis abhängig gemacht wird. …
(2) Die Erlaubnis nach Absatz 1 ist sowohl für die vollständige oder teilweise Herstellung als auch für die Abfüllung, das Abpacken und die Aufmachung erforderlich.
Diese Erlaubnis ist jedoch nicht erforderlich für die Zubereitung, die Abfüllung oder die Änderung der Abpackung oder Aufmachung, sofern diese Vorgänge lediglich im Hinblick auf die Abgabe durch Apotheker in einer Apotheke oder durch andere Personen vorgenommen werden, die in den Mitgliedstaaten zu dieser Tätigkeit gesetzlich ermächtigt sind.
...“
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 bestimmt:
„Diese Richtlinie gilt für Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt.“
Art. 3 der Richtlinie sieht vor:
„Diese Richtlinie gilt nicht für:
Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sog. formula magistralis);
in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitete Arzneimittel, die für die unmittelbare Abgabe an die Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind (sog. formula officinalis);
...“
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Ein Mitgliedstaat kann gemäß den geltenden Rechtsbestimmungen in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel von den Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie ausnehmen, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt sind.“
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 lautet:
„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung ... Nr. 726/2004 ... erteilt wurde.
Ist für ein Arzneimittel eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Unterabsatz 1 erteilt worden, so müssen auch alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen gemäß Unterabsatz 1 genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden. ...“
Deutsches Recht
§ 4 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln bestimmt:
„(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.
...
(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe; ...“
§ 21 („Zulassungspflicht“) des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln sieht vor:
„(1) Fertigarzneimittel … dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung ... Nr. 726/2004 auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 ..., S. 1) ... erteilt hat. …
(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die
...
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
...
in unveränderter Form abgefüllt werden …“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Novartis ist Inhaberin einer Zulassung für Lucentis. Diese Zulassung wurde von der Kommission mit einer nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 ergangenen Entscheidung vom 22. Januar 2007 (K[2007] 237) erteilt.
Unter den in der Zulassung für dieses Arzneimittel genannten therapeutischen Indikationen findet sich ausdrücklich die Behandlung der exsudativen (feuchten) Form der altersbedingten Makuladegeneration (im Folgenden: AMD). Bei dieser Form der AMD kommt es zum krankhaften Anwachsen der Blutgefäße in der Netzhaut, wodurch Blut und Flüssigkeit austreten und das Netzhautgewebe schädigen. Die Sehfähigkeit wird durch diese Krankheit stark beeinträchtigt.
Lucentis wird in Durchstechflaschen mit einem Inhalt von 0,23 ml zum Stückpreis von rund 1200 Euro abgegeben und jeweils gemeinsam mit einer für diese Verwendung zugelassenen Spritze sowie einer Filter- und einer Injektionskanüle geliefert. Nach der Fachinformation zu diesem Arzneimittel ist es mittels der beiliegenden 1-ml-Spritze und Filterkanüle aus der Flasche zu entnehmen. Anschließend ist die Filterkanüle auf der Spritze durch eine Injektionskanüle zu ersetzen und sodann der Inhalt der Spitze auszustoßen, bis die Spritze nur noch die empfohlene Dosierung von 0,05 ml des Mittels enthält. Danach kann die Injektion in das Auge vorgenommen werden. Der Inhalt einer Flasche ist zur Verabreichung einer Einzeldosis bestimmt, auch wenn von den 0,23 ml der Arzneimittelflüssigkeit letztlich nur 0,05 ml verwendet werden.
Die Roche Pharma AG, die nicht Partei des Ausgangsrechtsstreits ist, ist Inhaberin einer Zulassung für Avastin. Diese Zulassung wurde von der Kommission mit einer nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 ergangenen Entscheidung vom 12. Januar 2005 (K[2005] 97) erteilt.
Die letztgenannte Zulassung deckt als therapeutische Indikationen im Wesentlichen die Behandlung von metastasiertem Kolon-, Brust- und Nierenkrebs ab. In Deutschland wird dieses Arzneimittel auf Verschreibung eines Arztes bei der Behandlung von AMD eingesetzt, da es zu diesem Zweck bereits vor der Erteilung einer Zulassung für Lucentis eingesetzt wurde, als es kein Arzneimittel speziell zur Behandlung von AMD gab. Wie in anderen Mitgliedstaaten wird Avastin in der Augenheilkunde weiterverwendet, da sein Preis erheblich niedriger ist als der von Lucentis. Das vorlegende Gericht legt dar, dass sich diese Verwendung aus der ärztlichen Therapiefreiheit ergebe und in Deutschland zulässig sei, sofern der Patient zustimme. Avastin wird in Flaschen mit einem Inhalt von 4 ml oder 16 ml vertrieben. Das darin enthaltene Konzentrat soll jedoch nicht direkt verwendet, sondern mit Kochsalzlösung verdünnt und als Infusion verabreicht werden.
Apozyt stellt Spritzen her, die jeweils nur die für eine Injektion notwendige, vom Arzt verschriebene Dosis der Arzneimittel Lucentis und Avastin enthalten. Das Abfüllen der Spritzen geschieht unter sterilen Bedingungen in einer Isolator-Fertigungsanlage. Die gefüllten Spritzen werden der Apotheke, die die Bestellung aufgegeben hat, auf dem Versandweg geliefert. Apozyt trägt vor, dass Apotheken Bestellungen nur dann tätigten, wenn Patienten ärztliche Verschreibungen hierfür vorlegten. Der auf diese Weise erfolgende Umfüllvorgang ermöglicht es, die Lucentis und Avastin enthaltenden Flaschen für mehrere Injektionen zu verwenden, so dass der Endpreis einer Injektion wesentlich geringer ist als der Preis einer Injektion, die allein mittels der Arzneimittel in ihrer vertriebenen Form erfolgt.
Novartis hat beim vorlegenden Gericht Klage mit dem Antrag erhoben, Apozyt zu verurteilen, geschäftliche Tätigkeiten der genannten Art, die ihrer Ansicht nach unlauteren Wettbewerb darstellen, zu unterlassen. Zur Begründung ihrer Klage macht Novartis geltend, dass auch für das Befüllen von Fertigspritzen mit Teilmengen unveränderter Arzneimittel eine Zulassung erforderlich sei, insbesondere weil die in Lucentis und Avastin enthaltenen Wirkstoffe im Sinne von Nr. 1 erster und dritter Gedankenstrich des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 mit Hilfe der Technologie der rekombinierten DNS und außerdem mittels Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern hergestellt würden.
Ferner trägt Novartis vor, die Tatsache, dass die zur einmaligen Verwendung vorgesehenen Flaschen mehr als die therapeutisch notwendige Dosiermenge enthielten, sei produktionstechnischen Abläufen geschuldet. Dieser überschüssige Inhalt solle zudem die sichere Anwendung von Lucentis gewährleisten. Beim Umfüllen des Originalprodukts bestehe aber die Gefahr des Eindringens von Bakterien, und es gebe auch ein Problem mit der Haltbarkeit des Produkts in Fertigspritzen wie den von der Beklagten des Ausgangsverfahrens hergestellten.
Apozyt vertritt die Ansicht, dass für ihre Tätigkeiten keine Zulassung erforderlich sei, da der Prozess der Herstellung des betreffenden Arzneimittels zu dem Zeitpunkt, zu dem sie es umfülle und dann in Form von Fertigspritzen mit geringeren als den in den zugelassenen Ausgangsarzneimitteln enthaltenen Dosiermengen vertreibe, bereits abgeschlossen sei. Daher sei die Herstellung von Fertigspritzen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht als „Herstellen“ eines Arzneimittels mit Hilfe eines der im Anhang der Verordnung Nr. 726/2004 angeführten Verfahren zu verstehen. Außerdem gewährleiste die Fertigung von Fertigspritzen unter sterilen Bedingungen, wie sie in ihren Abfüllanlagen sichergestellt seien, eine höhere gesundheitliche Sicherheit, da Ärzte, die vor der Injektion das Umfüllen selbst vornähmen, nicht unter sterilen Bedingungen arbeiteten. Die verwendeten Spritzen seien die gleichen wie die vom Originalhersteller gelieferten, so dass ihr keine Änderung am Verwendungsprozess der in Rede stehenden Arzneimittel vorgeworfen werden könne.
Das Landgericht Hamburg legt dar, dass nach den §§ 3 und 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb jeder, der mit seinem Verhalten gegen ein Zulassungserfordernis verstoße, unlauter handle. Außerdem könne jeder Wettbewerber ein solches Verhalten beanstanden und seine Unterlassung fordern. Sollte das Befüllen der Fertigspritzen durch Apozyt unter die Zulassungspflicht nach Art. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 fallen, wäre es daher unlauter im Sinne der §§ 3 und 4 dieses Gesetzes. Hierzu habe das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in einem früheren Urteil entschieden, dass der im Einleitungssatz von Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 verwendete Begriff „Herstellen“ auch das Befüllen von Spritzen erfasse, so dass auch dafür eine Zulassung benötigt werde. Das vorlegende Gericht neigt dazu, diese Ansicht zu teilen, weist aber darauf hin, dass diese Frage für den Pharmabereich von einiger Bedeutung sei, da durch eine solche sterile Abfüllung nach Maßgabe der empfohlenen Dosiermenge insbesondere erhebliche Kosten gespart werden könnten.
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Umfasst der Begriff „hergestellt“ im Einleitungssatz von Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 auch solche Prozesse, bei denen Teilmengen eines nach den genannten Verfahren entwickelten und fertig produzierten Medikaments auf jeweilige Verschreibung und Beauftragung durch einen Arzt in ein anderes Gefäß abgefüllt werden, wenn dadurch die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird, also insbesondere die Herstellung von Fertigspritzen, die mit einem nach der Verordnung zugelassenen Medikament befüllt worden sind?
Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens
Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 hat Apozyt beim Gerichtshof beantragt, gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung das mündliche Verfahren wiederzueröffnen, weil die Schlussanträge der Generalanwältin auf unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen beruhten; dies gelte insbesondere für die Schlussfolgerung, dass die Tätigkeiten dieser Gesellschaft im Inverkehrbringen eines neuen Arzneimittels bestünden, und in Bezug auf die Anwendungsbedingungen von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83.
Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 83 der Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen für entscheidungserheblich erachtet (vgl. Beschluss vom 4. Februar 2000, Emesa Sugar, C-17/98, Slg. 2000, I-665, Randnr. 18, sowie Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C-210/03, Slg. 2004, I-11893, Randnr. 25, und vom 14. September 2006, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, C-138/05, Slg. 2006, I-8339, Randnr. 23).
Zum anderen hat der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV die Aufgabe, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Hierbei kann er ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls in einem weiteren Kontext prüfen als in den vom vorlegenden Gericht oder den Parteien des Ausgangsverfahrens genau vorgegebenen Grenzen. Da die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung den Gerichtshof nicht binden, ist eine Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nach Art. 83 der Verfahrensordnung nicht stets dann unerlässlich, wenn der Generalanwalt einen rechtlichen Gesichtspunkt aufwirft, der zwischen den Parteien nicht erörtert worden ist (Urteil vom 22. Mai 2008, Feinchemie Schwebda und Bayer CropScience, C-361/06, Slg. 2008, I-3865, Randnr. 34).
Da sich der Gerichtshof im vorliegenden Fall für ausreichend unterrichtet hält, um entscheiden zu können, und da auch kein Vorbringen entscheidungserheblich ist, das zwischen den Parteien nicht erörtert worden ist, ist dem Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nicht stattzugeben.
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für Tätigkeiten, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, eine Zulassung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 erforderlich ist und ob sie, falls dies nicht der Fall sein sollte, weiterhin der Richtlinie 2001/83 unterliegen.
Novartis sowie die tschechische und die hellenische Regierung sind der Auffassung, dass Tätigkeiten, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stünden, eine Umverpackung darstellten und von der für die Originalarzneimittel erteilten Zulassung nicht erfasst würden, so dass sie rechtswidrig seien. Novartis ist daher der Auffassung, dass Apozyt für die Umfüllung der in Rede stehenden Arzneimittel in eine Fertigspritze bei der EMA eine entsprechende Zulassung beantragen müsste.
Apozyt sowie die deutsche Regierung, Irland und die portugiesische Regierung vertreten den gegenteiligen Standpunkt und meinen, dass solche Tätigkeiten keine Zulassungen erforderten, die über die bereits erteilten hinausgingen.
Die Kommission hält es für möglich, dass die vorgelegte Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ohne Bedeutung sei, da der Begriff „hergestellt“, der im Einleitungssatz der deutschen Sprachfassung von Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 verwendet werde, nicht dahin verstanden werden könne, dass sich damit klären lasse, ob das Erfordernis einer Zulassung auch für Prozesse gelte, bei denen Teilmengen eines nach zugelassenen Verfahren entwickelten und fertig produzierten Arzneimittels sodann auf Verschreibung durch einen Arzt in ein anderes Gefäß abgefüllt würden. Sie trägt weiter vor, das vorlegende Gericht müsse zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits in Wirklichkeit beurteilen, ob das Umfüllen eines bereits zugelassenen Arzneimittels aus Durchstechflaschen in Fertigspritzen, wie es im Ausgangsverfahren in Rede stehe, als Abfüllung oder Änderung der Abpackung oder Aufmachung im Sinne von Art. 40 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 anzusehen sei. Wenn es sich so verhalte, benötige Apozyt für die Vornahme solcher Handlungen keine Zulassung. Wenn hingegen solche Handlungen nicht von Art. 40 erfasst würden, sei dies ein wichtiges Indiz, dass dafür eine Zulassung erforderlich sei.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 eine Pflicht zur Beantragung einer Zulassung im Rahmen eines zentralisierten Verfahrens besteht, in dem für die Erteilung der Zulassung zwingend die EMA zuständig ist. Diese Pflicht betrifft die unter den Anhang dieser Verordnung fallenden technologisch hochwertigen Arzneimittel, insbesondere die Arzneimittel, die mit Hilfe eines der drei in Nr. 1 des Anhangs aufgezählten biotechnologischen Verfahren „hergestellt“ werden.
Aus Art. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 in Verbindung mit den Art. 2 und 6 der Richtlinie 2001/83 ergibt sich, dass industriell gefertigte Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und nicht unter den Anhang der Verordnung fallen, grundsätzlich über eine von den Behörden der entsprechenden Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie erteilte Zulassung verfügen müssen. Fakultativ können die nicht unter diesen Anhang fallenden Arzneimittel gleichwohl unter den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung genannten Voraussetzungen im Rahmen des zentralisierten Verfahrens zugelassen werden, womit die Verpflichtung vermieden wird, im Rahmen des mit der Richtlinie 2001/83 eingeführten Zulassungsverfahrens eine Vielzahl von Zulassungsanträgen zu stellen.
Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 ein Kriterium geschaffen hat, das die Feststellung ermöglicht, ob ein bestimmtes Arzneimittel zum Zweck seines Inverkehrbringens in der Union im Rahmen des mit dieser Verordnung eingeführten zentralisierten Zulassungsverfahrens oder im Rahmen der zur Umsetzung der Richtlinie 2001/83 geschaffenen nationalen Verfahren zugelassen werden muss.
Im Ausgangsverfahren steht fest, dass die Arzneimittel Lucentis und Avastin in der Union in den Verkehr gebracht wurden und insoweit als Arzneimittel, die mit Hilfe eines der in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 genannten biotechnologischen Verfahren „hergestellt“ werden, über eine von der Gemeinschaft nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung erteilte Zulassung verfügen.
Fertigt eine Gesellschaft wie Apozyt auf Bestellung von Apotheken, denen von Patienten entsprechende ärztliche Verschreibungen vorgelegt wurden, Fertigspritzen an, so verwendet sie keines der in Nr. 1 des genannten Anhangs aufgezählten biotechnologischen Verfahren, und sie beliefert diese Apotheken im Übrigen auch nicht im Voraus, weder direkt noch indirekt über Großhändler. Zudem geht aus der Vorlageentscheidung und insbesondere dem Wortlaut der Vorlagefrage zum einen hervor, dass das Landgericht Hamburg davon ausgeht, dass die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird. Zum anderen wird dem Patienten der Inhalt der auf diese Weise befüllten Spritzen von dem verschreibenden Arzt verabreicht, der demnach selbst entschieden hat, seinen Patienten mit Hilfe derartiger Spritzen zu behandeln.
Unter diesen Umständen kann, sofern das vorlegende Gericht tatsächlich feststellt, dass die fraglichen Vorgänge nicht zu einer Veränderung des Arzneimittels führen und dass sie nur auf der Grundlage individueller Rezepte mit einer entsprechenden Verschreibung vorgenommen werden, nicht davon ausgegangen werden, dass die auf diese Weise ausgeübte Tätigkeit einem neuen Inverkehrbringen eines unter Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 726/2004 fallenden Arzneimittels gleichzustellen wäre, so dass für die betreffende Gesellschaft insoweit keine Verpflichtung zur Erlangung einer von der Gemeinschaft nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung erteilten Zulassung besteht.
Zwar hat der Gerichtshof im Urteil vom 19. September 2002, Aventis (C-433/00, Slg. 2002, I-7761), entschieden, dass das Unionsrecht dem Vertrieb eines Arzneimittels, für das zwei verschiedene zentrale Genehmigungen des Inverkehrbringens, nämlich für eine Packung mit fünf Einheiten und für eine Packung mit zehn Einheiten, erteilt worden sind, in einer sogenannten „Bündelpackung“, die aus zwei neu etikettierten Packungen mit je fünf Einheiten gebildet wird, entgegensteht. Die Umstände der vorliegenden Rechtssache unterscheiden sich jedoch von denen der dem Urteil Aventis zugrunde liegenden Rechtssache, in der es um Umverpackungstätigkeiten zum Zweck eines Parallelhandels ging, wobei im Einklang mit der portugiesischen Regierung insbesondere darauf hinzuweisen ist, dass die von einer Gesellschaft wie Apozyt ausgeübte Tätigkeit vorgenommen wird, nachdem die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel in Verkehr gebracht wurden. Insbesondere entsprechen die Vorgänge der Entnahme des in den Originalflaschen enthaltenen flüssigen Arzneimittels und seiner – ohne Veränderung des Arzneimittels erfolgenden – Umfüllung in Fertigspritzen in Wirklichkeit den Handlungen, die, wenn diese Gesellschaft nicht tätig würde, sonst von den verschreibenden Ärzten, den Apotheken selbst in ihren Geschäftsräumen oder auch den Krankenhäusern in eigener Verantwortung vorgenommen werden könnten oder hätten vorgenommen werden können.
Auch wenn die von einer Gesellschaft wie Apozyt für Apotheken als ihre Kunden erbrachte Leistung als solche kein die Erteilung einer Zulassung erforderndes Inverkehrbringen darstellt, bedeutet dies gleichwohl nicht, dass diese Tätigkeit zulässig ist, da sie jedenfalls weiterhin den Vorschriften der Richtlinie 2001/83 unterliegt, insbesondere denjenigen, nach denen die Herstellung von Arzneimitteln einer Erlaubnis bedarf.
Die deutsche Regierung macht geltend, sie habe von der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Ausnahmevorschrift Gebrauch gemacht, indem sie in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen habe, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben worden sei, geliefert würden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt würden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt seien. Nach Ansicht der deutschen Regierung wird eine Tätigkeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende vom Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass für sie keine besondere Erlaubnis und erst recht keine Zulassung erforderlich sei.
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 eine spezielle Ausnahmevorschrift darstellt, die eng auszulegen ist und nur in außergewöhnlichen Fällen, in denen ein besonderer medizinischer Bedarf besteht, Anwendung findet, also dann, wenn ein Arzt nach einer konkreten Untersuchung seiner Patienten aus rein therapeutischen Erwägungen ein Arzneimittel verschreibt, das in der Union nicht über eine gültige Zulassung verfügt und für das es auf dem nationalen Markt kein oder nur ein nicht verfügbares zugelassenes Äquivalent gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2012, Kommission/Polen, C-185/10, , Randnrn. 35, 36 und 48). Der Gerichtshof hat in Randnr. 37 dieses Urteils insbesondere hervorgehoben, dass Art. 5 Abs. 1 nicht angeführt werden kann, wenn Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen, derselben Dosierung und derselben Darreichungsform wie die, die der behandelnde Arzt seinen Patienten verschreiben zu müssen glaubt, bereits zugelassen und auf dem nationalen Markt verfügbar sind.
Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ist eine Berufung auf diese Vorschrift hinsichtlich der Verwendung eines Arzneimittels wie Lucentis somit nicht möglich, denn es geht weder um die Verschreibung eines anderen Arzneimittels als desjenigen, das bereits über eine Zulassung verfügt, noch um eine Verwendung mit anderen als den in der Zulassung vorgesehenen Injektionsmengen oder um eine Verwendung für eine nicht von der Zulassung erfasste therapeutische Indikation.
Dagegen lässt sich nicht ausschließen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Bereitstellung eines zugelassenen Arzneimittels wie Avastin für nicht von der Zulassung erfasste therapeutische Indikationen auf Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 berufen kann, sofern es nach den Angaben eines zugelassenen Arztes hergestellt wird und dazu bestimmt ist, unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung einem bestimmten Patienten verabreicht zu werden. Insoweit kann nämlich, da Avastin und Lucentis unterschiedliche Wirkstoffe enthalten, ein mit einer bestimmten Krankheit konfrontierter Arzt unter Zugrundelegung speziell auf seine Patienten bezogener therapeutischer Erwägungen auch im Hinblick auf die Modalitäten der Verabreichung des Arzneimittels der Ansicht sein, dass eine nicht von der Zulassung erfasste Behandlung, in der von ihm für angemessen erachteten Zubereitung und Dosierung und mit Avastin, das über eine gemeinschaftliche Zulassung verfügt, einer Behandlung mit Lucentis vorzuziehen ist.
Zum letztgenannten Aspekt ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein verschreibender Arzt ein bestimmtes Arzneimittel nach den Berufsregeln nicht verschreiben darf, wenn es – auch im Hinblick auf die Art und Weise seiner Verabreichung – für die therapeutische Behandlung seines Patienten nicht geeignet ist (vgl. Urteil vom 22. April 2010, Association of the British Pharmaceutical Industry, C-62/09, Slg. 2010, I-3603, Randnr. 40).
Mit diesen Erwägungen ist indessen noch nicht geklärt, ob die Tätigkeit einer Gesellschaft wie Apozyt – zumindest in Bezug auf Lucentis – nach den Unionsvorschriften einer speziellen Erlaubnis bedarf.
Das vorlegende Gericht erwähnt hinsichtlich der Anforderungen, die für eine Tätigkeit wie die von Apozyt ausgeübte gelten, Art. 40 der Richtlinie 2001/83. Insoweit trifft es zu, dass diese Tätigkeit, soweit sie die Umverpackung von Arzneimitteln betrifft, die über eine Zulassung verfügen, nach Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie jedenfalls eine Erlaubnis im Sinne dieser Vorschrift voraussetzt.
Wie Irland und die Kommission geltend machen, ist eine solche Erlaubnis nach Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 jedoch u. a. für die Abfüllung oder die Änderung der Abpackung nicht erforderlich, sofern diese Vorgänge lediglich im Hinblick auf die Abgabe durch Apotheker in einer Apotheke oder durch andere Personen vorgenommen werden, die in den Mitgliedstaaten zu dieser Tätigkeit gesetzlich ermächtigt sind.
Das vorlegende Gericht hat somit insbesondere zu prüfen, ob Apozyt in Deutschland zu einer solchen Tätigkeit „gesetzlich ermächtigt“ ist und ob die betreffende Tätigkeit tatsächlich der Abgabe von Arzneimitteln durch Apotheken zugerechnet werden kann. In Bezug auf den letztgenannten Aspekt hat es insbesondere zu prüfen, ob die in Rede stehenden Vorgänge nur auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorgenommen werden.
Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Tätigkeiten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, soweit sie nicht zu einer Veränderung des betreffenden Arzneimittels führen und nur auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorgenommen werden – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, keiner Zulassung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 bedürfen, aber jedenfalls weiterhin den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 unterliegen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Tätigkeiten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art bedürfen, soweit sie nicht zu einer Veränderung des betreffenden Arzneimittels führen und nur auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorgenommen werden – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, keiner Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, unterliegen aber jedenfalls weiterhin den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2010/84/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 geänderten Fassung.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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