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EuGH 09.02.2012 - C-277/10
EuGH 09.02.2012 - C-277/10 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 9. Februar 2012 ( *1) - „Vorabentscheidungsersuchen — Rechtsangleichung — Geistiges Eigentum — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Richtlinien 93/83/EWG, 2001/29/EG, 2006/115/EG und 2006/116/EG — Vertragliche Aufteilung der Verwertungsrechte an einem Filmwerk zwischen dem Hauptregisseur und dem Hersteller des Werks — Nationale Regelung, nach der diese Rechte kraft Gesetzes ausschließlich dem Filmhersteller zustehen — Möglichkeit der Abbedingung dieser Regel durch Parteivereinbarung — Nachfolgende Vergütungsansprüche“
Leitsatz
In der Rechtssache C-277/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Handelsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 17. Mai 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juni 2010, in dem Verfahren
Martin Luksan
gegen
Petrus van der Let
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und T. von Danwitz,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Herrn Luksan, vertreten durch Rechtsanwalt M. Walter,
von Herrn van der Let, vertreten durch Rechtsanwältin Z. van der Let-Vangelatou,
der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und F. W. Bulst als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2011
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung
der Art. 2 und 4 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61),
der Art. 1 und 2 der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. L 248, S. 15),
des Art. 2 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 290, S. 9) und
der Art. 2, 3 und 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Hauptregisseur eines Dokumentarfilms, Herrn Luksan, und dem Produzenten dieses Films, Herrn van der Let, über die Durchführung eines Vertrags, mit dem der Erstgenannte dem Zweitgenannten seine Urheberrechte und bestimmte Verwertungsrechte an dem Film übertragen haben soll.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Berner Übereinkunft
Art. 14bis der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung der Änderung vom 28. Juli 1979 (im Folgenden: Berner Übereinkunft) lautet:
„(1) Unbeschadet der Rechte des Urhebers jedes etwa bearbeiteten oder vervielfältigten Werkes wird das Filmwerk wie ein Originalwerk geschützt. Der Inhaber des Urheberrechts am Filmwerk genießt die gleichen Rechte wie der Urheber eines Originalwerks einschließlich der in Artikel 14 genannten Rechte.
Der Gesetzgebung des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, bleibt vorbehalten, die Inhaber des Urheberrechts am Filmwerk zu bestimmen.
In den Verbandsländern jedoch, deren innerstaatliche Rechtsvorschriften als solche Inhaber auch Urheber anerkennen, die Beiträge zur Herstellung des Filmwerks geleistet haben, können sich diese, wenn sie sich zur Leistung solcher Beiträge verpflichtet haben, mangels gegenteiliger oder besonderer Vereinbarung der Vervielfältigung, dem Inverkehrbringen, der öffentlichen Vorführung, der Übertragung mittels Draht an die Öffentlichkeit, der Rundfunksendung, der öffentlichen Wiedergabe, dem Versehen mit Untertiteln und der Textsynchronisation des Filmwerks nicht widersetzen.
Die Frage, ob für die Anwendung des Buchstabens b die Form der dort genannten Verpflichtung in einem schriftlichen Vertrag oder in einem gleichwertigen Schriftstück bestehen muss, wird durch die Rechtsvorschriften des Verbandslandes geregelt, in dem der Hersteller des Filmwerks seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Rechtsvorschriften des Verbandslandes, in dem der Schutz beansprucht wird, können jedoch vorsehen, dass diese Verpflichtung durch einen schriftlichen Vertrag oder durch ein gleichwertiges Schriftstück begründet sein muss. Die Länder, die von dieser Befugnis Gebrauch machen, müssen dies dem Generaldirektor durch eine schriftliche Erklärung notifizieren, der sie unverzüglich allen anderen Verbandsländern mitteilt.
Als ‚gegenteilige oder besondere Vereinbarung‘ gilt jede einschränkende Bestimmung, die in der vorgenannten Verpflichtung gegebenenfalls enthalten ist.
(3) Sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften nichts anderes vorsehen, ist Absatz 2 Buchstabe b weder auf die Urheber der Drehbücher, der Dialoge und der musikalischen Werke anwendbar, die für die Herstellung des Filmwerks geschaffen worden sind, noch auf dessen Hauptregisseur. Die Verbandsländer jedoch, deren Rechtsvorschriften keine Bestimmungen über die Anwendung des Absatzes 2 Buchstabe b auf den Hauptregisseur vorsehen, müssen dies dem Generaldirektor durch eine schriftliche Erklärung notifizieren, der sie unverzüglich allen anderen Verbandsländern mitteilt.“
WIPO-Urheberrechtsvertrag
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an. Dieser Vertrag wurde mit dem Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.
Nach Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags müssen die Vertragsparteien den Art. 1 bis 21 der Berner Übereinkunft nachkommen.
Unionsrecht
Richtlinie 93/83
Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 93/83 lautet:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt der Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks als sein Urheber oder als einer seiner Urheber. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass weitere Personen als Miturheber des Werks gelten.“
Kapitel II („Satellitenrundfunk“) dieser Richtlinie enthält folgenden Art. 2 („Senderecht“):
„Gemäß den Bestimmungen dieses Kapitels sehen die Mitgliedstaaten für den Urheber das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken über Satellit zu erlauben.“
Richtlinie 2001/29
In den Erwägungsgründen 5, 9 bis 11, 20, 31 und 35 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
Die technische Entwicklung hat die Möglichkeiten für das geistige Schaffen, die Produktion und die Verwertung vervielfacht und diversifiziert. Wenn auch kein Bedarf an neuen Konzepten für den Schutz des geistigen Eigentums besteht, so sollten die Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte doch angepasst und ergänzt werden, um den wirtschaftlichen Gegebenheiten, z. B. den neuen Formen der Verwertung, in angemessener Weise Rechnung zu tragen.
...
Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen und Dienstleistungen, z. B. Dienste auf Abruf, anbieten zu können, sind beträchtliche Investitionen erforderlich. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden.
Eine rigorose und wirksame Regelung zum Schutz der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte ist eines der wichtigsten Instrumente, um die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren und die Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler zu wahren.
...
Die vorliegende Richtlinie beruht auf den Grundsätzen und Bestimmungen, die in den einschlägigen geltenden Richtlinien bereits festgeschrieben sind, und zwar insbesondere in [der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 122, S. 42) in der durch die Richtlinie 93/98 geänderten Fassung, der Richtlinie 92/100 in der durch die Richtlinie 93/98 geänderten Fassung, der Richtlinie 93/83, der Richtlinie 93/98 und der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77, S. 20)]. Die betreffenden Grundsätze und Bestimmungen werden fortentwickelt und in den Rahmen der Informationsgesellschaft eingeordnet. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten unbeschadet der genannten Richtlinien gelten, sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt.
...
Es muss ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern sowie zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden. …
...
In bestimmten Fällen von Ausnahmen oder Beschränkungen sollten Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, damit ihnen die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen vergütet wird. Bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe dieses gerechten Ausgleichs sollten die besonderen Umstände eines jeden Falls berücksichtigt werden. Für die Bewertung dieser Umstände könnte der sich aus der betreffenden Handlung für die Rechtsinhaber ergebende etwaige Schaden als brauchbares Kriterium herangezogen werden. …“
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 sieht vor:
„Außer in den in Artikel 11 genannten Fällen lässt diese Richtlinie die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über folgende Bereiche unberührt und beeinträchtigt sie in keiner Weise:
...
über das Vermietrecht, das Verleihrecht und bestimmte dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte im Bereich des geistigen Eigentums;
über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im Bereich des Satellitenrundfunks und der Kabelweiterverbreitung;
über die Dauer des Schutzes des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte;
...“
Art. 2 („Vervielfältigungsrecht“) dieser Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:
für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,
für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,
für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,
für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,
für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“
Art. 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) der genannten Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:
für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen;
für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;
für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme;
für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.“
Art. 5 („Ausnahmen und Beschränkungen“) dieser Richtlinie sieht in den Abs. 2 Buchst. b und 5 vor:
„(2) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:
...
in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;
...
(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“
Richtlinie 2006/115/EG
Die Richtlinie 92/100 wurde durch die Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 376, S. 28) aufgehoben. Ihre Bestimmungen wurden durch Letztere kodifiziert und ähnlich lautend in diese übernommen. In Anbetracht der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeit (März 2008) ist die Richtlinie 2006/115 zeitlich anwendbar, so dass die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen in Ansehung dieser Richtlinie untersucht werden.
Die Erwägungsgründe 5 und 12 der Richtlinie 2006/115 lauten:
Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden.
...
Es wird eine Regelung benötigt, durch die ein unverzichtbares Recht auf angemessene Vergütung für die Urheber und ausübenden Künstler gewährleistet wird, denen zugleich die Möglichkeit erhalten bleiben muss, mit der Wahrnehmung dieses Rechts an ihrer Stelle tätig werdende Verwertungsgesellschaften zu beauftragen.“
Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt:
„Der Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks gilt als sein Urheber oder als einer seiner Urheber. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass weitere Personen als Miturheber gelten.“
In Art. 3 („Rechtsinhaber und Gegenstand des Vermiet- und Verleihrechts“) der Richtlinie 2006/115 heißt es:
„(1) Das ausschließliche Recht, die Vermietung und das Verleihen zu erlauben oder zu verbieten, steht folgenden Personen zu:
dem Urheber in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke seines Werkes;
dem ausübenden Künstler in Bezug auf Aufzeichnungen seiner Darbietung;
dem Tonträgerhersteller in Bezug auf seine Tonträger;
dem Hersteller der erstmaligen Aufzeichnung eines Films in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke seines Films.
...
(4) Schließen ausübende Künstler mit einem Filmproduzenten einen Vertrag als Einzel- oder Tarifvereinbarung über eine Filmproduktion ab, so wird unbeschadet des Absatzes 6 vermutet, dass der unter diesen Vertrag fallende ausübende Künstler, sofern in den Vertragsbestimmungen nichts anderes vorgesehen ist, sein Vermietrecht vorbehaltlich Artikel 5 abgetreten hat.
(5) Die Mitgliedstaaten können eine ähnliche Vermutung wie in Absatz 4 in Bezug auf die Urheber vorsehen.
...“
Art. 5 („Unverzichtbares Recht auf angemessene Vergütung“) dieser Richtlinie sieht in den Abs. 1 und 2 vor:
„(1) Hat ein Urheber oder ein ausübender Künstler sein Vermietrecht an einem Tonträger oder an dem Original oder einem Vervielfältigungsstück eines Films an einen Tonträgerhersteller oder Filmproduzenten übertragen oder abgetreten, so behält er den Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Vermietung.
(2) Auf den Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Vermietung kann der Urheber oder ausübende Künstler nicht verzichten.“
Richtlinie 2006/116/EG
Die Richtlinie 93/98 wurde durch die Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 372, S. 12) aufgehoben. Ihre Bestimmungen wurden durch Letztere kodifiziert und ähnlich lautend in diese übernommen. In Anbetracht der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeit (März 2008) ist die Richtlinie 2006/116 zeitlich anwendbar, so dass die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen in Ansehung dieser Richtlinie untersucht werden.
Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/116 lautet:
„Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten die Anwendung von Artikel 14bis Absatz 2 Buchstaben b, c und d und Absatz 3 der Berner Übereinkunft durch die Mitgliedstaaten unberührt lassen.“
Art. 2 („Filmwerke oder audiovisuelle Werke“) dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Der Hauptregisseur eines Filmwerks oder eines audiovisuellen Werks gilt als dessen Urheber oder als einer seiner Urheber. Es steht den Mitgliedstaaten frei, vorzusehen, dass weitere Personen als Miturheber benannt werden können.
(2) Die Schutzfrist für ein Filmwerk oder ein audiovisuelles Werk erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen, unabhängig davon, ob diese als Miturheber benannt worden sind: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge und Komponist der speziell für das betreffende Filmwerk oder audiovisuelle Werk komponierten Musik.“
Nationales Recht
In § 38 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) (BGBl. 111/1936) in der Fassung des im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich I Nr. 58/2010 kundgemachten Bundesgesetzes heißt es:
„Die Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken stehen … dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller) zu. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche des Urhebers stehen dem Filmhersteller und dem Urheber je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind und der Filmhersteller mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat. …“
§ 42b Abs. 1 UrhG bestimmt:
„Ist von einem Werk, das durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden ist, seiner Art nach zu erwarten, dass es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger nach § 42 Abs. 2 bis 7 zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Leerkassettenvergütung), wenn Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt; als Trägermaterial gelten unbespielte Bild- oder Schallträger, die für solche Vervielfältigungen geeignet sind, oder andere Bild- oder Schallträger, die hiefür bestimmt sind.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Der Kläger des Ausgangsverfahrens, Herr Luksan, ist der Drehbuchautor und Hauptregisseur eines Dokumentarfilms mit dem Titel „Fotos von der Front“ über die deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg. Es ist unstreitig, dass es sich bei diesem Dokumentarfilm, in dem die Zwiespältigkeit der Kriegsfotografie kritisch dargestellt wird, um ein Filmwerk handelt, das als solches wie ein Originalwerk geschützt ist.
Der Beklagte des Ausgangsverfahrens, Herr van der Let, stellt Filmwerke und sonstige audiovisuelle Werke gewerbsmäßig her.
Im März 2008 schlossen die Parteien eine „Regie- und Autorenvereinbarung“ (Vertrag über die Produktion eines audiovisuellen Werkes), nach der Herr Luksan der Drehbuchautor und Hauptregisseur des fraglichen Films ist und Herr van der Let den Film produziert und auswertet. Aufgrund dieser Vereinbarung trat Herr Luksan Herrn van der Let alle seine Urheber- und/oder verwandten Schutzrechte an diesem Film ab. Von der Abtretung ausdrücklich ausgenommen waren jedoch bestimmte Verwertungsarten, nämlich die öffentliche Zugänglichmachung in digitalen Netzen sowie die Ausstrahlung über Closed-circuit-TV und Pay-TV, d. h. die (verschlüsselte) Sendung an geschlossene Benutzerkreise gegen Zahlung eines gesonderten Entgelts.
Darüber hinaus enthielt die Vereinbarung keine ausdrückliche Bestimmung über die gesetzlichen Vergütungsansprüche wie die Leerkassettenvergütung nach § 42b UrhG.
Der Ausgangsrechtsstreit liegt darin begründet, dass der Produzent, Herr van der Let, den fraglichen Film im Internet zugänglich machte und die Rechte dafür an Movieeurope.com vergab. Der Film konnte so von dieser Internetseite als Video-on-Demand abgerufen werden. Der Produzent stellte ferner den Trailer des Films im Internet auf YouTube zur Verfügung und trat die Pay-TV-Rechte an Scandinavia TV ab.
Vor diesem Hintergrund erhob der Regisseur, Herr Luksan, beim vorlegenden Gericht Klage gegen den Produzenten, Herrn van der Let. Er sieht in Anbetracht der ihm vertraglich vorbehaltenen Verwertungsarten (Recht der Sendung an geschlossene Benutzerkreise über Video-on-Demand und Pay-TV) in der Verwertung des im Ausgangsverfahren streitigen Films durch den Produzenten eine Vertrags- und Urheberrechtsverletzung.
Herr van der Let tritt diesem Vorbringen damit entgegen, dass aufgrund der cessio legis nach § 38 Abs. 1 Satz 1 UrhG sämtliche ausschließlichen Verwertungsrechte an dem fraglichen Film ihm als Filmhersteller zustünden und abweichende Vereinbarungen oder ein entsprechender Rechtevorbehalt unwirksam seien.
Außerdem ist Herr van der Let der Ansicht, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz, insbesondere die Leerkassettenvergütung, das Schicksal der Verwertungsrechte teilten. Folglich stünden ihm aufgrund der Vereinbarung, die ihm sämtliche Verwertungsrechte an dem Film zuweise, auch alle gesetzlichen Vergütungsansprüche zu. In der Tat habe er als Produzent nicht nur nach § 38 Abs. 1 Satz 2 UrhG Anspruch auf die Hälfte der gesetzlichen Vergütungsansprüche, sondern auch auf die nach derselben Bestimmung grundsätzlich dem Filmurheber (Herr Luksan als Regisseur) zustehende andere Hälfte dieser Ansprüche. Eine von dieser Gesetzesbestimmung abweichende Vereinbarung sei nämlich zulässig.
Herr Luksan ist anderer Auffassung und beantragt beim vorlegenden Gericht die Feststellung, dass ihm die gesetzlichen Vergütungsansprüche zur Hälfte zustehen.
Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts verstehen Lehre und Rechtsprechung in Österreich § 38 Abs. 1 Satz 1 UrhG als originäre und unmittelbare Zuweisung der Verwertungsrechte allein an den Filmhersteller und nicht als cessio legis oder Vermutung einer Übertragung dieser Rechte. Bei dieser Auslegung von § 38 Abs. 1 UrhG seien Vereinbarungen, die von diesem Grundsatz der unmittelbaren und originären Zuweisung abwichen, nichtig.
Die gesetzlichen Vergütungsansprüche, insbesondere die Leerkassettenvergütung, stünden nach § 38 Abs. 1 Satz 2 UrhG je zur Hälfte dem Filmhersteller und dem Urheber des Films zu, wobei aber von diesem Grundsatz abweichende Vereinbarungen ausdrücklich zugelassen seien, was auch in Bezug auf die dem Filmurheber zustehende Hälfte gelte.
Vor diesem Hintergrund scheint das vorlegende Gericht der Ansicht zu sein, dass § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UrhG in der bisher von Lehre und Rechtsprechung in Österreich vertretenen Auslegung dem Unionsrecht zuwiderlaufe. Bei unionsrechtskonformer Auslegung sei in § 38 Abs. 1 Satz 1 UrhG nämlich eine widerlegbare Vermutung der Rechtsübertragung zu sehen. Außerdem habe der Hauptregisseur einen unverzichtbaren Anspruch auf angemessene Vergütung. Was die gesetzlichen Vergütungsansprüche betreffe, so weise § 38 Abs. 1 Satz 2 UrhG diese Ansprüche zwar in angemessener Weise zur Hälfte dem Filmurheber zu, doch müsste diese Verteilungsregel als unabdingbar ausgestaltet sein.
Das vorlegende Gericht möchte geklärt wissen, ob die einschlägigen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes, die dem Hersteller unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen bestimmte Rechte einräumen, so anzuwenden sind, wie sie bisher von den österreichischen Gerichten ausgelegt wurden, oder ob sie im Einklang mit dem Unionsrecht gegenteilig ausgelegt werden müssen.
Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte, insbesondere die Vorschriften der Art. 2 Abs. 2, 5 und 6 der Richtlinie 92/100, des Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 93/83 und des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 93/98 in Verbindung mit den Art. 4 der Richtlinie 92/100, Art. 2 der Richtlinie 93/83 und der Art. 2 und 3 sowie Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin gehend auszulegen, dass die Verwertungsrechte der Vervielfältigung, der Sendung über Satellit und der sonstigen öffentlichen Wiedergabe im Weg des öffentlichen Zugänglichmachens jedenfalls dem Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks oder weiteren, vom Gesetzgeber der Mitgliedstaaten bestimmten Filmurhebern kraft Gesetzes unmittelbar (originär) zustehen und nicht – unmittelbar (originär) und ausschließlich – dem Filmhersteller; stehen Gesetze der Mitgliedstaaten, welche die Verwertungsrechte kraft Gesetzes unmittelbar (originär) und ausschließlich dem Filmhersteller zuweisen, mit dem Recht der Europäischen Union in Widerspruch?
Falls Frage 1 zu bejahen ist:
Bleibt es dem Gesetzgeber der Mitgliedstaaten nach dem Recht der Europäischen Union auch in Bezug auf andere Rechte als das Vermiet- und Verleihrecht vorbehalten, in Bezug auf die dem Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks oder weiteren, vom Gesetzgeber der Mitgliedstaaten bestimmten Filmurhebern zustehenden Verwertungsrechte im Sinne der ersten Frage eine gesetzliche Vermutung zugunsten einer Übertragung solcher Rechte auf den Filmhersteller vorzusehen und sind – bejahendenfalls – die in Art. 2 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 92/100 in Verbindung mit Art. 4 dieser Richtlinie enthaltenen Bedingungen einzuhalten?
Ist die originäre Rechtsinhaberschaft in Bezug auf den Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks oder weitere, vom Gesetzgeber der Mitgliedstaaten bestimmte Filmurheber auch auf die vom Gesetzgeber eines Mitgliedstaats gewährten Ansprüche auf angemessene Vergütung wie die sogenannte Leerkassettenvergütung nach § 42b UrhG bzw. auf Ansprüche auf einen gerechten Ausgleich im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 anzuwenden?
Falls Frage 2 b zu bejahen ist:
Bleibt es dem Gesetzgeber der Mitgliedstaaten nach dem Recht der Europäischen Union vorbehalten, in Bezug auf die dem Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks oder weiteren, vom Gesetzgeber der Mitgliedstaaten bestimmten Filmurhebern zustehenden Ansprüche im Sinne von Frage 2 b eine gesetzliche Vermutung zugunsten einer Übertragung solcher Vergütungsansprüche auf den Filmhersteller vorzusehen und sind – bejahendenfalls – die in Art. 2 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 92/100 in Verbindung mit Art. 4 dieser Richtlinie enthaltenen Bedingungen einzuhalten?
Falls Frage 3 zu bejahen ist:
Steht die Regelung eines Gesetzes eines Mitgliedstaats mit den vorstehend genannten Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in Einklang, wonach dem Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks oder weiteren, vom Gesetzgeber der Mitgliedstaaten bestimmten Filmurhebern zwar ein Anspruch auf die Hälfte der gesetzlichen Vergütungsansprüche zuerkannt wird, dieser Anspruch aber abdingbar und deshalb nicht unverzichtbar ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 1 und 2 der Richtlinie 93/83 einerseits sowie die Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29 in Verbindung mit den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2006/115 und Art. 2 der Richtlinie 2006/116 andererseits dahin auszulegen sind, dass die Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Recht zur Ausstrahlung über Satellit, Vervielfältigungsrecht und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), kraft Gesetzes unmittelbar und originär dem Hauptregisseur in seiner Eigenschaft als Urheber des Filmwerks zustehen. Es möchte auch wissen, ob folglich die vorstehend genannten Bestimmungen innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die die fraglichen Rechte kraft Gesetzes ausschließlich dem Produzenten des betreffenden Werks zuweisen.
Vorab ist festzustellen, dass die verschiedenen Verwertungsrechte an Filmwerken oder audiovisuellen Werken Gegenstand mehrerer Richtlinien sind. Zunächst ist das Recht zur Ausstrahlung über Satellit in Kapitel II der Richtlinie 93/83 geregelt. Die Regelung für die Rechte zur Vervielfältigung und zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung findet sich sodann in den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29. Das Vermiet- und Verleihrecht schließlich fällt unter die Art. 2 und 3 der Richtlinie 2006/115.
Was die Richtlinie 93/83 betrifft, so gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 5 der Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks als Urheber oder einer der Urheber.
Soweit es um die Richtlinie 2006/115 geht, gilt nach deren Art. 2 Abs. 2 der Hauptregisseur eines Filmwerks ebenfalls als Urheber oder einer der Urheber.
Dagegen trifft die Richtlinie 2001/29 keine ausdrückliche Aussage zum Status des Hauptregisseurs des Filmwerks.
Daher ist an erster Stelle die Frage zu klären, wie sich die Stellung des Hauptregisseurs des Filmwerks im Hinblick auf die mit der Richtlinie 2001/29 geregelten Verwertungsrechte darstellt.
Insoweit ergibt sich aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, dass diese auf den Grundsätzen und Bestimmungen beruht, die in den einschlägigen geltenden Richtlinien, namentlich der Richtlinie 92/100 zum Vermietrecht und Verleihrecht (jetzt Richtlinie 2006/115) und der Richtlinie 93/98 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts (jetzt Richtlinie 2006/116), bereits festgeschrieben sind. Vorgesehen ist, dass die Richtlinie 2001/29 diese Grundsätze und Bestimmungen fortentwickelt und in den Rahmen der Informationsgesellschaft einordnet. Ihre Bestimmungen müssen daher unbeschadet der Regelungen der Richtlinien 2006/115 und 2006/116 gelten, es sei denn, sie bestimmt anderes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083, Randnrn. 187 und 188).
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/116 stellt aber unter der Überschrift „Filmwerke oder audiovisuelle Werke“ die allgemeine Regel auf, dass der Hauptregisseur eines Filmwerks als Urheber oder einer der Urheber gilt, wobei es den Mitgliedstaaten freisteht, weitere Miturheber zu bestimmen.
Diese Bestimmung ist daher so auszulegen, dass unabhängig davon, ob und welche Entscheidung im nationalen Recht getroffen wird, dem Hauptregisseur des Filmwerks anders als den sonstigen Urhebern eines solchen Werks der Urheberstatus nach der Richtlinie 2006/116 in jedem Fall zukommt.
Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 legt außerdem die Schutzdauer für Filmwerke oder audiovisuelle Werke fest. Diese Bestimmung impliziert zwangsläufig, dass solche Werke, namentlich die Rechte ihrer Urheber oder Miturheber und insbesondere die Rechte des Hauptregisseurs, rechtlich wirksam zu schützen sind.
Da die Richtlinie 2001/29 nichts anderes bestimmt und ihre Bestimmungen unbeschadet der Regelungen der Richtlinie 2006/116 sowie der Richtlinie 2006/115, insbesondere ihres Art. 2 Abs. 2, gelten müssen, sind die Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29 so auszulegen, dass die in diesen Artikeln genannten Urheberrechte des Hauptregisseurs des Filmwerks gewährleistet sind.
Nach alledem gilt im Hinblick auf alle in Rede stehenden Verwertungsrechte einschließlich derjenigen, die mit der Richtlinie 2001/29 geregelt werden, der Hauptregisseur des Filmwerks als dessen Urheber oder einer seiner Urheber.
An zweiter Stelle ist festzustellen, ob die Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Recht zur Ausstrahlung über Satellit, Vervielfältigungsrecht und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), kraft Gesetzes unmittelbar und originär dem Hauptregisseur des Filmwerks in seiner Eigenschaft als dessen Urheber zustehen oder ob diese Rechte gegebenenfalls unmittelbar, originär und ausschließlich dem Produzenten des betreffenden Werks zukommen können.
In Bezug auf das Satellitensenderecht ist in Art. 2 der Richtlinie 93/83 allein dem Urheber das ausschließliche Recht zuerkannt, die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken über Satellit zu erlauben.
Was das Vervielfältigungsrecht betrifft, so werden in Art. 2 der Richtlinie 2001/29 als Inhaber dieses Rechts die Urheber in Bezug auf ihre Werke und die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme anerkannt.
Desgleichen wird das Recht zur Wiedergabe von Werken im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung in Art. 3 der Richtlinie 2001/29 den Urhebern in Bezug auf ihre Werke und den Herstellern der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme zugewiesen.
Somit weisen die in den drei vorstehenden Randnummern angesprochenen Bestimmungen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwertungsrechte an dem Filmwerk originär dem Hauptregisseur in seiner Eigenschaft als Urheber zu.
Ungeachtet dieser Bestimmungen des abgeleiteten Rechts beruft sich die österreichische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen jedoch auf die Regelung des Abs. 2 Buchst. b des Filmwerke betreffenden Art. 14bis der Berner Übereinkunft in Verbindung mit Abs. 3 derselben Vorschrift, wonach sie berechtigt sei, diese Rechte allein dem Produzenten des Werks zuzuerkennen.
In der Tat ergibt sich aus der Gesamtschau dieser Bestimmungen, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften als Ausnahmeregelung dem Hauptregisseur bestimmte Verwertungsrechte an dem Filmwerk wie u. a. das Vervielfältigungsrecht und das Recht zur öffentlichen Wiedergabe absprechen können.
Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass alle Mitgliedstaaten der Union der Berner Übereinkunft beigetreten sind, manche vor dem 1. Januar 1958 und andere vor ihrem Beitritt zur Union.
Was genauer den Filmwerke betreffenden Art. 14bis der Berner Übereinkunft betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass er infolge der 1948 in Brüssel und 1967 in Stockholm angenommenen Revisionen der Übereinkunft eingeführt wurde.
Somit weist die Berner Übereinkunft die Merkmale einer internationalen Übereinkunft im Sinne des Art. 351 AEUV auf, nach dem u. a. die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, durch die Verträge nicht berührt werden.
Sodann ist festzustellen, dass sich die Union, obwohl sie nicht Vertragspartei der Berner Übereinkunft ist, nach Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags, dem sie beigetreten ist, der Teil ihrer Rechtsordnung ist und der mit der Richtlinie 2001/29 umgesetzt werden soll, dennoch an die Art. 1 bis 21 der Berner Übereinkunft halten muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Football Association Premier League u. a., Randnr. 189 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich muss die Union auch Art. 14bis der Berner Übereinkunft nachkommen.
Daher stellt sich die Frage, ob die oben in den Randnrn. 50 bis 52 angesprochenen Bestimmungen der Richtlinien 93/83 und 2001/29 mit Blick auf Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags in dem Sinne ausgelegt werden müssen, dass ein Mitgliedstaat in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf der Grundlage des Art. 14bis der Berner Übereinkunft, indem er von der ihm dort eingeräumten Befugnis Gebrauch macht, dem Hauptregisseur die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwertungsrechte an einem Filmwerk absprechen kann.
Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 351 Abs. 1 AEUV bezweckt, gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts klarzustellen, dass die Anwendung des Vertrags nicht die Pflicht des betreffenden Mitgliedstaats berührt, die Rechte von Drittstaaten aus einer vor seinem Beitritt geschlossenen Übereinkunft zu wahren und seine entsprechenden Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. Urteile vom 28. März 1995, Evans Medical und Macfarlan Smith, C-324/93, Slg. 1995, I-563, Randnr. 27, und vom 14. Januar 1997, Centro-Com, C-124/95, Slg. 1997, I-81, Randnr. 56).
Wenn allerdings eine solche Übereinkunft einem Mitgliedstaat gestattet, eine unionsrechtswidrige Maßnahme zu treffen, ohne ihn jedoch dazu zu verpflichten, so muss er vom Erlass einer solchen Maßnahme absehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Evans Medical und Macfarlan Smith, Randnr. 32, und Centro-Com, Randnr. 60).
Diese Rechtsprechung muss entsprechende Anwendung auch dann finden, wenn sich aufgrund einer Entwicklung des Unionsrechts eine Gesetzesmaßnahme, die ein Mitgliedstaat gemäß der nach einer früheren internationalen Übereinkunft eröffneten Befugnis getroffen hat, als unionsrechtswidrig erweist. In einem solchen Fall kann sich der betroffene Mitgliedstaat nicht auf diese Übereinkunft berufen, um von den später aus dem Unionsrecht erwachsenen Verpflichtungen freigestellt zu werden.
Mit der Regelung, dass der Hauptregisseur eines Filmwerks als dessen Urheber oder einer seiner Urheber gilt, hat der Unionsgesetzgeber die Zuständigkeiten der Union auf dem Gebiet des geistigen Eigentums wahrgenommen. Die Mitgliedstaaten sind unter diesen Umständen nicht mehr zum Erlass von Bestimmungen befugt, mit denen diese Unionsregelung in Frage gestellt wird. Sie können sich daher nicht mehr auf die mit Art. 14bis der Berner Übereinkunft eingeräumte Befugnis berufen.
Weiter ist festzustellen, dass sich eine Gesetzesmaßnahme wie die oben in Randnr. 60 beschriebene nicht als mit dem Ziel vereinbar erweist, das mit der Richtlinie 2001/29 verfolgt wird.
Dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, die u. a. das Vervielfältigungsrecht und das Recht zur öffentlichen Wiedergabe regelt, ist nämlich zu entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber, da er den Schutz des Urheberrechts für das geistige Schaffen für wesentlich erachtet, den Urhebern ein hohes Schutzniveau gewährleisten wollte. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
Da dem Hauptregisseur des Filmwerks die Urhebereigenschaft zuerkannt worden ist, wäre es mit dem von der Richtlinie 2001/29 verfolgten Ziel nicht vereinbar, zuzulassen, dass diesem Urheber die in Rede stehenden Verwertungsrechte abgesprochen werden.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union jede Person das Recht hat, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Art. 17 Abs. 2 der Grundrechtecharta bestimmt, dass geistiges Eigentum geschützt wird.
In Anbetracht der oben in Randnr. 53 getroffenen Feststellung ist davon auszugehen, dass der Hauptregisseur des Filmwerks das Recht, das geistige Eigentum an diesem Werk zu besitzen, nach dem Unionsrecht rechtmäßig erworben hat.
Unter diesen Umständen käme die Verwehrung der in Rede stehenden Verwertungsrechte durch innerstaatliche Rechtsvorschriften einem Entzug seines rechtmäßig erworbenen Rechts des geistigen Eigentums gleich.
Demnach können die oben in den Randnrn. 50 bis 52 angesprochenen Bestimmungen der Richtlinien 93/83 und 2001/29 nicht mit Blick auf Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags in dem Sinne ausgelegt werden, dass ein Mitgliedstaat in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf der Grundlage des Art. 14bis der Berner Übereinkunft, indem er von der ihm dort eingeräumten Befugnis Gebrauch macht, dem Hauptregisseur die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwertungsrechte an dem Filmwerk absprechen kann, weil eine solche Auslegung nicht die einschlägigen Unionszuständigkeiten beachten würde, nicht mit dem von der Richtlinie 2001/29 verfolgten Ziel vereinbar wäre und auch nicht mit den Anforderungen in Einklang stünde, die sich aus Art. 17 Abs. 2 der Grundrechtecharta ergeben, der den Schutz des geistigen Eigentums garantiert.
Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 1 und 2 der Richtlinie 93/83 einerseits sowie die Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29 in Verbindung mit den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2006/115 und Art. 2 der Richtlinie 2006/116 andererseits dahin auszulegen sind, dass die Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Vervielfältigungsrecht, Recht zur Ausstrahlung über Satellit und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), kraft Gesetzes unmittelbar und originär dem Hauptregisseur zustehen. Folglich sind diese Bestimmungen dahin auszulegen, dass sie innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die die genannten Verwertungsrechte kraft Gesetzes ausschließlich dem Produzenten des betreffenden Werks zuweisen.
Zu Frage 2 a
Vorab ist daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 92/100 eine Vermutung der Abtretung des Vermietrechts zugunsten des Produzenten des Filmwerks aufgestellt hatte.
Nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2006/115, der die Formulierung von Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 92/100 aufgreift, wird nunmehr, wenn ausübende Künstler mit einem Filmproduzenten einen Vertrag über eine Filmproduktion schließen, vermutet, dass der unter diesen Vertrag fallende ausübende Künstler dem Produzenten sein Vermietrecht abgetreten hat, sofern in den Vertragsbestimmungen nichts anderes vorgesehen ist.
Außerdem ermächtigt Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2006/115, der die Formulierung von Art. 2 Abs. 6 der Richtlinie 92/100 aufgreift, die Mitgliedstaaten, eine ähnliche Vermutung in Bezug auf die Urheber vorzusehen.
Unter Berücksichtigung dieser Vorbemerkungen ist die Frage des vorlegenden Gerichts so zu verstehen, dass es im Wesentlichen darum geht, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine solche Abtretungsvermutung auch in Bezug auf die Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Recht zur Ausstrahlung über Satellit, Vervielfältigungsrecht und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), aufzustellen, und welche Bedingungen bejahendenfalls dafür gelten.
In Bezug auf das Ziel, das den mit der Vorlagefrage angesprochenen Bestimmungen der Richtlinie 2006/115 zugrunde liegt, ist der fünfte Erwägungsgrund dieser Richtlinie heranzuziehen, in dem ausgeführt wird, dass zum einen Urheber und ausübende Künstler, um ihre Tätigkeit ausüben zu können, eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten bedürfen und dass zum anderen die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen außerordentlich hoch und risikoreich sind. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden.
Diesem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 ist insbesondere zu entnehmen, dass ein Ausgleich gefunden werden muss, der einerseits den Rechten und Interessen der verschiedenen, an der durch den Film verkörperten Schöpfung beteiligten natürlichen Personen, d. h. des Urhebers oder der Miturheber des Filmwerks, und andererseits den Rechten und Interessen des Filmproduzenten, der die Initiative und Verantwortung für die Verwirklichung des Filmwerks sowie die mit dieser Investition verbundenen Risiken übernommen hat, Rechnung trägt.
Somit ist die Feststellung zulässig, dass im Rahmen der Richtlinie 2006/115 die Regelung der Vermutung einer Abtretung des Vermietrechts an den Filmproduzenten geschaffen wurde, um einer der Zielsetzungen nachzukommen, auf die sich der fünfte Erwägungsgrund dieser Richtlinie bezieht, nämlich, dem Produzenten eine Amortisierung der von ihm zur Verwirklichung des Filmwerks getätigten Investitionen zu ermöglichen.
Dabei hatte die Regelung der Abtretungsvermutung auch den Interessen des Hauptregisseurs des Filmwerks Rechnung zu tragen. Insoweit ist festzustellen, dass sie keineswegs die Regel in Frage stellt, nach der dem Urheber kraft Gesetzes das Vermiet- und Verleihrecht in Bezug auf sein Werk unmittelbar und originär zusteht. Mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Möglichkeit, dass „in den Vertragsbestimmungen … anderes vorgesehen“ wird, wollte der Unionsgesetzgeber dem Hauptregisseur nämlich die Möglichkeit einer anderslautenden Vereinbarung auf dem Vertragsweg erhalten.
Diese Vermutungsregelung ist somit entsprechend dem oben in Randnr. 78 erwähnten Ausgleichserfordernis so ausgestaltet, dass gewährleistet ist, dass der Filmproduzent das Vermietrecht an dem Filmwerk erwirbt, gleichzeitig aber der Hauptregisseur frei über seine Rechte als Urheber verfügen kann, um seine Interessen zu schützen.
Das Ziel, einen zufriedenstellenden Ertrag der Investition in den Film sicherzustellen, geht aber über den bloßen Schutz des in der Richtlinie 2006/115 geregelten Vermiet- und Verleihrechts hinaus, weil es sich auch in anderen einschlägigen Richtlinien findet.
So wird im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 bestätigt, dass beträchtliche Investitionen erforderlich sind, um Produkte wie Filme oder Multimediaprodukte herstellen zu können. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums einen angemessenen rechtlichen Schutz genießen, kann deshalb ein zufriedenstellender Ertrag der Investitionen sichergestellt werden (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 13. Juli 2006, Kommission/Portugal, C-61/05, Slg. 2006, I-6779, Randnr. 27).
Der Unionsgesetzgeber hat im fünften Erwägungsgrund derselben Richtlinie ausdrücklich auch klargestellt, dass zwar die damals bestehenden Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte angepasst und ergänzt werden sollten, um den wirtschaftlichen Gegebenheiten wie dem Erscheinen neuer Verwertungsformen in angemessener Weise Rechnung zu tragen, für den Schutz des geistigen Eigentums sah er aber keinen Bedarf an neuen Konzepten.
Unter diesen Bedingungen muss, da zum einen davon auszugehen ist, dass der Unionsgesetzgeber im Jahr 2001 beim Erlass der Richtlinie 2001/29 die im Rahmen der früheren Richtlinien ausgearbeiteten verschiedenen Konzepte des Schutzes des geistigen Eigentums aufrechterhalten hat, und da er zum anderen für den vorliegenden Fall nichts anderes bestimmt hat, zugrunde gelegt werden, dass er in Bezug auf die mit dieser Richtlinie geregelten Verwertungsrechte die Anwendung eines Konzepts wie desjenigen der Abtretungsvermutung nicht ausschließen wollte.
Demnach muss eine Regelung der Abtretungsvermutung, wie sie hinsichtlich des Vermiet- und Verleihrechts ursprünglich in Art. 2 Abs. 5 und 6 der Richtlinie 92/100 vorgesehen war und dann im Wesentlichen in Art. 3 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2006/115 übernommen worden ist, auch in Bezug auf die Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Recht zur Ausstrahlung über Satellit, Vervielfältigungsrecht und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), Anwendung finden können.
Nach alledem ist auf Frage 2 a zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine Vermutung der Abtretung der Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Recht zur Ausstrahlung über Satellit, Vervielfältigungsrecht und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), an den Produzenten des Filmwerks aufzustellen, vorausgesetzt, dass eine solche Vermutung nicht unwiderlegbar ist und damit die Möglichkeit für den Hauptregisseur des Filmwerks ausschlösse, eine anderslautende Vereinbarung zu treffen.
Zu Frage 2 b
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Anspruch auf eine angemessene Vergütung wie der in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 im Rahmen der sogenannten Privatkopieausnahme vorgesehene gerechte Ausgleich kraft Gesetzes unmittelbar und originär dem Hauptregisseur in seiner Eigenschaft als Urheber oder Miturheber des Filmwerks zusteht.
Vorab ist klarzustellen, dass sich die Vorlagefrage nur auf den in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 im Rahmen der Privatkopieausnahme vorgesehenen gerechten Ausgleich bezieht und daher allein aus dem Blickwinkel des Vervielfältigungsrechts und des damit zusammenhängenden Anspruchs auf gerechten Ausgleich beantwortet wird.
Dabei ist gleich daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 den Urhebern grundsätzlich das ausschließliche Recht gewähren müssen, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung ihrer Werke auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.
Nach Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie steht das gleiche Recht den Herstellern der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme zu.
Daraus folgt, dass sowohl der Hauptregisseur in seiner Eigenschaft als Urheber des Filmwerks als auch der Produzent als derjenige, der für die zur Herstellung dieses Werks nötigen Investitionen verantwortlich ist, kraft Gesetzes als Inhaber des Vervielfältigungsrechts anzusehen sind.
Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht der Inhaber dieses Rechts in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke (Privatkopieausnahme) vorsehen, wofür jedoch Bedingung ist, dass im Gegenzug für die betroffenen Rechtsinhaber die Zahlung eines gerechten Ausgleichs sichergestellt ist.
Da der Hauptregisseur des Filmwerks einer dieser Rechtsinhaber ist, muss er folglich als kraft Gesetzes unmittelbar und originär Anspruchsberechtigter des im Rahmen der Privatkopieausnahme geschuldeten gerechten Ausgleichs angesehen werden.
Nach alledem ist auf Frage 2 b zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass der Hauptregisseur in seiner Eigenschaft als Urheber des Filmwerks kraft Gesetzes unmittelbar und originär Berechtigter des in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 im Rahmen der sogenannten Privatkopieausnahme vorgesehenen Anspruchs auf gerechten Ausgleich sein muss.
Zur dritten und zur vierten Frage
Mit diesen zusammen zu prüfenden Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine Vermutung der Abtretung der dem Hauptregisseur des Filmwerks zustehenden Vergütungsansprüche an den Produzenten dieses Werks aufzustellen.
Insoweit ist unstreitig, dass der Hauptregisseur des Filmwerks nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Rechtsvorschrift, die eine solche Vermutung aufstellt, auf seine Ansprüche auf angemessene Vergütung verzichten kann.
Somit ist zuerst zu prüfen, ob das Unionsrecht einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der der Hauptregisseur des Filmwerks auf seine Ansprüche auf angemessene Vergütung verzichten kann.
Klarzustellen ist dabei vorab, dass sich die Vorlagefragen auf die Vergütungsansprüche im Sinne der zuvor gestellten Frage beziehen und daher allein aus dem Blickwinkel des Vervielfältigungsrechts und des Anspruchs auf den in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 im Rahmen der Privatkopieausnahme vorgesehenen gerechten Ausgleich beantwortet werden.
Wie oben in Randnr. 93 ausgeführt, ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29, dass in den Mitgliedstaaten, die sich für die Einführung der Privatkopieausnahme entschieden haben, die betroffenen Rechtsinhaber im Gegenzug die Zahlung eines gerechten Ausgleichs erhalten müssen. Aus der betreffenden Formulierung folgt, dass der Unionsgesetzgeber nicht zulassen wollte, dass die Betroffenen auf den Erhalt dieses Ausgleichs verzichten können.
Außerdem muss Art. 5 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie, da er eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers an seinem Werk zulässt, eine enge Auslegung zuteil werden, die impliziert, dass diese Ausnahme nicht über den ausdrücklichen Regelungsinhalt der fraglichen Bestimmung hinaus erweitert werden kann. Diese Bestimmung gestattet eine Ausnahme aber nur vom Vervielfältigungsrecht und kann nicht auf die Vergütungsansprüche erstreckt werden.
Dieses Ergebnis wird auf kontextueller Ebene durch Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 in Verbindung mit deren 12. Erwägungsgrund bestätigt, die Art. 4 Abs. 2 und den 15. Erwägungsgrund der vom vorlegenden Gericht in Bezug genommenen Richtlinie 92/100 aufgreifen. In diesen Bestimmungen heißt es klar, dass der Urheber auf den Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Vermietung nicht verzichten kann.
Zwar hat der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Richtlinien 92/100 und 2006/115 den Begriff „Vergütung“ anstelle des in der Richtlinie 2001/29 gebrauchten Begriffs „Ausgleich“ verwendet. Allerdings soll mit diesem Begriff „Vergütung“ auch eine Entschädigung für die Urheber eingeführt werden, denn sie erfolgt zum Ausgleich eines ihnen verursachten Schadens (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2011, VEWA, C-271/10, Slg. 2011, I-5815, Randnr. 29).
Wie oben in den Randnrn. 84 und 85 ausgeführt, ist davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2001/29 die im Rahmen der früheren Richtlinien ausgearbeiteten Konzepte des Schutzes des geistigen Eigentums aufrechterhalten hat, sofern er nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen hat.
Hier ergibt sich hinsichtlich des Anspruchs auf gerechten Ausgleich, der den Urhebern im Rahmen der Privatkopieausnahme geschuldet wird, aus keiner Bestimmung der Richtlinie 2001/29, dass der Unionsgesetzgeber die Möglichkeit eines Verzichts des Anspruchsberechtigten ins Auge gefasst hätte.
Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dem Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat, eine Ergebnispflicht in dem Sinne auferlegen, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs, der den Inhabern der verletzten Rechte den entstandenen Schaden ersetzen soll, sicherstellen muss, da diesen Bestimmungen sonst jede praktische Wirksamkeit genommen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2011, Stichting de Thuiskopie, C-462/09, Slg. 2011, I-5331, Randnr. 34). Den Mitgliedstaaten eine solche Ergebnispflicht zur Erhebung des gerechten Ausgleichs für die Rechtsinhaber aufzuerlegen, lässt sich aber konzeptionell nicht mit der Möglichkeit für die Rechtsinhaber vereinbaren, auf diesen gerechten Ausgleich zu verzichten.
Demnach steht das Unionsrecht einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift entgegen, nach der der Hauptregisseur des Filmwerks auf seinen Anspruch auf einen gerechten Ausgleich verzichten kann.
Erst recht ist das Unionsrecht dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit lässt, eine unwiderlegbare Vermutung der Abtretung der dem Hauptregisseur des Filmwerks zustehenden Vergütungsansprüche an den Produzenten dieses Werks aufzustellen, da eine solche Vermutung zur Folge hätte, dass dem Hauptregisseur die Zahlung des in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen gerechten Ausgleichs vorenthalten bliebe. Wie aber oben in Randnr. 100 ausgeführt, muss der Hauptregisseur als Inhaber des Vervielfältigungsrechts unbedingt die Zahlung dieses Ausgleichs erhalten.
Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit lässt, eine Vermutung der Abtretung des dem Hauptregisseur des Filmwerks zustehenden Anspruchs auf gerechten Ausgleich an den Produzenten dieses Werks aufzustellen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Vermutung unwiderlegbar oder abbedingbar ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung einerseits sowie die Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in Verbindung mit den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und Art. 2 der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte andererseits sind dahin auszulegen, dass die Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Vervielfältigungsrecht, Recht zur Ausstrahlung über Satellit und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), kraft Gesetzes unmittelbar und originär dem Hauptregisseur zustehen. Folglich sind diese Bestimmungen dahin auszulegen, dass sie innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die die genannten Verwertungsrechte kraft Gesetzes ausschließlich dem Produzenten des betreffenden Werks zuweisen.
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine Vermutung der Abtretung der Verwertungsrechte an dem Filmwerk, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen (Recht zur Ausstrahlung über Satellit, Vervielfältigungsrecht und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung), an den Produzenten des Filmwerks aufzustellen, vorausgesetzt, dass eine solche Vermutung nicht unwiderlegbar ist und damit die Möglichkeit für den Hauptregisseur des Filmwerks ausschlösse, eine anderslautende Vereinbarung zu treffen.
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass der Hauptregisseur in seiner Eigenschaft als Urheber des Filmwerks kraft Gesetzes unmittelbar und originär Berechtigter des in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 im Rahmen der sogenannten Privatkopieausnahme vorgesehenen Anspruchs auf gerechten Ausgleich sein muss.
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit lässt, eine Vermutung der Abtretung des dem Hauptregisseur des Filmwerks zustehenden Anspruchs auf gerechten Ausgleich an den Produzenten dieses Werks aufzustellen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Vermutung unwiderlegbar oder abbedingbar ist.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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