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BAG 14.03.2023 - 3 AZR 175/22
BAG 14.03.2023 - 3 AZR 175/22 - Betriebliche Altersversorgung - Klage auf künftige Leistung
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 14. April 2021, Az: 29 Ca 2551/21, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 1. Dezember 2021, Az: 23 Sa 835/21, Urteil
Leitsatz
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Betriebsrentenansprüche können als wiederkehrende Leistungen auch im Wege einer Klage auf künftige Entrichtung gemäß § 258 ZPO gerichtlich geltend gemacht werden. Es muss keine Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entzieht.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Dezember 2021 - 23 Sa 835/21 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. April 2021 - 29 Ca 2551/21 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.699,89 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich aus jeweils 261,11 Euro seit dem 1. Februar 2020, 1. März 2020, 1. April 2020, 1. Mai 2020, 1. Juni 2020, 1. Juli 2020, 1. August 2020, 1. September 2020, 1. Oktober 2020, 1. November 2020, 1. Dezember 2020, 1. Januar 2021, 1. Februar 2021, 1. März 2021, 1. April 2021, 1. Mai 2021, 1. Juni 2021 und 1. Juli 2021 zu zahlen.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem Monat Juli 2021 eine monatliche Betriebsrente iHv. insgesamt 3.008,92 Euro brutto im Erlebensfall zu zahlen.
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Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 6 vH und die Beklagte 94 vH zu tragen.
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Von den Kosten der Revision haben der Kläger 30 vH und die Beklagte 70 vH zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz zuletzt noch darüber, ob die Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen auch auf unstreitige Ansprüche aus einer gesonderten Versorgungszusage erstreckt werden kann.
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Der 1954 geborene Kläger schied Ende 2019 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Seit Januar 2020 bezieht er eine Betriebsrente aus verschiedenen Versorgungsbestandteilen. Zu diesen zählen nach einer Auskunft der B GmbH Team Pensions vom 10. Januar 2020 - gezeichnet auch im Auftrag der Beklagten, der B Altersversorgung GmbH und der R Pensionskasse VVaG - ua. eine von der Beklagten iHv. monatlich 440,08 Euro gewährte Zusatzrente „B“ sowie Leistungen der R Pensionskasse iHv. monatlich 184,86 Euro.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem Monat Juli 2021 eine monatliche Betriebsrente iHv. insgesamt 3.193,78 Euro brutto im Erlebensfalle zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, soweit die Ansprüche unstreitig seien und sie freiwillig zahle.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von monatlich 3.193,89 Euro brutto verurteilt.
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Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit sie zur Zahlung von wiederkehrend monatlich 184,86 Euro brutto Rente der R Pensionskasse und 440,08 Euro brutto betrieblicher Zusatzrente „B“ verurteilt worden ist. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision. Seine Klage auf Zahlung von wiederkehrend monatlich 184,86 Euro brutto Rente der R Pensionskasse hat er mit Zustimmung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist im zugelassenen und noch anhängigen Umfang zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers iHv. 440,08 Euro brutto monatlicher „Zusatzrente B“ zu Recht stattgegeben. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger habe insoweit zulässig Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen erhoben. Diese ist auch begründet.
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I. Die Revision der Beklagten ist zulässig.
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1. Eine ausreichende Revisionsbegründung setzt grundsätzlich auch im Falle einer Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung voraus, sofern nicht schon die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eine solche Auseinandersetzung enthält (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 13 f.).
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2. Die Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen. Zwar stimmt sie weitgehend mit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde überein und orientiert sich im Wesentlichen an den Zulassungsgründen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ArbGG. Sie führt aber außerdem inhaltliche Argumente gegen die Richtigkeit der Würdigung des Berufungsgerichts an, die Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen sei auch insoweit zulässig, wie die Beklagte freiwillig zahle.
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II. Die Revision ist im zugelassenen und noch rechtshängigen Umfang unbegründet.
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1. Die Klage auf künftige Leistung ist insoweit zulässig.
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a) Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, kann gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden. Im systematischen Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (BAG 14. Juli 2015 - 3 AZR 594/13 - Rn. 12).
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b) Für eine Klage gemäß § 258 ZPO wird kein besonderes Rechtsschutzinteresse verlangt. Auch unstreitige Ansprüche oder Teile hiervon können als künftige Leistung eingeklagt werden.
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aa) Schon wegen des Titulierungsinteresses ist die Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen auch insoweit zulässig, wie der Gegner freiwillig zahlt (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 137/09 - Rn. 16). § 258 ZPO gestattet aus prozesswirtschaftlichen Gründen die Bündelung mehrerer Leistungsklagen in einem Antrag. Es soll dem Gläubiger erspart werden, über jede Rate auf der Grundlage sich wiederholenden Vortrags immer wieder einen Titel erwirken zu müssen (BGH 17. November 2006 - V ZR 71/06 - Rn. 7). Das spiegelt sich auch in den gesetzlichen Vorzügen der Gebührenprogression und der Streitwertbemessung von Klagen auf wiederkehrende Leistungen wider, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 Satz 1 ZPO.
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bb) Ein schutzwürdiges Interesse an einem Vollstreckungstitel hat der Kläger auch dann, wenn der Schuldner bisher freiwillig und pünktlich gezahlt hat (BGH 1. Juli 1998 - XII ZR 271/97 - zu 2 der Gründe; MüKoZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 258 Rn. 15; BeckOK ZPO/Bacher Stand 1. Dezember 2022 § 258 Rn. 12). Der Schuldner könnte seine freiwilligen Zahlungen jederzeit einstellen, während der Gläubiger auf laufende pünktliche Leistungen angewiesen ist. § 258 ZPO eröffnet daher ausdrücklich die Möglichkeit einer Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen (BGH 2. Dezember 2009 - XII ZB 207/08 - Rn. 15). Will der Gläubiger ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO mit Kostenlast vermeiden, kann er den Schuldner zunächst zur außergerichtlichen Titulierung des Anspruchs auffordern (BGH 2. Dezember 2009 - XII ZB 207/08 - Rn. 16). Das Titulierungsinteresse schließt die Anwendung des § 93 ZPO nicht aus (BAG 14. Februar 2012 - 3 AZB 59/11 - Rn. 21, BAGE 140, 362).
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cc) Für Ansprüche auf Betriebsrentenzahlungen als künftig wiederkehrende Leistungen besteht ebenfalls ein solches Titulierungsinteresse. Das gilt auch dann, wenn sie auf verschiedenen Zusagen beruhen und nur Teile davon zwischen den Parteien im Streit stehen. Selbst wenn diese klarer als bei nur einer Zusage voneinander abgegrenzt werden können, lässt dies das Interesse an einer Titulierung auch der unstreitigen Teile nicht entfallen.
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c) Eine Unterscheidung zwischen rechtgeschäftlich und nichtrechtsgeschäftlich begründeten Ansprüchen ist nicht geboten. In den Motiven zum BGB ist zwar ursprünglich erwogen worden, in § 190 Abs. 2 BGB eine Regelung aufzunehmen, nach der eine Verurteilung für erst später fällig werdende, wiederkehrende Leistungen nur für nicht auf einem Rechtsgeschäft beruhende Ansprüche hätte erfolgen können. Die Bestimmung wurde jedoch nicht Gesetz. Vielmehr schaffte der Gesetzgeber mit der Novelle und Bekanntmachung von 1898 (RGBl. S. 256, 269, 410, 458) in § 231b bzw. § 258 ZPO eine entsprechende Regelung auch für rechtsgeschäftlich begründete Leistungspflichten, die mit dem heutigen § 258 ZPO inhaltsgleich ist (Wieczorek/Schütze/Assmann ZPO 5. Aufl. § 258 Rn. 1).
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d) Der Leistungsklage steht nicht entgegen, dass der Kläger dem noch streitgegenständlichen Anspruch ursprünglich keine Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit beigemessen hat. Es liegen auch sonst keine besonderen Umstände vor, die das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise entfallen ließen.
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aa) Mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des durch Art. 20 Abs. 3 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährleistungsanspruchs soll (lediglich) verhindert werden, dass die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele genutzt wird. Bei Leistungsklagen können nur ausnahmsweise besondere Umstände das Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung eines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen. Es sollen Klagebegehren nicht in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die - gemessen am Zweck des Zivilprozesses - ersichtlich eines staatlichen Rechtsschutzes durch eine materiell-rechtliche Prüfung nicht bedürfen (BGH 23. März 2022 - VIII ZR 133/20 - Rn. 16).
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bb) An solchen besonderen Umständen fehlt es. Dafür genügt es nicht, dass die Beklagte den Betrag bislang unstreitig gezahlt hat. Der Kläger hat vielmehr ein berechtigtes Interesse daran, bei wiederkehrenden Leistungen betrieblicher Altersversorgung auch unstreitige Teile seiner Ansprüche für die Zukunft gerichtlich geltend zu machen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie bislang nicht tituliert sind und zudem andere Teile seiner Versorgungsansprüche streitig sind. Er ist dann nicht gezwungen, die unstreitigen Teile von der eingeklagten wiederkehrenden Leistung auszunehmen.
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2. Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Zusatzrente „B“ iHv. wiederkehrend 440,08 Euro brutto monatlich. Dies steht auch zwischen den Parteien nicht im Streit.
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III. Unter Berichtigung des Tenors zu 2. wegen eines offenkundigen Schreibfehlers des Berufungsgerichts (vgl. BAG 8. Dezember 2020 - 3 AZR 64/19 - Rn. 47 ff.) - auf den es bereits im Urteil hingewiesen hat - hat der Kläger insgesamt einen Anspruch auf Betriebsrentenleistungen gegen die Beklagte iHv. monatlich 3.008,92 Euro brutto. Das entspricht der ursprünglich geforderten Gesamtsumme iHv. 3.193,78 Euro brutto (statt der im Berufungsurteil versehentlich tenorierten 3.193,89 Euro brutto) abzüglich der Teilklagerücknahme über 184,86 Euro brutto.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Streitwert erster und zweiter Instanz beläuft sich auf 114.983,28 Euro.
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