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BAG 19.11.2019 - 1 ABR 22/18
BAG 19.11.2019 - 1 ABR 22/18 - Einigungsstellenspruch - Betrieblicher Gesundheitsschutz
Normen
§ 87 Abs 1 Nr 7 BetrVG, § 5 ArbSchG, § 3 Abs 1 S 1 ArbSchG, § 3 Abs 1 S 2 ArbSchG, § 76 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Kiel, 26. Juli 2017, Az: 7 BV 67 c/16, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 25. April 2018, Az: 6 TaBV 21/17, Beschluss
Leitsatz
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Einer Einigungsstelle kann im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht gleichzeitig der Regelungsauftrag zur Ausgestaltung der Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 ArbSchG und zur Regelung erforderlicher Schutzmaßnahmen iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG sowie deren Wirksamkeitskontrolle iSv. § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG übertragen werden.
Tenor
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Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 25. April 2018 - 6 TaBV 21/17 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
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Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt eine Spezialklinik zur Behandlung von Wirbelsäulen und Gelenken, für die der beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Nachdem es zwischen den Beteiligten zu Auseinandersetzungen über die Mindestbesetzung des Pflegedienstes gekommen war, beschloss der Betriebsrat am 6. März 2013 die Einrichtung einer Einigungsstelle zum „Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Dies teilte er der Arbeitgeberin am 7. März 2013 mit.
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Mit E-Mail vom 3. April 2013 informierte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats den Vorsitzenden der Einigungsstelle darüber, dass deren Gegenstand die „Mindestbesetzung in der Dienstplanung für den Pflegedienst für Früh-, Spät- und Nachtdienst in den Stationen 2a, 2b, 2c sowie 4a, 4b und 4c“ sei. In den Protokollen der beiden ersten Einigungsstellensitzungen am 16. April 2013 und 7. Mai 2013 ist der Regelungsgegenstand ebenfalls entsprechend bezeichnet. Ausweislich des Protokolls vom 16. April 2013 verständigten sich die Beteiligten darauf, die vom Betriebsrat „geltend gemachte gesundheitliche Gefährdungssituation der Beschäftigten näher zu analysieren und dies im Rahmen dieser Einigungsstelle zu tun …“. In der Sitzung der Einigungsstelle am 7. Mai 2013 kamen deren Beisitzer überein, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der von der Einigungsstelle beauftragte Arbeitswissenschaftler Dr. H legte im September 2013 einen gutachterlichen Bericht zur Arbeitssituation der Pflegekräfte auf den Stationen 4a und 4b vor.
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Die Beteiligten schlossen am 23./25. September 2013 eine „Zwischenvereinbarung als Regelungsabrede“ (Regelungsabrede 2013), die auszugsweise lautet:
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„Teil II
Zwischen den Betriebsparteien wird vereinbart, im Rahmen dieser Einigungsstelle nach § 87 I Nr. 7 BetrVG, dass nach Maßgabe der Empfehlung im Gutachten von Dr. H S. 20 f. eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird.
Methode: moderierte Gefährdungsbeurteilung.
Moderator: Dr. H.
Teil III
Diese Einigungsstelle tritt wieder zusammen,
a) … wenn zwischen den Betriebsparteien keine Einigung über Einzelheiten der Durchführung und Schlussfolgerungen aus der Gefährdungsbeurteilung besteht
b) wenn zwischen den Betriebsparteien keine Einigung besteht über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung Personalbesetzung im Rahmen von § 87 I Nr. 7 BetrVG iVm. ArbSchG
c) bei fehlender Einigung über die Dienstpläne gemäß ab 1.4.2014.“
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Am 14. März 2014 trafen die Beteiligten folgende „Vereinbarung“:
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„Die … (Arbeitgeberin) bestreitet auch weiterhin die Zuständigkeit der Einigungsstelle im Hinblick auf eine Personalbemessung/Mindestbesetzung …
Dies vorausgeschickt vereinbaren die Betriebsparteien Folgendes:
1.
Durchführung einer teilnehmenden Beobachtung mit integrierten kriteriengeleiteten Beobachtungsinterviews durch Herrn Dr. H in Bezug auf
a) die geänderte Belegungssituation auf den Stationen 4a und 4b
b) die Stationen 4c sowie 3a/b und 3c
…
2.
Erstellung eines Gutachtens durch Herrn Dr. H auf Basis der Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtung und der Beobachtungsinterviews
…
4.
1Der Prozess der moderierten Gefährdungsbeurteilung wird von einem von Arbeitgeber und Betriebsrat paritätisch besetzten … Steuerungskreis geleitet.
…
4Dem Steuerungskreis obliegt die Regelung von ggf. gemäß § 3 iVm. §§ 4, 5 ArbSchG sich ergebenden erforderlichen Maßnahmen.
5.
Sollten einzelne Fragen und/oder Entscheidungen im Steuerungskreis nicht einverständlich geklärt werden können, werden diese Fragen gemäß Ziffer III. der Regelungsabrede vom 23. September 2013 in der Einigungsstelle verhandelt und ggf. entschieden.“
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Das in Nr. 2 der Vereinbarung genannte Gutachten legte Herr Dr. H Anfang Juni 2014 vor.
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Die Beteiligten schlossen am 25. November 2014 eine für die Pflegekräfte der Stationen 3a bis 3c und 4a bis 4c geltende Betriebsvereinbarung zur „Regelung der Arbeit des Steuerkreises zur Gestaltung des Gefährdungsbeurteilungsprozesses in Ausführung der Regelungsabrede vom 14. März 2014“ (BV 2014). Nach deren Nr. 3.1 obliegt dem Steuerungskreis die Regelung von ggf. gemäß § 3 iVm. §§ 4, 5 ArbSchG sich ergebenden erforderlichen Maßnahmen. In Nr. 3.3 BV 2014 ist festgelegt, dass der Steuerungskreis verantwortlich ist für „Organisation, Planung, Durchführung, Auswertung und Dokumentation von Gefährdungsanalysen, Bewertungen, Festlegung von Maßnahmen, Umsetzung von Maßnahmen und deren Wirksamkeitskontrolle“. Gemäß Nr. 3.4 Satz 1 BV 2014 entwickelt er aus „den Ergebnissen der Begutachtung von Dr. … H und Gefährdungsanalyse und -beurteilung“ Maßnahmen und „veranlasst ggf. ergänzende Untersuchungen“. Für die Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen ist der Steuerungskreis zuständig (Nr. 3.4 Satz 3 BV 2014). Nr. 3.5 BV 2014 entspricht der Regelung in Nr. 5 der Vereinbarung vom 14. März 2014.
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Die Einigungsstelle nahm - nachdem der Steuerungskreis zunächst mehrmals getagt hatte - im Laufe des Jahres 2015 wieder ihre Tätigkeit auf. Am 17. Mai 2016 beschloss sie gegen die Stimmen der arbeitgeberseitigen Beisitzer die „Einholung eines Sachverständigengutachtens in Bezug auf den Gegenstand Arbeitsbereichs-/Tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung der Tätigkeit der Pflegekräfte auf den Stationen 2c, 3a, 3c, 4a und 4c (inklusive Ambulanz) einschließlich des Aufnahmezentrums … mit Schwerpunkt psychischer Belastung“. Weiter heißt es in dem Beschluss:
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„Dabei soll im Rahmen des Gutachtens aufgrund der bisherigen Anträge des Betriebsrates … auch eine Stellungnahme zu folgenden Fragen erfolgen:
●
Aufgrund welcher Risikofaktoren ist hinsichtlich der Arbeitssituation der Pflegekräfte generell bzw. aufgrund der speziellen Situation von einer Gefährdung der Gesundheit auszugehen?
…“
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Die Personalleiterin der Arbeitgeberin erklärte sich Ende Juli 2016 mit der Erteilung des Gutachtenauftrags an Herrn Dr. R auf der Grundlage des von diesem unterbreiteten Angebots einverstanden. Dieser legte seine „Gutachterliche Stellungnahme“ Ende November 2016 vor.
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Die Einigungsstelle beschloss am 8. Dezember 2016 eine „Betriebsvereinbarung allgemeiner Pflegedienst zur Dienstplanung der Pflegekräfte in Abhängigkeit der Belegung der Stationen“ (BV Besetzung). Diese regelt nach ihrem § 1 („Geltungsbereich“) die Dienstplanung für die Pflegekräfte des allgemeinen Pflegedienstes, derzeit auf den Stationen 2c, 3a incl. 2a, 3c, 4b und 4c incl. 4a. § 2 Abs. 1 BV Besetzung bestimmt, dass bei der Dienstplanung zur Vermeidung einer gesundheitlichen Gefährdung der Bedarf an erforderlichen Pflegeminuten je Patient zu beachten ist. In § 3 Nr. 1 bis Nr. 5 BV Besetzung ist die Anzahl der einzusetzenden Pflegekräfte für die einzelnen Stationen jeweils für den Früh-, Spät- und Nachtdienst von Montag bis Freitag sowie - sofern die Station in dieser Zeit nicht geschlossen ist - an Wochenenden und Wochenfeiertagen festgelegt. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 BV Besetzung sind während des laufenden Dienstplanmonats Belegungserhöhungen nur durchzuführen, wenn die erforderliche Zahl von Pflegekräften zur Verfügung steht.
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Der vom Einigungsstellenvorsitzenden unterzeichnete Spruch wurde der Arbeitgeberin am 27. Dezember 2016 zugeleitet. Mit am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag hat sie diesen angefochten.
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Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, der Regelungsauftrag der Einigungsstelle sei nicht hinreichend bestimmt. Zumindest fehle es an deren Zuständigkeit. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 ArbSchG bestehe nicht. Die Gutachten hätten keine konkreten Gesundheitsgefährdungen der Pflegekräfte ergeben. Betriebliche Besetzungsregeln seien ohnehin nicht vom Mitbestimmungsrecht erfasst. Der Spruch sei auch ermessensfehlerhaft, da er ihre durch Art. 12 GG geschützte unternehmerische Freiheit missachte.
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Die Arbeitgeberin hat sinngemäß beantragt
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festzustellen, dass der Spruch der bei ihr gebildeten Einigungsstelle zu § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. ArbSchG vom 8. Dezember 2016, zugestellt am 27. Dezember 2016, unwirksam ist.
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Der Betriebsrat hat Antragsabweisung beantragt und geltend gemacht, der Spruch sei wirksam. Die Einigungsstelle sei beauftragt worden „Schlussfolgerungen aus der Gefährdungsbeurteilung und ggf. Abschluss einer Betriebsvereinbarung Personalbesetzung“ zu regeln. Das Gutachten aus dem Jahr 2014 habe eine konkrete Gefährdung der Pflegekräfte aufgrund hoher Arbeitsintensität aufgezeigt. Vorgaben zur Personalbemessung könnten eine - nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtige - Maßnahme des Arbeitsschutzes darstellen. Diese sei vorliegend auch erforderlich und angemessen. Die BV Besetzung lege lediglich eine Belastungsgrenze zur Vermeidung gesundheitlicher Gefährdungen fest. Die Arbeitgeberin habe verschiedene Handlungsmöglichkeiten, um die vorgegebene Mindestbesetzung der Pflegekräfte einzuhalten.
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Auf ihre Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 8. Dezember 2016 unwirksam ist.
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I. Der zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs und damit auf das Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtete Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig (vgl. BAG 13. August 2019 - 1 ABR 6/18 - Rn. 12 mwN). Sie hat an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin - nach ihrem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde - die BV Besetzung zum 30. Juni 2018 gekündigt hat, steht dem nicht entgegen. Sollte der Spruch die Einigung der Betriebsparteien nach § 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG (wirksam) ersetzen, würde die Betriebsvereinbarung nach ihrer Kündigung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirken.
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II. Der Antrag ist begründet. Zwar ist entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts nicht davon auszugehen, dass das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG allein aus systematischen Gründen keine Maßnahmen erfasst, die - wie Besetzungsregeln - ggf. die Personaleinsatzplanung des Arbeitgebers und damit eine Angelegenheit iSd. § 92 BetrVG berühren. Dies verkennt, dass das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Personalplanung nach § 92 BetrVG einerseits und sein Mitbestimmungsrecht beim Arbeits- und Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG andererseits unterschiedliche Angelegenheiten betreffen. Aus diesem Grund gibt auch die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 6/1786 S. 31), nach der die Beteiligung der Arbeitnehmer auf wirtschaftlichem Gebiet dem Unternehmensverfassungsrecht vorbehalten bleiben sollte, für die von ihm angenommene Einschränkung nichts her. Dennoch ist das Landesarbeitsgericht letztlich zutreffend davon ausgegangen, dass die auf dem Spruch beruhende BV Besetzung vom 8. Dezember 2016 unwirksam ist.
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1. Der Regelungsauftrag der Einigungsstelle war mangels hinreichender Bestimmtheit schon nicht geeignet, ihr die erforderliche Spruchkompetenz zu vermitteln. Der Mangel in der notwendigen Bestimmung des Regelungsauftrags der Einigungsstelle bewirkt die Unwirksamkeit des gesamten Spruchs (vgl. BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 15, BAGE 159, 12).
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a) Einigungs- oder Bestellungsgegenstand bei der Bildung einer Einigungsstelle sowohl nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als auch nach § 76 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG iVm. § 100 ArbGG ist - neben der Person des Vorsitzenden und der Anzahl der vom Arbeitgeber und Betriebsrat zu benennenden Beisitzer - auch die Festlegung des von ihr zu verhandelnden Regelungsgegenstands. Dieser kann weit gefasst werden, was nicht zuletzt dem im Einigungsstellenverfahren angelegten Einigungsvorrang (§ 76 Abs. 3 Satz 3 BetrVG) entspricht. Stets aber muss hinreichend klar sein, über welchen Gegenstand die Einigungsstelle überhaupt verhandeln und ggf. durch Spruch befinden soll. Das ist unerlässlich, weil mit dem Regelungsgegenstand der Zuständigkeitsrahmen der Einigungsstelle begrenzt wird, damit diese der gesetzgeberischen Konzeption genügen kann, eine regelungsbedürftige Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge vollständig zu lösen. Da ein Einigungsstellenspruch auch dann unwirksam ist, wenn die Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag nicht ausreichend nachkommt und keine abschließende Regelung trifft, muss sowohl für das Einigungsstellenverfahren als auch für die gerichtliche Überprüfung der Zuständigkeit der Einigungsstelle oder ihres Spruchs erkennbar sein, für welche konkreten Regelungsfragen sie errichtet worden ist. Das gilt auch für eine Einigungsstelle zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten in den Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (vgl. BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 11 f., BAGE 159, 12).
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b) Ausgehend hiervon lassen die Vereinbarungen der Beteiligten nicht erkennen, welchen Regelungsauftrag die Einigungsstelle zum Zeitpunkt ihres Spruchs zu erfüllen hatte.
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aa) Der anfangs im Beschluss des Betriebsrats vom 6. März 2013 zur Anrufung der Einigungsstelle und in der Mitteilung an die Arbeitgeberin vom 7. März 2013 benannte Regelungsauftrag „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ war wegen seiner inhaltlichen Unbestimmtheit nicht geeignet, eine Spruchkompetenz zu vermitteln. Er lässt nicht erkennen, welche vorhandenen Regelungskonflikte einer Lösung zugeführt werden sollen und welche Angelegenheiten in der Einigungsstelle überhaupt behandelt werden müssen (vgl. dazu BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 13, BAGE 159, 12).
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bb) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beteiligten diesen unbestimmten Regelungsauftrag - entsprechend der E-Mail des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 3. April 2013 und der Angaben in den Protokollen der Einigungsstellensitzungen vom 16. April 2013 und 7. Mai 2013 - nachfolgend zunächst einvernehmlich auf den Regelungsgegenstand „Mindestbesetzung in der Dienstplanung für den Pflegedienst für Früh-, Spät- und Nachtdienst in den Stationen 2a, 2b, 2c sowie 4a, 4b und 4c“ beschränkt haben (vgl. hierzu auch BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 72/12 - Rn. 16; 9. November 2011 - 1 ABR 75/09 - Rn. 21). Denn jedenfalls haben die Betriebsparteien den Regelungsauftrag der Einigungsstelle durch die Bestimmungen in Teil III der Regelungsabrede 2013 erheblich erweitert. Danach sollte die Einigungsstelle wieder zusammen treten, wenn zwischen den Betriebsparteien keine Einigung über die Dienstpläne für die Zeit ab April 2014 (Buchst. c), über den „Abschluss einer Betriebsvereinbarung Personalbesetzung“ (Buchst. b) oder über Einzelheiten „der Durchführung und Schlussforderungen“ aus der in Teil II der Regelungsabrede 2013 vereinbarten moderierten Gefährdungsbeurteilung erzielt wird. Aufgrund der in Teil III Buchst. a der Regelungsabrede 2013 getroffenen Vereinbarung war die Einigungsstelle damit einerseits für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten in Bezug auf die Ausführung („Durchführung“) der Gefährdungsbeurteilung zuständig; andererseits sollte sie im Konfliktfall auch die sich aus der durchgeführten Gefährdungsbeurteilung ergebenden erforderlichen Maßnahmen iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG regeln. Zu diesen gehörte die - ausdrücklich in Teil III Buchst. b Regelungsabrede 2013 aufgeführte - „Betriebsvereinbarung Personalbesetzung“. Der übrige Inhalt der Regelungsabrede 2013 spricht dafür, dass sich diese Regelungsgegenstände in personeller Hinsicht nicht auf das Personal des gesamten Krankenhauses, sondern nur auf den Pflegedienst auf den (damals vorhandenen) Stationen beziehen sollten.
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cc) Sowohl durch die Regelungen in Nr. 4 Satz 1, Satz 4 und Nr. 5 der Vereinbarung vom 14. März 2014 als auch durch die nachfolgend vereinbarte BV 2014 haben die Betriebsparteien den bisherigen Regelungsgegenstand der Einigungsstelle inhaltlich erneut verändert. Dabei kann dahinstehen, ob der Einigungsstelle angesichts von Nr. 4 Satz 4 der Vereinbarung vom 14. März 2014 nur noch der Regelungsauftrag oblag, im Streitfall über erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG zu entscheiden. Denn die Betriebsparteien haben mit dem Abschluss der BV 2014 ihre - bislang nur schuldrechtlichen - Abreden in Nr. 4 Satz 1, Satz 4 und Nr. 5 der Vereinbarung vom 14. März 2014 einvernehmlich aufgehoben und durch die BV 2014 ersetzt. Dies zeigt deren Überschrift („Regelung der Arbeit des Steuerungskreises“) und der zum Teil wortlautidentische Inhalt ihrer Bestimmungen in Nr. 3.1 und Nr. 3.5. Nach der - Nr. 5 der Vereinbarung vom 14. März 2014 entsprechenden - Regelung in Nr. 3.5 BV 2014 soll die von den Betriebsparteien errichtete Einigungsstelle zwar weiterhin über (alle) „einzelnen Fragen“ und „Entscheidungen“ verhandeln und ggf. entscheiden, die nicht einverständlich im paritätisch besetzten Steuerungskreis geklärt werden können. Dem Steuerungskreis obliegt jedoch nach Nr. 3.1 iVm. Nr. 3.3 und Nr. 3.4 Satz 1 und 3 BV 2014 nicht nur die Aufgabe, bezogen auf die Pflegekräfte der Stationen 3a bis 3c sowie 4a bis 4c (vgl. Nr. 1 BV 2014) erforderliche Arbeitsschutzmaßnahmen iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG und Vorgaben für deren Wirksamkeitskontrolle festzulegen. Vielmehr ist er auch verantwortlich für „Organisation, Planung, Durchführung, Auswertung und Dokumentation von Gefährdungsanalysen“, deren „Bewertungen“ sowie der „Umsetzung von Maßnahmen“ (Nr. 3.3 BV 2014) und der Überprüfung ihrer Wirksamkeit (Nr. 3.4 Satz 3 BV 2014). Zudem hat er gemäß Nr. 3.4 Satz 1 BV 2014 die Aufgabe, ggf. „ergänzende Untersuchungen“ zu veranlassen. Angesichts dieser umfassenden Aufgaben des Steuerungskreises lässt sich der Bestimmung in Nr. 3.5 BV 2014 nicht entnehmen, welcher gegenständlich umrissene Regelungsauftrag der Einigungsstelle zukommen sollte. Entgegen der Annahme des Betriebsrats können die Regelungen der erst nach Vorlage des zweiten Gutachtens von Herrn Dr. H abgeschlossenen BV 2014 auch nicht dahin verstanden werden, dass die Einigungsstelle (nur noch) für „Schlussfolgerungen aus der Gefährdungsbeurteilung und ggf. Abschluss einer Betriebsvereinbarung Personalbesetzung“ zuständig sein sollte. Da der Steuerungskreis nach Abschluss der BV 2014 in zumindest inhaltlich oder gegenständlich abgrenzbaren Teilen seines umfangreichen Aufgabenfeldes kein abschließendes Einvernehmen über Regelungen oder Maßnahmen iSv. Nr. 3.1, Nr. 3.3 oder Nr. 3.4 BV 2014 erzielt hat, vermochte die Einigungsstelle auf der Grundlage des ihr nunmehr durch Nr. 3.5 BV 2014 zugewiesenen Auftrags nicht zu beurteilen, durch welche Regelungen sie diesem ausreichend nachkommt.
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dd) Die Betriebsparteien haben den Regelungsauftrag der Einigungsstelle auch in der Folgezeit nicht einvernehmlich auf den Gegenstand „Mindestbesetzung der Pflegekräfte“ zurückgeführt. Ungeachtet dessen, ob eine solche Beschränkung wegen des Konflikts der Beteiligten über die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme überhaupt möglich gewesen wäre, fehlt es jedenfalls an dem notwendigen Einverständnis der Arbeitgeberin. Diese hat im Laufe des Einigungsstellenverfahrens ausdrücklich geltend gemacht, die Einigungsstelle sei für eine Regelung zur Personalbemessung oder Mindestbesetzung der Pflegekräfte unzuständig. Schon die Vereinbarung der Beteiligten vom 14. März 2014 enthält in ihrer „Präambel“ einen entsprechenden, von der Arbeitgeberin geäußerten Vorbehalt. Noch in der Sitzung der Einigungsstelle am 8. Dezember 2016 hat sie - ausweislich des diesbezüglichen Protokolls - vorgebracht, dass es einer solchen Regelung angesichts des von ihr „aufgegriffenen Optimierungsbedarfs“ nicht bedürfe. Vor diesem Hintergrund kann weder davon ausgegangen werden, die Betriebsparteien hätten den Regelungsauftrag durch ihre wechselseitig in das Einigungsstellenverfahren eingebrachten Entwürfe einvernehmlich konkretisiert (vgl. BAG 9. November 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 3 und Rn. 21), noch kann das im Spruch benannte Regelungsthema als ein abtrennbarer Teilbereich eines pauschal gefassten Gesamtauftrags und damit als dessen einvernehmliche Beschränkung verstanden werden (vgl. BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 14, BAGE 159, 12).
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2. Auch wenn der Senat - zu Gunsten des Betriebsrats - annehmen würde, die Regelungen in Nr. 3.1 und Nr. 3.3 bis Nr. 3.5 BV 2014 seien dahin zu verstehen, dass der Einigungsstelle nicht nur die Ausgestaltung der Beurteilung der Arbeitsbedingungen iSv. § 5 ArbSchG („Gefährdungsbeurteilung“), sondern auch die Regelung erforderlicher Schutzmaßnahmen iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG sowie die Regelung ihrer Wirksamkeitskontrolle iSv. § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG obliegen sollte, vermag ein solcher Regelungsauftrag keine Spruchkompetenz zu vermitteln. Einer Einigungsstelle kann im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht gleichzeitig ein Auftrag zur Ausgestaltung der von § 5 ArbSchG und der von § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbSchG erfassten Angelegenheiten übertragen werden.
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a) Die Errichtung einer Einigungsstelle richtet sich nach § 76 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 BetrVG. Grundlage hierfür ist in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung stets ein gegenwärtiger Regelungskonflikt der Betriebsparteien (BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 10, BAGE 159, 12). Die Einigungsstelle soll - wie § 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zeigt - eingeschaltet werden, wenn eine Einigung der Betriebsparteien über eine Angelegenheit iSd. § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zustande kommt und daher der vorhandene Regelungskonflikt nur mit ihrer Hilfe einer Lösung zugeführt werden kann.
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b) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (vgl. BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 18, BAGE 159, 12; 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b aa der Gründe, BAGE 111, 36). Sowohl § 5 ArbSchG als auch § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbSchG stellen zwar ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschriften in diesem Sinne dar. Allerdings kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG erst eingreifen, wenn eine konkrete Gefährdung nach Art und Umfang entweder feststeht oder im Rahmen einer nach § 5 ArbSchG vom Arbeitgeber durchgeführten Beurteilung der Arbeitsbedingungen festgestellt wurde (vgl. ausf. BAG 24. April 2018 - 1 ABR 6/16 - Rn. 37; 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 20 ff. mwN, BAGE 159, 12).
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c) Systematisch baut die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG damit auf § 5 ArbSchG auf. Welche Schutzmaßnahmen angemessen und geeignet sind, lässt sich erst beurteilen, wenn im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung das von der Arbeit für die Beschäftigten ausgehende Gefährdungspotential eruiert wurde. Die vom Arbeitgeber - und nicht von den Betriebsparteien gemeinsam - durchzuführende Beurteilung der Arbeitsbedingungen iSv. § 5 ArbSchG umfasst die Überprüfung, ob und ggf. welche Gefährdungen mit einer Tätigkeit einhergehen. Die mit der Arbeit des Beschäftigten verbundenen möglichen Gefährdungen müssen anhand der jeweiligen Gefahrenquellen ermittelt und im Hinblick auf ihre Schwere (Art und Umfang des möglichen Schadens) und das Risiko ihrer Realisierung (Eintrittswahrscheinlichkeit) bewertet werden. Untrennbare Bestandteile der Gefährdungsbeurteilung sind die Prüfung, ob Schutzmaßnahmen geboten sind, und die Bewertung der Dringlichkeit eines Handlungsbedarfs. Das im Rahmen von § 5 ArbSchG von der Einigungsstelle auszugestaltende Verfahren zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung erfasst jedoch weder die Beantwortung der Frage, welche konkreten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer angesichts einer festgestellten Gefährdung ergriffen werden können, noch die auf konkrete Schutzmaßnahmen bezogene Kontrolle ihrer Wirksamkeit (vgl. BAG 13. August 2019 - 1 ABR 6/18 - Rn. 33 und 39). Ein dem Arbeitgeber bei diesen Angelegenheiten zustehender Entscheidungsspielraum ist - mitbestimmungsrechtlich - den Rahmenvorschriften des § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbSchG zugeordnet. Sofern das Vorliegen einer konkreten Gefährdung der Arbeitnehmer zwischen den Betriebsparteien nicht außer Streit steht, ist daher zunächst eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG durchzuführen. Ergibt diese, dass Schutzmaßnahmen erforderlich sind, hat sie der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG zu treffen. Kann einer Gefährdung mittels unterschiedlicher Schutzmaßnahmen begegnet werden, besteht im Rahmen dieser Norm ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Entscheidung, welche der möglichen Maßnahmen umgesetzt werden soll.
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d) Aufgrund dieses rechtssystematischen Zusammenhangs zwischen § 5 ArbSchG einerseits und § 3 Abs. 1 ArbSchG andererseits kann sich der Einigungs- oder Bestellungsgegenstand bei der Errichtung einer Einigungsstelle nicht sowohl auf die Ausgestaltung des Verfahrens zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 ArbSchG als auch - im Vorgriff - auf ggf. erforderliche Schutzmaßnahmen und die Regelung ihrer Wirksamkeitskontrolle nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbSchG erstrecken. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 1 ArbSchG bestimmt sich nach Maßgabe konkret feststehender Gefährdungen, die einen Handlungsbedarf für die Betriebsparteien erzeugen. Dieser ist von ihnen zu beraten und einer Lösung zuzuführen. Ein mit Hilfe des Einigungsstellenverfahrens nach § 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu lösender, gegenwärtiger Konflikt der Betriebsparteien kann erst dann auftreten, wenn derartige Verhandlungen gescheitert sind. In Bezug auf die von § 3 Abs. 1 ArbSchG erfassten Angelegenheiten kann der Regelungsauftrag der Einigungsstelle daher nur rahmenvorschriftbezogen festgelegt und - zB personen- oder arbeitsplatzbezogen - nach den zu gestaltenden Konstellationen konkretisiert werden. Die hiervon abweichende Einsetzung einer Einigungsstelle „ins Blaue hinein“ widerspräche dem in § 87 Abs. 2 BetrVG angelegten Verhandlungsprimat der Betriebsparteien.
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3. Ungeachtet dessen ist der Spruch auch dann unwirksam, wenn der Einigungsstelle der Regelungsauftrag Mindestbesetzung der Pflegekräfte in den Stationen 2c, 3a incl. 2a, 3c, 4b und 4c incl. 4a erteilt worden wäre. Denn selbst dann fehlte es hinsichtlich der Regelungen in §§ 2, 3 BV Besetzung an einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG.
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a) Besteht - wie vorliegend - zwischen den Betriebsparteien Streit darüber, ob die Arbeitnehmer durch psychische Belastungen bei der Arbeit gefährdet sind, müssen sie zunächst die Vorgaben für die nach § 5 Abs. 1 ArbSchG vom Arbeitgeber durchzuführende Beurteilung der Arbeitsbedingungen festlegen. Nach der Konzeption des Arbeitsschutzgesetzes ist die Gefährdungsbeurteilung das maßgebende Instrument, um von der Arbeit ausgehende Gefährdungen zu ermitteln. Je genauer und wirklichkeitsnäher im Betrieb die Gefährdungen anhand der jeweiligen Gefahrenquellen ermittelt und beurteilt werden, umso gezielter können konkrete Maßnahmen getroffen werden (vgl. BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 2 b aa der Gründe, BAGE 111, 48). Das dem Betriebsrat bei der Ausgestaltung der Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 ArbSchG zustehende Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG umfasst die Klärung, inwieweit die Arbeitsbedingungen mehrerer Beschäftigter gleichartig sind und deshalb die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreicht (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 ArbSchG). Zudem müssen die Betriebsparteien regeln, mit welchen Methoden und Verfahren das Vorliegen und der Grad einer Gefährdung sowie die Dringlichkeit eines möglichen Handlungsbedarfs festgestellt werden sollen. Dies gilt auch für Gefährdungen, die mit psychischen Belastungen bei der Arbeit verbunden sind (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG). Die nach der gesetzlichen Konzeption mitbestimmte Ausgestaltung der für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung wesentlichen Grundlagen soll verhindern, dass später Streit über das angewandte Verfahren und die Methoden entstehen. Können die Betriebsparteien hierüber kein Einvernehmen erzielen, hat nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle zu entscheiden.
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b) Grund und Ausmaß von Gefährdungen der Arbeitnehmer durch Arbeit können nicht durch die Einigungsstelle selbst geklärt werden. Diese ist weder die nach § 13 Abs. 1 ArbSchG verantwortliche Person für die Erfüllung der sich ua. aus § 5 ArbSchG ergebenden Pflichten des Arbeitgebers, noch können an sie Arbeitsschutzpflichten iSd. § 13 Abs. 2 ArbSchG delegiert werden. Daher ist es auch nicht ihre Aufgabe, die Beurteilung, ob Gefährdungen vorliegen, selbst vorzunehmen oder diese selbst durch Hinzuziehung von Sachverständigen zu ermitteln (vgl. BAG 28. März 2017 - 1 ABR 25/15 - Rn. 23, BAGE 159, 12). Die Einigungsstelle kann allerdings Sachverständige hinzuziehen, um sich zu den in Betracht kommenden Verfahren zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung sachkundig zu machen.
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c) Daran gemessen waren die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG im Streitfall nicht gegeben. Es fehlt an einer - vorliegend zunächst erforderlichen - Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 Abs. 1 ArbSchG, die auf der Grundlage einer von den Beteiligten zuvor getroffenen Regelung über das Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchgeführt wurde.
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aa) Der „gutachterliche Bericht zur Arbeitssituation der Pflegekräfte … (Stationen 4a und 4b)“ von September 2013 genügt diesen Anforderungen schon deshalb nicht, weil er nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von der Einigungsstelle selbst in Auftrag gegeben wurde. Diese sah es - wie im Protokoll der Einigungsstellensitzung vom 16. April 2013 angegeben - als ihren „Auftrag“ an, die gesundheitliche Gefährdungssituation der Beschäftigten näher zu analysieren. Ungeachtet dessen bezieht sich dieser Bericht zudem nur auf die Arbeitssituation der Pflegekräfte auf den beiden Stationen 4a und 4b und nicht auf die erst später eröffneten Stationen 3a/b und 3c.
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bb) Das im Juni 2014 erstellte Gutachten wurde ebenfalls nicht in Vollzug einer von den Beteiligten zuvor (abstrakt) getroffenen Regelung über die Beurteilung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte iSv. § 5 ArbSchG erstellt. Zwar haben die Beteiligten sich in Nr. 1 der Vereinbarung vom 14. März 2014 auf dessen Durchführung sowie der hierbei anzuwendenden Methode (teilnehmende Beobachtung mit integrierten kriteriengeleiteten Beobachtungsinterviews) geeinigt. Jedoch fehlt es an Festlegungen, welche Art von Gefährdungen - ausschließlich durch psychische Belastungen bedingte oder auch physische Gefährdungen - der Gutachter eruieren soll. Darüber hinaus enthält die Regelung in Nr. 1 der Vereinbarung keine Vorgaben, dass der Gutachter ggf. festgestellte Gefährdungen im Hinblick auf das mit ihnen verbundene Risiko (Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß eines möglichen Schadens) bewerten und eine sich hieraus ergebende Dringlichkeit eines Handlungsbedarfs bestimmen soll.
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cc) Auch die „gutachterliche Stellungnahme“ durch Herrn Dr. R im Jahre 2016 erfolgte nicht auf der Grundlage einer zwischen den Betriebsparteien in Ausübung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 5 ArbSchG getroffenen Vereinbarung. Vielmehr hatte die Einigungsstelle gegen die Stimmen der arbeitsgeberseitigen Beisitzer beschlossen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Die an den Sachverständigen gerichtete Frage, aufgrund welcher Risikofaktoren bei der Arbeitssituation der Pflegekräfte von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen ist, zeigt, dass dieser - entgegen der Annahme des Betriebsrats - von der Einigungsstelle hinzugezogen worden war, um den nach ihrer Ansicht hinsichtlich etwa bestehender Gefährdungen weiterhin aufklärungsbedürftigen Sachverhalt näher zu ermitteln. Der Umstand, dass die Personalleiterin der Arbeitgeberin im Nachgang zu dem durch Spruch getroffenen „Beweisbeschluss“ der Erteilung des Gutachtenauftrags an Herrn Dr. R zustimmte, ändert hieran nichts. Wie der Inhalt ihrer E-Mail vom 29. Juli 2016 zeigt, betraf dies lediglich die Person des Gutachters und die Höhe der Kosten. Das - vom Vorsitzenden der Einigungsstelle erbetene - Einverständnis sollte erkennbar lediglich einem späteren Streit über die durch die Einigungsstelle verursachten und vom Arbeitgeber nach § 76a Abs. 1 BetrVG zu tragenden Kosten vorbeugen.
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4. Auf die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen kommt es nach alledem nicht an.
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Schmidt
K. Schmidt
Ahrendt
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Fritz
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