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BAG 14.12.2016 - 7 ABR 8/15
BAG 14.12.2016 - 7 ABR 8/15 - Betriebsrat - Freistellung von Rechtsanwaltskosten - Vertretung bei Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen außerhalb der Einigungsstelle - Erforderlichkeit der Kosten - Honorarvereinbarung
Normen
§ 40 Abs 1 BetrVG, § 51 Abs 1 S 1 BetrVG, § 111 S 2 BetrVG, § 80 Abs 3 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Celle, 1. April 2014, Az: 1 BV 5/13, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 14. Oktober 2014, Az: 11 TaBV 51/14, Beschluss
nachgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 25. Juli 2017, Az: 11 TaBV 34/17, Beschluss
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14. Oktober 2014 - 11 TaBV 51/14 - aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Kosten, die durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen durch den Gesamtbetriebsrat entstanden sind.
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Im Jahr 2012 fanden zwischen der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin und dem zu 1. beteiligten Gesamtbetriebsrat anlässlich der Restrukturierungsmaßnahme „Projekt Zukunftssicherung“ Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen statt. Gegenstand waren umfassende Strukturveränderungen, darunter die Schließung eines der vier Standorte der Arbeitgeberin. Im September und Oktober 2012 führte die Arbeitgeberin mit der IG Metall ergebnislos Tarifsozialplanverhandlungen für drei der vier Standorte. Im November 2012 schlossen die Beteiligten eine „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich Zukunftssicherung“, eine „Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien bei betriebsbedingten Kündigungen“, einen „Sozialplan Zukunftssicherung“ und eine „Freiwillige Betriebsvereinbarung im Projekt Zukunftssicherung“. Von den ursprünglich deutlich über 1.000 Arbeitnehmern waren nach den abgeschlossenen Vereinbarungen 667 durch Kündigung, Versetzung oder auf andere Weise betroffen.
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Die Arbeitgeberseite, deren Verhandlungspositionen auch durch die Konzernmuttergesellschaft beeinflusst wurden, war in den Verhandlungen durch ein Rechtsanwaltsbüro aus D vertreten. Der Gesamtbetriebsrat beauftragte aufgrund eines Beschlusses vom 28. Juni 2012 den in H ansässigen Rechtsanwalt Dr. B mit seiner Vertretung in den Verhandlungen und sagte ihm für diese Tätigkeit ein Honorar in Höhe von 290,00 Euro je Tätigkeitsstunde und 100,00 Euro je Reisestunde zzgl. Reiseauslagen zu. Rechtsanwalt Dr. B berät und vertritt den Gesamtbetriebsrat seit mehreren Jahren. Die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin hatte ihm für seine Tätigkeit im Rahmen von Verhandlungen über eine Betriebsänderung im Jahr 2009 ein Pauschalhonorar angeboten, dessen Berechnung ein Stundensatz von 250,00 Euro netto zugrunde lag, und dazu ausgeführt, ein Stundensatz von 250,00 Euro bewege sich „im oberen Bereich vergleichbarer, bei R in der Vergangenheit geschlossener Honorarvereinbarungen“. Letztlich hatte man sich auf eine Abrechnung von 290,00 Euro netto je Stunde anwaltlicher Tätigkeit sowie 75,00 Euro netto je Reisestunde geeinigt. Dagegen hatte es die Arbeitgeberin abgelehnt, eine Rechnung von Dr. B vom 4. September 2012 auszugleichen, mit der er seine Tätigkeit in einer Einigungsstelle nach diesen Stundensätzen abgerechnet hatte.
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Rechtsanwalt Dr. B stellte dem Gesamtbetriebsrat für seine Tätigkeit bei den Verhandlungen anlässlich der Restrukturierungsmaßnahme „Projekt Zukunftssicherung“ einen Betrag in Höhe von 35.996,40 Euro in Rechnung. Die Arbeitgeberin lehnte die Begleichung dieser Rechnung ab.
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Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe ihn von der Verpflichtung zur Zahlung der Rechtsanwaltskosten freizustellen. Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Vertretung in Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen sei die Vereinbarung eines Stundenhonorars grundsätzlich erforderlich, da die Bezifferung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit Schwierigkeiten bereite und eine Abrechnung nach Gegenstandswert zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen könne. Jedenfalls habe er die Honorarzusage deshalb für erforderlich halten dürfen, weil Dr. B mit den Gegebenheiten im Unternehmen vertraut sei und zu ihm ein enges Vertrauensverhältnis bestehe. Es sei nicht ersichtlich, dass vergleichbare Rechtsanwälte bereit gewesen wären, zu niedrigeren Sätzen tätig zu werden.
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Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt,
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die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihn von den gegen ihn gerichteten Kostenansprüchen des Rechtsanwalts Dr. B für dessen anwaltliche Vertretung als Verfahrensbevollmächtigter im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen den Beteiligten zum „Projekt Zukunftssicherung“ in Höhe von 35.996,40 Euro gegenüber dem Rechtsanwaltsbüro B freizustellen.
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Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Rechtsanwalt Dr. B sei als Berater iSv. § 111 Satz 2 BetrVG tätig geworden. Damit sei ihre Kostentragungspflicht auf die durch die Beratung bei den Interessenausgleichsverhandlungen entstandenen Gebühren beschränkt. Die Erteilung einer Honorarzusage sei nicht erforderlich gewesen. Der Gesamtbetriebsrat habe insbesondere die Vereinbarung eines Stundenhonorars nicht für erforderlich halten dürfen, da die Höhe des Honorars bei einer solchen Zusage nicht verlässlich vorherzusagen sei.
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Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin verpflichtet, den Gesamtbetriebsrat von Kostenansprüchen des Rechtsanwalts in Höhe von 13.126,89 Euro freizustellen und den Antrag im Übrigen abgewiesen. Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats hat das Landesarbeitsgericht die Arbeitgeberin verpflichtet, den Gesamtbetriebsrat auch von den weiteren, gegen ihn gerichteten Kostenansprüchen von Dr. B in Höhe von 22.869,51 Euro freizustellen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Gesamtbetriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
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B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann dem Antrag, soweit dieser noch rechtshängig ist, nicht stattgegeben werden. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 iVm. § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verpflichtet ist, den Gesamtbetriebsrat von weiteren, den Betrag von 13.126,89 Euro übersteigenden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 22.869,51 Euro freizustellen, die durch die Beauftragung von Rechtsanwalt Dr. B mit der Vertretung des Gesamtbetriebsrats bei den Verhandlungen der Beteiligten zum „Projekt Zukunftssicherung“ entstanden sind. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
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I. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Diese Regelung gilt gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat entsprechend.
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1. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören auch Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (BAG 18. März 2015 - 7 ABR 4/13 - Rn. 10; 20. August 2014 - 7 ABR 60/12 - Rn. 22; 29. Juli 2009 - 7 ABR 95/07 - Rn. 16 ff. mwN) oder in einem Einigungsstellenverfahren (BAG 14. Februar 1996 - 7 ABR 25/95 - zu B II 1 der Gründe; 21. Juni 1989 - 7 ABR 78/87 - BAGE 62, 139) der Betriebsrat zur Durchsetzung oder Ausübung eines von ihm in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts für erforderlich halten durfte. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat einen Rechtsanwalt im Vorfeld eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens oder eines Einigungsstellenverfahrens einschaltet, um seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte durchzusetzen oder wahrzunehmen. Der Arbeitgeber kann nach § 40 Abs. 1 BetrVG zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten verpflichtet sein, wenn ein Rechtsanwalt vom Betriebsrat reklamierte Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber außergerichtlich geltend macht oder im Rahmen eines konkreten Konfliktes erwägt, dies zu tun, und die anwaltliche Tätigkeit darauf gerichtet ist, die beschlossene Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entbehrlich zu machen (vgl. BAG 25. Juni 2014 - 7 ABR 70/12 - Rn. 27; 15. November 2000 - 7 ABR 24/00 - zu B II 1 b der Gründe). Entsprechendes gilt, wenn der Betriebsrat einen Rechtsanwalt damit beauftragt, Verhandlungen über einen Interessenausgleich oder eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu führen. Dabei geht es um die Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte im Vorfeld eines Einigungsstellenverfahrens mit dem Ziel, die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens entbehrlich zu machen.
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2. Die Regelungen in § 80 Abs. 3 BetrVG und § 111 Satz 2 BetrVG beschränken das Recht des Betriebsrats auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts außerhalb von gerichtlichen Streitigkeiten und Einigungsstellenverfahren nicht dahingehend, dass dies nur bei Verhandlungen über einen Interessenausgleich und ansonsten nur aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber in Betracht kommt. Ein Rechtsanwalt kann auch in anderen Fällen hinzugezogen werden, wenn der Betriebsrat dies zur sachgerechten Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben für erforderlich halten darf.
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a) Nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Nach § 111 Satz 2 BetrVG kann der Betriebsrat bei Betriebsänderungen in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen, ohne eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu treffen. Dies sah der Gesetzgeber als erforderlich an, weil sich das Verfahren zur Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG als zu zeitaufwendig erwiesen habe. Durch die Beratung soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen einer geplanten Betriebsänderung rasch zu erfassen und in kurzer Zeit fundierte Alternativvorschläge so rechtzeitig zu erarbeiten, dass er auf die Entscheidung des Arbeitgebers noch Einfluss nehmen kann (BT-Drs. 14/5741 S. 52).
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b) § 80 Abs. 3 BetrVG und § 111 Satz 2 BetrVG sind zwar die alleinigen Rechtsgrundlagen für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat zum Zwecke seiner Beratung außerhalb von arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder Einigungsstellenverfahren (BAG 25. Juni 2014 - 7 ABR 70/12 - Rn. 27; 11. November 2009 - 7 ABR 26/08 - Rn. 18 ff., BAGE 132, 232; 26. Februar 1992 - 7 ABR 51/90 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 70, 1). Diese Regelungen finden keine Anwendung, wenn es um die Vertretung des Betriebsrats bei der Durchsetzung oder Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder Einigungsstellenverfahren oder in deren Vorfeld geht. Die Aufgabe eines Sachverständigen iSv. § 80 Abs. 3 BetrVG und eines Beraters iSv. § 111 Satz 2 BetrVG ist es, die fehlende Sachkunde des Betriebsrats zu ersetzen, ihn also hinsichtlich konkreter Fragestellungen zu beraten, um ihn in die Lage zu versetzen, die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sachkundig führen zu können. Eine Tätigkeit als Sachverständiger bzw. als Berater ist etwa anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt zur Beratung über eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene komplexe Betriebsvereinbarung (BAG 15. November 2000 - 7 ABR 24/00 - zu B II 1 a der Gründe) oder zur Ausarbeitung des Entwurfs eines schwierigen Interessenausgleichs (vgl. BAG 11. November 2009 - 7 ABR 26/08 - Rn. 20, aaO) hinzugezogen wird. Dagegen ist es weder Aufgabe eines Sachverständigen (BAG 13. Mai 1998 - 7 ABR 65/96 - zu B II 3 a der Gründe) noch Aufgabe eines Beraters (vgl. Annuß in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 111 Rn. 55), als Vertreter des Betriebsrats aufzutreten und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen. § 111 Satz 2 BetrVG schließt die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Führung der Interessenausgleichsverhandlungen nicht aus, sondern ermöglicht die Heranziehung eines Beraters bei Interessenausgleichsverhandlungen.
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c) Bei diesem Verständnis wird den Regelungen in § 80 Abs. 3 BetrVG und § 111 Satz 2 BetrVG nicht jeglicher Anwendungsbereich entzogen. Die Bestimmungen kommen vielmehr dann zur Anwendung, wenn es dem Betriebsrat nicht um die Wahrnehmung oder Durchsetzung von Rechten, sondern um die Vermittlung der zur Interessenwahrnehmung durch ihn selbst erforderlichen Kenntnisse geht. Zudem haben sie Bedeutung für die Beauftragung nicht juristischer Sachverständiger.
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3. Rechtsanwalt Dr. B war entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht als Berater iSv. § 111 Satz 2 BetrVG tätig. Er war vielmehr damit beauftragt, für den Gesamtbetriebsrat die Verhandlungen über die Restrukturierungsmaßnahme „Projekt Zukunftssicherung“ zu führen. Die Beauftragung von Rechtsanwalt Dr. B durfte der Gesamtbetriebsrat für erforderlich halten. Dies gilt allerdings nicht für die Erteilung der Honorarzusage.
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a) Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber nur solche durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Honorarkosten zu tragen, die der Betriebsrat für erforderlich halten durfte.
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aa) Die Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat nicht allein anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Er ist vielmehr gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Betriebsrat darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht nicht missachten. Er hat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er ggf. bei eigener Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müssten (BAG 18. März 2015 - 7 ABR 4/13 - Rn. 11; 29. Juli 2009 - 7 ABR 95/07 - Rn. 16). Stehen ihm zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte mehrere gleich geeignete Möglichkeiten zur Verfügung, muss er die für den Arbeitgeber kostengünstigere auswählen (vgl. BAG 25. Juni 2014 - 7 ABR 70/12 - Rn. 28; 29. Juli 2009 - 7 ABR 95/07 - Rn. 17 mwN).
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(1) Das gilt schon hinsichtlich der Beauftragung eines Rechtsanwalts. Der Arbeitgeber ist nur dann zur Tragung des Rechtsanwaltshonorars verpflichtet, wenn der Betriebsrat die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei pflichtgemäßer Würdigung aller Umstände für erforderlich erachten konnte (BAG 20. Oktober 1999 - 7 ABR 25/98 - zu B I 1 der Gründe). Deswegen hat ein Betriebsrat, der einen Rechtsanwalt mit der Vertretung in Interessenausgleichsverhandlungen beauftragt, zu prüfen, ob die gegenüber der Beauftragung eines Beraters iSv. § 111 Satz 2 BetrVG entstehenden Mehrkosten gerechtfertigt sind.
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(2) Das gilt ferner in Bezug auf die Auswahl des zu beauftragenden Rechtsanwalts. So hat ein Betriebsrat, der nicht ein ortsansässiges, sondern ein auswärtiges Anwaltsbüro mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen will, auch zu prüfen, ob die dadurch unvermeidbar entstehenden Mehrkosten vertretbar und sachlich gerechtfertigt sind (BAG 20. Oktober 1999 - 7 ABR 25/98 - zu B I 2 a der Gründe).
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(3) Gleiches gilt für eine Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt. Auch hierbei hat der Betriebsrat zu prüfen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sowie unter Abwägung der Interessen der Belegschaft an der sachgerechten Aufgabenwahrnehmung und des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht die Erteilung einer Honorarzusage erforderlich erscheint.
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bb) Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und einer mit diesem zu treffenden Honorarvereinbarung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung des Betriebsrats unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Hinzuziehung des Rechtsanwalts sowie eine ggf. erteilte Honorarzusage der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats diente und der Betriebsrat nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern bei seiner Entscheidung auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbesondere auch dem Interesse an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht, Rechnung getragen hat (BAG 9. Juni 1999 - 7 ABR 66/97 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 92, 26).
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cc) Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob der Betriebsrat die Heranziehung eines Rechtsanwalts und die Erteilung einer Honorarzusage für erforderlich halten durfte, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt wurde und ob die Besonderheiten des Einzelfalls vollständig und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze abgewogen wurden (BAG 14. Januar 2015 - 7 ABR 95/12 - Rn. 14; 9. Juni 1999 - 7 ABR 66/97 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 92, 26).
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b) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht in allen Punkten stand.
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aa) Allerdings ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Gesamtbetriebsrat habe die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Vertretung in den Verhandlungen beim „Projekt Zukunftssicherung“ für erforderlich halten dürfen, nicht zu beanstanden.
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(1) Die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts bestimmt sich in erster Linie nach materiellen Gesichtspunkten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Vertreter in Verhandlungen kann daher geboten sein, wenn der Regelungsgegenstand schwierige Rechtsfragen aufwirft, die zwischen den Beteiligten umstritten sind und kein Betriebsratsmitglied über den zur sachgerechten Interessenwahrnehmung und Verhandlungsführung notwendigen juristischen Sachverstand verfügt. Dem Verhalten des Arbeitgebers kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Lässt er sich in den Verhandlungen durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist dies ein Anzeichen dafür, dass die Regelungsmaterie mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war (vgl. zur Vertretung des Betriebsrats im Einigungsstellenverfahren BAG 14. Februar 1996 - 7 ABR 25/95 - zu B II 2 der Gründe).
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass die Restrukturierung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten ein hohes Maß an Komplexität aufgewiesen habe und durch den Versuch der Arbeitgeberin, einen Tarifsozialplan für einen Teil der betroffenen Standorte abzuschließen, eher erschwert als vereinfacht worden sei. Diese Beurteilung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es hat auch zu Recht die Vertretung der Arbeitgeberseite durch eine Rechtsanwaltskanzlei als Indiz für die rechtliche Schwierigkeit der Verhandlungen gewertet.
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bb) Auch die Würdigung, der Gesamtbetriebsrat habe die Beauftragung des in H ansässigen Rechtsanwalts Dr. B aufgrund der günstigen Lage des Büros, der langjährigen Zusammenarbeit und der Vertretung der Arbeitgeberseite durch ein Anwaltsbüro aus D für erforderlich halten dürfen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist von der Arbeitgeberin auch nicht angegriffen worden.
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cc) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei seiner Annahme, der Gesamtbetriebsrat habe die Erteilung der Honorarzusage für erforderlich halten dürfen, das Kosteninteresse der Arbeitgeberin nicht ausreichend berücksichtigt.
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(1) Der Grundsatz, dass unter mehreren gleich geeigneten Möglichkeiten die für den Arbeitgeber kostengünstigere auszuwählen ist (vgl. BAG 25. Juni 2014 - 7 ABR 70/12 - Rn. 28; 29. Juli 2009 - 7 ABR 95/07 - Rn. 17 mwN), gilt auch für die Erteilung einer Honorarzusage. Daher darf der Betriebsrat im Hinblick auf das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostenbelastung die Erteilung einer Honorarzusage, die zu höheren als den gesetzlichen Gebühren führt, grundsätzlich nicht für erforderlich halten. Dies gilt nicht nur für den Fall der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Durchführung eines Beschlussverfahrens (vgl. dazu BAG 20. Oktober 1999 - 7 ABR 25/98 - zu B II der Gründe), sondern auch für die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Führung von Verhandlungen in der Einigungsstelle oder im Vorfeld einer solchen. Dem steht nicht entgegen, dass das für die Festlegung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren bestehende Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG für die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem Einigungsstellenverfahren und in deren Vorfeld nicht zur Verfügung steht. Besteht in einem solchen Fall Streit über die Höhe des Gegenstandswerts, ist der Wert der anwaltlichen Tätigkeit ggf. in dem auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten gerichteten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu ermitteln. Das gilt nicht nur für vermögensrechtliche Angelegenheiten, sondern auch für nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten, bei denen der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Etwaige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten (vgl. BAG 21. Juni 1989 - 7 ABR 78/87 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 62, 139) rechtfertigen in der Regel nicht die Erteilung einer Honorarzusage, die zu höheren als den gesetzlichen Gebühren führt. Kann der Betriebsrat nicht einschätzen, ob die Honorarzusage zu höheren als den gesetzlichen Gebühren führt, hat er von der Erteilung einer Honorarzusage abzusehen. Im Übrigen hat der Senat als Möglichkeiten einer Honorarvereinbarung nur die Streitwertvereinbarung sowie die Zusage der einem betriebsfremden Beisitzer einer Einigungsstelle zu zahlenden Vergütung, nicht aber die Zusage eines Stundenhonorars in Betracht gezogen (BAG 21. Juni 1989 - 7 ABR 78/87 - aaO). Die Höhe eines von der Verhandlungsdauer abhängigen Honorars ist - anders als die des gesetzlichen Pauschalhonorars - nicht von vornherein planbar.
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Die Erteilung einer Honorarzusage kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber mit der Honorarvereinbarung einverstanden ist oder in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen die Erteilung einer solchen Zusage stets akzeptiert hat. Ein solcher Ausnahmefall kann auch dann vorliegen, wenn der Verhandlungsgegenstand eine spezielle Rechtsmaterie betrifft, der vom Betriebsrat ausgewählte, über die entsprechenden Spezialkenntnisse verfügende Rechtsanwalt zur Übernahme des Mandats nur bei Vereinbarung eines Zeithonorars bereit ist und der Betriebsrat keinen vergleichbar qualifizierten Rechtsanwalt zu günstigeren Konditionen findet.
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(2) Danach rechtfertigen die Umstände des vorliegenden Falls entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht die vom Gesamtbetriebsrat mit Rechtsanwalt Dr. B getroffene Honorarvereinbarung.
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(a) Die Erforderlichkeit der Honorarzusage kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht damit begründet werden, dass das beauftragte Rechtsanwaltsbüro für die Vertretung der Arbeitnehmer und Betriebsräte als überdurchschnittlich qualifiziert bekannt und mit den Gegebenheiten im Konzern vertraut sei. Das mag die Beauftragung dieses Rechtsanwaltsbüros rechtfertigen, aber nicht die Zusage eines Zeithonorars. Der Gesamtbetriebsrat hat nicht behauptet, Dr. B sei ohne Honorarzusage nicht zur Übernahme des Mandats bereit gewesen. Es kommt daher nicht darauf an, ob das vereinbarte Stundenhonorar üblich oder unangemessen ist. Ebenso wenig ist entscheidend, ob andere vergleichbare Rechtsanwälte bereit gewesen wären, zu niedrigeren Stundensätzen tätig zu werden.
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(b) Auch das Schreiben der Konzernobergesellschaft vom 30. September 2009 rechtfertigt nicht die Erteilung der Honorarzusage. Dem Schreiben lässt sich nicht entnehmen, dass die Arbeitgeberin in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen die Erteilung der Zusage eines Zeithonorars akzeptiert hat. Zudem hat die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin Rechtsanwalt Dr. B mit dem Schreiben vom 30. September 2009 kein Zeithonorar, sondern ein Pauschalhonorar angeboten. Weder dieses Schreiben noch der Umstand, dass die Muttergesellschaft nach Abschluss der Verhandlungen anlässlich der Betriebsänderung im Jahr 2009 das nach Stunden berechnete Honorar gezahlt hat, rechtfertigt die Annahme, die Arbeitgeberin werde mit der Abrechnung auf Basis eines Stundenhonorars zukünftig einverstanden sein.
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(c) Der Gesamtbetriebsrat durfte die Erteilung der Honorarzusage auch nicht wegen etwaiger Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für erforderlich halten. Derartige Schwierigkeiten rechtfertigen die Erteilung einer Honorarzusage nicht. Außerdem wird der Gegenstandswert der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen maßgebend durch den Sozialplan bestimmt. Dabei handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit (vgl. BAG 20. Juli 2005 - 1 ABR 23/03 (A) - zu 1 der Gründe; 21. Juni 1989 - 7 ABR 78/87 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 62, 139).
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II. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Arbeitgeberin wäre verpflichtet, den Gesamtbetriebsrat von den weiteren, den vom Arbeitsgericht zuerkannten Betrag von 13.126,89 Euro übersteigenden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 22.869,51 Euro freizustellen, wenn das vereinbarte Honorar nicht höher wäre als die gesetzlichen Gebühren. Das kann der Senat nicht beurteilen, da die zur Bestimmung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind.
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1. Das Arbeitsgericht, das angenommen hat, der Gesamtbetriebsrat könne von der Arbeitgeberin Freistellung von den Rechtsanwaltskosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren verlangen, ist mit einer rechtsfehlerhaften Begründung davon ausgegangen, der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sei auf 532.000,00 Euro anzusetzen. Das Arbeitsgericht hat dabei zu Unrecht nur den Gegenstandswert für die „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich Zukunftssicherung“ berücksichtigt. Rechtsanwalt Dr. B war nicht nur mit der Führung der Interessenausgleichsverhandlungen beauftragt, sondern auch mit den Verhandlungen betraut, die zum Abschluss der weiteren Vereinbarungen „Sozialplan Zukunftssicherung“, der „Freiwilligen Betriebsvereinbarung im Projekt Zukunftssicherung“, die Zusatzleistungen zur Sozialplanabfindung bei Aufhebungsvertrag und Klageverzicht vorsieht, und der „Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien bei betriebsbedingten Kündigungen“ geführt haben. Dabei handelt es sich um gesonderte Streitgegenstände, die bei der Berechnung des Gegenstandswerts zu berücksichtigen sind.
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2. Das Landesarbeitsgericht wird daher den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit zu ermitteln haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es sich teilweise um vermögensrechtliche und teilweise um nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten handelt.
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a) Die Verhandlungen über den Sozialplan und die „Freiwillige Betriebsvereinbarung im Projekt Zukunftssicherung“, die Zusatzleistungen zur Sozialplanabfindung vorsieht, betreffen vermögensrechtliche Angelegenheiten. Deren Gegenstandswert ist ggf. unter Berücksichtigung von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei ist er in erster Linie - ohne Begrenzung auf einen Höchstbetrag - zu schätzen. Fehlt es an genügenden Anhaltspunkten für eine Schätzung, ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 1 RVG auf 5.000,00 Euro, nach Lage des Falls auch niedriger oder höher, jedoch nicht über den Betrag von 500.000,00 Euro hinaus anzusetzen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 BRAGO: BAG 20. Juli 2005 - 1 ABR 23/03 (A) - zu 1 der Gründe; 9. November 2004 - 1 ABR 11/02 (A) - zu 3 der Gründe). Das Landesarbeitsgericht wird daher die für eine Schätzung des Gegenstandswerts erforderlichen Tatsachen festzustellen haben. Nur wenn sich genügende Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht feststellen lassen, kommt eine Bestimmung des Gegenstandswerts nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 1 RVG in Betracht. Bei dieser Bestimmung sind die Bedeutung, der Umfang und der Schwierigkeitsgrad der Sache zu berücksichtigen.
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b) Die Verhandlungen über den Interessenausgleich und die Auswahlrichtlinien betreffen nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Da der Gegenstandswert nicht feststeht, ist er gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 RVG unter Berücksichtigung der Bedeutung, des Umfangs und des Schwierigkeitsgrads der Sache zu bestimmen.
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