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BAG 18.11.2013 - 10 AZB 38/13
BAG 18.11.2013 - 10 AZB 38/13 - Prozesskostenhilfe - Gewerkschaftsaustritt
Normen
Art 9 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 115 Abs 3 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Ludwigshafen, 23. August 2012, Az: 1 Ca 690/12, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 16. September 2013, Az: 6 Sa 54/13, Beschluss
nachgehend BVerfG, 8. Oktober 2015, Az: 1 BvR 140/14, Beschluss
Tenor
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1. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. September 2013 - 6 Sa 54/13 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
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I. Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens in einem Kündigungsschutzprozess.
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Die seit 1992 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin hat am 19. April 2012, vertreten durch die DGB Rechtsschutz GmbH, beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein Klage gegen eine krankheitsbedingte Kündigung der Beklagten vom 11. April 2012 zum 30. November 2012 eingereicht. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klägerin Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Im Kammertermin vom 23. August 2012 wurde nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage in Anwesenheit der Klägerin ein nur für die Beklagte widerruflicher Vergleich geschlossen, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2012 bei Freistellung der Klägerin sowie die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 25.000,00 Euro vorsah. Nach Widerruf des Vergleichs hat das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 18. Oktober 2012 abgewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2012 hat sich der nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber dem Arbeitsgericht bestellt. Die DGB Rechtsschutz GmbH hat das Mandat mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012 niedergelegt. Nach fristgemäßer Berufungseinlegung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 5. März 2013 die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt. In der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Klägerin angegeben, eine Rechtsschutzversicherung oder eine andere Stelle (zB Gewerkschaft) trage die Kosten der Prozessführung nicht. Sie hat ein an ihren Prozessbevollmächtigten gerichtetes Schreiben der DGB Rechtsschutz GmbH vom 7. Februar 2013 zur Akte gereicht, in dem diese auf entsprechende Anfrage des Klägervertreters vom 6. Februar 2013 mitteilte, dass eine Deckungszusage nicht erfolgen könne, da die DGB Rechtsschutz GmbH keine Rechtsschutzversicherung sei, sondern im Auftrag der Mitgliedsgewerkschaft für die Klägerin tätig werde. Mit Schreiben vom 22. April 2013 hat die Klägerin ihre Mitgliedschaft gegenüber der Gewerkschaft ver.di ohne Angabe von Gründen gekündigt. Die Mitgliedschaft endete nach der Satzung der Gewerkschaft ver.di mit dem 30. September 2013; eine Rechtsschutzgewährung war nach der Kündigung nach den Satzungsbestimmungen nicht mehr möglich.
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Mit Beschluss vom 16. September 2013 hat das Landesarbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, sie sei im Hinblick auf ihre zunächst bestehende Gewerkschaftsmitgliedschaft gemäß § 115 Abs. 3 ZPO nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage gewesen, den Rechtsstreit mit eigenen Mitteln zu bestreiten. Hinreichende sachliche Gründe für den Austritt hätten nicht bestanden.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Klägerin gegen diese Entscheidung und begehrt weiterhin die ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren. Sie vertritt die Auffassung, ein Vertrauensverhältnis habe zu dem von der DGB Rechtsschutz GmbH gestellten Prozessbevollmächtigten spätestens beim Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein nicht mehr bestanden. Zumutbarer Rechtsschutz sei von dort deshalb nicht zu erlangen gewesen. Nachdem sie von der Gewerkschaft ver.di nichts mehr zu erwarten gehabt habe, habe sie die Mitgliedschaft gekündigt.
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II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zu Recht abgelehnt. Der Klägerin war es zumutbar, durch Inanspruchnahme gewerkschaftlichen Rechtsschutzes ihr Vermögen einzusetzen (§ 115 Abs. 3 ZPO).
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1. § 115 ZPO bestimmt, in welchem Umfang die hilfsbedürftige Partei Einkommen und Vermögen für Gerichts- und Anwaltskosten einzusetzen hat, die ihr durch die Prozessführung voraussichtlich entstehen werden. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz für ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist ein vermögenswertes Recht iSd. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
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Die Prozesskostenhilfe dient dem Zweck, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie ist als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege. Daher tritt der Staat nur ein, wenn die Partei selbst die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die Partei zwar selbst bedürftig ist, jedoch gegen einen Dritten Anspruch auf Bevorschussung, etwa aus dem Unterhaltsrecht, oder auf Übernahme der Verfahrenskosten, zB durch eine Rechtsschutzversicherung, hat. Deshalb stellt auch die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, zur Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, Vermögen iSv. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO dar, solange die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird. Etwas anderes gilt nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur dann, wenn im Einzelfall der Vermögenseinsatz unzumutbar ist. Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Gewerkschaft und ihrem Mitglied der Fall sein. Dabei ist der Arbeitnehmer zur Begründung seines Prozesskostenhilfeantrags verpflichtet, die Gründe, die für die Unzumutbarkeit sprechen, im Einzelnen darzulegen.
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Die prozesskostenhilferechtliche Sonderstellung mittelloser Gewerkschafts- und Verbandsmitglieder mit Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz gegen ihre Organisation begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche lassen sich nicht aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG herleiten. Hierdurch wird weder die kollektive Vereinigungsfreiheit noch die Tätigkeit der Gewerkschaften oder die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, einem Verband oder einer Gewerkschaft beizutreten, ernsthaft beeinträchtigt. Im Regelfall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der einem Organisierten regelmäßig drohende Verlust einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Prozesskostenhilfe seine Entscheidungsfreiheit darüber beeinflusst, einer Gewerkschaft oder einem Verband beizutreten oder nicht (vgl. insgesamt dazu: BAG 5. November 2012 - 3 AZB 23/12 - Rn. 13 ff. mwN).
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2. Danach war es der Klägerin zuzumuten, den ihr zum Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags (noch) zustehenden kostenlosen gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Vertrauensverhältnis der Klägerin zu ihrem gewerkschaftlichen Prozessvertreter bzw. zu der DGB Rechtsschutz GmbH insgesamt sei nicht hinreichend zerrüttet, ist frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat sich umfangreich mit dem Sachverhalt und den von der Klägerin vorgebrachten vermeintlichen Unzumutbarkeitsgründen befasst und diese vollständig gewürdigt. Rechtsfehler zeigt die Klägerin nicht auf. Sie meint lediglich, die Würdigung durch das Landesarbeitsgericht sei falsch. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Dass ihr Rechtsschutz für das Berufungsverfahren gewährt worden wäre, stellt die Klägerin nicht in Abrede.
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3. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem durch die Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2013 erklärten Austritt aus der Gewerkschaft ver.di. Durch diesen Austritt konnte sie allerdings - unabhängig davon, dass die Mitgliedschaft erst zum 30. September 2013 endete - nach den Satzungsbestimmungen der Gewerkschaft Rechtsschutz nicht mehr in Anspruch nehmen. Auch gilt für die Gewährung von Prozesskostenhilfe der Grundsatz, dass es unerheblich ist, ob eine Partei ihre Mittellosigkeit im allgemeinen oder ihr Unvermögen, die Prozesskosten aufzubringen, durch früheres Verhalten verschuldet hat (vgl. zB BGH 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05 -). Wenn aber die Partei während eines laufenden Prozesses aus Gründen, die im Zusammenhang mit der Prozessführung stehen, aus der Gewerkschaft austritt und damit den Verlust der bisherigen Vertretung bewusst in Kauf nimmt, bedarf es dafür nachvollziehbarer Gründe (vgl. zur Notwendigkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes für den Wechsel des beigeordneten Anwalts: BVerwG 29. November 2010 - 6 B 59/10 (6 PKH 15/10) -; BGH 23. September 2009 - IV ZR 259/08 -). Insofern liegt es ähnlich wie bei der unterlassenen Inanspruchnahme des Rechtsschutzes, die ebenfalls nicht grundlos erfolgen darf. Eine Verletzung der Koalitionsfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 9 Abs. 3 GG liegt darin nicht (BVerfG 11. Februar 2004 - 1 BvR 2314/02 - [für das sozialgerichtliche Verfahren]; LAG Rheinland-Pfalz 7. Mai 2004 - 9 Ta 80/04 -; aA Hessisches LAG 21. Mai 2008 - 16 Ta 195/08 -).
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Nachvollziehbare Gründe hat die Klägerin - wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei gewürdigt hat - im Hinblick auf die Prozessführung der DGB Rechtsschutz GmbH und ihr Vertrauensverhältnis zu dieser nicht vorgebracht. Auf andere Gründe hat die Klägerin ihren Gewerkschaftsaustritt nicht gestützt.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Kostenerstattung findet nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.
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Mikosch
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Schmitz-Scholemann
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