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BSG 18.04.2024 - B 5 R 34/23 BH
BSG 18.04.2024 - B 5 R 34/23 BH - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Klärungsbedürftigkeit - Berücksichtigung eines Versorgungsausgleichs bei der Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von in der DDR geschiedenen Personen
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a SGG, § 76 SGB 6, § 1587 BGB vom 14.06.1976, Art 234 § 6 Abs 1 S 1 BGBEG
Vorinstanz
vorgehend SG Halle (Saale), 17. April 2023, Az: S 4 R 484/21, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 15. August 2023, Az: L 11 R 84/23, Beschluss
Tenor
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Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. August 2023 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. August 2023 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Streitig ist eine höhere Altersrente.
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Die 1958 geborene Klägerin wurde 1981 in der vormaligen DDR geschieden. Die Beklagte gewährt ihr seit dem 1.5.2021 eine Altersrente für langjährig Versicherte (Bescheid vom 4.3.2021). Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Berücksichtigung eines "Lastenausgleichs" aus ihrer geschiedenen Ehe für die Zeit vom 12.11.1977 bis zum Dezember 1981 begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.12.2021). Mit Urteil vom 17.4.2023 hat das SG die Klage abgewiesen, das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 15.8.2023 zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente. Die Beklagte könne einen Versorgungsausgleich erst dann im Rahmen der Rentenberechnung berücksichtigen, wenn ein solcher durch das Familiengericht durchgeführt worden sei. Da die Klägerin in der vormaligen DDR geschieden worden sei, sei ein Versorgungsausgleich jedoch nicht erfolgt. Gemäß Art 234 § 6 Abs 1 Satz 1 EGBGB gelte für vor dem 1.1.1992 im Beitrittsgebiet Geschiedene das Recht des Versorgungsausgleichs nicht. Die damit verbundene Schlechterstellung von im Beitrittsgebiet Geschiedenen gegenüber den nach Einführung des Versorgungsausgleichs zum 1.7.1977 in den alten Bundesländern Geschiedenen verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Vor dem Hintergrund eines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums habe der Gesetzgeber die im Scheidungsfolgen- und Rentenrecht zwischen der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Unterschiede unverändert lassen dürfen.
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Mit Schreiben vom 3.9.2023 hat die Klägerin Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 15.8.2023 erhoben sowie zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
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II. 1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
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Die Revision kann nach ordnungsgemäß begründeter Beschwerde nur zugelassen werden, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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a) Dass dem Verfahren der Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, ist nicht erkennbar. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl BSG Beschluss vom 17.6.2019 - B 5 R 61/19 B - juris RdNr 9). Die Frage nach der Berücksichtigung eines Versorgungsausgleichs bei der Berechnung der Rente von Personen, die in der ehemaligen DDR geschieden worden sind, bedarf keiner weiteren Klärung. Eine rentenrechtliche Vorschrift, die das Begehren der Klägerin stützen könnte, ist nicht ersichtlich. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte nach § 76 Abs 1 SGB VI erst dann einen Versorgungsausgleich berücksichtigen kann, wenn ein solcher durch das Familiengericht durchgeführt worden ist (vgl zur Zuständigkeit § 23b Abs 1 GVG iVm § 111 Nr 7 FamFG), die Entscheidung des Familiengerichts mithin wirksam ist (vgl § 52 Abs 1 Satz 3 SGB VI). Das BVerfG hat im Falle einer ebenfalls im Jahr 1981 in der ehemaligen DDR geschiedenen Beschwerdeführerin, die vom Rentenversicherungsträger eine höhere Altersrente begehrte, bereits entschieden, dass eine Grundrechtsverletzung durch die Zuweisung der Zuständigkeit für die Durchführung des Versorgungsausgleichs an das Familiengericht nicht erkennbar sei (BVerfG Beschluss vom 26.8.2003 - 1 BvR 1258/03 - FamRZ 2003, 1732 - vorgehend BSG Beschluss vom 15.5.2003 - B 4 RA 92/02 B; vgl auch BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 2.6.2003 - 1 BvR 789/96 - SozR 4-2600 § 243a Nr 1 zu § 243a SGB VI). Art 234 § 6 Satz 1 EGBGB steht einem nachträglichen Versorgungsausgleich in vor dem 1.1.1992 in der ehemaligen DDR abgeschlossenen Scheidungsfällen grundsätzlich entgegen (vgl zu möglichen Ausnahmefällen, wenn die Ehepartner vor dem 3.10.1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt sind, BGH Beschluss vom 29.3.2006 - XII ZB 69/03 - juris RdNr 8 mwN). Sofern die Klägerin sich gegen diese Vorschrift wendet, steht ihr der Weg zum zuständigen Familiengericht offen (vgl BVerfG Beschluss vom 26.8.2003 - 1 BvR 1258/03 aaO).
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b) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das LSG bei seiner Entscheidung einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hätte und damit von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen wäre (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
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c) Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der § 109 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht erkennbar. Es fehlt insbesondere nicht an einer ordnungsgemäßen Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG.
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Soweit die Klägerin eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung rügt, kann darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 14 mwN).
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d) Da der Klägerin mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt ist unzulässig. Die Beschwerde konnte wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt werden (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 Satz 2 SGG). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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