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BSG 30.06.2021 - B 4 AS 70/20 R
BSG 30.06.2021 - B 4 AS 70/20 R - Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Berufung - Beschwerdewert - wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr - Arbeitslosengeld II - Überprüfungsverfahren für mehrere Bewilligungszeiträume - Zusammenhang von Bezugszeiten - SGB 2-Ansprüche - kein einheitliches Stammrecht
Normen
§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 144 Abs 1 S 2 SGG, § 202 SGG, § 5 ZPO, § 19a SGB 1, § 44 SGB 10, § 40 Abs 1 S 2 SGB 2, § 41 Abs 1 S 4 SGB 2 vom 13.05.2011, SGB 3
Vorinstanz
vorgehend SG Potsdam, 31. Januar 2017, Az: S 45 AS 677/15, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 20. April 2020, Az: L 14 AS 469/17, Beschluss
Leitsatz
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Eine Berufung bedarf bei einem Beschwerdewert von bis zu 750 Euro der Zulassung, wenn im sogenannten Überprüfungsverfahren höheres Arbeitslosengeld II für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt wird, dies aber die Rücknahme von bestandskräftigen Verwaltungsakten voraussetzt, mit denen Arbeitslosengeld II jeweils für sechs Monate bewilligt wurde.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. April 2020 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren höhere Leistungen nach dem SGB II für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem SGB II.
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Der Beklagte bewilligte Alg II von Januar bis Februar 2013 (bestandskräftige Bescheide vom 26.7.2012, 20.9.2012, 24.11.2012, jeweils bezogen auf den Zeitraum September 2012 bis Februar 2013), von März bis August 2013 (bestandskräftiger Bescheid vom 1.2.2013) und von März bis August 2014 (bestandkräftiger Bescheid vom 17.2.2014) unter Berücksichtigung der Regelbedarfe in voller Höhe (382 Euro für das Jahr 2013; 391 Euro für das Jahr 2014). Für die tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen (515 Euro für Januar bis August 2013; 480 Euro für März bis August 2014) bewilligte er KdU nur in aus seiner Sicht angemessener Höhe von 426,60 Euro (für das Jahr 2013) bzw 393,52 Euro (für das Jahr 2014).
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Den Antrag des Klägers, die Bescheide vom 26.7.2012, 1.2.2013 und 17.2.2014 zu überprüfen und höhere Leistungen für KdU zu bewilligen, lehnte der Beklagte zunächst ab (Bescheid vom 14.10.2014); später bewilligte er KdU in Höhe von 433,24 Euro für Januar bis August 2013 und 417,16 Euro für März bis August 2014 (Änderungsbescheid vom 5.3.2015; Widerspruchsbescheid vom 12.3.2015).
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Im sozialgerichtlichen Verfahren mit dem Antrag des Klägers, "unter Abänderung des Bescheides vom 14.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2015 in Abänderung der hierzu ergangenen Bescheide vom 26.07.2012, 01.02.2013, 17.02.2014 für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.08.2013 monatlich weitere 81,76 Euro und vom 01.03.2014 bis 30.08.2014 monatlich weitere 64,76 Euro" zu bewilligen, hat das SG den Beklagten verurteilt, "unter Abänderung des Überprüfungsbescheides vom 14.10.2014 sowie des Bewilligungsbescheides vom 26.7.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.9.2012, 24.11.2012 und 5.3.2015 (Zeitraum 1/2013 und 2/2013), des Bewilligungsbescheides vom 1.2.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5.3.2015 (Zeitraum 3/2013 - 8/2013) und des Bewilligungsbescheides vom 17.2.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5.3.2015 (Zeitraum 3/2014 - 8/2014) in der Gestalt des Überprüfungswiderspruchsbescheides vom 12.3.2015" dem Kläger "weitere Kosten für die Nettokaltmiete … i. H. v. 28,80 € monatlich (d. h. insgesamt 403,20 Euro)" zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 31.1.2017). Es bestehe ein Anspruch auf KdU nach den Werten der Wohngeldtabelle, weil der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept verfüge. In seiner Rechtsmittelbelehrung ist das SG von einer zulässigen Berufung ausgegangen.
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Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von 750 Euro nicht erreicht werde (Beschluss vom 20.4.2020). Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG lägen nicht vor. Der Zeitraum eines Jahres werde nicht überschritten, weil der Rechtsstreit drei Bewilligungszeiträume von jeweils unter einem Jahr betreffe. Unerheblich sei, dass sich der Überprüfungsantrag sowie die hierauf ergangenen Bescheide auf alle drei Zeiträume bezögen. Dem Leistungsanspruch nach dem SGB II liege kein einheitliches Stammrecht zugrunde. Auch im Überprüfungsverfahren seien die Anspruchsvoraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt erneut und unabhängig von früheren Bewilligungen zu prüfen.
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Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG. Gegenstand des Verfahrens sei ein einheitlicher Überprüfungsbescheid bzw Widerspruchsbescheid, der einen Zeitraum von 14 Monaten umfasse. Das Berufungsgericht verkenne das mögliche Prozessziel. Auch ein Verwaltungsakt, der laufende Leistungen für weniger als vier Monate ablehne, könne zu einer Berufungsfähigkeit führen, wenn Alg II für mehr als zwölf Monate geltend gemacht werde. Die Gestaltung des Streitgegenstandes erfolge durch die Beteiligten, die mittels der Klagebegründung oder des Klageantrags eine Beschränkung oder weitergehende Antragstellung vornehmen würden. Unabhängig hiervon sei das "Stammrecht" nach dem SGB II nicht auf zwölf oder weniger Monate beschränkt, weil der Bewilligungszeitraum einen längeren Zeitraum umfassen könne, etwa wenn SGB II-Leistungen nachträglich oder rückwirkend für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten festgesetzt würden.
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Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. April 2020 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Januar 2017 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 14. Oktober 2014 in der Gestalt des Bescheides vom 5. März 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2015 zu verpflichten, die Bescheide vom 26. Juli 2012, 1. Februar 2013 und 17. Februar 2014 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. August 2013 monatlich weitere 81,76 Euro sowie für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. August 2014 monatlich weitere 62,84 Euro zu erbringen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der Beklagte bezieht sich auf das Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben dem Beschluss des LSG vom 20.4.2020 und dem Urteil des SG vom 31.1.2017 der Bescheid vom 14.10.2014 in der Gestalt des Bescheides vom 5.3.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 12.3.2015 sowie das dagegen gerichtete Begehren des Klägers, den Beklagten unter Aufhebung der ablehnenden Überprüfungsbescheide zu verpflichten, die Ausgangsbescheide zu ändern und ihm für die streitigen Zeiträume weitere SGB II-Leistungen für Unterkunftskosten zu erbringen.
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2. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zu Recht als unzulässig verworfen.
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a) Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbÄndG) vom 26.3.2008 (BGBl I 444) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 <BGBl I 50>).
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Die durch § 144 Abs 1 SGG normierte Berufungsbeschränkung knüpft an das Begehren (ursprüngliches Klageziel) des Berufungsklägers an, soweit dieses im Berufungsverfahren weiter verfolgt wird. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Berufungseinlegung (vgl letztens BSG vom 19.3.2020 - B 4 AS 4/20 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 10 RdNr 14 mwN). Unter dem so verstandenen Klageanspruch ist der prozessuale, nicht der materiell-rechtliche (tatsächlich bestehende) Anspruch zu verstehen. Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) ist das Begehren (Klageantrag) auf einen rechtskräftigen Ausspruch bestimmter Rechtsfolgen, die sich nach Meinung des Klägers aus einem zugrunde liegenden (Lebens-)Sachverhalt (Klagegrund) ergeben (vgl nur BSG vom 15.8.2018 - B 13 R 66/18 B - RdNr 12 mit Verweis auf BSG vom 16.4.1964 - 11/1 RA 206/61 - BSGE 21, 13 = SozR Nr 5 zu § 156 SGG, juris RdNr 14).
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Die Zulässigkeit von Rechtsmitteln unter Berücksichtigung des Klagebegehrens ist bei Anwendung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG und des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG hinsichtlich jedes selbständigen prozessualen Anspruchs gesondert zu betrachten. Dies gilt auch bei einer Verbindung von Verfahren (§ 113 SGG) und in Fallgestaltungen, in denen innerhalb eines Klageverfahrens mehrere prozessuale Ansprüche ("teilbare Streitgegenstände") im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) geltend gemacht werden (vgl zur gesonderten Prüfung der Statthaftigkeit BSG vom 12.2.1980 - 7 RAr 107/78 - SozR 4100 § 119 Nr 12 S 51, juris RdNr 16; BSG vom 18.3.1982 - 7 RAr 50/80 - SozR 4100 § 118 Nr 10 S 54; BSG vom 22.3.1989 - 7 RAr 106/88 - juris RdNr 12; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 272/07 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 19 RdNr 3). Entsprechend kann ein Rechtsmittel auf einen von mehreren eigenständigen prozessualen Ansprüchen beschränkt werden (vgl BSG vom 25.6.1998 - B 7 AL 2/98 R - BSGE 82, 198 = SozR 3-4100 § 242v Nr 1, juris RdNr 27 mwN).
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Unerheblich dafür, ob ein Berufungsausschluss eintritt, ist die prozessuale Gestalt der Klage. Entscheidend ist der materielle Kern des Verfahrens, das mit der Klage bzw der Berufung sachlich verfolgte Ziel (vgl BSG vom 22.9.1976 - 7 RAr 107/75 - BSGE 42, 212, 213 - SozR 1500 § 131 Nr 3 = SozR 1500 § 144 Nr 5 S 13, juris RdNr 18; BSG vom 12.2.1980 - 7 RAr 107/78 - SozR 4100 § 119 Nr 12 S 51, juris RdNr 16). Entsprechend hat das BSG entschieden, dass § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG, also die Bestimmung der Zulässigkeit einer Berufung anhand des Beschwerdewertes, auch dann einschlägig ist, wenn Gegenstand des Berufungsverfahrens eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) ist (vgl BSG vom 6.10.2011 - B 9 SB 45/11 B - SozR 4-1500 § 144 Nr 7 RdNr 10 ff; BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R - RdNr 13) oder im Rücknahme- oder Erledigungsstreit darüber gestritten wird, ob das Verfahren bereits beendet ist (vgl letztens BSG vom 19.3.2020 - B 4 AS 4/20 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 10 RdNr 16).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung des Klägers nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG und § 144 Abs 1 Satz 2 SGG der Zulassung bedurfte.
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b) Die Berufung betraf auf Geldleistungen gerichtete Verwaltungsakte mit einem Wert des Beschwerdegegenstandes von unter 750 Euro (§ 144 Abs 1 Satz 1 SGG).
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Das Begehren des Klägers war auf die teilweise Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsbescheide und höheres Alg II gerichtet. Zwar sind die zur Überprüfung gestellten Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach der rechtlichen Ausgangslage im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Bewilligungsabschnitte bezogen (vgl hierzu näher unter c); jedoch sind - in Abweichung von der gesonderten Betrachtung der Zulässigkeit der Berufung bei "teilbaren Streitgegenständen" - bei der Ermittlung des Beschwerdewertes nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG mehrere in einer Klage geltend gemachte prozessuale Ansprüche zusammenzurechnen. Insofern hat das BSG mit Bezug auf den maßgebenden Begriff des Beschwerdewertes über § 202 SGG auf § 5 ZPO zurückgegriffen. § 5 ZPO ordnet an, dass mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden (vgl BSG vom 5.2.1998 - B 11 AL 19/97 R - SozR 3-4100 § 65 Nr 3 S 10, juris RdNr 15; BSG vom 6.8.2019 - B 14 AS 182/18 B - RdNr 4 mwN; siehe bereits Meyer-Ladewig zu den Änderungen durch das RPflEntlG, NZS 1993, 137, 139; Kummer, NZS 1993, 285, 289). Der Beschwerdewert von 750 Euro wird dennoch nicht erreicht. Das LSG hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger mit seinem Antrag vor dem SG ursprünglich einen Betrag in Höhe von insgesamt 1042,64 Euro geltend gemacht hat. Seine Klage ist in einem Umfang von 403,20 Euro erfolgreich gewesen, weshalb er mit einem Betrag in Höhe von 639,44 Euro, also weniger als 750 Euro, unterlegen ist. Nur dieser Betrag ist der Wert des Beschwerdegegenstandes des Berufungsverfahrens iS von § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG.
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Ohne Bedeutung ist, dass der Kläger ungeachtet des vor dem SG erzielten Teilerfolgs mit seinem Berufungsantrag erneut eine Verurteilung des Beklagten in Höhe des ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Gesamtbetrags begehrt hat. Dies hat das LSG zu Recht als unbeachtlich angesehen, weil die Aufrechterhaltung der Berufung hinsichtlich des bei Klageerhebung streitigen Betrags mangels vernünftigen Grundes teilweise rechtsmissbräuchlich gewesen ist. Die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung liegen vor, wenn entgegen der eindeutigen Rechtslage Anträge willkürlich nur gestellt werden, um eine Berufungsfähigkeit zu erreichen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 144 RdNr 14a mwN; BSG vom 22.8.1990 - 10 RKg 29/88 - BSGE 67, 194, 195 = SozR 3-5870 § 27 Nr 1 S 2, juris RdNr 14). Streitig war allein die Höhe der KdU, weil der Beklagte die Regelleistungen durchgehend in voller Höhe bewilligt hatte. Die Differenz hinsichtlich der im sozialgerichtlichen Verfahren geltend gemachten KdU abzüglich des zugesprochenen Betrags entspricht dem Betrag der (noch) offenen tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 639,44 Euro.
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c) Die Ausnahmeregelung des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, nach der eine Berufung auch bei einem Beschwerdewert unterhalb von 750 Euro zulässig ist, greift nicht ein. Die hierfür erforderliche Voraussetzung, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, liegt nicht vor.
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aa) Zwar ist Alg II als Sozialleistung nach § 19a SGB I eine Geldleistung iS von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG und es handelt sich bezogen auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum um eine laufende Leistung, weil sie wiederholt gezahlt wird, gleichartig ist und innerhalb eines Bewilligungszeitraums auf demselben Rechtsgrund beruht (BSG vom 22.7.2010 - B 4 AS 77/10 B - RdNr 7). Der Zeitraum von einem Jahr wird aber nicht überschritten.
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Mit den zur Überprüfung gestellten Ausgangsbescheiden ist Alg II nach § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011 (BGBl I 850; im Folgenden § 41 SGB II aF) jeweils nur für sechs Monate bewilligt worden. Nach der rechtlichen Ausgangslage im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die jeweiligen Bewilligungsabschnitte unterschiedliche Streitgegenstände. Das Ende des Bewilligungszeitraums stellt eine zeitliche Zäsur dar, die den jeweiligen Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht umschreibt (BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 7/08 B - RdNr 5; BSG vom 22.7.2010 - B 4 AS 77/10 B - RdNr 7; vgl zur Nichtanwendbarkeit des § 96 SGG: BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30; BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 14; BSG vom 26.9.2013 - B 14 AS 148/13 B - RdNr 6).
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Das Überprüfungsbegehren des Klägers nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 44 SGB X bezog sich auf die (teilweise) Rücknahme der drei getrennt zu betrachtenden Bescheide. Ohne deren Rücknahme konnte er kein höheres Alg II erhalten, weil Leistungen nach dem SGB II längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erst nach Rücknahme des zu überprüfenden Verwaltungsaktes erbracht werden (vgl § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X). Erfolgt die Überprüfung nach § 44 SGB X - wie vorliegend - aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag eine auf jeden gesonderten Bescheid bezogene Prüfpflicht des Leistungsträgers aus; gleichzeitig bestimmt dieser Antrag auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist (BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 13).
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Entsprechend war das Überprüfungsbegehren des Klägers parallel zu den jeweils auf sechs Monate befristeten Bewilligungen durch die Ausgangsbescheide auf die Zeiträume vom 1.1. bis 28.2.2013, 1.3. bis 31.8.2013 und 1.3. bis 31.8.2014 bezogen (vgl zur zeitlichen Begrenzung im Überprüfungsverfahren BSG vom 19.3.2008 - B 11b AS 23/06 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 18). In zeitlicher Hinsicht lagen (hinsichtlich des Klagegrundes) voneinander getrennte Lebenssachverhalte vor. Nach dem Inhalt seines Überprüfungsantrags sowie seiner erst- und zweitinstanzlichen Anträge begehrte der Kläger auch keine durchgehende Bewilligung von SGB II-Leistungen von Januar 2013 bis August 2014, die im Übrigen mit der anzuwendenden Gesetzeslage unvereinbar wäre. Gegenstand des Klagebegehrens war allein die Höhe der KdU in getrennt zu betrachtenden Bewilligungszeiträumen.
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bb) Im Rahmen von § 144 Abs 1 Satz 2 SGG ist eine Zusammenrechnung der Bezugszeiträume verschiedener prozessualer Ansprüche auch nicht in ergänzender Anwendung der ZPO-Vorschriften möglich. Bei der Ermittlung des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG folgt die Addition der Beschwerdewerte aus § 202 SGG iVm § 5 ZPO mit der Möglichkeit des Rückgriffs auf den zivilprozessualen Begriff des Beschwerdewertes (vgl bereits unter b). Die Bezugszeiträume verschiedener Klageansprüche können dagegen nicht addiert werden, weil der Gesetzgeber des RPflEntlG - zur Entlastung der Berufungsgerichte von Bagatellstreitigkeiten - die Beschwer mit der besonderen Regelung des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG ausdrücklich durch die Länge des jeweils streitgegenständlichen Zeitraums zum Ausdruck gebracht hat, für den wiederkehrende Leistungen (Bezugsdauer) im Streit stehen (vgl BSG vom 18.3.1982 - 7 RAr 50/80 - SozR 4100 § 118 Nr 10 S 54, juris RdNr 34; BSG vom 22.3.1989 - 7 RAr 106/88 - juris RdNr 15; vgl Meyer-Ladewig, NZS 1993, 137, 140; Sommer in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 144 RdNr 34) und insofern keine Abweichung von dem Grundsatz der getrennten Betrachtung verschiedener prozessualer Ansprüche (vgl hierzu unter a) möglich ist.
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cc) Der Umstand, dass der Beklagte im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X nicht durch getrennte Bescheide entschieden, sondern das Ergebnis der Prüfungen in einem einheitlichen Bescheid mit mehreren getrennten Verfügungen zusammengefasst hat, führt nicht zu einer Änderung der Streitgegenstände (so auch LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 5.12.2011 - L 8 B 430/10 NZB; LSG Baden-Württemberg vom 26.3.2014 - L 2 SO 3177/13 - RdNr 27; LSG Baden-Württemberg vom 12.2.2020 - L 3 AS 4066/19 - RdNr 21; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 144 RdNr 27). Insofern gelten keine anderen Grundsätze als bei einem Streit über höhere Leistungen für verschiedene Bewilligungsabschnitte im Ausgangsverfahren.
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Die zeitliche Dauer der jeweiligen Bewilligungen wurde im Überprüfungsverfahren auch nicht korrigiert. Der Überprüfungsbescheid vom 14.10.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 5.3.2015 sowie des Widerspruchsbescheides vom 12.3.2015 bezieht sich entsprechend auf die ursprünglichen Bewilligungen. Insofern liegt eine andere tatsächliche Ausgangslage vor als in den vom Kläger im Revisionsverfahren angesprochenen Konstellationen einer vollständigen Leistungsablehnung mit einer rückwirkenden erstmaligen Anerkennung eines Leistungsanspruchs.
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dd) Zwar gilt der Grundsatz, dass die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels für jeden Anspruch gesondert zu prüfen ist, im Rahmen des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG nicht uneingeschränkt; jedoch kann für das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X keine (weitere) Ausnahme anerkannt werden.
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Besteht nach der materiell-rechtlichen Gestaltung der Rechtslage ein Zusammenhang zwischen den in Streit stehenden wiederkehrenden Leistungen derart, dass sie im Wesentlichen auf demselben Rechtsverhältnis (Stammrecht) beruhen bzw denselben Entstehungsgrund haben, so ist hinsichtlich der auf die Bezugsdauer abstellenden Beschwer des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG in Abweichung von den dargestellten Grundsätzen nicht entscheidend, ob diese Leistungen durch einen oder mehrere prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden müssen oder ob die streitigen durch unstreitige Bezugszeiten unterbrochen sind. Dies ist von der Rechtsprechung des BSG angenommen worden für Ansprüche nach dem SGB III (Alg, Übg), die auf einem einheitlichen Stammrecht beruhen, nicht jedoch für solche Ansprüche auf Alg, denen eine neue Anwartschaft und damit ein neu entstandener Anspruch auf Alg zugrunde liegt (vgl BSG vom 18.3.1982 - 7 RAr 50/80 - SozR 4100 § 118 Nr 10 S 54, juris RdNr 16 mwN; BSG vom 22.3.1989 - 7 RAr 106/88 - juris RdNr 15).
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Jedoch beruhen SGB II-Ansprüche, anders als Ansprüche nach dem SGB III, von vornherein nicht auf einem einheitlichen Stammrecht (aA wohl Thüringer LSG vom 10.1.2013 - L 9 AS 831/10 - RdNr 27). Für die jeweiligen Bewilligungsabschnitte werden sie als materiell-rechtlich selbständige Ansprüche regelmäßig für kürzere Zeiträume bewilligt. Die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen erfolgt gesondert für jeden Bewilligungsabschnitt, für den ein konstitutiv wirkender Antrag (§ 37 Abs 1 Satz 1 SGB II) zu stellen ist. Die Leistungsträger nach dem SGB II müssen Änderungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen und der Ermittlung der Bedarfe, zumeist nicht nur für eine Person, sondern oft für mehrere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft jeweils erneut prüfen. Die Zuerkennung von Leistungen für einen Bewilligungszeitraum einschließlich der Beurteilung einzelner Tatbestandsmerkmale entfaltet keine Bindungswirkung für Folgezeiträume (BSG vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 15; BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9).
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Anders als der Kläger meint, kann sich ein einheitliches Stammrecht auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass etwa bei der Anrechnung von Einkommen als einer tatbestandlichen Voraussetzung der Leistungsbewilligung eine normative Berücksichtigung des anrechenbaren Einkommens über den aktuellen Bewilligungsabschnitt hinaus vorgenommen wird. Auch sind für die Zulässigkeit der Berufung nicht einzelne Anspruchsvoraussetzungen relevant, sondern allein derjenige prozessuale Anspruch, der auch Streitgegenstand sein kann. Die Zeiträume verschiedener Bewilligungszeiträume können nicht allein deshalb bei Anwendung des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG zusammengerechnet werden, weil teilweise gleiche Leistungsparameter im Streit stehen (dies befürwortend Groth in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, VIII. Kap, RdNr 20a).
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ee) Anders als der Kläger meint, sind damit Ansprüche nach dem SGB II auch nicht generell vom Berufungsausschluss des § 144 Abs 1 SGG betroffen. Auch innerhalb eines Bewilligungszeitraums nach dem SGB II kann der Beschwerdewert über 750 Euro liegen. Zudem bleibt jedenfalls bei zeitlich unbegrenzten Leistungsablehnungen bei ungewisser oder geringer Höhe des Leistungsanspruchs die Berufung zulässig. Zutreffend verweist der Kläger auf Fallgestaltungen, in denen ein Leistungsträger wegen einer vermeintlichen Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten die SGB II-Leistungen versagt hat oder er eine Bewilligung abgelehnt hat und Leistungen für einen vergangenen Zeitraum ohne vorherige Bestimmung der Dauer nachträglich festsetzt werden. Eine solche Konstellation liegt dem Rechtsstreit jedoch nicht zugrunde.
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3. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass das SG allein durch die vorliegende, fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung keine Zulassung der Berufung ausgesprochen hat (vgl BSG vom 19.11.1996 - 1 RK 18/95 - SozR 3-1500 § 158 Nr 1).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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