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BSG 22.04.2021 - B 4 AS 16/21 B
BSG 22.04.2021 - B 4 AS 16/21 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler und Divergenz - keine hinreichende Bezeichnung - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Sonderbedarf - Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt - Bemessung des Pauschalbetrages
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 123 SGG, § 24 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2, § 24 Abs 3 S 5 SGB 2, § 24 Abs 3 S 6 SGB 2
Vorinstanz
vorgehend SG Neubrandenburg, 10. Juni 2014, Az: S 14 AS 369/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 22. September 2020, Az: L 14 AS 566/17, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. September 2020 - L 14 AS 566/17 - wird als unzulässig verworfen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem SGB II wegen Erstausstattung bei Schwangerschaft. Antrag, Klage und Berufung mit dem Begehren auf einen höheren Betrag als die vom beklagten Jobcenter bewilligte Pauschale in Höhe von insgesamt 100 Euro sind erfolglos geblieben (zuletzt Urteil des LSG vom 22.9.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, eine isolierte Überprüfung der vom Beklagten ermittelten Pauschale sei nicht veranlasst. Diese Frage wäre nur zu beantworten gewesen, wenn die Klägerin einen durch den gewährten Betrag ungedeckten Bedarf konkret bezeichnet hätte, woran es trotz mehrfacher Aufforderung gefehlt habe. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit einem Verfahrensfehler und einer Divergenz zur Rechtsprechung des BSG begründet.
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II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die Klägerin den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sowie eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der erforderlichen Form bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
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Zu dem von ihr gerügten Verstoß gegen § 123 SGG trägt die Klägerin vor, das LSG habe ihr "Verpflichtungsbegehren" als "Bescheidungsbegehren" im Sinne eines "Minus zur Verpflichtung" auslegen müssen. Es habe nur prüfen dürfen, ob die in Ansatz gebrachten Pauschalbeträge auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhten. Eine eigenständige Bedarfsermittlung und Bestimmung der Leistungshöhe sei ihm versagt gewesen. Das Berufungsgericht habe zu dem Ergebnis gelangen können, dass die in Ansatz gebrachten Pauschalbeträge nicht auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhten und der Klage deshalb durch den Erlass eines Verpflichtungsbescheidungsurteils (ggf unter teilweiser Berufungsabweisung) und damit jedenfalls teilweise stattgeben können.
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Mit diesem Vortrag ist ein Verfahrensfehler nicht ausreichend bezeichnet. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen. Die Klägerin hat jedoch - wie von ihr vorgetragen - ausdrücklich die Zahlung weiterer 50 Euro für die Schwangerenbekleidung anlässlich der Geburt ihres Sohnes beantragt. Sie legt nicht dar, warum ein Verständnis dieses eindeutig abgefassten Antrags als "Bescheidungsantrag" ihrem Begehren besser entsprochen hätte. Hierzu hätte sie sich mit der ständigen Rechtsprechung des BSG auseinandersetzen müssen. Hiernach ist allerdings die Anfechtungs- und Leistungsklage die gebotene Klageart bei - wie vorliegend - bereits stattgehabter Ausübung des Auswahlermessens in Bezug auf die Form der Leistungserbringung (Sach- oder Geldleistung) durch das Jobcenter und wegen höherer Leistungen als die bereits bewilligten Leistungen (vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12 RdNr 17, 23).
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Auch eine Divergenz hat die Klägerin nicht ausreichend bezeichnet. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.
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Insofern trägt die Klägerin vor, das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, der Leistungsträger habe einen Ermessensspielraum nach § 24 Abs 3 Satz 5 SGB II nur dahingehend, ob die Erstausstattung als Sachleistung oder als Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werde. Es bestehe aber "kein Ermessen" in Bezug auf die Leistungshöhe. Dagegen habe das BSG in seinem Urteil vom 20.8.2009 (B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5) den Rechtssatz aufgestellt, dass der Leistungsträger nicht nur einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Leistungsart, sondern "auch bei der Festsetzung der Höhe der gewählten Pauschale einen Beurteilungsspielraum" habe. Insofern befasst sich die Klägerin aber nicht in der erforderlichen Weise damit, warum mit einem Beurteilungsspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Pauschalen ein Ermessen des Leistungsträgers verbunden sein soll, obgleich das BSG in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei einer Entscheidung des Grundsicherungsträgers für die Leistungsart Geldleistung eine richterliche Plausibilitätskontrolle durchzuführen ist, ob bei deren Bemessung geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte über die Kosten der Erstausstattungsgegenstände zur Stützung der Pauschalbeträge berücksichtigt worden sind (vgl nur BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 13 RdNr 25). Bezogen auf das ihrem Vorbringen zu entnehmende Begehren auf Prüfung der Anforderungen an die Bemessung von Pauschalbeträgen nach § 24 Abs 3 Satz 5 SGB II - als möglicher Revisionsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung - fehlt es neben einer Darlegung der Klärungsfähigkeit angesichts des von der Klägerin nicht dargelegten höheren Bedarfs auch an einer Darlegung der Klärungsbedürftigkeit, weil dies bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des BSG gewesen ist (vgl nur BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 19 f; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 10/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 10 RdNr 21; BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12 RdNr 17, 23 ff). Maßgebend ist danach, ob die Pauschalen jeweils auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhen (vgl auch BSG vom 23.12.2013 - B 14 AS 171/13 B - RdNr 4). Soweit die Klägerin die Höhe der von dem Beklagten konkret zugrunde gelegten Pauschalen kritisiert, kann die Behauptung einer inhaltlichen Unrichtigkeit nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B; BSG vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG <Kammer> vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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