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BSG 31.03.2021 - B 1 KR 82/20 B
BSG 31.03.2021 - B 1 KR 82/20 B - Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Grundlage des Vergütungsanspruchs - Auslegung von Abrechnungsbestimmungen durch die Gerichte - medizinische Begriffe des OPS
Normen
§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 301 Abs 2 SGB 5, § 17b KHG, § 7 KHEntgG, § 9 KHEntgG, FPVBG 2015, OPS 2015
Vorinstanz
vorgehend SG Hamburg, 25. Juni 2019, Az: S 8 KR 1239/16, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Hamburg, 26. August 2020, Az: L 1 KR 97/19, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. August 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2642,52 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Dieses führte im August 2015 bei einer bei der beklagten Krankenkasse Versicherten die operative Revision ihres Dialyse-Shunts durch (Wiederherstellung eines chirurgisch für die Dialyse angelegten Blutgefäßes zur Verbindung von Vene und Arterie). Das Krankenhaus kodierte die Operation nach dem 2015 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-397.x:R (Andere plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen: Sonstige) und berechnete ausgehend von der Fallpauschale (Diagnosis Related Group <DRG>) F59B für die Behandlung 6406,84 Euro. Die Krankenkasse beglich zunächst die Rechnung, rechnete den gezahlten Betrag dann jedoch mit anderen unstreitigen Forderungen auf und zahlte lediglich 3764,32 Euro an das Krankenhaus. Es sei OPS 5-397.a1:R (Andere plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen: Oberflächliche Venen: Schulter und Oberarm) zu kodieren und daher nach DRG F59D zu vergüten.
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Die auf Zahlung von 2642,52 Euro gerichtete Klage ist in erster Instanz erfolgreich gewesen (Urteil des SG vom 25.6.2019): Zu Recht habe das Krankenhaus die Prozedur an einem sonstigen Gefäß abgerechnet. Eine ausgereifte Shuntvene sei in ihrer Beschaffenheit aufgrund des hohen Blutflusses verändert, weil sich dadurch auch die Dicke und Beschaffenheit des Blutgefäßes ändere. Die Vene werde dadurch im Laufe der Zeit arterialisert. Für den Operateur bedeute dies, dass er es nicht mit einer Vene, sondern mit einer arterialisierten Vene zu tun habe. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Krankenhaus habe zu Unrecht eine Prozedur an einem sonstigen Gefäß und nicht an einer Vene abgerechnet, weil es sich auch bei der Shuntvene nach wie vor um eine Vene handele (Urteil vom 26.8.2020).
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Mit seiner Beschwerde wendet sich das Krankenhaus gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
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Das klagende Krankenhaus formuliert folgende Rechtsfrage:
"Darf das Gericht Mitteilungen bzw. Stellungnahmen des DIMDI (bzw. nunmehr nachfolgend des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte - BfArM) auf Kodierungs- bzw. Klassifikationsanfragen bei seiner Entscheidungsfindung hinsichtlich der Auslegung von OPS-Ziffern unberücksichtigt lassen bzw. übergehen oder ist das Gericht nicht sogar vielmehr an entsprechende Mitteilungen bzw. Stellungnahmen bei seiner Entscheidungsfindung gebunden und muss diese Bewertung seiner Entscheidung zugrunde legen."
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Es legt jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dar.
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Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 14.12.2020 - B 1 KR 16/20 B - juris RdNr 7; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Dass die aufgeworfene Rechtsfrage gemessen daran klärungsbedürftig sei, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
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Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass Grundlage des Vergütungsanspruchs § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 des Krankenhausentgeltgesetzes und § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ist und sich dessen Höhe nach den Vereinbarungen der Vertragspartner auf Bundesebene richtet, nicht hingegen nach verbindlichen Vorgaben des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI; jetzt BfArM). Der vom DIMDI herausgegebene OPS regelt lediglich insoweit Vergütungsvoraussetzungen, als sich die Vertragspartner durch die vergütungsrelevante Einbeziehung der Klassifikationen in die Fallpauschalenvereinbarung über die Definition der jährlich von ihnen zu vereinbarenden Fallpauschalen verständigt haben (vgl nur BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 39/17 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 10 ff mwN; vgl dazu auch BSG vom 14.12.2020 - B 1 KR 16/20 B - juris RdNr 8). Nach ständiger Rechtsprechung sind in diesem Sinne vereinbarte Abrechnungsbestimmungen durch die Gerichte auszulegen. Wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems ist die Auslegung eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen vorzunehmen (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG vom 16.7.2020 - B 1 KR 16/19 R - juris RdNr 17, jeweils mwN).
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Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander. Sie nimmt weder Bezug auf die Rechtsprechung zur Auslegung von Vergütungsvorschriften durch die Gerichte, noch legt sie dar, vor welchem Hintergrund eine durch das "Klassi-Team" des DIMDI verfasste E-Mail verbindliche Wirkung für die Auslegung einer durch die Vertragspartner auf Bundesebene vereinbarten Vergütungsvorschrift gewinnen soll. Allein der Verweis darauf, dass das DIMDI auf seiner Internetseite als seine Aufgabe die Bildung einheitlicher Begriffssysteme beschreibe und sich Entsprechendes auch auf der Internetseite des BfArM finde, legt nicht dar, weshalb dem DIMDI angesichts anders lautender Rechtsprechung des BSG ein Auslegungsprärogativ zukommen soll.
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Soweit die Beschwerdebegründung Bezug nimmt auf die Neufassung des § 301 Abs 2 SGB V und daraus den Schluss zieht, dass nunmehr gesetzlich verankert sei, dass das BfArM Klarstellungen und Änderungen bei Auslegungsfragen zum OPS mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen könne, legt sie nicht dar, welche Relevanz diese Änderung für den vorliegenden Fall gewinnt. Die Beschwerdebegründung nimmt insoweit inhaltlich Bezug auf die zum 1.1.2019 in Kraft getretene Änderung des § 301 Abs 2 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG) vom 11.12.2018 (BGBl I 2394). Welche Bedeutung diese Regelung für eine schon in der Vergangenheit liegende Stellungnahme des DIMDI haben soll, wird nicht erörtert. Überdies setzt sich die Beschwerdebegründung nicht damit auseinander, ob eine formlose E-Mail-Antwort die Qualität einer rechtlichen Klarstellung im Sinne von § 301 Abs 2 Satz 4 SGB V erfüllt. Soweit sie pauschal behauptet, dass "sich aus Vorstehendem klar auch für die Vergangenheit (…) ergibt, dass (…) Stellungnahmen [des DIMDI] bindend sind", auch für die Gerichte, erläutert sie dies nicht.
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Soweit die Beschwerdebegründung sinngemäß letztlich doch die Frage danach aufwirft, ob eine Shuntvene als sonstiges Blutgefäß oder als Vene zu qualifizieren ist, legt sie ebenfalls nicht dar, weshalb dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt. In Bezug auf DRG-basierte Vergütungsbestimmungen erfordert dies regelmäßig die substantiierte Darlegung, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das Tatsachengericht hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach Wortlaut und - ergänzend - nach Systematik erfolgt. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen Auslegungsprobleme aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 17 f mwN; vgl auch BSG vom 20.11.2007 - B 1 KR 118/07 B - juris RdNr 5 mwN).
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Die Inkorporierung des OPS in die Vergütungsvorschriften bedeutet - soweit die Vertragsparteien nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmen -, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird. Dieser den Regelungsgehalt determinierende Sprachgebrauch kann - wortlautorientiert - wie eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden. Insofern gilt hier nichts anderes als bei Fragen (rein) tatsächlicher Art, die nicht zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden können (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 18, dort zum Begriff der Inzision).
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Die Beschwerdebegründung setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit die Abgrenzung der OPS-Schlüssel anhand der Begriffswahl (oberflächliche Vene/Sonstige) für eine Shuntvene wesentliche Auslegungsprobleme aufweist. Insbesondere zeigt sie nicht auf, dass das Auslegungsproblem hier nicht einer Beweiserhebung zugänglich ist. Sie legt auch im Übrigen nicht dar, warum ein über die Frage der Auslegung der Vergütungsvorschriften nach deren Wortlaut - allenfalls ergänzt durch systematische Erwägungen - hinausgehender grundsätzlicher Klärungsbedarf bestehen soll. Allein ihr Hinweis auf weitere anhängige Verfahren zu dieser Frage genügt insoweit nicht.
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2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
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