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BSG 01.07.2020 - B 9 SB 5/20 B
BSG 01.07.2020 - B 9 SB 5/20 B - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Schwerbehindertenrecht - GdB-Feststellung - Versorgungsmedizinische Grundsätze - Diabetes mellitus - erhebliche Beeinträchtigung in der Lebensführung - Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Gefahr von Zuckerschocks - Fortdauer des Fahrverbots wegen nicht rechtzeitig beigebrachtem Gutachten - unzureichender Leistungstest - Behinderungskausalität - keine Divergenz zur BSG-Rechtsprechung zum Finalitätsgrundsatz - Darlegungsanforderungen
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 163 SGG, § 152 Abs 1 S 1 SGB 9 2018, § 152 Abs 3 SGB 9 2018, § 2 Abs 1 SGB 9 2018, § 2 Abs 2 SGB 9 2018, § 2 VersMedV, Anlage Teil B Nr 15.1 Abs 4 VersMedV
Vorinstanz
vorgehend SG Frankfurt, 23. Mai 2018, Az: S 3 SB 338/16, Gerichtsbescheid
vorgehend Hessisches Landessozialgericht, 19. November 2019, Az: L 3 SB 78/18, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. November 2019 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Schwerbehinderung.
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Der Kläger leidet unter Diabetes mellitus. Auf seinen Antrag vom April 2016 stellte der Beklagte deshalb bei ihm zuletzt einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest (Bescheid vom 13.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.8.2016).
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Das SG hat den Beklagten verurteilt, beim Kläger darüber hinaus einen GdB von 50 festzustellen. Dem Kläger sei wegen seines Diabetes im Jahr 2015 die Fahrerlaubnis entzogen worden, was einen zusätzlichen erheblichen Einschnitt in seine Lebensführung dargestellt habe. Dies rechtfertige einen GdB von 50 (Gerichtsbescheid vom 23.5.2018).
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein GdB von 50 zu. Er erfülle aktuell die auf den Therapieaufwand bezogenen Kriterien für einen GdB in dieser Höhe, sei aber nicht zusätzlich erheblich in seiner Lebensführung beeinträchtigt. Insbesondere sei sein Diabetes seit 2016 stabil eingestellt. Wiederkehrende Kollapszustände, die in der Vergangenheit zum Entzug seines Führerscheins geführt hätten, träten seitdem nicht mehr auf. Die fortbestehenden Einschränkungen durch den Entzug seines Führerscheins beruhten daher nicht mehr auf dem Diabetes, sondern auf der verspäteten Beibringung eines neuen Gutachtens über seine Fahrtüchtigkeit. Die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 2 habe zudem im Jahr 2015 unabhängig von der diabetischen Stoffwechseleinstellung bereits wegen der Ergebnisse des Leistungstests nicht vorgelegen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen und habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder eine Divergenz (1.) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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1. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (Senatsbeschluss vom 12.1.2017 - B 9 V 58/16 B - juris RdNr 21 mwN). An diesen Darlegungen fehlt es.
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Der Kläger wirft dem LSG vor, es sei von der Senatsrechtsprechung zur Beurteilung des GdB abgewichen. Diese habe ausschließlich final zu erfolgen, also orientiert am tatsächlichen Zustand des behinderten Menschen. Auf die Verursachung der Gesundheitsstörung komme es dagegen nicht an (Hinweis auf Senatsurteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10). Indes hat der Kläger nicht dargelegt, ob und wie das Berufungsgericht von dieser insoweit zutreffend referierten Senatsrechtsprechung zum Finalitätsgrundsatz abgewichen sein sollte. Der Kläger begehrt einen GdB von 50 wegen seines Diabetes mellitus. Die GdB-Festsetzung bei dieser Erkrankung richtet sich nach Teil B Nr 15.1 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Neben den dort näher ausgeführten Beurteilungskriterien, die den Therapieaufwand betreffen, müssen die Auswirkungen des Diabetes mellitus den Behinderten auch insgesamt gesehen erheblich in seiner Lebensführung beeinträchtigen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche vorzunehmen (Senatsurteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 18 RdNr 14 ff).
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Der Kläger legt nicht dar, welchen abweichenden Rechtssatz das LSG insoweit zur Verursachung seiner Diabetes-Erkrankung aufgestellt haben sollte; die Ursache des Diabetes hat das Berufungsgericht vielmehr in seinem Urteil überhaupt nicht angesprochen. Tatsächlich kritisiert der Kläger in der Sache, das LSG habe die Auswirkungen seiner Erkrankung auf seine Lebensführung, speziell auf seinen Beruf, anders beurteilt, als er es für richtig hält. Das angefochtene Urteil führt dazu aus, der Kläger habe zwar im Jahr 2015 seine Fahrerlaubnis zunächst wegen wiederkehrender Kollapszustände als Auswirkungen seines Diabetes verloren. Bei ab Anfang 2016 stabil eingestellter Stoffwechsellage habe er die Erlaubnis dann aber deshalb nicht wiedererlangt, weil er es versäumt habe, rechtzeitig ein neues Gutachten beizubringen. Die fortbestehenden Einschränkungen durch den Führerscheinentzug beruhten daher nicht mehr auf dem Diabetes. Unabhängig davon sei im Jahr 2015 der Leistungstest für die Führerscheinklasse 2 unzureichend gewesen.
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Letztlich wendet sich der Kläger damit gegen die Beweiswürdigung des LSG, die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Senatsbeschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 15 mwN).
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2. Ebenso wenig dargelegt hat der Kläger die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Er hält es für klärungsbedürftig, ob der "tatsächlich bestehende Zustand des behinderten Menschen nur den Gesundheitszustand meint oder auch Umstände, die durch den Gesundheitszustand verursacht werden bzw. als Folgen des Gesundheitszustandes eingetreten sind und aktuell fortbestehen" (vgl hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B - juris RdNr 4).
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Der Kläger versäumt indes die Darlegung, warum sich die Antwort auf diese Frage nicht schon aus dem Gesetz und dazu ergangener Senatsrechtsprechung ergibt. Maßgeblich für die GdB-Feststellung ist gemäß § 2 Abs 1, § 152 Abs 1 und 3 SGB IX, wie sich Gesundheitsstörungen, die nicht nur vorübergehend sind, auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken und welcher GdB deshalb dafür nach den Vorgaben der Anlage zu § 2 VersMedV vom 10.12.2008 in der jeweils maßgeblichen Fassung festzusetzen ist (Senatsbeschluss vom 4.5.2020 - B 9 SB 84/19 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerde führt nicht aus, warum die von ihr genannten Folgen gesundheitlicher Einschränkungen in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden sollten.
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Schließlich hält es die Beschwerde für klärungsbedürftig, ob es bei der Beurteilung einer Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte vor dem Hintergrund von Art 3 Abs 1 GG einen Unterschied geben dürfe zwischen Betroffenen, die objektiv ihre Erkrankung verursacht hätten, und solchen, die das Fortbestehen von nachteiligen Folgen ihrer Krankheit zu verantworten hätten.
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Wer eine Verfassungsverletzung geltend macht, darf sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und ggf des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 1.6.2017 - B 10 ÜG 30/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 14 RdNr 16 mwN). Solche Ausführungen enthält die Beschwerde nicht.
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Unabhängig davon hat der Kläger nicht aufgezeigt, warum es auf die von ihm gestellte Frage in einem zukünftigen Revisionsverfahren entscheidungserheblich ankommen würde. Nach den Feststellungen des LSG fehlte dem Kläger die Fahreignung jedenfalls für Fahrzeuge der Gruppe 2 unabhängig von der diabetischen Stoffwechseleinstellung bereits wegen der Ergebnisse seines Leistungstests.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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