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BSG 12.09.2019 - B 11 AL 19/18 R
BSG 12.09.2019 - B 11 AL 19/18 R - Überprüfungsverfahren - Rücknahme einer Sperrzeitentscheidung - Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung - ständige Rechtsprechung - abweichende Verwaltungspraxis - Nichtberücksichtigung bzw fehlerhafte Interpretation bestehender ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
Normen
§ 159 Abs 1 S 1 SGB 3 vom 20.12.2011, § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 vom 20.12.2011, § 330 Abs 1 Alt 2 SGB 3, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Karlsruhe, 11. Juni 2018, Az: S 5 AL 352/18, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 28. September 2018, Az: L 8 AL 2497/18, Urteil
Leitsatz
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Die Verpflichtung zur Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts ist nicht wegen von der Verwaltungspraxis abweichender ständiger Rechtsprechung begrenzt, wenn die Arbeitsverwaltung eine bei Erlass des Verwaltungsakts bereits bestehende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt bzw fehlerhaft interpretiert hat.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. September 2018 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Alg vom 1.6.2017 bis 23.8.2017 im Wege des Überprüfungsverfahrens.
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Die 1954 geborene Klägerin war bei dem D -verein aG (Arbeitgeber) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 20.11.2006 schloss sie mit dem Arbeitgeber eine Altersteilzeitvereinbarung mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden bis zum 31.5.2013, einer anschließenden Freistellung von der Arbeitsleistung und einem Ende des Altersteilzeitbeschäftigungsverhältnisses ohne vorherige Kündigung mit dem 31.5.2017. Sie meldete sich zum 1.6.2017 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte stellte den Eintritt einer Sperrzeit vom 1.6.2017 bis 23.8.2017, das Ruhen des Alg-Anspruchs während dieser Zeit und eine Minderung des Leistungsanspruchs um 180 Tage fest, weil die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst habe (Bescheid vom 28.4.2017; Widerspruchsbescheid vom 15.5.2017). Alg bewilligte die Beklagte erst ab 24.8.2017 (Bescheid vom 2.5.2017).
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Den Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheids vom 28.4.2017 mit Hinweis auf das Urteil zur Sperrzeit bei Arbeitsteilzeitvereinbarungen (BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3) lehnte die Beklagte ab. Da diese Entscheidung als ständige Rechtsprechung erst seit dem 12.9.2017 anzuerkennen sei und die Sperrzeit bereits mit dem 23.8.2017 geendet habe, sei keine Korrektur der Entscheidung möglich (Bescheid vom 29.9.2017; Widerspruchsbescheid vom 8.1.2018).
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Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29.9.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.1.2018 verpflichtet, "den Sperrzeitbescheid vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 zurückzunehmen und der Klägerin unter Änderung des Bescheides vom 2.5.2017 in der Gestalt des Bescheids vom 11.5.2017, des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 und des Bescheids vom 18.5.2017 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe auch für die Zeit vom 1.6.-23.8.2017 zu bewilligen" (Urteil vom 11.6.2018). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28.9.2018). Die Klägerin könne sich auf einen wichtigen Grund berufen, weil sie entsprechend der Intention des Gesetzgebers bei der Einführung der Altersteilzeit einen nahtlosen Wechsel in den Rentenbezug beabsichtigt habe. Hiervon sei auch prognostisch auszugehen gewesen. § 330 Abs 1 SGB III stehe der Anwendung von § 44 Abs 1 SGB X nicht entgegen. Die Rechtsfrage, ob der Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung einen wichtigen Grund darstellen könne, sei bereits durch das Urteil vom 21.7.2009 (B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18) geklärt gewesen. In Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen habe das BSG ausgeführt, dass maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des wichtigen Grundes der Abschluss des Altersteilzeitvertrags sei. Soweit in der Rechtsprechung davon ausgegangen worden sei, dass der wichtige Grund nachträglich entfallen könne, wenn nicht der ursprünglichen Absicht entsprechend nahtlos Rentenleistungen in Anspruch genommen würden, habe eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG vorgelegen. Der interne Vermerk der Beklagten vom 24.3.2014 zum Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz idF der Bekanntmachung vom 23.6.2014, BGBl I 787), auf dem die Verwaltungspraxis zur Sperrzeit bei Altersteilzeitvereinbarungen beruhte, berücksichtige die Rechtsprechung des BSG nicht hinreichend und gelange zu hiervon nicht gedeckten Schlussfolgerungen.
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Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 330 Abs 1 SGB III. Erst mit den Urteilen vom 12.9.2017 (B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3) und 12.10.2017 (B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4) habe das BSG entschieden, dass ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht dadurch entfalle, dass entgegen der ursprünglichen und prognostisch belegten Absicht unmittelbar nach der Altersteilzeit keine Altersrente, sondern zunächst Alg in Anspruch genommen werde. Eine Klärung dieser Rechtsfrage sei nicht bereits durch das Urteil des BSG vom 21.7.2009 (B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18) erfolgt, weil es sich nicht um eine gleichgelagerte Fallgestaltung gehandelt habe. Entsprechend habe das BSG auch im Urteil vom 29.6.2000 (B 11 AL 99/99 R - SozR 3-4100 § 152 Nr 10) bei der Frage nach dem Vorliegen einer "ständigen Rechtsprechung" darauf abgestellt, ob die betroffenen Verwaltungen eine höchstrichterliche Entscheidung auch für andere gleichgelagerte Fälle als verbindlich akzeptierten. Ihre Dienstanweisung zur "Sperrzeit bei Altersteilzeitverträgen" habe sie erst nach dem BSG-Urteil vom 12.9.2017 (B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3) geändert und damit als ständige Rechtsprechung anerkannt.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. September 2018 sowie das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie bezieht sich auf das Urteil des LSG.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, weil die Klägerin Alg für den Zeitraum vom 1.6.2017 bis 23.8.2017 beanspruchen kann.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 29.9.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.1.2018, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 zurückzunehmen. Gleichfalls in die Überprüfung der Beklagten einbezogen war der hiermit in untrennbarem Zusammenhang stehende Bescheid vom 2.5.2017, mit dem Alg erst ab 24.8.2017 bewilligt und für den davorliegenden Zeitraum vom 1.6.2017 bis 23.8.2017 abgelehnt wurde. In diesen Bescheiden ist eine einheitliche Entscheidung zur Ablehnung von Alg für den streitigen Zeitraum und zur Minderung der Anspruchsdauer um 180 Tage zu sehen, die mit dem Eintritt einer Sperrzeit und einem Ruhen des Anspruchs auf Alg begründet wurde (zur einheitlichen rechtlichen Regelung von Sperrzeitbescheid und Leistungsablehnung vgl nur BSG vom 16.9.1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270, 271 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19 S 93; zuletzt BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 12/17 R - BSGE 125, 170 = SozR 4-4300 § 159 Nr 5, RdNr 10). Der Bescheid vom 11.5.2017 ist nicht zum Gegenstand der Überprüfung geworden, weil er lediglich die Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung, nicht jedoch das hier streitige Alg, betrifft. Gleiches gilt für den Bescheid vom 18.5.2017, mit dem für den nicht streitbefangenen Zeitraum ab 24.8.2017 höheres Alg bewilligt worden ist.
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Das Revisionsbegehren der Beklagten ist darauf gerichtet, die nach § 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG statthafte kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage der Klägerin (vgl zuletzt BSG vom 30.8.2018 - B 11 AL 16/17 R - juris RdNr 13) abzuweisen. Mit der Anfechtungsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Bescheids vom 29.9.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.1.2018, mit dem die Beklagte die Überprüfung des Bescheids vom 28.4.2017 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017) sowie des Bescheids vom 2.5.2017 abgelehnt hat. Ausgehend von ihrem Antrag im erstinstanzlichen Verfahren begehrt die Klägerin mit der Verpflichtungsklage die Rücknahme des Bescheids vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 sowie die Änderung des Bescheids vom 2.5.2017. Da die Klägerin seit Oktober 2017 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte bezieht, geht der Senat in Auslegung des Klage- und Revisionsbegehrens (§ 123 SGG) davon aus, dass sich die Klägerin nicht (mehr) gegen die Minderung des Alg wendet. Bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat sie ausdrücklich nur Alg vom 1.6.2017 bis 23.8.2017 beantragt und in keiner Weise auf die Verfügungen zur Minderung des Anspruchs auf Alg Bezug genommen (vgl zu einer vergleichbaren Konstellation bereits BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 12/17 R - BSGE 125, 170 = SozR 4-4300 § 159 Nr 5, RdNr 10). Die Leistungsklage zielt auf die Bewilligung von Alg für den streitigen Zeitraum dem Grunde nach.
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2. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende Hindernisse liegen nicht vor. Insbesondere stand der Berufungsentscheidung nicht die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG entgegen. Der angefochtene Überprüfungsbescheid betrifft abgelehntes Alg für drei Monate. Ausweislich des Bescheids vom 2.5.2017 ist von einem monatlichen Alg-Zahlbetrag in Höhe von 922,80 Euro auszugehen.
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3. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Rücknahme bzw Änderung der bindenden Bescheide vom 28.4.2017 (idF des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017) und vom 2.5.2017 sowie Alg für den streitigen Zeitraum hat.
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a) Rechtsgrundlage für den von ihr verfolgten Anspruch auf Alg unter Rücknahme des zur Überprüfung gestellten Bescheids vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 und Änderung des Bewilligungsbescheids vom 2.5.2017 hinsichtlich seines ablehnenden Teils ist § 330 Abs 1 Satz 1 SGB III iVm § 44 Abs 1 und Abs 4 SGB X (sämtliche Vorschriften des SGB III hier anwendbar in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 Satz 1 SGB X).
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b) Der Bescheid vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 und der Bewilligungsbescheid vom 2.5.2017 waren anfänglich, dh nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage (vgl BSG vom 1.12.1999 - B 5 RJ 20/98 R - BSGE 85, 151, 153 = SozR 3-2600 § 300 Nr 15 S 72), rechtswidrig iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagte hat bei Erlass dieser Bescheide das Recht unrichtig angewandt und deswegen der Klägerin Sozialleistungen in Gestalt von Alg zu Unrecht nicht erbracht.
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Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für Alg ab 1.6.2017. Nach § 137 Abs 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind (Nr 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr 3). Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts war die Klägerin ab 1.6.2017 arbeitslos (§ 138 Abs 1 SGB III), hat sich am 28.3.2017 mit Wirkung zum 1.6.2017 bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos gemeldet (§ 137 Abs 1 Nr 2 SGB III, § 141 SGB III) und die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 137 Abs 1 Nr 3 SGB III, § 142 SGB III). Ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung (§ 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III) kommt nicht in Betracht. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihrer Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung auch subjektiv vorwerfbar nicht nachgekommen ist (vgl zur "doppelten Verschuldensprüfung" zuletzt BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 12/17 R - BSGE 125, 170 = SozR 4-4300 § 159 Nr 5, RdNr 13 mwN).
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Die Beklagte hat zu Unrecht ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe angenommen. § 159 SGB III bestimmt in Abs 1 Satz 1, dass der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit ruht, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn - nur dieser Tatbestand kommt hier in Betracht - der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III). Zwar hat die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst, indem sie mit ihrem Arbeitgeber im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat. Sie hat ihre Arbeitslosigkeit mit dem Ende der Freistellungsphase zum 31.5.2017 auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, weil sie nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte (vgl BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 49/04 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 10 RdNr 14; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 6/11 R - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 23, RdNr 15).
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Die Klägerin kann sich für ihr Verhalten jedoch auf einen wichtigen Grund berufen. Dies ist bei der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag der Fall, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine entsprechende Annahme bei prognostischer Betrachtung objektiv gerechtfertigt ist. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens des Arbeitnehmers ist abhängig von seiner rentenrechtlichen Situation sowie davon, ob bzw wie er diese unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat (BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18; BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3; BSG vom 12.10.2017 - B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lag ein wichtiger Grund vor, weil die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags einen nahtlosen Wechsel von der Altersteilzeit in den Rentenbezug beabsichtigt hatte. Dies wird durch die vom Berufungsgericht festgestellten objektiven Begleitumstände (Versicherungsverlauf, Modellrechnung des Arbeitgebers, Erklärungen der Klägerin) gestützt. Dass die Klägerin die Altersrente dann nicht zu dem ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt beantragt hat, stellt kein eigenständiges (weiteres) versicherungswidriges Verhalten im Sinne der Sperrzeitregelung dar (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3 RdNr 22 ff; BSG vom 12.10.2017 - B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4 RdNr 20).
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c) Das LSG hat auch zu Recht angenommen, dass § 330 Abs 1 SGB III einer Rücknahme der bindenden rechtswidrigen Bescheide nicht entgegensteht. § 330 Abs 1 Alt 2 SGB III schränkt den Anwendungsbereich des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ua für den Fall ein, dass der Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsakts in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist. Entgegen § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein derartiger Verwaltungsakt im Arbeitsförderungsrecht dann nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Von dem Anwendungsbereich des als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden § 330 Abs 1 Alt 2 SGB III von vornherein nicht erfasst sind Fallgestaltungen, in denen die Verwaltung eine bei Erlass des Verwaltungsakts bereits bestehende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt bzw fehlerhaft interpretiert hat (vgl Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 RdNr 129, Stand 28.6.2019; vgl zur engen Auslegung der Vorschrift auch BSG vom 8.2.2007 - B 7a AL 2/06 R - SozR 4-4300 § 330 Nr 4 RdNr 16).
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Die Verwaltungspraxis der Beklagten, also ihre Auslegung des § 159 SGB III bezogen auf die Konstellationen der Altersteilzeitvereinbarungen, stimmte bereits bei Erlass des Bescheids vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 sowie des Bescheids vom 2.5.2017 nicht mit der Rechtsprechung des BSG überein. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht erst durch die Urteile des Senats vom 12.9.2017 (B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3) und vom 12.10.2017 (B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4 RdNr 20) im Sinne einer Änderung der ständigen Rechtsprechung entschieden worden, dass ein zeitlich dem Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung nachfolgendes Verhalten des Arbeitnehmers nicht sperrzeitrelevant ist. Bereits in seinem Urteil vom 17.11.2005 hat der Senat den wichtigen Grund allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt, konkret den Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung, geprüft. Ausdrücklich nicht gefolgt ist der Senat der Ansicht des Berufungsgerichts, wonach ein wichtiger Grund auch darin zu sehen sei, dass die im konkreten Fall bezogene Abfindung nach Auslaufen des Alg-Bezugs für den Lebensunterhalt verwendet werden könne. Es sei mit der typisierten Zielsetzung der Sperrzeitregelung, die Risiken für die Versichertengemeinschaft vermeiden wolle, nicht zu vereinbaren, wenn bei der Prüfung, ob der Versicherte für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt habe, erst auf späteres Verhalten abgestellt werde (BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 69/04 R - BSGE 95, 232 = SozR 4-4300 § 144 Nr 11, RdNr 18).
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Entgegen der Ansicht der Beklagten hat auch der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 21.7.2009 bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes ausschließlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt (B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18, RdNr 14). In ihrem Vermerk vom 24.3.2014 hat die Beklagte aus der Formulierung in dieser Entscheidung, dass ein wichtiger Grund nur anerkannt werden könne, "wenn nach der Altersteilzeit auch tatsächlich eine Rente beantragt werden soll" (BSG aaO RdNr 14), unzutreffend abgeleitet, dass ein wichtiger Grund für das Herbeiführen der Arbeitslosigkeit "demnach" nicht vorliege, wenn sich der Arbeitslose nach Beendigung der Beschäftigung in Altersteilzeit arbeitslos melde, anstatt planmäßig Altersrente - ggf auch mit Abschlägen - zu beziehen. Diese Textpassage bezog sich auf die durch objektive Umstände zu unterlegende subjektive Absicht des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung. Das spätere Revisionsvorbringen der Beklagten, wonach das Urteil vom 21.7.2009 (aaO) bei der Frage, wann eine ständige Rechtsprechung vorliege, unberücksichtigt bleiben müsse, weil es sich nicht um eine gleichgelagerte Fallgestaltung handele bzw im konkreten Fall mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen eine Zurückverweisung erfolgt sei, greift nicht. Trotz einer Zurückverweisung kommt der im Rahmen einer Urteilsbegründung vom Gericht gegebenen Antwort auf eine Rechtsfrage eine Bindungswirkung im entschiedenen Einzelfall zu (§ 170 Abs 5 SGG). Auch kommt ihr - unbesehen der Unterschiede im jeweils zu entscheidenden Sachverhalt - eine präjudizielle Bedeutung für die vorliegend zentrale Rechtsfrage zu, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes abzustellen ist. Entsprechend ist den Begründungen der Urteile des Senats aus dem Jahre 2017 zu entnehmen, dass das BSG die seit jeher geltenden Grundsätze für die Annahme eines wichtigen Grundes bereits in seinem Urteil vom 21.7.2009 (B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18), ebenfalls für die Fallgestaltung der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag, zugrunde gelegt hat. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen (BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3 RdNr 22; BSG vom 12.10.2017 - B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4 RdNr 16).
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Anders als die Beklagte meint, stellen die durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz erfolgten Änderungen im Rentenrecht keine die Sperrzeitregelung berührende Rechtsänderungen dar, die maßgebenden Einfluss auf die Auslegung des wichtigen Grundes iS des § 159 SGB III durch die ständige Rechtsprechung des BSG haben konnten (vgl BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3 RdNr 20). Gleiches gilt für die Regelungen zur frühzeitigen Arbeitsuche. Lediglich mit Rücksicht auf die Bezugnahme der Vorinstanz auf ein obiter dictum aus einer älteren Entscheidung des BSG (vom 20.4.1977 - 7 RAr 112/75 - BSGE 43, 269, 274 = SozR 4100 § 119 Nr 2 S 6) hat der Senat ergänzend dargelegt, dass es auf die vom Berufungsgericht angenommene Pflicht zu weiteren Bemühungen zur Arbeitsuche im Anschluss an den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt sperrzeitrechtlich auch deshalb nicht ankommen könne, weil dies im Widerspruch zu weiteren gesetzgeberischen Grundentscheidungen, insbesondere der eigenständigen versicherungsrechtlichen Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuche, stehe (BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 3 RdNr 24).
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Bei der Beurteilung der für die Anwendbarkeit des § 330 Abs 1 SGB III zentralen Frage, ob bzw ab wann eine ständige Rechtsprechung zu einer Rechtsnorm vorliegt, kann es nicht auf das Verständnis, die Akzeptanz oder konkrete Umsetzung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Verwaltung ankommen. Ginge man hiervon aus, könnten Zeiträume der Rechtsunsicherheit, ggf bis zu einer erneuten Klarstellung durch das BSG, entstehen. Die Frage, ob die Unrichtigkeit einer iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung auf einer bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, einer nach Erlass dieses Verwaltungsakts erstmals gebildeten oder einer geänderten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht, ist daher im Streitfall ggf vom Revisionsgericht unter Berücksichtigung der Begründungen der jeweils vorangegangenen höchstrichterlichen Entscheidungen zu beantworten (vgl Düe in Brand, SGB III, 8. Aufl 2018, § 330 RdNr 14; BSG vom 30.1.1985 - 1 RJ 2/84 - BSGE 58, 27, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 16 S 32 zur Annahme besonders eingehender Begründungen bei Rechtsprechungsänderungen). Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 29.6.2000 (B 11 AL 99/99 R - SozR 3-4100 § 152 Nr 10 S 37) in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, es komme für die Entstehung einer ständigen Rechtsprechung auf deren Akzeptanz durch die Verwaltung an, hält er hieran nicht fest (vgl zur Kritik an dieser Entscheidung bereits Pohl, VSSR 2011, 383 ff, 393; Köhler, SdL 2016, 13 ff, 24). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Gesetzgeber des vormaligen § 152 AFG verfolgten Zweck dieser Regelung, die Verwaltung von massenhaft anfallenden Überprüfungsverfahren zu entlasten (vgl BSG vom 8.2.2007 - B 7a AL 2/06 R - SozR 4-4300 § 330 Nr 4 RdNr 16 mit Bezug auf BT-Drucks 12/5502 S 37 zu Nr 43; vgl BT-Drucks 16/3794 S 45 zur lediglich redaktionellen Änderung durch § 330 Abs 1 SGB III). Auch dies setzt jedenfalls voraus, dass die Agentur für Arbeit ihre Verwaltungspraxis an einer bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert hat, weil sie andernfalls selbst den Grund für spätere Überprüfungsverfahren gesetzt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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