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BSG 11.07.2019 - B 14 AS 51/18 R
BSG 11.07.2019 - B 14 AS 51/18 R - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Antragserfordernis - Antrags per E-Mail - Zeitpunkt des Zugangs des elektronischen Antrags - Beweislast
Normen
§ 37 Abs 1 S 1 SGB 2, § 37 Abs 2 S 1 SGB 2, § 37 Abs 2 S 2 SGB 2, § 130 Abs 1 S 1 BGB, § 130 Abs 3 BGB, § 444 ZPO, § 36a Abs 1 SGB 1, § 20 Abs 1 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 17. Januar 2017, Az: S 7 AS 4008/15, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. September 2017, Az: L 19 AS 360/17, Urteil
Leitsatz
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Ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist dem Jobcenter zugegangen, wenn er in dessen Macht- oder Willensbereich gelangt, ohne dass es auf die üblichen Dienstzeiten ankommt.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2017 wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
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Umstritten ist die Bewilligung von Alg II für Januar 2015.
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Im Januar 2015 überwies der Arbeitgeber des nicht im Leistungsbezug stehenden Klägers das Arbeitsentgelt für diesen Monat nicht wie vertraglich vereinbart am Monatsende, sondern erst im Verlauf des Februar. Der Kläger sandte deswegen am Freitagabend, den 30.1.2015, um kurz nach 20 Uhr - ohne Anforderung einer Eingangs- oder Lesebestätigung - eine E-Mail an das beklagte Jobcenter, mit der er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für seine Bedarfsgemeinschaft beantragte.
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Eine Reaktion des Beklagten erfolgte zunächst nicht. Der Kläger erinnerte ihn per E-Mail am 4.3.2015 an seine E-Mail aus Januar. E-Mails an den Beklagten werden auf einem Server der Bundesagentur für Arbeit 6 Monate lang aufbewahrt und zum Abruf bzw zur Kontrolle des Eingangs bereitgestellt. Nach Ablauf dieses Zeitraums ohne Zugriff werden die Daten gelöscht. Der Beklagte nahm in dem Zeitraum vor Löschung der Daten keine Überprüfung des Eingangs der E-Mail vom 30.1.2015 vor.
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Der Beklagte bewilligte dem Kläger und den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft auf den "Antrag vom 04.03.2015" Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum März bis August 2015 (Bescheid vom 16.6.2015). Hiergegen erhob der Kläger erfolglos Widerspruch, mit dem er neben der Zahlung für Januar zunächst auch höhere Leistungen für die Folgemonate geltend machte (Widerspruchsbescheid vom 7.10.2015).
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Im gerichtlichen Verfahren hat sich der allein klagende Kläger auf Leistungen für Januar 2015 beschränkt. Das SG hat den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 dem Grunde nach verurteilt, an den Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar 2015 zu erbringen. Im Hinblick auf diesen Monat sei eine erstmalige Sachentscheidung erst mit dem Widerspruchsbescheid erfolgt (Urteil vom 17.1.2017). Das LSG hat die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, der Beklagte werde unter Abänderung des Bescheids vom 16.6.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 verurteilt, an den Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar 2015 zu erbringen (Urteil vom 14.9.2017). Der Bescheid vom 16.6.2015 sei ebenfalls in das Verfahren einbezogen, weil mit der Bewilligung von Leistungen (erst) ab März zugleich Leistungen für Januar und Februar 2015 abgelehnt worden seien. Der Kläger habe mit seiner E-Mail vom 30.1.2015 wirksam Leistungen für den Monat Januar 2015 beantragt. Der Antrag wirke auf den 1.1.2015 zurück. Für das Bewirken des Zugangs des Antrags genüge es, dass die Erklärung in den Machtbereich der Behörde gelangt sei. Der Kläger habe den Nachweis für den Zugang des Antrags erbracht.
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Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 37 SGB II. Das LSG habe verkannt, dass der Zugang einer Willenserklärung nach allgemeinen Grundsätzen die Möglichkeit der Kenntnisnahme voraussetze, die hier erst am nächsten Tag der Dienstbereitschaft bestanden habe. Dies gelte auch für einen Antrag nach dem SGB II. Hilfsweise wird eine Verletzung der prozessualen Grundsätze der Beweis- und Darlegungslast sowie des § 20 SGB X gerügt.
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2017 und des Sozialgerichts Köln vom 17. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger hat für Januar 2015 einen Anspruch auf Alg II. Er hat am 30.1.2015 einen auf den Ersten des Monats zurückwirkenden Antrag nach dem SGB II gestellt, wie das LSG zutreffend entschieden hat.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Urteilen der Bescheid vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015, soweit dieser eine Leistungsbewilligung für Januar 2015 ablehnt, sowie die Zahlung von Alg II für diesen Monat. Nach dem im Berufungsurteil festgestellten tatsächlichen Geschehensablauf enthält der Bescheid vom 16.6.2015 zugleich eine Ablehnung von Leistungen für Januar. Der Beklagte hat seine insoweit zunächst erhobenen Verfahrensrügen zuletzt nicht mehr aufrechterhalten.
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2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Die von dem Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) ist statthaft. Die Berufung ist vom SG zugelassen worden (vgl § 144 SGG).
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3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs sind §§ 19 ff und §§ 7 ff SGB II in der Fassung, die das SGB II für den streitbefangenen Monat zuletzt durch das Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung sowie zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom 22.12.2014 (BGBl I 2411) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f).
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4. Der Kläger war leistungsberechtigt nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ein Ausschlusstatbestand lag nicht vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt. Er war aufgrund der ausgebliebenen Gehaltszahlung im Januar 2015 hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil nach dem das SGB II prägenden Monatsprinzip laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen (stRspr, vgl nur BSG vom 30.3.2017 - B 14 AS 18/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 81 RdNr 18). Eine Rechtsgrundlage dafür, dem Kläger im Hinblick auf das im Februar 2015 nachgezahlte Erwerbseinkommen Alg II für Januar nur als Darlehen zu gewähren, besteht nicht. § 24 Abs 4 Satz 1 SGB II bestimmt, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen.
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5. Der Kläger hat am 30.1.2015 per E-Mail einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt, der auf den 1.1.2015 zurückwirkte. Die Notwendigkeit einer Antragstellung ergibt sich aus § 37 SGB II. Nach § 37 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag und nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG - vom 24.3.2011, BGBl I 453) bestimmt zudem, dass der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt.
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Ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II kann auch per E-Mail gestellt werden (a). Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist dem Jobcenter bereits dann zugegangen, wenn er in dessen Macht- oder Willensbereich gelangt, ohne dass es auf die üblichen Dienstzeiten ankommt (b). Der Antrag des Klägers konnte auf den 1.1.2015 zurückwirken, weil er dem Beklagten nach den im Berufungsurteil getroffenen und nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen noch in den Abendstunden des 30.1.2015 zuging (c).
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a) Einer wirksamen Antragstellung steht nicht entgegen, dass der Kläger den Antrag per E-Mail versandt hat. Der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II ist grundsätzlich an keine Form gebunden, weil insofern der (allgemeine) Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens gilt (vgl § 9 SGB X; BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 1 RdNr 14 mwN). § 37 SGB II verlangt weder - iS des § 126 Abs 1 BGB - die schriftliche Form noch - wie der Anspruch auf Alg (§ 137 Abs 1 Nr 2 iVm § 141 SGB III) - eine persönliche Meldung bei der Behörde. Aus diesem Grund ist eine Antragstellung auch per E-Mail möglich (allgemeine Ansicht: Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 37 SGB II RdNr 6a ff, Stand Juli 2018; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, Onlineausgabe, § 37 RdNr 31.1, Aktualisierung November 2017; Blüggel, SozSich 2009, 193, 194 f; Burkiczak in BeckOK-SozR, § 37 SGB II RdNr 8, Stand Juni 2019; Frank in GK-SGB II, § 37 RdNr 13, Stand August 2013; Schoch in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 37 RdNr 11; Silbermann in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 37 RdNr 28; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 46, Stand Dezember 2016; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 37 SGB II RdNr 24, Stand Februar 2017; so auch die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 37 SGB II, Ziffer 37.1 und 37.2 am Ende <aE>, zuletzt Stand März 2019). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Jobcenter einen Zugang für die Kommunikation per E-Mail eröffnet hat (vgl hierzu § 36a Abs 1 SGB I), der Leistungsanträge nicht ausschließt.
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Im vorliegenden Fall hat der Beklagte einen solchen Zugang für eine Antragstellung per E-Mail eröffnet. Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) verwandte der Kläger eine E-Mail-Adresse des Beklagten, die dieser ua auf der von ihm unterhaltenen Internetseite als Kontaktmöglichkeit ohne Beschränkung auf bestimmte Gegenstände der Kommunikation veröffentlicht hat.
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b) Ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist dem Jobcenter bereits dann zugegangen, wenn er in dessen Macht- oder Willensbereich gelangt. Auf die üblichen Dienstzeiten kommt es nicht an.
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Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Das SGB enthält keine Regelung über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts. Mangels besonderer Vorschriften sind deswegen die Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar, soweit eine solche entsprechende Anwendung der Eigenart des Sozialrechts gerecht wird (BSG vom 17.4.1986 - 7 RAr 81/84 - BSGE 60, 79, 82 = SozR 4100 § 100 Nr 11 S 29; BSG vom 24.3.2016 - B 12 R 12/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 6 RdNr 15). Dies gilt auch im Hinblick auf einen Antrag nach dem SGB II (BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 1 RdNr 14; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 10/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 10 RdNr 23; BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 22/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 71 RdNr 19; vgl auch Weinreich, NZS 2012, 612).
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Nach § 130 Abs 1 Satz 1 BGB, der auf Erklärungen gegenüber einer Behörde gemäß § 130 Abs 3 BGB (sog amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen) Anwendung findet, wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Nach § 130 Abs 1 Satz 2 BGB wird sie nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
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Eine Willenserklärung ist nach allgemeinen Grundsätzen in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem normalerweise bei einem der Lebenserfahrung entsprechenden Verlauf der Dinge davon ausgegangen werden kann, dass der Empfänger von ihr Notiz nimmt. Geht eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung bei der Behörde außerhalb der Dienstzeit ein, ist sie demnach im Grundsatz erst am nächsten Tag der Dienstbereitschaft iS des § 130 Abs 1, 3 BGB zugegangen (vgl BSG vom 7.10.1976 - 9 RV 218/75 - BSGE 42, 279, 280 = SozR 1500 § 84 Nr 2 S 6 f; Einsele in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl 2018, § 130 RdNr 44 mwN).
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Im Hinblick auf den Zugangszeitpunkt wird die Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze auf einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets nicht gerecht. Diese Grundsätze sind vorliegend bereichsspezifisch zu modifizieren.
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Ob eine Ausnahme schon deshalb anzunehmen ist, weil § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II im Hinblick auf Leistungen für den Antragsmonat eine Fristenregelung enthält (ablehnend Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, Onlineausgabe, § 37 RdNr 50.2, Aktualisierung November 2017; vgl zu § 37 SGB II in der vor dem 1.1.2011 geltenden Fassung BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 23; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 166/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 31 RdNr 32), kann dahinstehen.
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Aufgrund der einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gesetzlich zugeordneten Wirkungen im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen kann es allein darauf ankommen, an welchem Tag der Antrag in den Macht- oder Willensbereich der Behörde gelangt ist. Ob das Jobcenter im konkreten Zeitpunkt des Antragseingangs (noch) dienstbereit war, ist nicht entscheidend. Die weiteren Funktionen, die einem SGB II-Leistungsantrag zukommen, erfordern es ebenfalls nicht, die Wirksamkeit des Antrags abhängig zu machen von der Dienstbereitschaft der Behörde.
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Der Antrag gemäß § 37 Abs 1 SGB II hat zunächst - ohne Differenzierung zwischen Erst- und Fortzahlungsbegehren (BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 15) - konstitutive Wirkung für einen Leistungsanspruch (BT-Drucks 15/1516 S 62). Darüber hinaus hat er auch eine verfahrensrechtliche Bedeutung, weil mit der Antragstellung das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt wird - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 30; BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 1 RdNr 16; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 166/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 31 RdNr 15). Aus dieser Verpflichtung lässt sich aber nicht ableiten, der Antrag könne erst wirksam werden, wenn das Jobcenter dienstbereit ist. Dies gilt erst recht für die konstitutive Bedeutung des Antrags für den Leistungsanspruch.
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Darüber hinaus kommt dem Antrag materiell-rechtlich insbesondere Bedeutung zu im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen, weil Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alles das ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II das, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte (vgl nur BSG vom 30.7.2008 - B 14/11b AS 17/07 R - RdNr 23; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 20/17 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 85 RdNr 11). Der Tag der Antragstellung bildet die maßgebliche Zäsur (BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 51/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 59 RdNr 15). Von der Antragstellung gehen insoweit - sobald sie einmal erfolgt ist - leistungsrechtliche Wirkungen aus, ohne dass den potentiell Leistungsberechtigten Gestaltungsmöglichkeiten zukommen. Dazu zählt, dass die Folgen eines einmal gestellten Leistungsantrags für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach der Rechtsprechung des BSG durch seine Rücknahme nachträglich nicht mehr zu beseitigen sind (BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 22/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 71 RdNr 21 ff).
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Der Gesetzgeber hat die Bedeutung des Leistungsantrags für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II noch einmal bekräftigt. § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II zielt nach den Gesetzesmaterialien darauf, zur Wahrung des Nachranggrundsatzes sicherzustellen, dass im Antragsmonat vor Antragstellung zugeflossene Einnahmen als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind (vgl BT-Drucks 17/3404, S 114). Dadurch hat der Gesetzgeber die rechtsgestaltenden Wirkungen eines Antrags auf existenzsichernde Leistungen zum einen mit dem Monatsprinzip des SGB II harmonisiert und sie zum anderen noch weitgehender als bis dahin schon der Disposition der Leistungsberechtigten entzogen. Daraus folgt zugleich, dass der Leistungsberechtigte die Wirkung seines Antrags, wonach für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen der Erste des Monats der Antragstellung maßgeblich ist, nicht dadurch vermeiden kann, dass er Leistungen ausdrücklich erst ab einem späteren Tag des Monats in Anspruch nehmen will (BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - BSGE 117, 179 = SozR 4-4200 § 37 Nr 7, RdNr 22 ff).
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Dies schließt es aus, den Eintritt der Antragswirkungen in entsprechender Anwendung der zivilrechtlichen Regelungen über das Wirksamwerden von Willenserklärungen (§ 130 Abs 1 Satz 1, Abs 3 BGB) von den Öffnungszeiten des jeweiligen Jobcenters abhängig zu machen. Die Interessenlage beim Wirksamwerden bürgerlich-rechtlicher Willenserklärungen ist grundlegend verschieden. Während die zivilrechtlichen Regelungen darauf zielen, den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Adressaten rechtssicher zu bestimmen (vgl nur Singer/Benedict in Staudinger, BGB, 2017, § 130 RdNr 8, 39), ist im Bereich des SGB II allein maßgeblich, dass die Erklärung, Leistungen zu begehren, in verbindlicher Form geäußert wird. Entscheidend für den Leistungsanspruch im Antragsmonat ist danach ausschließlich, dass in dem betreffenden Monat überhaupt ein entsprechender Antrag in den Macht- oder Willensbereich eines Jobcenters gelangt ist. Zutreffend führt deswegen die Bundesagentur für Arbeit in ihren Fachlichen Weisungen zu § 37 SGB II aus, maßgebliches Datum des Antrags sei "der Tag des Post- bzw. E-Mail-Eingangs", soweit der Antrag postalisch oder per E-Mail gestellt worden sei (Ziffer 37.2 aE, zuletzt Stand März 2019).
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c) Die E-Mail des Klägers ist dem Beklagten auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen und für die Revision bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen noch in den Abendstunden des 30.1.2015 zugegangen und konnte deshalb auf den 1.1.2015 zurückwirken.
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Der Zugang einer E-Mail setzt jedenfalls voraus, dass sie in der Mailbox des Empfängers oder der des Providers eingegangen, dh abrufbar gespeichert ist (vgl Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Aufl 2019, § 130 RdNr 7; Reichold in jurisPK-BGB, 8. Aufl 2017, § 130 BGB RdNr 17; vgl zu den Nachweismöglichkeiten ausführlich Mankowski, NJW 2004, 1901). Ob eine empfangsbedürftige Willenserklärung zugegangen ist, hat das Gericht im Einzelfall nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, weil es sich um eine Frage der Beweiswürdigung handelt (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG; BSG vom 29.1.1990 - 5 BJ 361/89 - juris RdNr 11).
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Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger seinen Antrag per E-Mail am Abend des 30.1.2015 an den Beklagten gesandt. Das LSG hat zudem festgestellt, dass die E-Mail auch im elektronischen Postfach (E-Mail-Server) des Beklagten abrufbar gespeichert worden ist.
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Das LSG hat für den Nachweis des Eingangs der E-Mail insoweit (ausnahmsweise) die Sendebestätigung mit korrekter Angabe der E-Mail-Adresse des Beklagten als ausreichend angesehen, weil der Beklagte den E-Mail-Eingang nicht innerhalb der Löschungsfrist geprüft und damit weitere Beweismöglichkeiten vereitelt habe. Damit hat es im Rahmen seiner Beweiswürdigung aus dem Vorliegen der Sendebestätigung als Indiz und dem Verhalten des Beklagten den Schluss gezogen, die vollständige Übermittlung der E-Mail sei bewiesen.
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Insoweit ist das LSG von einer Beweiserleichterung zu Gunsten des Klägers aufgrund einer Beweisvereitelung durch den Beklagten ausgegangen. Wird durch die Beweisvereitelung eines Beteiligten eine unverschuldete Beweisnot hervorgerufen, darf sich das Gericht auch im sozialgerichtlichen Verfahren im Rahmen der Beweiswürdigung mit geringeren Beweisanforderungen zu Lasten dessen begnügen, der den Beweis vereitelt hat (Analogie zu § 444 ZPO; vgl hierzu BSG vom 10.8.1993 - 9/9a RV 10/92 - SozR 3-1750 § 444 ZPO Nr 1; BSG vom 2.9.2004 - B 7 AL 88/03 R - SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 10 ff; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 128 RdNr 5a; Luthe in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 20 SGB X RdNr 40).
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Der Beklagte hat im Hinblick auf diese Feststellung des LSG keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben. Er rügt eine Verletzung der prozessualen Grundsätze der Beweis- und Darlegungslast durch das LSG sowie des § 20 SGB X.
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Eine Verletzung der Grundsätze der Beweis- und Darlegungslast liegt schon deshalb nicht vor, weil das LSG zwar unter Bezugnahme auf zivilprozessuale Grundsätze mit der Beweis- und Darlegungslast argumentiert hat. Es hat aber eine Entscheidung auf der Grundlage der objektiven Beweislast, auf die es im sozialgerichtlichen Verfahren allein ankommt (vgl nur BSG vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72 f; BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19), gerade nicht getroffen, sondern hat den Nachweis des E-Mail-Eingangs als erbracht angesehen.
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Soweit sich der Beklagte mit seiner Verfahrensrüge auf eine vermeintliche Verletzung des § 20 SGB X bezieht, ist er der Ansicht, das LSG habe es zu Unrecht zu seinem Nachteil gewertet, dass er keine Nachforschungen zu einem E-Mail-Eingang am 30.1.2015 angestellt habe. Er sei im Verwaltungsverfahren nur zur Ermittlung solcher Tatsachen verpflichtet, die nach seiner rechtlichen Einschätzung erheblich seien. Hierzu zähle ein möglicher E-Mail-Eingang in den Abendstunden des 30.1.2015 nicht, weil nach seiner Ansicht ein Zugang vor Februar auf jeden Fall ausscheide.
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Der Beklagte zielt mit dieser Verfahrensrüge letztlich auf die Beweiswürdigung durch das LSG, ohne aber aufzuzeigen, dass das Berufungsgericht die Grenzen des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verletzt hat, indem es gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt hat (vgl hierzu nur BSG vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 128 RdNr 10 ff mwN).
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Das LSG hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch die Grundsätze über die Folgen einer Beweisvereitelung nicht verletzt (vgl zu einer solchen Verfahrensrüge BSG vom 2.9.2004 - B 7 AL 88/03 R - SozR 4-1500 § 128 Nr 5 RdNr 10). Die unterbliebene Ermittlung des Beklagten hinsichtlich des Zeitpunkts des E-Mail-Eingangs war, nachdem er von dem Kläger innerhalb der 6-monatigen Löschungsfrist an die fehlende Bearbeitung seines Leistungsantrags erinnert worden war, pflichtwidrig und die dadurch entstandene Beweisnot des Klägers zugleich unverschuldet.
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Nach § 20 Abs 1 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt - nach pflichtgemäßen Ermessen - Art und Umfang der Ermittlungen. Auch wenn sich im Grundsatz der Umfang der Ermittlungen maßgeblich nach der Rechtsauffassung der Behörde richtet (vgl hierzu nur Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 20 RdNr 6), hätte es vorliegend einer Beweissicherung durch den Beklagten bedurft, um eine spätere Überprüfung dieser Rechtsauffassung zu ermöglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass insoweit eine Tatsache im ausschließlichen Einfluss- und Verantwortungsbereich des Beklagten erheblich ist, die ohne Schwierigkeiten zu ermitteln gewesen wäre, und dass deren Beweisverlust allein durch die interne Organisation der von der Bundesagentur für Arbeit zentral verwalteten Verfahren der Informationstechnik eintrat, die der Beklagte zur Erfüllung seiner Aufgaben nutzt (§ 50 Abs 3 Satz 1 SGB II).
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Die hierdurch entstandene Beweisnot auf Seiten des Klägers war trotz der nicht angeforderten Eingangs- oder Lesebestätigung auch unverschuldet, nachdem er den Beklagten auf die fehlende Reaktion im Hinblick auf den versandten Antrag hingewiesen hat und dieser gleichwohl innerhalb der Löschungsfrist untätig blieb.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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