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BSG 27.02.2019 - B 8 SO 10/17 R
BSG 27.02.2019 - B 8 SO 10/17 R - (Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten gegen den vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträger - Umfang der Kostenerstattung - Anwendbarkeit des § 110 Abs 2 SGB 12)
Normen
§ 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 14 Abs 1 S 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 2 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 110 Abs 2 S 1 SGB 12
Vorinstanz
vorgehend SG Kassel, 12. April 2016, Az: S 11 SO 137/15, Gerichtsbescheid
vorgehend Hessisches Landessozialgericht, 7. Juni 2017, Az: L 4 SO 95/16, Urteil
Leitsatz
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Der Anwendungsbereich der sozialhilferechtlichen Bagatellgrenze ist auf spezifische Erstattungsansprüche aus dem Sozialhilferecht begrenzt.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Im Streit steht die Erstattung von 1500 Euro, die der Kläger für Leistungen an D. (D) aufgewendet hat.
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D ist 1968 geboren und lebt in einer eigenen Wohnung. Er ist geistig behindert; ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 ist festgestellt.
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Auf den Antrag des D, ihm ein persönliches Budget im Bereich Hauswirtschaft, Begleitung (Mobilität), Betreuung und ggf Pflege zu gewähren (Schreiben vom 16.2.2013), fand am 22.4.2013 ein sog Budgetgespräch des Klägers mit D statt. Der Kläger bewilligte D daraufhin, gestützt ua auf § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) ab 1.3.2013 ein persönliches Budget von monatlich 250 Euro (Bescheid vom 15.5.2013) und meldete einen Erstattungsanspruch beim Beklagten an (Schreiben vom 15.5.2013). Diesen Anspruch lehnte der Beklagte ab (zuletzt mit Schreiben vom 25.11.2015).
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Die Klage, gerichtet auf Erstattung von insgesamt 1500 Euro, ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel <SG> vom 12.4.2016; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts <LSG> vom 7.6.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, einem unterstellten Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten stünde die sog Bagatellgrenze von 2560 Euro nach § 110 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) entgegen. Diese Grenze gelte auch für Erstattungsansprüche zwischen Sozialhilfeträgern nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt eine Verletzung des § 110 Abs 2 SGB XII. Die sog Bagatellgrenze finde auf Erstattungsansprüche außerhalb des Zweiten Abschnitts des 13. Kapitels SGB XII keine Anwendung. Dagegen spreche nicht nur die systematische Stellung der Norm im SGB XII, sondern auch, dass § 110 Satz 2 SGB X selbst eine Bagatellgrenze (50 Euro) für Erstattungsansprüche vorsehe. Jedenfalls aber sei die in § 110 Abs 2 Satz 1 SGB XII enthaltene Ausnahmeregelung, die unmittelbar nur die Fälle der vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII erfasse, analog auf die Leistungserbringung auf Grundlage des § 14 SGB IX anzuwenden, weil auch hier der erstangegangene Träger nur vorläufig leiste.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Juni 2017 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 12. April 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 1500 Euro zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Höhe der geltend gemachten Erstattungsforderung 2560 Euro unterschreitet; doch fehlt es für eine abschließende Entscheidung an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG dazu, wofür die Budget-Leistungen an D tatsächlich erbracht worden sind, sodass auch nicht beurteilt werden kann, ob der behauptete Erstattungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach tatsächlich besteht und zutreffend gegen den Beklagten gerichtet worden ist.
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Gegenstand des Verfahrens ist die Erstattung der in der Zeit vom 1.3. bis 31.8.2013 erbrachten Zahlungen in Höhe von 1500 Euro, die der Kläger mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend macht. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor; eine Beiladung des D gemäß § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich (stRspr; vgl nur BSG SozR 4-3500 § 106 Nr 1 RdNr 14; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 6/12 R - RdNr 10 mwN).
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Dem Kläger kann ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X (in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften 4. Euro-Einführungsgesetz> vom 21.12.2000, BGBl I 1983) iVm § 14 Abs 1 SGB IX (in der bis 31.12.2017 maßgeblichen Normfassung des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004 - BGBl I 606, alte Fassung <aF>) zustehen, wenn er als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Rehabilitationsleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen. In diesem Fall ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ggf kommt aber auch ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nach § 105 SGB X in Betracht, wenn die vom Kläger erbrachten Leistungen keine Rehabilitationsleistungen waren und der Beklagte der für diese Leistungen zuständige Leistungsträger war.
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Wurden für rehabilitative Bedarfe Leistungen gezahlt, kommt der Kläger als nachrangig verpflichteter Träger iS des § 104 SGB X iVm § 14 SGB IX aF in Betracht. Nach § 14 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX aF hat der mit einem Rehabilitationsantrag angegangene Rehabilitationsträger zu prüfen, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Leitet er den Antrag nicht weiter, wird er selbst umfassend für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen zuständig (Abs 2 Satz 1).
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Der Kläger hat den Antrag des D, ihm Leistungen im Bereich Hauswirtschaft, Begleitung (Mobilität), Betreuung und ggf Pflege zu gewähren, also einen Antrag, der jedenfalls auch auf die Gewährung von Rehabilitationsleistungen (Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) gerichtet war (zur Anwendbarkeit des § 14 SGB IX auch bei Unklarheiten darüber, ob Rehabilitationsleistungen oder zB Maßnahmen der Krankenbehandlung erforderlich sind, vgl nur Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl 2018, § 14 RdNr 47 mwN; Luik in jurisPK-SGB IX, 2. Aufl 2015, § 14 RdNr 60 mwN; Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 3. Aufl 2010, § 14 SGB IX RdNr 2 ff, 23), nicht binnen der Frist von zwei Wochen nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX aF an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet.
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In solchen Fällen begründet § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX aF für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er außerhalb der durch § 14 SGB IX geschaffenen Zuständigkeitsordnung unzuständig, ein anderer Träger aber eigentlich zuständig gewesen wäre (vgl dazu nur BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 9; BSG SozR 4-1750 § 524 Nr 1 RdNr 18). Darauf, dass Kläger und Beklagter nach § 1 Abs 1 Satz 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (<HAG/SGB XII> vom 20.12.2004 <GVBl 2004, 488>, geändert durch Gesetz vom 10.12.2013 - GVBl 675) als überörtlicher bzw örtlicher Träger der Sozialhilfe außerhalb des § 14 SGB IX aF nicht in einem Verhältnis des Vor- oder Nachrangs zueinander stehen, kommt es nicht an; denn § 14 SGB IX aF schafft gerade das von § 104 SGB X vorausgesetzte Verhältnis des Vor- und Nachrangs und lässt das von sonstigen Vorschriften bestimmte Verhältnis der Rehabilitationsträger zueinander, auch solcher, die unabhängig von § 14 SGB IX aF in einem Vorrang-/Nachrangverhältnis stehen können (zum Verhältnis Sozialhilfe/Jugendhilfe und der Anwendbarkeit des § 14 SGB IX auch in dieser Konstellation: vgl BSGE 117, 53 = SozR 4-3500 § 54 Nr 13, RdNr 21; BSG SozR 4-1750 § 524 Nr 1 RdNr 18), unberührt.
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Ein Fall des § 103 SGB X liegt ebenso wenig vor wie eine zielgerichtete Zuständigkeitsanmaßung, die eine Erstattung nach § 104 SGB X ausschließen würde (vgl dazu BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4; BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30). Angesichts des von D formulierten Leistungsbegehrens und der von 1998 bis 2006 vom Kläger bereits erbrachten Leistungen des ambulant betreuten Wohnens war dessen örtliche und sachliche Zuständigkeit (§ 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2a <in der ab 1.1.2007 geltenden Fassung>, § 2 <in der ab 7.10.2008 HAG/SGB XII geltenden Fassung> und § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII, § 98 Abs 1 SGB XII) nicht von vornherein auszuschließen.
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Ob der Kläger die Leistungen für D als erstangegangener (und damit nachrangiger) Leistungsträger nach § 14 SGB IX oder als unzuständiger Träger iS von § 105 SGB X erbracht hat und ob der Beklagte (eigentlich) zuständiger Leistungsträger war, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil das LSG keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen hat, welche Leistungen konkret erbracht wurden. Es fehlen auch Feststellungen dazu, welcher Bedarf bei D überhaupt bestand und inwieweit die erbrachten Leistungen zur Deckung dieses Bedarfs erforderlich gewesen sind, um beurteilen zu können, ob die Leistungen dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig waren.
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Diese Feststellungen sind auch nicht entbehrlich, weil ein möglicher Erstattungsanspruch des Klägers entgegen der Auffassung des LSG nicht schon wegen Unterschreitens der sog Bagatellgrenze von 2560 Euro nach § 110 Abs 2 SGB XII ausgeschlossen ist. Nach § 110 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Leistung dem SGB XII entspricht. Kosten unter 2560 Euro, bezogen auf einen Zeitraum der Leistungserbringung von bis zu zwölf Monaten, sind außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII nicht zu erstatten (§ 110 Abs 2 Satz 1 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453). Diese Bagatellgrenze gilt nach der Systematik des Gesetzes unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Regelung sowie nach ihrem Sinn und Zweck nur für die Erstattungsansprüche, die im SGB XII selbst ihre Grundlage haben, also Erstattungsansprüche nach §§ 106 ff SGB XII (wie hier Schiefer in Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, Stand 1/05, § 110 SGB XII RdNr 8; Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 110 RdNr 29; Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 110 RdNr 23; Klinge in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 2/13, K § 110 RdNr 8; unklar Schoch in Lehr- und Praxiskommentar, SGB XII, 11. Aufl 2018, § 110 RdNr 22).
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Die Regelung, überschrieben mit "Umfang der Kostenerstattung", steht im Zweiten Abschnitt des 13. Kapitels des SGB XII, der entsprechend seines Titels die "Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe" regelt. In den §§ 106 bis 108 SGB XII sind spezifische und typischerweise nur bei Sozialhilfeträgern anfallende Kostenerstattungsansprüche geregelt. Daran schließen sich allgemeine Regelungen für alle Kostenerstattungsansprüche an, nämlich neben § 110 SGB XII die Regelung zur Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen (§ 111 SGB XII) und eine Ermächtigung der Länder (§ 112 SGB XII), Abweichendes über die Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe in ihrem Bereich zu regeln. Damit bilden die Vorschriften im Zweiten Abschnitt des 13. Kapitels bereits nach der Gesetzessystematik typischerweise nur zwischen Sozialhilfeträgern anfallende Kostenerstattungsansprüche ab und kleiden diese in ein geschlossenes Regelungskonzept, in das die Bagatellgrenze des § 110 Abs 2 Satz 1 SGB XII eingebettet ist. In den dort aufgeführten Fällen sollen mithin Erstattungsansprüche nicht in Betracht kommen; ob es sich bei der sog Bagatellgrenze um einen Ausschlusstatbestand, der den Erstattungsanspruch erst gar nicht zum Entstehen bringt (BVerwG vom 13.5.2004 - 5 C 47/02 - RdNr 17; Schiefer in Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, Stand 1/05, § 110 SGB XII RdNr 7, 17; Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 110 RdNr 28) oder - wofür wohl weniger spricht - um eine bloße Einrede des Erstattungspflichtigen handelt, die einem Erstattungsbegehren entgegengehalten werden kann (Leistungsverweigerungsrecht, so Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 110 RdNr 15), kann hier dahinstehen. Wenn man der Auffassung folgt, es handele sich um eine Einrede, wäre diese jedenfalls erhoben worden.
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Das aufgezeigte systematische Verständnis wird durch die Gesetzeshistorie gestützt. Mit dem Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.6.1993, BGBl I 944 <FKPG>) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.1994 die Vorgängerregelung des § 110 Abs 2 SGB XII, § 111 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), neu gefasst, die Bagatellgrenze in Abs 2 auf 5000 DM erhöht, die Erstattungstatbestände der §§ 103 ff BSHG reduziert und eine Vereinfachung der "gebliebenen Kostenerstattung und eine erste Angleichung an das SGB X" angestrebt (BT-Drucks 12/4401 S 84 ff zu Nummer 17). Allerdings wurde trotz des erkennbaren Bezugs der im BSHG getroffenen Änderungen zum SGB X weder § 111 Abs 2 BSHG unter Verweis auf die vergleichbare Bagatellregelung im SGB X gestrichen noch, was an anderer Stelle bereits geschehen war, für die Sozial- und Jugendhilfeträger eine bereichsspezifische Sonderregelung in die §§ 103 ff SGB X aufgenommen (vgl damals wie heute § 103 Abs 3, § 104 Abs 1 Satz 4 oder § 105 Abs 3 SGB X); es ist mithin davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das "Nebeneinander" beider Bagatellregelungen gesehen hat und von einem unterschiedlichen Anwendungsbereich ausgegangen ist.
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Sinn und Zweck der Bagatellgrenze des § 110 Abs 2 Satz 1 SGB XII bestätigen dieses Ergebnis. Der Gesetzgeber hat - wie ausgeführt - im BSHG nur solche Erstattungsregelungen bestehen lassen und diese insoweit unverändert in das SGB XII übernommen, die allein das Binnenverhältnis von Sozialhilfeträgern betreffen können, weil sie der im Sozialhilferecht maßgeblichen grundsätzlichen Leistungszuständigkeit des örtlichen Trägers am Ort des tatsächlichen Aufenthalts der hilfebedürftigen Person (vgl § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG) geschuldet sind. In den vom Gesetzgeber in den §§ 106 ff SGB XII typisierend erfassten Fällen kann diese Zuständigkeitszuweisung im Ergebnis zu einer ungleichen Lastenverteilung zwischen den Sozialhilfeträgern führen, die über die jeweiligen Erstattungsregelungen wieder ausgeglichen werden soll. Die §§ 106 ff SGB XII können deshalb auch als besondere Lastenausgleichsregelungen verstanden werden, die - anders als die §§ 102 ff SGB X - nicht der Wiederherstellung der materiell-rechtlichen Kostentragungspflichten dienen (BSG SozR 4-5910 § 147 Nr 2 RdNr 12 zu § 108 BSHG; Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 110 RdNr 8 mwN). In einem Lastenausgleichssystem, das auf eine in der Gesamtschau ausgeglichene "Leistungsbilanz" zwischen den Sozialhilfeträgern ausgelegt ist, ist deshalb auch eine im Vergleich zu § 110 Satz 2 SGB X höhere Bagatellgrenze zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, dass nicht jede "Last" ausgeglichen werden muss. Diese Überlegungen sind nicht auf Fälle der Wiederherstellung der "eigentlichen" materiell-rechtlichen Kostentragungspflicht übertragbar. § 110 Satz 2 SGB X ist folglich im Zusammenhang mit § 110 Satz 1 SGB X zu sehen, der praktikablen und kostensparenden Verwaltungsabläufen dient, und mit der (geringen) Bagatellgrenze von 50 Euro nur vermeidet, dass die Verwaltungskosten für die Durchführung des Erstattungsverfahrens außer Verhältnis zu der zu erstattenden Summe stehen.
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§ 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I), wonach ua das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs gilt, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil nach dem oben Ausgeführten § 110 Abs 2 SGB XII die Regelung des § 110 Satz 2 SGB X nicht für Erstattungsansprüche zwischen Sozialhilfeträgern nach §§ 102 ff SGB X modifizieren soll.
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Angesichts der fehlenden Anwendbarkeit des § 110 Abs 2 Satz 1 SGB XII auf die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Erstattungsansprüche nach dem SGB X muss weder entschieden werden, ob die Ausnahmeregelung für Fälle vorläufiger Leistungserbringung nach § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII analog auf andere Fälle vorläufiger Leistungserbringung anzuwenden ist (offengelassen auch von BVerwGE 119, 356 RdNr 21 = juris und OVG für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.12.2002 - 16 A 30/01 - RdNr 14 ff mwN zum damaligen Streitstand) noch, ob es sich bei der Leistungszuständigkeit nach § 14 SGB IX aF überhaupt um eine vorläufige in diesem Sinne handelt (zum Verständnis der Vorläufigkeit im Anwendungsbereich des § 14 SGB IX zuletzt ausführlich BSGE 124, 10 = SozR 4-3250 § 14 Nr 26, RdNr 24).
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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