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BSG 15.07.2010 - B 11 AL 150/09 B
BSG 15.07.2010 - B 11 AL 150/09 B - Gleichstellung eines behinderten Menschen mit einem schwerbehinderten Menschen - Voraussetzung der Feststellung eines GdB von mindestens 30 vH
Normen
§ 2 Abs 3 SGB 9, § 68 SGB 9, § 69 SGB 9, GG
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 31. März 2009, Az: S 4 AL 76/07, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Juli 2009, Az: L 19 AL 17/09, Urteil
Tatbestand
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In der Hauptsache ist die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen streitig. Bei dem Kläger war nach einem Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH anerkannt und durch Bescheid des Versorgungsamts vom 14.8.2006 ein entsprechender Grad der Behinderung (GdB) festgestellt. Hiergegen hatte der Kläger Widerspruch und anschließend Klage erhoben.
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Den nach arbeitgeberseitiger Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2006 am 30.11.2006 gestellten Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen hat die Beklagte abgelehnt, weil kein GdB von 30 vH festgestellt sei.
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Widerspruch, Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Mit seiner Beschwerde, für die er Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.
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Mit Anerkenntnisurteil vom 28.1.2010 hat das Sozialgericht (SG) zwischenzeitlich bei dem Kläger einen GdB von 50 rückwirkend ab Antragstellung (15.5.2006) festgestellt.
Entscheidungsgründe
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1. Dem Kläger steht PKH nicht zu, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>). Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder Verfahrensmangel) vorliegt. Ein solcher Grund ist nach den Ausführungen des Klägers und nach Lage der Akten nicht zu erkennen.
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Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu. Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) wirft klärungsbedürftige und im konkreten Verfahren klärungsfähige Rechtsfragen von allgemeinem Interesse (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7) nicht auf. In der - von der Vorinstanz auch zitierten - Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist geklärt, dass die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über die Gleichstellung angesichts der §§ 68, 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) unabdingbar eine entsprechende Feststellung des GdB von wenigstens 30 vH und weniger als 50 vH (sog Minderbehinderte) durch die zuständige Stelle voraussetzt (vgl BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 24; BSG SozR 3-3870 § 2 Nr 1). Verfassungsrechtlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Zweifeln unterliegen ersichtlich weder die insoweit einschlägigen Normen des § 2 Abs 3 SGB IX bzw der §§ 68, 69 SGB IX noch die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG (vgl nur Luthe in jurisPK, SGB IX, § 2 RdNr 27 ff und 46 ff).
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Das Urteil des LSG weicht danach auch nicht von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
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Anhaltspunkte für Verfahrensfehler, auf denen das Urteil der Vorinstanz beruhen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), sind ebenfalls nicht zu erkennen. Angesichts der zitierten Rechtsprechung zur Vorgreiflichkeit der Entscheidung der zuständigen Stelle wird keine Möglichkeit bestehen, eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht aufzuzeigen. Denn eine Verletzung des § 103 SGG kann im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur geltend gemacht werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Soll die unterbliebene Aussetzung eines Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit und damit ein Verstoß gegen die Ermessensvorschrift des § 114 Abs 2 Satz 1 SGG gerügt werden, muss sich dartun lassen, wieso das grundsätzlich eingeräumte Ermessen im besonderen Streitfall auf Null reduziert und das Gericht zu einer Aussetzung des Verfahrens verpflichtet war, ferner das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht (BSG, Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Selbst wenn die Vorinstanz - unter der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null - das Verfahren ausgesetzt hätte, wäre indessen nach dem Anerkenntnisurteil vom 28.1.2010 ein anderes Ergebnis vorliegend nicht zu erwarten gewesen. Denn als schwerbehinderter Mensch (GdB von 50) kann der Kläger die begehrte Gleichstellung sowohl nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung als auch nach ihrem Sinn und Zweck ebenfalls nicht erlangen. Hiervon ausgehend wird sich unter Berücksichtigung des Verfahrensablaufs auch eine Gehörsverletzung (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG) nicht ausreichend darlegen lassen.
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Mögliche Auswirkungen des Anerkenntnisurteils vom 18.1.2010 auf die vom Arbeitgeber zum 31.12.2006 ausgesprochene Kündigung sind nicht Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (zum arbeitsgerichtlichen Verfahren vgl aber § 90 Abs 2a SGB IX, hierzu BAG AP Nr 5 zu § 90 SGB IX).
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2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingereicht und unterzeichnet ist (§ 73 Abs 4 SGG). Entgegen den Ausführungen des Klägers begegnet der gesetzliche Vertretungszwang vor dem BSG auch für behinderte Menschen keinen rechtlichen Bedenken.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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