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BVerfG 11.12.2023 - 1 BvR 1188/23
BVerfG 11.12.2023 - 1 BvR 1188/23 - Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde einer Ärztin bzgl berufsrechtlicher Ahndungen der Nichteinhaltung von Corona-Auflagen - zwar verfassungsrechtliche Zweifel an (erneuter) angegriffener Entscheidung des Berufsgerichts - allerdings unzureichende Substantiierung der Grundrechtsrügen
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 103 Abs 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend Berufsgericht für Heilberufe Mainz, 27. Dezember 2022, Az: BG-H 3/21.MZ, Beschluss
vorgehend BVerfG, 9. November 2022, Az: 1 BvR 2263/21, Stattgebender Kammerbeschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine von der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz mit der Begründung nicht eingehaltener Corona-Auflagen erteilte Rüge und ein ihr auferlegtes Ordnungsgeld in Höhe von 15.000 Euro sowie den hierzu ergangenen Einspruchsbescheid und den ablehnenden Beschluss des Berufsgerichts für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Mainz. Mit Beschluss vom 9. November 2022 hatte die 1. Kammer des Ersten Senats den vorangegangenen Beschluss des Berufsgerichts vom 8. Juli 2021 aufgehoben, weil die Entscheidung Art. 19 Abs. 4 GG verletzt habe (1 BvR 2263/21). Die hier vorliegende Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den hierauf ergangenen neuen Beschluss des Berufsgerichts.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist. Es kann dahinstehen, ob die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf Anlagen ihres vorangegangenen Verfassungsbeschwerdeverfahrens der Pflicht zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt und ob die Verfassungsbeschwerde fristgerecht eingegangen ist. Denn die Verfassungsbeschwerde erfüllt jedenfalls nicht die Begründungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG.
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1. Danach muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 171>). Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der Entscheidung und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 140, 229 232 Rn. 9>).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht.
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a) Soweit bei der Anwendung des § 2 Abs. 5 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz (BerufsO) ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG im Raum steht, fehlt es an einer substantiierten Darlegung der Rüge. Trotz der Ausführungen der 1. Kammer des Ersten Senats im Beschluss vom 9. November 2022 zum vorangegangenen Verfassungsbeschwerdeverfahren der Beschwerdeführerin geht diese erneut insbesondere nicht darauf ein, inwiefern die zum materiellen Strafrecht entwickelten Maßstäbe auf die Ahndung berufsrechtlicher Pflichtverletzungen zu übertragen sind.
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b) Weiter hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, dass sie durch die angegriffene Entscheidung in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt wird.
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Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, die Rechtslage also in krasser Weise verkannt wird (vgl. BVerfGE 89, 1 13 f.>; 96, 189 203>; 112, 185 215 f.>).
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Das Berufsgericht dürfte § 46 VwVfG zwar in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet haben, indem es erneut angenommen hat, dass die im Raum stehende Befangenheit des Präsidenten der Landesärztekammer die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst habe (vgl. dazu schon BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2022 - 1 BvR 2263/21 -). Der angegriffene Beschluss beruht jedoch nicht auf diesem Verfassungsverstoß. Das Berufsgericht hat seine Entscheidung zusätzlich und selbständig tragend darauf gestützt, dass keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen sei. Insoweit hat die Beschwerdeführerin lediglich einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG gerügt, den sie allerdings nicht substantiiert darlegt.
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Das Berufsgericht setzt sich ferner in der angegriffenen Entscheidung vom 27. Dezember 2022 erneut nicht damit auseinander, dass es an einer Entscheidung des Vorstands der Landesärztekammer über das gegen den Präsidenten gerichtete Ablehnungsgesuch fehlt. Insoweit zeigt die Beschwerdeführerin einen Verfassungsverstoß aber nicht auf.
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c) Auch die Rüge, Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt, weil das Berufsgericht es unterlassen habe, die einschlägigen Corona-Bekämpfungsverordnungen Rheinland-Pfalz (Corona-Verordnungen) auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, wahrt nicht die Begründungsanforderungen.
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Die Beschwerdeführerin versäumt es erneut, die einschlägigen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts zu zitieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie legt zudem nicht im Einzelnen dar, warum es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht genügt, dass das Berufsgericht sich die zitierte Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Corona-Verordnung ausdrücklich zu eigen macht. Dies wäre insbesondere deshalb angezeigt gewesen, weil sich das Berufsgericht ausdrücklich auch auf eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung bezieht, die sich zur streitgegenständlichen Corona-Verordnung verhält.
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Auch der Hinweis auf die fragwürdige Auffassung des Berufsgerichts, dass "soweit das Kammermitglied die Regelungen der Corona-Bekämpfungsverordnung für rechtswidrig erachtet hat, sie sich − wie viele andere auch − im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes an ein Verwaltungsgericht [hätte] wenden müssen, mit dem Ziel, die Feststellung zu erwirken, dass sie nicht gehalten ist, sich an die Vorgaben der Verordnung zu halten", ändert hieran nichts. Das Berufsgericht hat zur Begründung auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen Bezug genommen. Die Beschwerdeführerin hätte darlegen müssen, inwiefern dennoch davon auszugehen ist, dass das Berufsgericht seine verfassungsrechtliche Pflicht, die Corona-Verordnung auf Verstöße gegen höherrangiges Recht zu überprüfen, verkannt hat.
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d) Ferner legt die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht in der gebotenen Weise dar. Der Verweis auf die beigelegte Begründung ihrer Anhörungsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG. Denn es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtlich Relevantes aus in Bezug genommenen, aber zum jeweiligen Verfahren selbst eingereichten Anlagen herauszusuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 263>; 83, 216 228>).
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e) Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus eine Reihe weiterer Verletzungen ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte geltend macht, setzt sie sich auch insoweit nicht hinreichend mit den angegriffenen Hoheitsakten auseinander und zeigt nicht auf, mit welchen konkreten verfassungsrechtlichen Vorgaben diese nicht in Einklang stehen sollen. Insbesondere geht sie nicht auf den jeweiligen Gehalt der geltend gemachten Rechte ein.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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