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BVerfG 10.01.2020 - 1 BvR 4/17
BVerfG 10.01.2020 - 1 BvR 4/17 - Nichtannahmebeschluss: Art 9 Abs 3 gewährt keinen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags (hier: Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe - VTV) - Verfassungsbeschwerde gegen Unwirksamkeitserklärung (§ 98 ArbGG) des VTV jedenfalls unbegründet
Normen
Art 9 Abs 3 GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 98 ArbGG, § 5 Abs 1 TVG vom 31.10.2006, § 5 Abs 1 S 1 Nr 1 TVG vom 25.08.1969, VTV-Bau
Vorinstanz
vorgehend BAG, 21. September 2016, Az: 10 ABR 33/15, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführenden rügen, das Bundesarbeitsgericht habe mit der angegriffenen Entscheidung verfassungswidrig Allgemeinverbindlicherklärungen für unwirksam erklärt.
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1. Die Beschwerdeführerin zu 1), die IG BAU, ist eine Gewerkschaft, die mit den Arbeitgeberverbänden "Zentralverband des Deutschen Baugewerbes" und "Hauptverband der Deutschen Bauindustrie" Tarifverträge über Sozialkassen des Baugewerbes geschlossen hat. Diese Sozialkassen sind zum Teil schon seit 1949 bestehende gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien im Sinne von § 4 Abs. 2 des Tarifvertragsgesetzes (TVG). Ihr Zweck ist es, im Bereich des Urlaubs, der Altersversorgung und der Berufsbildung Leistungen zu erbringen, die wegen Besonderheiten der Baubranche sonst nicht oder nur eingeschränkt zu erlangen wären. Eine dieser Sozialkassen ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, die hier als Beschwerdeführerin zu 2) auftritt.
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Finanziert wird das Sozialkassenverfahren über Beiträge der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die unter die dazu geschlossenen Tarifverträge fallen. Im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) ist festgelegt, welcher Gesamtbeitragsanspruch zu erfüllen ist. Die Beitragspflicht reicht im Grundsatz nur so weit wie die Wirkung des Tarifvertrags, auf dem sie beruht. Sie beschränkt sich daher ohne weiteres auf solche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die wegen ihrer Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Verband an den VTV gebunden sind. Allerdings wurde der VTV in der Vergangenheit unter anderem auf Antrag der Beschwerdeführerin zu 1) regelmäßig gemäß § 5 TVG vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem zuständigen Ausschuss für allgemeinverbindlich erklärt, so dass auch nicht tarifgebundene Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu Beiträgen herangezogen wurden (vgl. zum Ganzen BVerfGE 55, 7 9 ff.>).
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2. Beim zuständigen Landesarbeitsgericht wurden nach § 98 ArbGG erfolglos Anträge auf Feststellung anhängig gemacht, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV vom 15. Mai 2008 (AVE 2008) und vom 25. Juni 2010 (AVE 2010) unwirksam seien. Dagegen richtete sich die erfolgreiche Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht. Mit hier angegriffenem Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - befand der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts, die für diese Jahre maßgebliche, bis 15. August 2014 geltende Fassung des § 5 TVG habe Voraussetzungen für Allgemeinverbindlicherklärungen aufgestellt, die mit den genannten Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV verfehlt worden seien. Dem aus dem Demokratieprinzip folgenden Erfordernis, dass der zuständige Minister oder die Ministerin für Arbeit und Soziales oder zumindest der jeweilige Staatssekretär beziehungsweise die Staatssekretärin sich mit der Allgemeinverbindlicherklärung persönlich zustimmend befasst haben müsse, sei nicht entsprochen worden (BAG, a.a.O., Rn. 146, 155). Zudem habe die Allgemeinverbindlicherklärung damals nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG vorausgesetzt, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen ("50 %-Quote"). Das habe für den VTV nicht festgestellt werden können (BAG, a.a.O., Rn. 185). Die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV aus den Jahren 2008 und 2010 seien daher von vornherein unwirksam gewesen.
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3. Gegen den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016 erhoben die Beschwerdeführenden Verfassungsbeschwerde, weil dieser ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG oder hilfsweise aus Art. 9 Abs. 1 beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 GG verletze.
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Auf Art. 9 Abs. 3 GG könne sich nicht nur die Gewerkschaft als Beschwerdeführerin zu 1), sondern auch die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse als Beschwerdeführerin zu 2) berufen. Auch sei der Schutzbereich eröffnet. Art. 9 Abs. 3 GG erstrecke sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasse insbesondere die Tarifautonomie. Sie berechtige die Koalitionen, in Tarifverträgen Rechtsnormen mit bindender Wirkung für ihre Mitglieder zu vereinbaren. Diese Normsetzungsbefugnis umfasse auch die Vereinbarung über gemeinsame Einrichtungen, die über die Mitglieder hinaus auf die Einbeziehung von "Außenseitern" angelegt seien. Damit überschritten die Tarifvertragsparteien ihre Normsetzungsbefugnis nicht (Verweis auf BVerfGE 55, 7 23>). Aus der Rechtsprechung folge insbesondere auch, dass der Staat bei der Allgemeinverbindlicherklärung kein eigenständiges Initiativ- und Entscheidungsrecht habe und keinen Einfluss auf den Inhalt der Normen oder ihre Geltungsdauer nehmen könne, sondern sich dem Willen der Tarifvertragsparteien unterwerfe (Verweis auf BVerfGE 44, 322 348>). Daher umfasse der Schutz der Koalitionsfreiheit die Befugnis, die Allgemeinverbindlichkeit der vereinbarten Tarifnormen herbeizuführen. Dies gelte jedenfalls für Normen, die - wie bei den Sozialkassen - von vornherein auch auf die Einbeziehung von Außenseitern angelegt seien.
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Es beschränke daher die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechte, wenn das Bundesarbeitsgericht Anforderungen formuliere, welche die Allgemeinverbindlicherklärung erschwerten oder zu ihrer Versagung im Einzelfall führen könnten.
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Diese Beschränkung sei nicht hinnehmbar. Die beiden tragenden Annahmen des Bundesarbeitsgerichts beruhten auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Art. 9 Abs. 3 GG. Es sei verfassungsrechtlich nicht haltbar, für die Allgemeinverbindlicherklärung eine "kurze Legitimationskette" zu fordern, die eine persönliche Befassung durch die Spitze des zuständigen Bundesministeriums nötig mache. Auch die Ausführungen zur 50 %-Quote seien nicht haltbar, weil das Bundesarbeitsgericht die Grundrechte der Beschwerdeführenden insofern gar nicht berücksichtigt und daher keine praktische Konkordanz herbeigeführt habe. Schließlich verletze es spezifisches Verfassungsrecht, wenn das Bundesarbeitsgericht annehme, die behaupteten Mängel der Allgemeinverbindlicherklärungen 2008 und 2010 führten "ex tunc" zu ihrer Unwirksamkeit. Dadurch würden Grundrechte unverhältnismäßig beschränkt.
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Zu berücksichtigen sei, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 2. Juni 2016, G. K. GmbH gegen Deutschland, Nr. 23646/09, zutreffend darauf hingewiesen habe, dass rechtliche Hürden für eine Allgemeinverbindlicherklärung die Existenz der Sozialkassen in Frage stellen könnten, weil die beabsichtigte Absicherung aller Arbeitnehmer in dieser Branche nicht erreicht werden könne, wenn nur tarifgebundene Arbeitgeber beitragspflichtig wären. Das liege auf einer Linie mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (nach BVerfGE 55, 7 23>).
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG); sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Die Rügen zu Art. 9 Abs. 3 GG sind jedenfalls unbegründet.
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Die Beschwerdeführenden machen im Kern geltend, Art. 9 Abs. 3 GG gewähre ihnen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch darauf, dass der VTV vom zuständigen Bundesministerium für allgemeinverbindlich erklärt wird. Dies ist jedoch - auch ausweislich der in der Verfassungsbeschwerde in Bezug genommenen Rechtsprechung - nicht der Fall.
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a) Zutreffend verweisen die Beschwerdeführenden allerdings darauf, dass die verfassungsrechtlichen Befugnisse der Koalitionen nicht unzulässig überschritten sind, wenn Tarifverträge auf eine Allgemeinverbindlicherklärung angelegt werden (vgl. BVerfGE 55, 7 23 f.>). Art. 9 Abs. 3 GG ermöglicht den Koalitionen auch Tarifverträge, die von vornherein darauf zielen, Außenseiter einzubeziehen (vgl. BVerfGE 55, 7). Die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG in der hier maßgeblichen Fassung lässt sich zudem als ein Rechtssetzungsakt eigener Art beschreiben, der seine Grundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet und bei der sich der Staat hinsichtlich Inhalt und Geltungsdauer dem Willen der Tarifparteien unterwirft (vgl. BVerfGE 44, 322 348>).
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b) Allerdings folgt daraus kein Anspruch der Koalitionen aus Art. 9 Abs. 3 GG auf eine Allgemeinverbindlicherklärung. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Normsetzungsbefugnis der Koalitionen erstreckt sich grundsätzlich nur auf die Mitglieder der tarifvertragschließenden Parteien (ausdrücklich BVerfGE 116, 202 219>). Tarifverträge können zwar auf Außenseiter zielen, doch kann der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht beliebig außerstaatlichen Stellen überlassen und die Bürgerinnen und Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt von Akteuren ausliefern, die ihnen gegenüber nicht demokratisch beziehungsweise mitgliedschaftlich legitimiert sind.
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Mit dem Hinweis des Senats in BVerfGE 44, 322 348>, dass sich der Staat dem Willen der Tarifparteien im Rahmen einer Allgemeinverbindlicherklärung "unterwirft", wurde in dem damaligen Verfahren zur Normenkontrolle des § 5 TVG lediglich das seinerzeit maßgebliche einfache Recht beschrieben. Es blieb aber ausdrücklich offen, "[o]b gerade die heute geltende Regelung verfassungsrechtlich geboten ist oder ob auch andere Lösungen mit stärkerem staatlichen Einfluss vor Art. 9 Abs. 3 GG noch Bestand haben könnten", (BVerfGE 44, 322 346>, mittlerer Absatz). Jedenfalls sei die staatliche Mitwirkung für die Bindung von Außenseitern an einen Tarifvertrag zwingend, und daher auch zu prüfen, ob die strengen Bedingungen dafür erfüllt sind (a.a.O., 348>). Der Gesetzgeber hat die Allgemeinverbindlicherklärung in § 5 TVG dementsprechend als Ermessensentscheidung gefasst ("kann" in § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 TVG), die im öffentlichen Interesse auch rückgängig gemacht werden kann (§ 5 Abs. 5 Satz 1 TVG). Damit ist eine Allgemeinverbindlicherklärung verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn der die Außenseiter bindende Geltungsbefehl dem Staat vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 44, 322 347 f.>; dazu auch BVerfGE 55, 7 23 f.>). Dem Staat verbleibt also eine Entscheidungsmacht, die zwar keine Einmischung in der Sache legitimiert, aber einen Vorbehalt des öffentlichen Interesses beinhaltet. Damit ist der Staat nicht verpflichtet, den Geltungsbereich von Tarifverträgen durch eine Allgemeinverbindlicherklärung auszuweiten.
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c) Ein Anspruch auf Allgemeinverbindlicherklärung folgt auch nicht aus der allgemeinen Verpflichtung des Gesetzgebers, durch die Schaffung einfach-rechtlicher Regelungen zu ermöglichen, dass von der Koalitionsfreiheit auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 92, 26 41>). Zwar gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG mit der Koalitionsfreiheit zugleich ein gesetzlich geregeltes Tarifvertragssystem, weil sonst die Koalitionen ihre Funktion, in dem von der staatlichen Rechtssetzung frei gelassenen Raum das Arbeitsleben im Einzelnen durch Tarifverträge zu ordnen, nicht sinnvoll erfüllen könnten (vgl. BVerfGE 4, 97 108>; 20, 312 317>). Auch wenn Art. 9 Abs. 3 GG in erster Linie ein Freiheitsrecht ist (BVerfGE 92, 365 393>; 146, 71 114 Rn. 130>), geht sein Gewährleistungsinhalt über die reine Abwehr staatlicher Maßnahmen hinaus. Im Fall der Sozialkassen ist auch zu berücksichtigen, dass ihre Finanzierung jedenfalls nach ihren eigenen Angaben auf die Einbeziehung von Außenseitern angewiesen ist und die Beschwerdeführerin zu 2) (Urlaubskasse) zumindest Gefahr läuft, ihr Tätigkeitsfeld zu verlieren, wenn sie sich nicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung der Sozialkassentarifverträge verlassen kann.
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Diese "Bewirkungsdimension" des Art. 9 Abs. 3 GG (vgl. Höfling, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 9 Rn. 79; Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 9 Rn. 141) geht aber nicht so weit, dass jeder Tarifvertrag, der auf Allgemeinverbindlichkeit angelegt ist, auch dazu erklärt werden muss. Art. 9 Abs. 3 GG enthält kein Gebot, jeder Zielsetzung, die Koalitionen verfolgen, zum praktischen Erfolg zu verhelfen (vgl. BVerfGE 146, 71 115 Rn. 132>). Zwar kann der Gesetzgeber die Durchsetzung der Ziele der Koalitionen fördern, muss aber nur die Funktionsbedingungen sichern. Der Organisationsgrad einer Koalition, ihre Fähigkeit zur Anwerbung und Mobilisierung von Mitgliedern und ähnliche Faktoren liegen außerhalb der Verantwortung des Gesetzgebers. Er ist nicht gehalten, schwachen Verbänden Durchsetzungsfähigkeit bei Tarifverhandlungen zu verschaffen, denn Art. 9 Abs. 3 GG verlangt keine Optimierung der Kampfbedingungen, sondern verpflichtet den Staat auch insoweit zur Neutralität (BVerfGE 146, 71 122 Rn. 150>).
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d) Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG garantiert den Koalitionen also grundsätzlich weder Stärke noch Erfolg, sondern gewährleistet die tatsächlich realisierbare Chance, durch ihre Tätigkeit die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Soweit diese Chance nicht gegeben ist, weil der gesetzliche Rahmen die Realisierung strukturell nicht zulässt, kann aus Art. 9 Abs. 3 GG Abhilfe verlangt werden. Ein solcher Fall, dass Koalitionen ihre autonom gesteckten Ziele nicht erreichen, weil gesetzliche Strukturbedingungen der Tarifautonomie fehlen, ist hier jedoch nicht erkennbar. Die Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht an die Allgemeinverbindlicherklärung stellt, lassen die Anstrengungen der Koalitionen, ihre Ziele zu erreichen, jedenfalls nicht leerlaufen. Die Bedingung, dass im zuständigen Ministerium konkret personell Verantwortung übernommen wird, um einen solchen Rechtssetzungsakt zu legitimieren, beeinträchtigt die Chance der Koalitionen in keiner Weise.
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Die weitere Anforderung des damaligen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen ("50 %-Quote") müssten, schränkt zwar die Möglichkeiten der Koalitionen ein, ihre Tarifverträge auf Außenseiter zu erstrecken. Doch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass damit keine realisierbare Chance mehr bestünde, die Freiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Anspruch zu nehmen. Vielmehr betrifft diese Anforderung die Stärke der Koalitionen, die jedoch nicht in der Verantwortung des Gesetzgebers oder der dessen Regeln zur Anwendung bringenden Gerichte liegt (vgl. BVerfGE 146, 71 122 Rn. 150>).
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e) Offen bleiben kann danach, ob den Beschwerdeführenden der geltend gemachte Anspruch auf Allgemeinverbindlicherklärung überhaupt als einklagbares Recht zustehen könnte. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht zur einfachrechtlichen Bestimmung des § 5 TVG die Auffassung vertreten, die Allgemeinverbindlicherklärung diene zumindest auch den Interessen der Koalitionen, deren Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden sollen (vgl. BVerwGE 80, 355 368 f.>). Unabhängig davon, ob das auch verfassungsrechtlich gilt, sprechen jedoch das Gebot staatlicher Neutralität und die ambivalente Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung - sie stärkt den konkreten Tarifvertrag, schwächt aber die Attraktivität der Mitgliedschaft in einer Koalition - gegen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Allgemeinverbindlicherklärung (vgl. Sittard, Voraussetzungen und Wirkungen der Tarifnormerstreckung nach § 5 TVG und dem AEntG, 2010, S. 114 ff., 119 f. und S. 121 unter IV).
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2. Soweit die Beschwerdeführenden hilfsweise eine Verletzung von Art. 9 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG rügen, gehen deren Anforderungen jedenfalls nicht über die des Art. 9 Abs. 3 GG hinaus. Auch insofern hat die Rüge daher keine Aussicht auf Erfolg.
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III.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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