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BFH 14.07.2022 - III R 28/21
BFH 14.07.2022 - III R 28/21 - Kindergeldrechtliche Ausschlussfrist bei Wanderarbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
Normen
§ 70 Abs 1 S 2 EStG 2009 vom 11.07.2019, Art 68 Abs 3 EGV 883/2004, Art 81 EGV 883/2004, Art 60 Abs 1 S 2 EGV 987/2009, Art 60 Abs 2 S 3 EGV 987/2009, EStG VZ 2019
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 28. Juli 2021, Az: 3 K 1589/20, Urteil
Leitsatz
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1. Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann sein Auszahlungsanspruch erst abgelehnt werden, wenn festgestellt wird, dass weder der Wanderarbeitnehmer selbst noch eine andere berechtigte Person für das betreffende Kind im Heimatland des Kindes einen die Frist wahrenden Antrag auf Kindergeld oder eine vergleichbare ausländische Familienleistung gestellt haben.
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2. Bezieht der Wanderarbeitnehmer oder eine andere berechtigte Person laufend Familienleistungen für das betreffende Kind, genügt es für einen nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Antrag auch, dass der Wanderarbeitnehmer oder eine andere berechtigte Person gegenüber dem zuständigen Träger des Heimatlandes innerhalb der Sechsmonatsfrist den durch die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit entstandenen grenzüberschreitenden Sachverhalt anzeigt und hierdurch die Durchführung des Koordinierungsverfahrens ermöglicht.
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3. Die Feststellungen zum Vorliegen eines Antrags oder einer Mitteilung beim ausländischen Träger sind durch an diesen gerichtetes Auskunftsersuchen zu treffen. Der Anspruchsteller trägt die Feststellungslast (objektive Beweislast) hinsichtlich der Nichterweislichkeit eines entsprechenden Antrags oder einer entsprechenden Mitteilung.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 28.07.2021 - 3 K 1589/20 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist der Kindergeldanspruch eines Wanderarbeitnehmers für den Zeitraum März bis April 2019.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist rumänischer Staatsangehöriger und war im Zeitraum vom ...03.2019 bis ...05.2019 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als Arbeitnehmer beschäftigt. Er ist der Vater eines im November 2007 geborenen Sohnes (A).
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Mit Schreiben vom 22.11.2019, bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) eingegangen am 25.11.2019, beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers Kindergeld für A. Mit Schriftsatz vom 09.09.2020 legten die Prozessbevollmächtigten eine Geburtsurkunde des Kindes, eine Heiratsurkunde der Eltern (beides in rumänischer Sprache), das teils ausgefüllte Formblatt E 411, eine Familienstandsbescheinigung in rumänischer und deutscher Sprache vom ...11.2019 (Kind und beide Eltern wohnen in "…, Romania"), einen Ausdruck der deutschen elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2019 mit der Angabe eines Beschäftigungszeitraums vom ...03. bis ...05., einen förmlichen Antrag auf deutsches Kindergeld und einen Einkommensteuerbescheid des Finanzamts für 2019 vom 31.08.2020 vor, bei dem in den Erläuterungen ausgeführt wird, dass eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchgeführt wurde.
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Mit Bescheid vom 05.11.2020 setzte die Familienkasse Kindergeld für März bis Mai 2019 in Höhe eines Unterschiedsbetrages zwischen dem gesetzlichen Kindergeld und der rumänischen Familienleistung zugunsten des Klägers fest. Im selben Bescheid verfügte die Familienkasse unter der Überschrift "Berechnung des zustehenden Unterschiedsbetrages an Kindergeld", dass sich eine Nachzahlung des Kindergelds für den Zeitraum Mai 2019 in Höhe von … € ergebe. Eine Berechnung der Festsetzung für März und April 2019 wurde nicht vorgenommen. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass eine Auszahlung nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nur sechs Monate rückwirkend vor Antragstellung möglich sei. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG bleibe von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.
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Den dagegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 08.12.2020 als unbegründet zurück.
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Im sich anschließenden Klageverfahren erließ die Familienkasse unter dem 14.07.2021 einen geänderten Bescheid. Darin setzte sie wiederum für März bis April 2019 Kindergeld in Höhe eines Unterschiedsbetrages zwischen dem gesetzlichen Kindergeld und der rumänischen Familienleistung zugunsten des Klägers für dessen Sohn fest. Sie änderte jedoch die Anlage "Berechnung des zustehenden Unterschiedsbetrages an Kindergeld" dahin, dass unter Anrechnung von … RON (… €) für März 2019 und … RON (… €) für April 2019, Kindergeld in Höhe von … € für März 2019 und … € für April 2019 berechnet wurde. Die Auszahlung von Kindergeld für die Monate März bis April 2019 wurde weiterhin abgelehnt.
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Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid vom 05.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.12.2020 und des Änderungsbescheids vom 14.07.2021 dahingehend abzuändern, dass an die Klägerin ein Differenzkindergeld für März 2019 in Höhe von … € und für April 2019 in Höhe von … € auszuzahlen ist,
hilfsweise,
eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der Frage einzuholen, ob § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG mit dem europäischen Recht vereinbar ist.
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Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG ist auf der Basis der getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund des Eingreifens der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzkindergelds in Höhe von … € für März 2019 und in Höhe von … € für April 2019 hat.
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1. Zu Recht hat das FG angenommen, dass sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO gegen eine Abrechnungsentscheidung der Familienkasse i.S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gewandt hat.
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Insoweit kann offenbleiben, ob es sich bereits bei dem unter der Überschrift "Nachzahlung" im Bescheid vom 05.11.2020 enthaltenen Abrechnungsteil um einen förmlichen Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO handelt (ablehnend etwa FG Münster vom 26.09.2019 - 8 K 2081/18 Kg, juris, Rz 28, unter Hinweis auf das Fehlen einer Streitigkeit). Denn jedenfalls regelte die Familienkasse mit diesem Bescheid, der dem Bescheid beigefügten Anlage und der Begründung des Bescheides gegenüber dem Kläger den Zeitraum, für den nach ihrer Auffassung ein Auszahlungsanspruch bestand. Die Familienkasse setzte zwar Differenzkindergeld für den Zeitraum März bis Mai 2019 fest, einen Auszahlungsanspruch erkannte sie aber unter Hinweis auf § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nur für den Monat Mai 2019 an. Durch den nur gegen die unterbliebene Auszahlung gerichteten Einspruch entstand auch eine Streitigkeit zwischen der Familienkasse und dem Kläger, über welche die Familienkasse durch die Einspruchsentscheidung vom 08.12.2020 und den nach § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewordenen Änderungsbescheid vom 14.07.2021 entschieden hat. Unerheblich ist dabei, dass die Familienkasse ihre Entscheidungen nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnete (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 07.08.1990 - VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569, unter II.2.a). Denn aus der Begründung aller drei Bescheide ergibt sich, dass die Familienkasse jeweils (auch) über den Auszahlungsanspruch entschieden hat.
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2. Zu Unrecht hat das FG aber angenommen, dass für die Monate März und April 2019 die Voraussetzungen der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehenen Auszahlungsbeschränkung erfüllt sind. Die zur Stellung eines Familienleistungsantrags im Heimatland (Republik Rumänien --Rumänien--) getroffenen Feststellungen tragen nicht die Schlussfolgerung, dass dort kein berücksichtigungsfähiger Antrag vorliegen kann. Dies stellt einen materiellen Fehler der Entscheidung dar (z.B. Senatsurteil vom 22.02.2017 - III R 20/15, BFHE 257, 274, BStBl II 2017, 913, Rz 19, m.w.N.).
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a) Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG) vom 11.07.2019 (BGBl I 2019, 1066, BStBl I 2019, 814) erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Vorschrift ist nach § 52 Abs. 50 EStG i.d.F. des SozialMissbrG auf nach dem 18.07.2019 eingehende Kindergeldanträge anzuwenden.
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Insofern ist das FG zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der vom Kläger gestellte und am 25.11.2019 bei der Familienkasse eingegangene Antrag die Sechsmonatsfrist für die Monate März und April 2019 nicht wahrt. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob im Heimatland des Klägers (Rumänien) vom Kläger oder einer anderen berechtigten Person ein diese Frist wahrender Antrag gestellt wurde.
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b) Das europäische Recht zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sieht ein umfassendes Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung vor.
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aa) Nach Art. 68 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (VO Nr. 883/2004) gilt für den Fall, dass beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln des Art. 68 Abs. 1 und 2 der VO Nr. 883/2004 nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird, ein besonderes Verfahren. Der betreffende Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den Unterschiedsbetrag aus. Der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist. Diese Regelung wird durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2005 Nr. L 117, S. 1) in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (VO Nr. 987/2009) zum einen dahingehend ergänzt, dass im Falle der unterbliebenen Antragstellung durch einen berechtigten Elternteil auch der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellter Antrag zu berücksichtigen ist (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009). Zum anderen ergibt sich aus Art. 60 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 987/2009, dass die Antragsgleichstellung nicht nur für den Fall des Antragseingangs beim nachrangig verpflichteten Leistungsträger, sondern auch für den Fall des Antragseingangs beim vorrangig zuständigen Leistungsträger gilt. Denn auch für Zwecke der Zahlung eines bloßen Unterschiedsbetrages soll der Antrag an den nachrangig zuständigen Leistungsträger weitergeleitet werden. Zudem ergibt sich auch aus Art. 81 der VO Nr. 883/2004, dass Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Mitgliedstaats einzureichen sind, innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechenden Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedstaats eingereicht werden können. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten unverzüglich der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Mitgliedstaats. Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Mitgliedstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht. Somit ist das "Prinzip der europaweiten Antragstellung" zu beachten (Senatsurteil vom 09.12.2020 - III R 73/18, BFHE 271, 508, BStBl II 2022, 178, Rz 16).
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bb) Zweck dieser Regelungen ist es, den Wanderarbeitnehmern und den ihnen Gleichgestellten die Teilnahme am zwischenstaatlichen Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Statt sich direkt an die für sie zuständige ausländische Einrichtung zu wenden, können sie ihr Anliegen an die entsprechende Stelle ihres Wohnstaats richten, ohne einen Rechtsverlust aufgrund langer Postwege, Unkenntnis über den Verwaltungsaufbau im ausländischen Staat und ähnlicher rechtlicher und praktischer Schwierigkeiten befürchten zu müssen (Pabst/Otting in: jurisPK-SGB I, Aufl. 2021, Art. 81 VO (EG) 883/2004 Rz 8, m.w.N.). Zudem wird aus der den beteiligten Trägern auferlegten Pflicht zur unverzüglichen Antragsweiterleitung deutlich, dass die genannten Vorschriften auf eine zeitnahe Durchführung des Koordinierungsverfahrens abzielen.
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c) aa) Insoweit ist das FG zwar unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 09.09.2020 - III R 37/19 (BFH/NV 2021, 449, Rz 19) zu Recht davon ausgegangen, dass ein mutmaßlich bei Geburt des Kindes (November 2007) in Rumänien gestellter Antrag schon deshalb nicht unter diese Antragsgleichstellung fallen kann, weil die VO Nr. 883/2004 erst am 01.05.2010 in Kraft getreten ist.
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bb) Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob nach Inkrafttreten der VO Nr. 883/2004 vom Kläger oder einer anderen berechtigten Person --insbesondere von der Kindsmutter, die im Kindergeldantrag (Bl. 8 der Kindergeldakte) als die Bezugsberechtigte für die rumänischen Familienleistungen angegeben wurde-- bis zum Ablauf der hier streitigen Sechsmonatsfrist ein Antrag auf Familienleistungen für die streitigen Monate März bis April 2019 gestellt wurde.
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Im Streitfall kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Antrag gestellt wurde. Denn nach den von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten Informationen zu den Familienleistungen in den EU-Mitgliedstaaten ist die in Rumänien vorgesehene Familienbeihilfe (alocație pentru susținerea familiei) u.a. von dem Schulbesuch des Kindes, von der im Verhalten erzielten Note und dem Durchschnittseinkommen pro Familienmitglied abhängig (https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1126&intPageId=4749&langId=de). Dies legt nahe, dass auch in Rumänien schon während der Minderjährigkeit des A mehrere Anträge erfolgt sein können (z.B. bei Schulwechsel des A, bei Wieder-/Erfüllung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen). Ein entsprechender Antrag könnte deshalb mit einem innerhalb der Ausschlussfrist liegenden Eingangsdatum bei dem rumänischen Träger auch von der deutschen Familienkasse zu berücksichtigen sein.
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Hat der Kläger oder eine berechtigte Person --wie im vorliegenden Fall-- im anderen Mitgliedstaat laufend Familienleistungen für das betreffende Kind bezogen, wäre es aus Sicht des Senats für die Annahme eines Antrags auch ausreichend, dass der Kläger oder ein anderer Berechtigter gegenüber dem zuständigen Träger seines Heimatlandes innerhalb der Sechsmonatsfrist den durch die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit entstandenen grenzüberschreitenden Sachverhalt angezeigt und hierdurch die Durchführung des Koordinierungsverfahrens für die Monate März bis April 2019 ermöglicht hätte.
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cc) Soweit das FG darüber hinaus darauf abgestellt hat, dass ein etwaiger Antrag mangels Zusammentreffens von Leistungsansprüchen auch nicht weiterzuleiten gewesen sei, kann dies für den Streitzeitraum schon deshalb nicht zutreffen, weil der Kläger insoweit erklärt hat, dass Familienleistungen für A in Rumänien erbracht wurden. Ebenso hat die Familienkasse eine Anrechnung dieser Leistungen vorgenommen. Zudem kommt es für die Frage der Rechtzeitigkeit des Antrags nicht darauf an, ob der Träger in Rumänien Kenntnis von einem Zusammentreffen von Familienleistungsansprüchen hatte und daher zur Weiterleitung des Antrags verpflichtet gewesen wäre. Sofern ein Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre, wäre er nach dem Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung auch zu berücksichtigen. Gleichwohl liegt es freilich im Interesse des Anspruchsberechtigten, von sich aus zumindest einem der beteiligten Träger zeitnah und nach den jeweils anzuwendenden nationalen Rechtsordnungen rechtzeitig den grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuzeigen, um die Koordinierung zu ermöglichen und Rechtsverluste in dem einen oder dem anderen Mitgliedstaat zu vermeiden.
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3. Da somit schon unklar ist, ob der Kläger durch die Anwendung der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG überhaupt einen Rechtsnachteil erlitten hat oder ein solcher durch die insbesondere für Wanderarbeitnehmer geschaffenen --und für reine Inlandsfälle nicht geltenden-- Vereinfachungsregelungen des europäischen Koordinierungsrechts vermieden wird, ist die Frage, ob der Kläger in verfassungs- und europarechtswidriger Weise diskriminiert wird, im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang durch Auskunftsersuchen gegenüber dem zuständigen Träger in Rumänien aufzuklären haben, ob eine berechtigte Person während der Ausschlussfrist einen Familienleistungsanspruch für A im Heimatland Rumänien geltend gemacht hat. Im Falle der Nichterweislichkeit eines entsprechenden Antrags oder einer entsprechenden Mitteilung trägt der Kläger die Feststellungslast (objektive Beweislast) für diesen ihm günstigen Umstand.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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