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BFH 10.12.2019 - VIII R 33/16
BFH 10.12.2019 - VIII R 33/16 - Mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung - Begründungsmangel
Normen
§ 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2002, § 105 Abs 2 Nr 5 FGO, § 119 Nr 6 FGO, EStG VZ 2008
Vorinstanz
vorgehend FG Nürnberg, 18. Februar 2016, Az: 4 K 423/15, Urteil
nachgehend FG Nürnberg, 3. Mai 2021, Az: 4 K 270/20, Beschluss
Leitsatz
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NV: Eine Entscheidung verletzt Bundesrecht (§ 119 Nr. 6 FGO), wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren .
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18.02.2016 - 4 K 423/15 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist, ob beim Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu erfassen ist, die aus einer durch ihn bewirkten Zahlung der A-GmbH in Höhe von 250.000 € an einen Dritten resultiert.
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Der Kläger war im Streitjahr (2008) zu … % an der A-GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er war, beteiligt. Weiterer Gesellschafter war F. Dieser war zunächst Alleingesellschafter gewesen, hatte jedoch mit notariellen Verträgen vom xx.xx.2003 und vom xx.xx.2007 Geschäftsanteile im Nennbetrag von insgesamt … € auf den Kläger übertragen. Die Verträge enthielten jeweils ein befristetes Angebot des Klägers auf Rückabtretung der Geschäftsanteile zum Nennbetrag an F. F nahm diese Angebote am xx.08.2009 an. Am gleichen Tag wurde der Kläger als Geschäftsführer der A-GmbH abberufen und sein Geschäftsführeranstellungsvertrag fristlos gekündigt. Hintergrund hierfür war ein vom Kläger ohne die notwendige Zustimmung der Gesellschafterversammlung im Namen der A-GmbH mit der B-AG geschlossener, auf den 21.11.2008 datierter Darlehensvertrag über 250.000 €. Bei der B-AG, als deren Vertreter Herr G auftrat, handelt es sich um eine in der Schweiz ansässige Briefkastengesellschaft. Nach dem Vertrag sollte das Darlehen unverzinslich sein, allerdings war ein Betrag in Höhe von 275.000 € zurückzuzahlen. Ausweislich einer auf den 25.11.2008 datierten Ergänzung zum Darlehensvertrag wurde zur Sicherung des Darlehens ein Teilbetrag in Höhe von 275.000 € aus einer Bank-Garantie, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht bestand, an die A-GmbH abgetreten. Im März 2009 erfolgte zudem eine Sicherungsabtretung von Anteilen an der B-AG an den Kläger.
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Am 01.12.2008 schloss der Kläger mit der B-AG einen sog. Joint-Venture-Gewinnbeteiligungsvertrag. Die daraus resultierenden Gewinne sollten zwischen ihm und der B-AG im Verhältnis von 20 % zu 80 % aufgeteilt werden.
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Die Auszahlung der 250.000 € erfolgte am 04.12.2008 durch eine vom Kläger veranlasste Überweisung vom Konto der A-GmbH, deren Verwendungszweck mit "Rechts- und Beratungskosten" bezeichnet war. Die Überweisung ging auf ein Konto der Frau S, der Lebensgefährtin des G. Diese überwies einen Betrag in Höhe von 200.000 € auf ein Konto der B-AG oder ein Konto des G in Frankreich. Den Restbetrag von 50.000 € überwies sie an ihren Bruder, der von dem Geld einen PKW kaufte und an G übergab.
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Das Darlehen sollte nach dem Vorbringen des Klägers als Anschubfinanzierung für den Erwerb der GmbH-Anteile des F durch die B-AG dienen. Ein entsprechender notarieller Kaufvertrag, nach dem die B-AG für die Anteile des F im Nominalbetrag von … € eine Gegenleistung von … Mio. € zu erbringen hatte, wurde am xx.07.2009 geschlossen. Der Vertrag wurde mangels Kaufpreiszahlung nicht durchgeführt. Der Kläger hätte nach den Feststellungen des FG beim Verkauf der Anteile an die B-AG eine Provision in Höhe von 50.000 € verdient.
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Die zum 28.02.2009 fällige Rückzahlung des Darlehens an die A-GmbH blieb aus.
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Der Kläger wurde vom Amtsgericht Z-Stadt (AG) im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung wegen Untreue verurteilt. Das AG legte ihm u.a. zur Last, dass er eine umfassende Risikoprüfung, zu der er als Geschäftsführer der A-GmbH verpflichtet gewesen wäre, nicht vorgenommen habe.
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Eine bei der A-GmbH durchgeführte Außenprüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich bei den durch den Kläger veruntreuten 250.000 € um eine vGA handele. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Auffassung und erließ unter Verweis auf § 173 der Abgabenordnung am 19.02.2014 einen entsprechenden Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg, ebenso die nachfolgende Klage. Das FG ging in seinem Urteil davon aus, dass dem Kläger die durch die Darlehensauszahlung am 04.12.2008 bei der A-GmbH eingetretene Vermögensminderung in Höhe von 250.000 € als vGA zuzurechnen sei. Der Kläger habe eine mittelbare vGA erhalten, die darin bestehe, dass der Vermögensvorteil G zugeflossen und dieser Zufluss zugleich als Vermögensvorteil des Klägers anzusehen sei.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er wendet insbesondere ein, die Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft i.S. des § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO), denn das FG gehe ohne Begründung davon aus, die B-AG bzw. G seien ihm nahestehende Personen.
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Der Kläger beantragt,
das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 19.02.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.02.2015 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer ohne die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der streitigen vGA in Höhe von 250.000 € festgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es ist der Auffassung, der gerügte Verfahrensmangel liege nicht vor. Das FG gehe eindeutig von einer mittelbaren vGA aus, auch wenn es keine direkten Ausführungen zum Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der B-AG bzw. G gebe.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das Urteil ist teilweise nicht mit Gründen versehen und verletzt daher Bundesrecht (§ 119 Nr. 6 FGO). Die Entscheidung lässt nicht erkennen, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für die Annahme einer mittelbaren vGA an den Kläger maßgeblich waren.
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1. Nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO muss ein finanzgerichtliches Urteil u.a. Entscheidungsgründe enthalten. Fehlt es hieran, ist das Urteil als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen (§ 119 Nr. 6 FGO).
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a) Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 02.10.2001 - IX R 25/99, BFH/NV 2002, 363, m.w.N.). Der Begründungszwang bezweckt, die Prozessbeteiligten über die das Urteil tragenden Erkenntnisse und Überlegungen des Gerichts zu unterrichten. Sie sollen so die Möglichkeit erhalten, nachvollziehen zu können, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Ein Begründungsmangel liegt vor, wenn den Beteiligten --zumindest in Bezug auf einen der wesentlichen Streitpunkte-- die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14.05.2013 - X B 176/12, BFH/NV 2013, 1445, m.w.N.).
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b) Dies ist vorliegend der Fall. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, auf welcher tatsächlichen und rechtlichen Grundlage das FG für das Streitjahr zu einer mittelbaren vGA an den Kläger gelangt ist.
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aa) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Bezüge aus einer vGA. Eine vGA i.S. dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. z.B. Senatsentscheidungen vom 12.06.2018 - VIII R 38/14, BFH/NV 2018, 1141; vom 24.06.2014 - VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501, m.w.N.). Eine vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kann ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (vgl. hierzu z.B. Senatsurteile vom 19.06.2007 - VIII R 34/06, BFH/NV 2007, 2291; vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, BFHE 207, 103; vom 22.02.2005 - VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266; vom 30.11.2010 - VIII R 19/07, BFH/NV 2011, 449). Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 207, 103; in BFH/NV 2005, 1266).
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bb) Das FG ist von einer vGA ohne tatsächlichen Zufluss beim Kläger ausgegangen. Zur Begründung dieser mittelbaren vGA in Höhe von 250.000 € hat es entscheidend darauf abgestellt, dass dem G die von der A-GmbH gezahlten 250.000 € zugeflossen sind und dieser Zufluss einen Vermögensvorteil des Klägers darstellt. Dieser liege darin, dass die A-GmbH auf Veranlassung des Klägers einmal dem Kläger und der Kläger seinerseits dem G einen Vermögensvorteil habe zuwenden wollen und beide Zuwendungen mittelbar dadurch erfolgt seien, dass die A-GmbH unmittelbar an G geleistet habe. Ob der Auszahlung des Geldes tatsächlich ein Darlehensvertrag mit der B-AG zugrunde lag, war aus Sicht des FG zumindest zweifelhaft.
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Der Entscheidung ist nicht zu entnehmen, auf welcher Grundlage das FG angenommen hat, die 250.000 € seien dem G zugeflossen. Seine Feststellungen tragen diese Annahme nicht. Das FG bezieht sich zum Verbleib der 250.000 € zunächst auf die Aussage der S. Diese hatte erklärt, den auf ihrem Konto gutgeschriebenen Betrag in Höhe von 200.000 € noch am selben Tag auf ein Konto der B-AG und den Restbetrag an ihren Bruder überwiesen zu haben. Ihr Bruder habe von dem Geld einen PKW erworben und an G übergeben. Dies schließe --so das FG-- eine mittelbare vGA an den Kläger, die darin bestehe, dass der Vermögensvorteil dem G zugeflossen und dieser Zufluss als ein Vermögensvorteil des Klägers anzusehen sei, nicht aus. Sodann stellt das FG fest, der Betrag von 200.000 € sei auf ein Konto des G in Frankreich überwiesen worden. Auf welcher Grundlage das FG zu dieser --von der Aussage der S abweichenden-- Annahme gelangt ist, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Auch fehlt es an Feststellungen dazu, dass G als wirtschaftlich Berechtigter hinter der B-AG stand und ihm daher eine Zahlung auf das Konto der B-AG zuzurechnen ist.
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Darüber hinaus nimmt das FG eine mit dem (vermeintlichen) Zufluss des Geldes an G bewirkte mittelbare vGA an, ohne nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH darzulegen, dass es den G als dem Kläger nahestehende Person ansieht und ohne auf der Grundlage konkreter Feststellungen zu begründen, woraus sich ein entsprechendes Näheverhältnis zwischen dem Kläger und G ergibt.
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Den Entscheidungsgründen ist zudem nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob das FG als Rechtsgrund der Auszahlung der 250.000 € ein Darlehensverhältnis zwischen der A-GmbH und der B-AG ansieht oder es --insbesondere wegen des vom Kläger angegebenen Überweisungszwecks-- angenommen hat, das Geld habe "endgültig" aus der Gesellschaft fließen sollen. Beruht die Entscheidung des FG auf der Annahme eines Darlehensverhältnisses, lässt seine Begründung nicht erkennen, warum die Darlehensgewährung bereits im Streitjahr und nicht erst später --mit dem Ausfall des Darlehens-- zu einer vGA geführt hat.
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2. Das Fehlen von Entscheidungsgründen ist ein Verfahrensmangel, auf dem das FG-Urteil beruht (§ 119 Nr. 6 FGO). Eine Ausnahme hiervon lässt die Rechtsprechung zwar zu, wenn eine erneute Entscheidung des FG nur zu einer Bestätigung des Urteils führen könnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.06.2009 - V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310). Dies ist vorliegend aber nicht ersichtlich.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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