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BFH 06.12.2017 - II R 55/15
BFH 06.12.2017 - II R 55/15 - Entgeltliche Mieterdienstbarkeit als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung
Normen
§ 13 Abs 1 BewG 1991, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 111 InsO, § 57a ZVG
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 14. Oktober 2015, Az: 2 K 1271/13, Urteil
Leitsatz
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Verpflichtet sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, liegt darin keine Gegenleistung für das Grundstück i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG .
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 14. Oktober 2015 2 K 1271/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27. März 2013 ein mit einem Lebensmittelmarkt, Kfz-Stellplätzen und einer Tankstelle bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 7.088.750 €. Das Grundstück war an eine Handelsgesellschaft (Mieterin) vermietet.
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In derselben notariellen Urkunde bestellten die Veräußerin und die Klägerin zugunsten der Mieterin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Damit wurde der Mieterin das Recht eingeräumt, das Grundstück durch Einrichtung, Betrieb und Unterhaltung eines Einzelhandelsgeschäfts mit Kundenparkplätzen und einer Tankstelle mit Waschanlage zu nutzen. Dafür hatte die Mieterin dem jeweiligen Eigentümer statt der Miete ein Entgelt zu zahlen, das sich wegen der Höhe nach dem zwischen dem jeweiligen Eigentümer und der Mieterin geschlossenen Mietvertrag richten sollte.
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Ebenfalls am 27. März 2013 schloss die Klägerin mit der Mieterin einen neuen Mietvertrag über die Nutzung des Grundstücks. Als Beginn des Mietverhältnisses wurde der Tag des Besitzübergangs aus dem Grundstückskaufvertrag zwischen Veräußerin und Klägerin bestimmt. Das Mietverhältnis sollte am 31. Mai 2031 enden. Der Mietzins betrug jährlich 535.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Nach § 16 des Mietvertrags sollte die der Mieterin eingeräumte Dienstbarkeit nach Beendigung des Mietvertrags erlöschen. Davon ausgenommen war die Beendigung des Mietvertrags durch Kündigung nach § 111 der Insolvenzordnung (InsO) oder nach § 57a des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG).
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Mit Bescheid vom 24. Mai 2013 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Grunderwerbsteuer auf 731.711 € fest. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage rechnete das FA dem Kaufpreis von 7.088.750 € den Wert der Mieterdienstbarkeit in Höhe von 6.215.095 € als sonstige Leistung hinzu. Den Wert der Mieterdienstbarkeit errechnete das FA durch Ansatz des Jahreswertes in Höhe von 535.000 € und Multiplikation mit dem sich aus § 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) für zeitlich befristete, wiederkehrende Leistungen ergebenden Vervielfältiger.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) hat das FA zu Unrecht den Wert der Mieterdienstbarkeit in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 51 veröffentlicht.
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Mit seiner Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der Mieterdienstbarkeit um eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Diese sei Bestandteil der Gegenleistung. Die Einräumung der Dienstbarkeit sei Bedingung für den Erwerb des Grundstücks gewesen. Der Verkauf an die Klägerin habe es erforderlich gemacht, eine Mieterdienstbarkeit zur dinglichen Sicherung des Standorts und des Geschäftsbetriebs zu bestellen. Dass daneben eine entsprechende Verpflichtung im Mietvertrag vereinbart worden sei, habe wegen der Selbständigkeit der Verträge keine Bedeutung. Die Bewertung der eingeräumten Nutzungen habe sich nach den allgemeinen Regelungen des Bewertungsrechts zu richten. Der Dienstbarkeit sei ein eigenständiger Wert beizumessen.
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Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der Wert der Mieterdienstbarkeit nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist.
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1. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 2017 II R 38/14, BFHE 257, 368, BStBl II 2017, 1005, Rz 26, m.w.N.).
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2. Als sonstige Leistungen i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind alle Verpflichtungen des Käufers anzusehen, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (BFH-Urteil vom 10. Mai 2017 II R 16/14, BFHE 258, 92, BStBl II 2017, 964, Rz 11). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein. Dabei ist nicht ausschlaggebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben (BFH-Urteil in BFHE 258, 92, BStBl II 2017, 964, Rz 11, m.w.N.). Danach gehören alle Leistungen des Käufers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks gewährt (BFH-Urteil vom 18. Juni 2014 II R 12/13, BFHE 246, 211, BStBl II 2014, 857, Rz 9, m.w.N.).
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Leistungen des Käufers, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden demgegenüber aus der Gegenleistung i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus (BFH-Urteil in BFHE 258, 92, BStBl II 2017, 964, Rz 12).
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3. Verpflichtet sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, liegt darin keine Gegenleistung für das Grundstück i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
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a) Eine dem Veräußerer des Grundstücks gegenüber eingegangene Verpflichtung, einen Vertrag mit einem Dritten abzuschließen, kann grundsätzlich als sonstige Leistung einzustufen sein und damit zur Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören. Eine solche Gegenleistung liegt bei einer Verpflichtung des Grundstückskäufers zur Eingehung eines gegenseitigen Vertrags mit einem Dritten vor, wenn gewichtige Umstände eine Unausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen zwischen dem Grundstückskäufer und dem Dritten erkennen lassen und der Grundstückskäufer die höherwertige Leistung erbringt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1977 II R 159/72, BFHE 121, 543, BStBl II 1977, 486, betreffend Verpflichtung zum Eintritt in einen Bierlieferungsvertrag). Demgegenüber ist eine Verpflichtung des Grundstückskäufers zum Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten keine Gegenleistung, wenn sich die Verpflichtungen der Vertragspartner in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüberstehen; in diesem Fall findet kein auf den Erwerbsgegenstand bezogener Wertzufluss oder -abfluss statt (BFH-Urteil in BFHE 121, 543, BStBl II 1977, 486).
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b) Entsprechendes gilt, wenn sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag verpflichtet, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen. Der Grundstückskäufer, dem das Entgelt zusteht und zufließt, erbringt insoweit keine zusätzliche Leistung für den Erwerb des Grundstücks. Nur wenn das Entgelt für die Dienstbarkeit unangemessen niedrig ist, kann die Verpflichtung, die Dienstbarkeit zu bestellen, eine zusätzliche Gegenleistung darstellen. In einem solchen Fall wäre der Wert der Dienstbarkeit nicht nach dem vollen Entgelt, sondern nur nach der Differenz zwischen dem angemessenen und dem vereinbarten Entgelt zu bemessen.
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4. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass der Wert der Mieterdienstbarkeit nicht die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer erhöht.
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a) Im Streitfall sollte die dingliche Mieterdienstbarkeit lediglich den schuldrechtlichen Mietvertrag absichern, und zwar für den Fall der Kündigung durch den Erwerber nach Veräußerung im Insolvenzverfahren (§ 111 InsO) oder im Falle der Zwangsversteigerung nach § 57a ZVG. Eine weitergehende Bedeutung hatte die Mieterdienstbarkeit nicht. Sie war eng mit dem Bestand des Mietvertrags verbunden, denn nach § 16 des Mietvertrags sollte sie mit dessen Beendigung erlöschen, mit Ausnahme einer Beendigung nach § 57a ZVG oder § 111 InsO. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, sind die gesetzlichen Kündigungsrechte nach § 57a ZVG und § 111 InsO schuldrechtlich nicht abdingbar. Für § 111 InsO folgt dies aus § 119 InsO. § 57a ZVG ist eine gesetzliche Versteigerungsbedingung, von der nur nach Maßgabe des § 59 ZVG abgewichen werden kann (vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 21. Aufl. 2016, § 57a Anm. 2.2.).
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b) Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Nutzungsüberlassung und dem Entgelt für die Dienstbarkeit, das sich im Streitfall nach der jeweils vereinbarten Miete richtet, ein unangemessenes Verhältnis zu Lasten der Klägerin besteht, hat das FG nicht festgestellt. Daran ist der Senat gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Im Ergebnis hat die Klägerin mit der Bestellung der Dienstbarkeit keine sonstige Leistung an die Veräußerin für den Erwerb des Grundstücks erbracht.
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c) Ausgehend davon hat das FG die Beantwortung der Frage, ob der Verkauf an die Klägerin auch dann erfolgt wäre, wenn sie sich nicht zur Bestellung der Mieterdienstbarkeit verpflichtet hätte, zutreffend dahinstehen lassen. Dies ist für die Entscheidung unerheblich.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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