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BFH 03.08.2017 - V R 19/16
BFH 03.08.2017 - V R 19/16 - (Aufbau eines Strukturvertriebes nicht steuerfrei gem. § 4 Nr. 11 UStG)
Normen
§ 4 Nr 11 UStG 2005, Art 135 Abs 1 Buchst a EGRL 112/2006, § 118 Abs 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 3. März 2016, Az: 8 K 942/15, Urteil
vorgehend BFH, 27. Mai 2015, Az: V B 31/15, Beschluss
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 24. September 2014, Az: 8 K 157/14, Urteil
Leitsatz
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Keine steuerfreien Tätigkeiten als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler (§ 4 Nr. 11 UStG) sind die typischerweise mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebes einhergehende Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern, die Festsetzung und Auszahlung der Provisionen sowie das Halten der Kontakte zu den Versicherungsvertretern.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 3. März 2016 8 K 942/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Streitjahren (2009 und 2010) durch den Aufbau eines Strukturvertriebes an die I-AG steuerfreie Umsätze als Versicherungsmakler ausgeführt hat oder ob seine Umsätze steuerpflichtig sind.
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Die I-AG zahlte an den Kläger zwischen September 2009 und Juni 2010 insgesamt 221.400 €, davon 90.000 € im Streitjahr 2009 und 131.400 € im Streitjahr 2010. Er war von der I-AG als "Strukturoberer" in deren Strukturvertrieb eingeschaltet und verpflichtet, die Unterstrukturen aufzubauen. Zu diesem Zweck organisierte er Werbeveranstaltungen, trat als Referent auf und warb ca. 40 Makler an. Die Entgeltzahlungen wurden eingestellt, nachdem der Strukturaufbau seitens der I-AG beendet worden war.
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Am 27. September 2009 schlossen der Kläger und seine Ehefrau jeweils einen Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung mit dem ausländischen Versicherungsunternehmen UL. Der monatliche Beitrag belief sich auf je 3.000 €, die Gesamtbeitragssumme bei einer vereinbarten Laufzeit bis zum Rentenbeginn von 45 Jahren auf je 1.620.000 €. Am selben Tage schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit einem anderen ausländischen Versicherungsunternehmen, der CL, jeweils einen weiteren fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag mit monatlichen Beiträgen von je 2.000 € und Laufzeiten von 35 Jahren. Versicherte Person war hinsichtlich der vom Kläger abgeschlossenen Verträge eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 17-jährige Schülerin, hinsichtlich der von der Ehefrau des Klägers abgeschlossenen Verträge deren damals 29-jähriger Sohn aus erster Ehe. Als Vermittler aller Verträge trat ein Vertriebsdirektor der I-AG auf. Durch schriftliche Erklärungen vom 13. Januar 2010 traten der Kläger und seine Ehefrau alle Ansprüche aus den abgeschlossenen Versicherungen an die I-AG ab.
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Der Kläger leistete zwischen November 2009 und August 2010 insgesamt 100.000 € an Beiträgen auf die genannten Versicherungen, davon 20.000 € im Jahr 2009 und 80.000 € im Jahr 2010. In der Folgezeit stellte der Kläger die Beitragszahlung ein. Die Versicherungsverträge wurden storniert; die Versicherungsunternehmen belasteten die der I-AG bereits ausgezahlten Provisionen zurück. Die Rückkaufswerte wurden der I-AG ausgezahlt. Im Jahr 2011 verklagte die I-AG den Kläger auf Rückzahlung von Provisionen in Höhe von 137.936 €. Nachdem das Landgericht der Klage erstinstanzlich stattgegeben hatte, wies das Oberlandesgericht die Klage im Jahr 2013 ab. Es stellte fest, die Zahlungen der I-AG an den Kläger hätten dem Aufbau eines Strukturvertriebes dienen und die I-AG habe sie über die ihr zufließenden Abschlussprovisionen refinanzieren sollen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, dass der Kläger durch den Aufbau eines Strukturvertriebes umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die I-AG ausgeführt habe und unterwarf diese der Umsatzsteuer.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Mit Beschluss vom 27. Mai 2015 V B 31/15 (BFH/NV 2015, 1274) hat der erkennende Senat das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 24. September 2014 8 K 157/14 aufgehoben und die Sache an das Sächsische FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat das FG die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1375 veröffentlichten Urteil vom 3. März 2016 8 K 942/15 erneut abgewiesen.
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Der Kläger habe umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die I-AG ausgeführt. Bei den Zahlungen der I-AG habe es sich um keine Provisionszahlungen für die Vermittlung der Eigenverträge gehandelt. Diese seien lediglich Teil des Modells gewesen, mit dem die I-AG die Tätigkeit des Klägers finanziert habe. Die Tätigkeit des Klägers, nämlich der Aufbau von Unterstrukturen eines Strukturvertriebes durch Werbung von Versicherungsvertretern oder Versicherungsmaklern, sei keine nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Tätigkeit als Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler, weil es an dem hierfür erforderlichen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Geschäften gefehlt habe.
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Die Tätigkeit des Klägers werde auch nicht von der Befreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) umfasst.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Gerade das Eigenvermittlungsgeschäft sei für den Beginn der Struktur von wesentlicher Bedeutung gewesen. Die abgeschlossenen Verträge seien gerade Teil der vereinbarten Vermittlungsleistung und Eigenvermittlung, für die 10.000 € monatlich gezahlt worden seien, gewesen.
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Er, der Kläger, habe selbst Versicherungsverträge vermittelt. Ferner sei er mit dem Aufbau eines Strukturvertriebes betraut gewesen, d.h. er habe Untervermittler eingeschaltet, die ihrerseits selbst Vertragsbeziehungen zu den Versicherten unterhalten hätten. Sinn eines Strukturvertriebes sei der Abschluss von Eigenverträgen und der Aufbau einer Struktur. Beides dürfe nicht voneinander getrennt werden.
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Der Kläger beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2009 und 2010 auf jeweils 0 € herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Der Aufbau von Unterstrukturen eines Strukturvertriebes durch Werbung von Versicherungsvertretern oder Versicherungsmaklern sei keine Tätigkeit als Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler i.S. von § 4 Nr. 11 UStG. Die Leistung des Klägers habe darin bestanden, durch direkte und indirekte Anwerbung von Versicherungsvertretern für ein für die I-AG zufriedenstellendes Gesamtvolumen zu sorgen. Die Zahlungen auf der Grundlage eines Festgehaltes von der I-AG an den Kläger könnten nicht allein deshalb als Versicherungsprovisionen beurteilt werden, nur weil die Zahlungsmittel aus Versicherungsprovisionen stammten.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Leistungen des Klägers an die I-AG zum Aufbau eines Strukturvertriebes nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst werden, weil es an einem Bezug zu einzelnen Versicherungsgeschäften fehlt.
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1. Gemäß § 4 Nr. 11 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler befreit.
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§ 4 Nr. 11 UStG dient der Umsetzung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.
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a) Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hängt vom Inhalt der in Rede stehenden Tätigkeiten ab (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Aspiro vom 17. März 2016 C-40/15, EU:C:2016:172, Rz 36; J.C.M. Beheer vom 3. April 2008 C-124/07, EU:C:2008:196, Rz 17; Arthur Andersen vom 3. März 2005 C-472/03, EU:C:2005:135, Rz 32). Dabei müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
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aa) Erstens muss der Dienstleistungserbringer sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung stehen (EuGH-Urteile Aspiro, EU:C:2016:172, Rz 36; Taksatorringen vom 20. November 2003 C-8/01, EU:C:2003:621, Rz 44). Diese Verbindung kann auch nur mittelbarer Natur sein, wenn der Dienstleistungserbringer ein Unterauftragnehmer des Versicherungsmaklers oder -vertreters ist (EuGH-Urteile Aspiro, EU:C:2016:172, Rz 37; J.C.M. Beheer, EU:C:2008:196, Rz 29; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2014 V R 9/13, BFH/NV 2014, 1783, Rz 14).
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bb) Zweitens muss seine Tätigkeit wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, umfassen (EuGH-Urteile Aspiro, EU:C:2016:172, Rz 37; Arthur Andersen, EU:C:2005:135, Rz 33 und 36; J.C.M. Beheer, EU:C:2008:196, Rz 18; Taksatorringen, EU:C:2003:621, Rz 45). Bei einem Unterauftragnehmer ist entscheidend, dass er am Abschluss von Versicherungsverträgen beteiligt ist (EuGH-Urteile Aspiro, EU:C:2016:172, Rz 39; J.C.M. Beheer, EU:C:2008:196, Rz 9 und 18).
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Die typischerweise mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebes einhergehende Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern, die Festsetzung und Auszahlung der Provisionen sowie das Halten der Kontakte zu den Versicherungsvertretern gehört nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters. Derartige Leistungen sind nur steuerfrei, wenn der Unternehmer durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 V R 44/07, BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, Rz 23). Eine Steuerfreiheit für Leistungen, die keinen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, im Rahmen der Administration einer Vertriebsorganisation einen anderen Unternehmer, der Vermittlungsleistungen erbringt, zu unterstützen, besteht nicht (BFH-Urteil in BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, Rz 18).
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b) Nach diesen Grundsätzen sind die vom Kläger an die I-AG ausgeführten Leistungen nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst.
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aa) Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hatte der Kläger lediglich die Aufgabe, durch direkte und indirekte Anwerbung von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern für ein für die I-AG zufriedenstellendes Gesamtvolumen an Versicherungen zu sorgen. Zu den einzelnen vermittelten Versicherungsverträgen hatte die Tätigkeit des Klägers keinen spezifischen und wesentlichen Bezug. Damit fehlte es an der erforderlichen Einwirkungsmöglichkeit des Klägers auf die einzelnen Versicherungsverträge.
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bb) Hieran ändern auch die vier vom Kläger und seiner Ehefrau abgeschlossenen Versicherungsverträge nichts. Nach den Feststellungen des FG hat die I-AG durch die auf diesen Verträgen beruhenden Provisionen das von ihr an den Kläger gezahlte Entgelt refinanziert, wobei der Kläger das Entgelt nicht für den Abschluss der Eigenverträge, sondern für den Aufbau des Strukturvertriebes erhalten hat. Der Aufbau des Strukturvertriebes aber wird aus den unter II.1.b aa) dargelegten Gründen nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst.
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Im Übrigen fehlt es bei den beiden vom Kläger selbst abgeschlossenen Verträgen bereits an einer Vermittlung, weil der Kläger selbst Vertragspartei geworden ist. Bei richtlinienkonformer Auslegung befreit § 4 Nr. 11 UStG aber nur Umsätze aus einer "Versicherungsvermittlungstätigkeit" (BFH-Urteile in BFH/NV 2014, 1783, Rz 14; in BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, Rz 22).
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cc) Auf die Frage, ob es sich bei den Zahlungen der I-AG an den Kläger ganz oder zum Teil um Provisionszahlungen oder um Fixvergütungen gehandelt hat, kommt es nicht an, denn die Steuerfreiheit der Vermittlung kann sich nicht aus einer von Vermittlungserfolgen abhängigen Vergütungsregelung ergeben, wenn die Voraussetzungen einer Vermittlungstätigkeit im Übrigen nicht erfüllt sind (BFH-Urteile vom 14. April 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II 2014, 734, Rz 36; in BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, Rz 25).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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