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BFH 03.08.2016 - IX R 23/15
BFH 03.08.2016 - IX R 23/15 - Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen - Veräußerung zum Preis von 0 € zwischen einander nahe stehenden Personen - Feststellung der Wertlosigkeit eines Anteils durch das FG
Normen
§ 17 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 118 Abs 2 FGO, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 19. März 2015, Az: 8 K 1885/13 E,F, Urteil
nachgehend FG Düsseldorf, 29. Oktober 2020, Az: 8 K 3627/16 E,F, Urteil
Leitsatz
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NV: Haben die Parteien eines Anteilsübertragungsvertrags eine Veräußerung vereinbart und die Gegenleistung im Vertrag mit 0 € festgelegt, so ergibt sich daraus, dass sie aus ihrer Sicht, d.h. subjektiv, übereinstimmend dem übertragenen Geschäftsanteil keinen Wert beigemessen haben. Liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beteiligten diese Vereinbarung nur zum Schein geschlossen haben, besteht für die davon abweichende Annahme einer subjektiven Bewertung mit einem höheren Wert als 0 € ungeachtet der persönlichen Motive für die Übertragung und die Übernahme des Übertragungsgegenstands durch den Erwerber kein Raum .
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 19. März 2015 8 K 1885/13 E,F aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zwei GmbH-Geschäftsanteile zum Preis von 0 € (mit Verlust) veräußert hat.
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Der Kläger war mit einem Geschäftsanteil von 25.000 € Alleingesellschafter der A-GmbH. Durch notariellen Vertrag vom 22. Dezember 2010 übertrug er seinen Geschäftsanteil zum vereinbarten Kaufpreis von 0 € auf die B-GmbH. Aus diesem Vorgang ermittelte der Kläger einen Veräußerungsverlust in Höhe des verlorenen Stammkapitals von 25.000 €.
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An der B-GmbH waren ursprünglich der Kläger, drei Geschwister des Klägers und die Mutter mit Einlagen von jeweils 5.000 € beteiligt. Die Mutter hatte auf ihren Geschäftsanteil weitere Einzahlungen in die Kapitalrücklage in Höhe von insgesamt 2.920.000 € erbracht. Im Gesellschaftsvertrag der B-GmbH ist insoweit vereinbart, dass der Gesellschafter, der den Zuschuss geleistet hat, von der Gesellschaft die Rückzahlung verlangen kann, wenn und soweit sie die entsprechende Rücklage nicht mehr benötigt. Dasselbe gilt für den Rechtsnachfolger.
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Nach dem Tod der Mutter im April 2010 übertrugen die Miterben deren Geschäftsanteil in Erfüllung eines Vorausvermächtnisses auf den Kläger. Dieser war danach mit zwei Geschäftsanteilen von jeweils 5.000 € zu insgesamt 40 % an der Gesellschaft beteiligt. Aus dem ehemaligen Geschäftsanteil der Mutter bildeten die Gesellschafter sodann drei Teilgeschäftsanteile. Diese übertrug der Kläger durch notariellen Vertrag vom 22. Dezember 2010 zum Preis von jeweils 0 € auf seine an der B-GmbH beteiligten Geschwister. Aus diesem Vorgang ermittelte der Kläger einen Veräußerungsverlust von 2.925.000 € (Verlust des Stammkapitals von 5.000 €; Verlust des Anspruchs auf Rückgewähr der Einlagen von 2.920.000 €).
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Gesellschaftszweck beider Gesellschaften ist die Verwaltung eigenen Vermögens. Die A-GmbH und die B-GmbH sind die beiden einzigen Gesellschafter der C-GbR und der D-GbR. An beiden Gesellschaften ist die A-GmbH zu jeweils 25 % und die B-GmbH zu jeweils 75 % beteiligt.
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Das Vermögen der C-GbR und der D-GbR besteht aus Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds. Die Fonds vermitteln die Beteiligung an mit öffentlichen Mitteln geförderten und langfristig vermieteten Mehrfamilienhäusern. Damit war unter bestimmten Umständen eine begrenzte Nachschusspflicht für die Fondsgesellschafter (die C-GbR und die D-GbR) verbunden. Die Fonds erwirtschafteten auf absehbare Zeit keine laufenden Gewinne. Nach Angaben des Klägers kann aber bei späterer Veräußerung von Immobilien aus dem Fondsvermögen ein ausschüttungsfähiger Veräußerungsgewinn entstehen. Entnahmefähige laufende Gewinne können theoretisch entstehen, wenn die Mieten erheblich steigen und sich die Darlehenslasten der Fonds entsprechend verringern.
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Der Kläger meint, die GmbH-Geschäftsanteile seien im Zeitpunkt ihrer Übertragung objektiv wertlos gewesen. Das in Rücklagen gebundene Eigenkapital (der B-GmbH) habe wegen der drohenden Nachschusspflicht nicht zur Verfügung gestanden. Für die mittelbar von den GmbH's gehaltenen Fondsanteile hätte ein potentieller Erwerber einen Kaufpreis nicht entrichtet. Demgemäß sei der Anteil der Mutter an der B-GmbH für Zwecke der Erbschaftsteuer zutreffend mit 0 € bewertet worden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung der erklärten Veräußerungsverluste ab. Der Kläger habe die Anteile nicht veräußert, sondern verschenkt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
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Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer 2010 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe zu ändern, dass bei den Einkünften aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ein Veräußerungsverlust von in Summe 2.950.000 € berücksichtigt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht --FG-- (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Beteiligten der Übertragungsverträge seien subjektiv von der Werthaltigkeit der Geschäftsanteile ausgegangen.
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1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.
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a) Veräußerung ist die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt (ständige Rechtsprechung; vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. August 1996 VIII R 4/92, BFH/NV 1997, 215, und Senatsurteil vom 7. Juli 2011 IX R 2/10, BFHE 234, 199, BStBl II 2012, 20). Der Erwerber muss grundsätzlich eine Gegenleistung erbringen. Eine Veräußerung kann allerdings auch vorliegen, wenn ein Entgelt nicht oder lediglich in symbolischer Höhe von z.B. 1 € vereinbart und geleistet wird. Das ist der Fall, wenn der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos ist (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 5. März 1991 VIII R 163/86, BFHE 164, 50, BStBl II 1991, 630; vom 18. August 1992 VIII R 13/90, BFHE 169, 90, BStBl II 1993, 34; vom 18. August 1992 VIII R 90/89, BFH/NV 1993, 158; vom 6. April 2011 IX R 61/10, BFHE 233, 446, BStBl II 2012, 8).
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b) Ob in einem solchen Fall eine Veräußerung (ohne Entgelt) oder eine Schenkung (ohne Bereicherung) vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtbild der objektiven Umstände sowie dem Willen und den Vorstellungen der Parteien (BFH-Urteil in BFHE 164, 50, BStBl II 1991, 630; BFH-Beschluss vom 4. August 2008 IX B 85/08, juris). Bei der Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Entgelt zwischen fremden Dritten ist in der Regel eine Veräußerung anzunehmen (BFH-Urteile in BFHE 169, 90, BStBl II 1993, 34; in BFH/NV 1997, 215). Diese Vermutung hat jedoch keine Grundlage für Verträge zwischen einander nahe stehenden Personen, denn bei ihnen kann nicht unterstellt werden, dass sie Leistung und Gegenleistung im Regelfall nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelt haben.
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c) Haben einander nahe stehende Personen für die Übertragung eines Anteils keinen oder lediglich einen symbolischen Kaufpreis vereinbart, kann eine Veräußerung (ohne Gegenleistung) nur angenommen werden, wenn feststeht, dass der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos ist. Dies erfordert im Regelfall eine Bewertung des Anteils.
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d) Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Feststellung der Wertlosigkeit eines Anteils eine Schlussfolgerung aus Tatsachen, die allein dem FG als Tatsacheninstanz obliegt (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 215). In diesem Zusammenhang hat der BFH bislang keine rechtlichen Vorgaben dazu gemacht, welche Tatsachen das FG gegebenenfalls feststellen muss, welche Schlüsse es daraus ziehen darf (BFH-Beschluss vom 30. November 1994 VIII B 28/94, BFH/NV 1995, 386) und nach welcher Methode der Wert eines Anteils zu bestimmen ist. Entscheidend kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (BFH-Urteile in BFH/NV 1997, 215; vom 8. April 2014 IX R 4/13, BFH/NV 2014, 1201).
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2. Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
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a) Das FG hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die übertragenen Anteile seien jedenfalls subjektiv --in den Augen der Vertragsparteien-- nicht wertlos gewesen. Auf ihren objektiven Wert komme es deshalb nicht an. Der Kläger habe selbst dargelegt, dass in Zukunft aus der Veräußerung von Fondsimmobilien entnahmefähige Gewinne zu erwarten seien. Zwar habe diese noch ungesicherte Erwartung möglicherweise keine Grundlage für die Vereinbarung eines über 0 € hinausgehenden Kaufpreises dargestellt. Allein aus dem Umstand, dass die Erwerber die Anteile übernommen hätten, lasse sich jedoch ersehen, dass sie sie nicht für wertlos gehalten hätten. Der Kläger habe außerdem nach eigenem Bekunden mit der Übertragung des Geschäftsanteils auf seine Geschwister eine in dem vorangegangenen Vermächtnis liegende Bevorzugung seiner Person rückgängig machen wollen. Darin komme zum Ausdruck, dass auch der Kläger dem Anteil einen Wert (Vorzug) beigemessen habe. Derart subjektive Wertvorstellungen entzögen sich einer konkreten Bezifferung. Sie ließen sich auch nicht auf einen bestimmten Stichtag beziehen. Einer konkreten Bewertung bedürfe es aber auch nicht. Ob die übertragenen Geschäftsanteile, wie vom Kläger dargelegt und vom FA nicht bestritten, objektiv wertlos gewesen seien, könne nach allem dahinstehen.
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b) Diese Würdigung des FG ist nicht möglich. Sie widerspricht dem eindeutigen Inhalt der notariellen Übertragungsverträge, in denen für die Übertragung der Geschäftsanteile jeweils eine Gegenleistung von 0 € vereinbart worden ist. Darin kommt in nicht weiter auslegungsfähiger Weise zum Ausdruck, dass die Parteien der Übertragungsverträge dem Übertragungsgegenstand aus ihrer Sicht (subjektiv) übereinstimmend keinen Wert beigemessen haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten diese Vereinbarung nur zum Schein geschlossen haben, hat das FG nicht festgestellt. Jenseits dessen besteht aber für die davon abweichende Annahme einer subjektiven Bewertung mit einem höheren Wert als 0 € ungeachtet der persönlichen Motive für die Übertragung und die Übernahme des Übertragungsgegenstands durch den Erwerber kein Raum.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG kann der Senat nicht selbst entscheiden, ob die GmbH-Geschäftsanteile im Zeitpunkt ihrer Übertragung objektiv wertlos waren. Dies wird das FG unter Bewertung der von den GmbH's mittelbar gehaltenen Fondsbeteiligungen nachzuholen haben. Das FG wird dabei auch erwägen, ob es --von Amts wegen oder auf entsprechenden Antrag hin-- gehalten ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 16. Dezember 2015 IV R 18/12, BFHE 252, 408, BStBl II 2016, 346, und vom 18. Juni 2015 IV R 6/11, BFH/NV 2015, 1381).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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