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BFH 10.06.2014 - IX B 157/13
BFH 10.06.2014 - IX B 157/13 - Bindung an das Klagebegehren - Überschreitung des Klagebegehrens bei Entscheidung über weiteren Bescheid - Keine notwendige Beiladung der übrigen Erwerber von Eigentumswohnungen - Aufteilung eines Gesamtkaufpreises
Normen
§ 60 Abs 3 FGO, § 92 Abs 3 FGO, § 94 FGO, § 96 Abs 1 S 2 FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 41 AO, § 42 AO, § 180 Abs 2 AO, AO1977§180Abs2V, § 1 Abs 1 S 1 FöGbG, § 3 S 2 Nr 3 FöGbG, § 7 Abs 4 EStG 1997, § 164 ZPO, § 7 Abs 4 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 22. Oktober 2013, Az: 8 K 8048/10, Urteil
Leitsatz
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NV: Das FG verletzt § 96 Abs 1 Satz 2 FGO, wenn es über einen Bescheid entscheidet, der nicht vom Klagebegehren umfasst ist.
Gründe
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1. Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) ein Hinausgehen der Vorentscheidung des Finanzgerichts (FG) über das Klagebegehren der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) zu 4. geltend macht, ist insoweit begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit es die Kläger zu 3. und 4. betrifft.
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a) Das FG hat durch sein Urteil, mit dem es die Bescheide gegenüber dem Kläger zu 3. und die Bescheide gegenüber der Klägerin zu 4. über die gesonderte und einheitliche Feststellung 1998 bis 2003 vom 27. August 2007, teilweise in Gestalt der geänderten Bescheide vom 28. September 2007 und 12. Oktober 2007 und die Einspruchsentscheidungen vom 20. Januar 2010 aufgehoben hat und damit hinsichtlich des Bescheids vom 28. September 2007 für die Wohneinheit A über das Klagebegehren der Klägerin zu 4. hinausgegangen ist, die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verletzt. Danach darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Dies stellt einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juni 1988 X R 27/87, BFH/NV 1989, 233; vom 18. Juni 1993 VI R 67/90, BFHE 171, 515, BStBl II 1994, 182; vom 8. August 2013 III R 3/13, BFHE 243, 198). Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
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Ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 4. lediglich beantragt, die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 1998 bis 2003 vom 27. August 2007, betreffend Wohneinheit B in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2007 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2010 aufzuheben. Der Kläger zu 3. hat laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung beantragt, die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 1998 bis 2003 vom 27. August 2007, betreffend Wohneinheit C in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2007 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2010 aufzuheben. Einwände gegen die Richtigkeit des Protokolls wurden nicht erhoben (§ 94 FGO i.V.m. § 164 der Zivilprozessordnung). Maßgebend sind damit diese Anträge (vgl. § 92 Abs. 3 FGO), die auch der BFH als Revisionsgericht auslegen kann (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1987 VII R 14/84, BFH/NV 1988, 241). Die Klageanträge sind aber nicht dahin zu verstehen, dass die Kläger zu 3. oder zu 4. die Aufhebung der "Bescheide vom 28. September 2007" begehren.
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b) Da aus der Vorentscheidung nicht ersichtlich ist, ob sich die Aufhebung der "Bescheide vom 28. September 2007" auf den Kläger zu 3. oder die Klägerin zu 4. bezieht, ist das Urteil insoweit verfahrensfehlerhaft, als es die Kläger zu 3. und zu 4. betrifft. Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO die Vorentscheidung wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, soweit das FG-Urteil die Kläger zu 3. und zu 4. betrifft.
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2. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die vom FA geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
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a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, insbesondere im Fall einer Divergenz, eine Entscheidung des BFH erfordert. Eine Divergenz kann nur vorliegen, wenn das FG bei einem gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt in ein und derselben entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts abweichende Rechtsauffassung vertritt (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768). Hieran fehlt es im Streitfall.
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Besteht das erworbene Vermögen (hier Erwerb von Wohnungen) aus unterschiedlichen Wirtschaftsgütern (Grund und Boden sowie Gebäude), so ist ein dafür gezahlter Gesamtkaufpreis auf die unterschiedlichen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Dabei ist eine von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Januar 2006 IX R 34/05, BFH/NV 2006, 1634; vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten --worauf die Kläger und Beschwerdegegner zu Recht hinweisen-- auch für Fälle der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach dem Fördergebietsgesetz --FöGbG-- (hier: § 3 Satz 2 Nr. 3 FöGbG). Allerdings sind für Zwecke der Vergünstigung die Aufwendungen für Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten "wie ein selbständiges unbewegliches Wirtschaftsgut" zu behandeln (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Januar 2007 IX B 84/06, BFH/NV 2007, 1104, m.w.N.).
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Von diesen Grundsätzen ist auch das FG ausgegangen und hat für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage die von den Vertragsparteien in den Kaufverträgen vorgenommene Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter (Grundstück, Altbausubstanz und Modernisierung) zugrunde gelegt. Nach Ansicht des FG bestanden keine nennenswerten Bedenken gegen die vorgenommene Kaufpreisaufteilung. Die Wohneinheiten wurden deutlich über dem Preis weiterveräußert, den der Bauträger zuvor als Kaufpreis für das noch ungeteilte Mietwohnhausgrundstück entrichtet hatte. Das FG hat auch keine Anhaltspunkte erkennen können, dass gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen der Verkäuferin und den Käufern bestehen. Weicht somit die Vorentscheidung nicht von den höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen ab, kommt es auf eine (mögliche) Abweichung von einem anderen FG-Urteil nicht an.
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b) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1104, m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall.
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Die Grundsätze der Aufteilung eines einheitlichen Kaufpreises auf Grund und Boden sowie Gebäude sind auch für den Bereich des Fördergebietsgesetzes höchstrichterlich geklärt (s. dazu BFH-Beschluss vom 17. März 2008 IX B 172/07, BFH/NV 2008, 1147, und die unter 2.a zitierte Rechtsprechung des BFH). Die vom FA in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob "erkennbare Zweifel" gegen die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf verschiedene Wirtschaftsgüter bestehen können, wenn die Voraussetzungen der §§ 41, 42 der Abgabenordnung (AO) nicht vorliegen, bedarf ebenfalls keiner Klärung. Es handelt sich hierbei um eine den jeweiligen Einzelfall betreffende Würdigung des FG als Tatsacheninstanz (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. September 2002 IX B 35/02, BFH/NV 2003, 40, unter 2. a.E.; vom 26. August 2008 IX B 63/08, juris).
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Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) bestanden im Streitfall keine nennenswerten Zweifel an der in den Kaufverträgen vorgenommenen Aufteilung des Gesamtkaufpreises.
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c) Der vom FA behauptete Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) --es fehle an einer notwendigen Beiladung-- liegt nicht vor.
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Die Rüge, das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die übrigen am Feststellungsverfahren gemäß § 180 Abs. 2 AO i.V.m. der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO beteiligten Erwerber zum Verfahren gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen, ist jedenfalls unbegründet. Denn eine notwendige Beiladung der übrigen Erwerber von Wohneinheiten in dem Mehrparteienhaus konnte unterbleiben, weil die Feststellungen keine gemeinschaftlichen Besteuerungsgrundlagen betreffen (vgl. Frotscher in Schwarz, AO, § 180 Rz 176a).
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Die im Wege der Einzelbekanntgabe mitgeteilten und festgestellten Besteuerungsgrundlagen für die einzelnen Objekte (hier die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz und die lineare Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes) richten sich in der Sache nur an die Eigentümer der jeweiligen Wohnung. Nur sie können nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FöGbG die Steuervergünstigung beanspruchen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 IX R 56/08, BFHE 226, 193, BStBl II 2010, 202). Eine notwendige Beiladung der nicht klagenden übrigen Erwerber von Wohneinheiten war daher nicht geboten, weil sie von dem Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich betroffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120). Der Sachverhalt im Beschwerdefall ist damit --entgegen der Auffassung des FA-- nicht vergleichbar mit den dem Urteil des BFH vom 27. Juni 1995 IX R 123/92 (BFHE 178, 108, BStBl II 1995, 763) und dem Beschluss des BFH vom 18. Mai 1998 V B 91/97 (BFH/NV 1999, 48) zugrunde liegenden Konstellationen.
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d) Soweit sich die Ausführungen des FA in seiner Beschwerdebegründung gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, wird damit keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargetan, sondern nur, dass das FG nach Auffassung des FA falsch entschieden habe. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 XI B 172/07, BFH/NV 2009, 617; vom 1. April 2011 XI B 75/10, BFH/NV 2011, 1372, m.w.N.).
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3. Von einer weiteren Begründung des Beschlusses sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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4. Soweit die Beschwerde begründet ist, wird dem FG die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 143 Abs. 2 FGO übertragen. Im Übrigen hat das FA die Kosten gemäß § 135 Abs. 2 FGO zu tragen.
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