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BFH 01.04.2014 - XI B 145/13
BFH 01.04.2014 - XI B 145/13 - Notwendige Beiladung des angeblich erstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers bei Klage des Kindergeldberechtigten gegen Abrechnungsbescheid der Familienkasse
Normen
§ 60 Abs 3 FGO, § 74 Abs 2 EStG 2002, § 103 SGB 10, § 104 SGB 10, § 107 SGB 10, § 112 SGB 10, § 113 SGB 10, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 19. September 2013, Az: 11 K 1704/08, Beschluss
Leitsatz
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NV: Hat die Familienkasse das Kindergeld aufgrund eines geltend gemachten Erstattungsanspruchs an einen Sozialleistungsträger ausgezahlt und dem Kindergeldberechtigten durch Abrechnungsbescheid mitgeteilt, dass der Kindergeldanspruch als erfüllt gelte, ist der Sozialleistungsträger zu einer Klage des Kindergeldberechtigten gegen den Abrechnungsbescheid grundsätzlich auch dann notwendig beizuladen, wenn er geltend macht, ein eventueller Rückforderungsanspruch sei verjährt oder verwirkt .
Tatbestand
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I. Die Familienkasse F setzte gegenüber dem Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) durch Bescheid vom 12. November 2007 Kindergeld für das Kind K fest und sprach gleichzeitig aus, dass der Anspruch des Klägers nach § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 107 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) als erfüllt gelte. Das Kindergeld in Höhe von 7.700 € zahlte die Familienkasse F an die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) aus, die einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 103, 104 SGB X geltend gemacht hatte.
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Den Einspruch des Klägers vom 22. November 2007 wies die Familienkasse F durch Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die am 9. Juni 2008 erhobene Klage, über die noch nicht entschieden ist. Bereits in der Klageerwiderung vom 12. Dezember 2008 beantragte die Familienkasse F, die Beigeladene zum Verfahren beizuladen. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Mit Schreiben vom 17. Mai 2013 teilte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit, dass aufgrund der Neuorganisation der Familienkassen zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel erfolgt sei.
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Durch Beschluss vom 19. September 2013 lud das Finanzgericht (FG) die Beigeladene zum Verfahren bei. Zur Begründung führte das FG aus, es liege ein Fall notwendiger Beiladung vor, weil im Fall der Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG die Entscheidung über den Abrechnungsbescheid gegenüber dem Kindergeldberechtigten und dem Erstattungsberechtigten nur einheitlich ergehen könne.
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Mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 beantragte die Beigeladene, den Beiladungsbeschluss aufzuheben. Ein eventueller Rückzahlungsanspruch sei gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X verjährt und außerdem auch verwirkt. Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 ein Schreiben der Familienkasse F vom 15. Oktober 2008 beantwortet, worauf sich die Familienkasse F nicht mehr gemeldet habe.
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Das FG hat am 4. November 2013 beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
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Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Berufung der Beigeladenen auf Verjährung oder Verwirkung sei rechtsmissbräuchlich.
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Die Familienkasse beantragt ebenfalls, die Beschwerde zurückzuweisen. Der Beigeladenen sei seit 2008 bekannt, dass ein Rechtstreit anhängig sei.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Die Zuständigkeit des beschließenden Senats ergibt sich aus Teil A XI. Senat Nr. 2 des Geschäftsverteilungsplans (GVPL) des Bundesfinanzhofs (BFH); danach ist der XI. Senat u.a. zuständig für Kindergeld, einschließlich die Rückforderung, Erhebung von Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) mit den Anfangsbuchstaben H bis K, mit Ausnahme der --vorliegend nicht einschlägigen-- Nr. 4 Buchst. d Doppelbuchst. bb beim III. Senat. Die Zuständigkeit des VII. Senats des BFH ist nicht gegeben; denn Rechtsfragen der Erhebung von Kindergeld werden durch Teil A VII. Senat Nr. 5 Buchst. c GVPL von dessen allgemeiner Zuständigkeit für Abrechnungsbescheide ausdrücklich ausgenommen. Die Zuständigkeit des XI. Senats erstreckt sich gemäß Teil A Ergänzende Regelungen unter III. GVPL auch auf Nebenverfahren und Fragen der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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2. Die Beschwerde der Beigeladenen ist zwar zulässig (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Januar 1987 II B 108/86, BFHE 148, 444, BStBl II 1987, 267; vom 2. September 1993 IX B 34/93, BFH/NV 1994, 114), aber unbegründet. Das FG hat zu Recht die Beigeladene zum Verfahren notwendig beigeladen.
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a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO hat eine Beiladung zu erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. April 2013 VI R 15/12, BFH/NV 2013, 1242, m.w.N.; Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 60 FGO Rz 43 ff.; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 23 ff.; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 19 ff.).
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b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des BFH der betroffene Sozialleistungsträger zum Klageverfahren eines Kindergeldberechtigten gegen einen Abrechnungsbescheid notwendig beizuladen ist, wenn die Familienkasse das Kindergeld aufgrund eines geltend gemachten Erstattungsanspruchs an den Sozialleistungsträger ausgezahlt und dem Kindergeldberechtigten durch Abrechnungsbescheid mitgeteilt hat, sein Anspruch auf Kindergeld gelte als erfüllt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 2007 III R 33/05, BFH/NV 2007, 720; vom 14. April 2008 III R 87/06, juris; in BFH/NV 2013, 1242; s.a. Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 74 EStG Rz 16; Blümich/Treiber, § 74 EStG Rz 52).
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Der Anspruch des Klägers gilt nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 SGB X als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen besteht. Kommt das FG hingegen zu dem Ergebnis, dass kein Erstattungsanspruch besteht, hat die Beigeladene die von der Familienkasse gezahlten Beträge gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 112 SGB X grundsätzlich zurückzuerstatten. Diese Ansprüche hängen nach der bezeichneten Rechtsprechung des BFH so eng miteinander zusammen, dass eine Entscheidung gegenüber dem Kindergeldberechtigten und dem Erstattungsberechtigten nur einheitlich ergehen kann.
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c) Soweit sich die Beigeladene gegenüber dem Kläger und der Familienkasse auf eine angebliche Verjährung und Verwirkung beruft, ist dies für die Frage der Beiladung schon deshalb irrelevant, weil --von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu z.B. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 13, 93; Leipold in HHSp, § 60 FGO Rz 45 f.; Gräber/Levedag, a.a.O., § 60 Rz 12, 32 f.)-- die Erfolgsaussichten der Klage bei der Entscheidung über die Beiladung außer Betracht zu bleiben haben; maßgeblich ist nicht, wie, sondern ob das Gericht über eine einheitlich zu entscheidende Frage zu befinden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195; vom 8. Dezember 2006 VII B 243/05, BFHE 216, 18, BStBl II 2008, 436; BFH-Urteile vom 24. Juni 1971 IV R 219/68, BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714; vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692; s.a. zur möglicherweise eingetretenen Verjährung bei Beiladung nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1996 VIII B 20/95, BFH/NV 1996, 524; vom 22. Oktober 2001 XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308; vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, BFH/NV 2011, 404). Dies ist hier, wie dargelegt, gemäß der Rechtsprechung des BFH der Fall.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung ist lediglich dann abzusehen, wenn über einen Beiladungsbeschluss im Beschwerdeverfahren im Sinne des Beschwerdeführers entschieden wird. Für ein erfolgloses Beschwerdeverfahren ist jedoch eine Kostenentscheidung zu treffen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. September 2004 VI B 57/03, BFH/NV 2005, 71; vom 26. Juni 2012 IV B 108/11, BFH/NV 2012, 1620, m.w.N.).
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