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BFH 09.01.2014 - X R 14/13
BFH 09.01.2014 - X R 14/13 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichterfassung einer Frist im elektronischen Fristenkalender
Normen
§ 56 Abs 1 FGO, § 155 FGO, § 85 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 19. Februar 2013, Az: 3 K 111/12, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine ordnungsgemäße Büroorganisation setzt bei Führung eines elektronischen Fristenkalenders voraus, dass die Eingaben auf mögliche Fehler oder Versäumnisse hin kontrolliert werden. Hierzu bedarf es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entweder der Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über einen Drucker oder der Ausgabe eine Fehlerprotokolls.
Tatbestand
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I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Einkommensteuer 2008 mit Urteil vom 19. Februar 2013 ab und ließ dabei die Revision zu. Die Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 6. März 2013 zugestellt. Am 15. April 2013 legten die Prozessbevollmächtigten im Namen der Kläger Revision ein und beantragten wegen der versäumten Revisionsfrist zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags machen sie geltend, nach Zustellung des Urteils habe der bearbeitende Steuerberater X das Fristende auf den 8. April 2013 ermittelt und das Urteil zur Fristerfassung einschließlich der automatisierten Berechnung des Fristendes und zum Einscannen in das Dokumentenmanagementsystem sowie zur Weiterleitung an die Mandanten in das Sekretariat zur Bearbeitung gegeben. Am 11. März 2013 sei ihm das Dokument zur Unterschrift des Anschreibens vorgelegt worden. Es sei mit den büroüblichen Markierungen (Eingangsstempel zur Fristerfassung und Notiz "Kopie Mandant") versehen gewesen. Das Urteil selbst sei entsprechend den bürointernen Vorgaben zu diesem Zeitpunkt eingescannt gewesen.
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Die Büroorganisation der Kanzlei sei ausschließlich EDV-gestützt. Verwendet werde das DATEV-Programm "Post, Fristen und Bescheide". In diesem Programm hätte das FG-Urteil erfasst werden müssen. Das Programm hätte dann automatisiert das Fristende mit dem 8. April 2013 sowie eine intern eingerichtete Vorfrist von fünf Tagen (3. April 2013) berechnet und spätestens am nächsten Arbeitstag angezeigt. Es bestehe die deutliche Arbeitsvorgabe, dass jedes Dokument mit einer Rechtsbehelfsbelehrung im System zu erfassen sei. Fristversäumnisse seien bislang nicht bekannt.
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Steuerberaterin Y, die X während seines Urlaubs in der 13. und 14. Kalenderwoche vertreten habe, sei durch das System keine Vorfrist in der Sache angezeigt worden. An seinem ersten Arbeitstag, dem Tag des Fristendes, seien X ebenfalls weder Vorfrist noch Fristende angezeigt worden. Als dieser sich den Vorgang am 10. April 2010 habe vorlegen lassen, habe er den Fristablauf feststellen müssen.
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Obwohl das Dokument "alle internen Prüfmerkmale" aufgewiesen habe, sei offenbar keine Erfassung im Programm "Post, Fristen und Bescheide" erfolgt. Eine Fristüberwachung durch X bzw. Y sei mangels Erfassung unterblieben. Auf Befragung der zuständigen --und ansonsten zuverlässigen-- Mitarbeiterin Z habe diese die Nichterfassung nicht erklären können. Es könne sich insoweit nur um eine einmalige Fehlleistung durch Vergessen, Übersehen oder nicht erfolgte Abspeicherung gehandelt haben.
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Die Kläger beantragen sinngemäß, ihnen Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist zu gewähren, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben und die Einkommensteuer 2008 unter Berücksichtigung von außerordentlichen Einkünften in Höhe von … € i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes festzusetzen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unzulässig und gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
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1. Die Kläger haben unstreitig die Revisionsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO versäumt.
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2. Wegen der Versäumung der Revisionsfrist kann den Klägern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da sie auf einem Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten beruht.
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a) Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Beteiligte ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. November 2010 IV B 39/10, BFH/NV 2011, 613, m.w.N.). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen.
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b) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (u.a. BFH-Beschluss vom 27. Juli 2011 IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909, m.w.N.). Wird --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440).
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c) Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1909). Dementsprechend ist nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Organisationsverschulden anzunehmen, wenn ein Prozessbevollmächtigter einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet und die dort vorgenommenen Eintragungen nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117; vom 6. August 2001 II R 77/99, BFH/NV 2002, 44; Beschlüsse des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. April 2012 VI ZB 55/11, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2012, 1085; vom 2. Februar 2010 XI ZB 23-24/08, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2010, 1363; vom 12. Dezember 2005 II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500; vom 12. Oktober 1998 II ZB 11/98, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1999, 670; vom 20. Februar 1997 IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 23. März 1995 VII ZB 3/95, HFR 1995, 674). Die Kontrolle ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand zu erkennen und zu beseitigen (z.B. BGH-Beschluss in NJW-RR 2012, 1085).
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d) Danach haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Revisionsfrist nicht ohne Verschulden versäumt. Nach ihrem Vorbringen handelte es sich um eine erstmalige Fehlleistung der ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin Z durch Vergessen, Übersehen oder nicht erfolgter Abspeicherung des Dokuments. Die von der Rechtsprechung geforderte Kontrolle der Eingaben in das EDV-Programm war dem dargelegten organisatorischen Ablauf zufolge nicht vorgesehen und ist offenbar auch tatsächlich nicht durchgeführt worden. Denn andernfalls hätte auffallen müssen, dass die Erfassung im System auf dem Urteil dokumentiert wurde, obwohl sie tatsächlich nicht erfolgt war.
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Im Übrigen tragen die Kläger zwar vor, das Urteil habe bei der erstmaligen Vorlage an den Steuerberater "alle internen Prüfmerkmale" aufgewiesen. Tatsächlich war jedoch nur ein schlichter Eingangsstempel angebracht. Ob eine Erfassung im Fristenkontrollprogramm vorgenommen worden war, war für den Steuerberater damit nicht erkennbar.
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Auch wenn es sich bei der Nichterfassung der Revisionsfrist im elektronischen Fristenkalender um ein einmaliges Versehen einer ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin handeln sollte, wäre dies bei einer entsprechenden Büroorganisation durch eine Kontrolle des Erfassungsvorgangs vermeidbar gewesen.
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