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BFH 15.10.2013 - I B 159/12
BFH 15.10.2013 - I B 159/12 - Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen
Normen
§ 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO, § 39 Abs 1 AO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 31. August 2012, Az: 4 K 1637/09, Urteil
Leitsatz
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NV: Eines der Kriterien für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist die rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Anteils gerichtete Position, die dem Erwerber gegen dessen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Auch im Hinblick auf dieses Merkmal gilt, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall richtet und dass eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung deshalb auch anzunehmen sein kann, wenn die dafür maßgeblichen Kriterien nicht in vollem Umfang erfüllt sind .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG, ist nach Verschmelzung Rechtsnachfolgerin und war im Streitjahr (2001) Alleingesellschafterin der A-GmbH, mit der sie außerdem als Organträgerin in einer körperschaftsteuerlichen Organschaft verbunden war. Die A-GmbH war ihrerseits im Streitjahr zunächst Alleingesellschafterin der B-GmbH und der C-GmbH.
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Im … 2001 veräußerte und übertrug die A-GmbH 60 v.H. ihrer Beteiligung an der B-GmbH an die X-AG zu einem von der A-GmbH "wegen anstehender Restrukturierungsmaßnahmen" zusätzlich zu leistenden "negativen Kaufpreis" von … €. Gleichzeitig vereinbarten die Vertragsparteien in Bezug auf den restlichen 40 v.H.-Geschäftsanteil eine (in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 auszuübende) Kaufoption zugunsten der X-AG sowie eine (im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2006 auszuübende) Verkaufsoption zugunsten der A-GmbH. Die X-AG übte die Kaufoption im Juli 2002 aus. Für den von der X-AG zu zahlenden Kaufpreis war ein bereits bei Vereinbarung des Optionsrechts festgelegter Berechnungsmodus vorgesehen; der Preis wurde später auf … € festgelegt.
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Im … 2001 veräußerte die A-GmbH einen 5,1 v.H.-Geschäftsanteil der C-GmbH, der nicht an den stillen Reserven und an einem etwaigen Liquidationserlös beteiligt war, mit dem jedoch 51 v.H. der Stimmrechte verbunden waren, an die Y-GmbH zu einem Kaufpreis von rd. … €. Gleichzeitig vereinbarten die Vertragsparteien in Bezug auf die restlichen Geschäftsanteile der C-GmbH eine (in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2002 auszuübende) Kaufoption für die Y-GmbH sowie eine (im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2006 auszuübende) Verkaufsoption für die A-GmbH. Der "Grundkaufpreis" für die restlichen Anteile sollte rd. … € betragen. Die Y-GmbH übte die Kaufoption im Juli 2002 aus.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) war der Auffassung, wegen der im Zusammenhang mit den Kauf- und Optionsverträgen getroffenen Vereinbarungen seien diese jeweils als einheitliches Geschäft zu beurteilen ("Erwerbsautomatismus") und insgesamt dem Veranlagungszeitraum 2001 zuzuordnen. Die anteilige Verlagerung der Erwerbsvorgänge in das Jahr 2002 habe nur dazu dienen sollen, die ab dem Veranlagungszeitraum 2002 geltende Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen gemäß § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) ausnutzen zu können. Das wirtschaftliche Eigentum an sämtlichen Geschäftsanteilen habe zum 31. Dezember 2001 bereits den beiden Erwerbern zugestanden, so dass die Gesamtkaufpreisforderungen zum 31. Dezember 2001 realisiert gewesen seien. Das FA hat deshalb die bei der A-GmbH aufgrund der Anteilsveräußerungen insgesamt entstandenen Veräußerungsgewinne im Streitjahr erfasst und auf dieser Grundlage die Körperschaftsteuer der Klägerin für das Streitjahr festgesetzt. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Hessische Finanzgericht (FG) hat sie als unbegründet abgewiesen; sein Urteil vom 31. August 2012 4 K 1637/09 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 4 abgedruckt.
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Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil.
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Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die von der Klägerin zur Klärung gestellten Rechtsfragen erfordern keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und sind auch sonst nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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1. Die Klägerin stellt als ungeklärte Rechtsfrage zur Prüfung, "ob es bei Bestehen von wechselseitigen, nicht gleichlaufenden Optionsrechten ausreicht, dass eines der Optionsrechte nach dem zu erwartenden Geschehensablauf in jedem Fall ausgeübt wird, um den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Anteilen zu begründen und damit eine rechtlich geschützte, unentziehbare Erwerbsposition nicht zwingend vorliegen muss".
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a) Die Frage ist in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil das FG in dem angefochtenen Urteil das Erfordernis der rechtlich geschützten, unentziehbaren Erwerbsposition nicht --wie die aufgeworfene Frage suggeriert-- nur aufgrund der angenommenen Wahrscheinlichkeit der Optionsausübung als entbehrlich angesehen hat. Vielmehr ist das FG dem Einwand der Klägerin, die verbliebenen Anteile hätten vor Ausübung der Erwerbsoptionen von der A-GmbH noch an Dritte veräußert oder im Insolvenzfall von Dritten gepfändet werden können, mit der Begründung begegnet, aus Sicht der A-GmbH sei jede andere Lösung als eine Veräußerung der Restanteile gerade an die beiden Erwerber wirtschaftlich nicht tragbar gewesen, die Möglichkeit einer anderweitigen Veräußerung vor Optionsausübung sei mithin im Streitfall ebenso wie der Eintritt des Insolvenzfalls "nur von theoretischer Natur" (Urteilsumdruck S. 49) bzw. "abwegig" (Urteilsumdruck S. 53). Mit dieser Begründung befasst sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht.
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b) Im Übrigen entspricht es ständiger BFH-Rechtsprechung --und ist darum nicht klärungsbedürftig--, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall richtet und dass eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts deshalb auch anzunehmen sein kann, wenn die dafür von der Rechtsprechung aufgestellten einzelnen Kriterien nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es für die Besteuerung nicht auf die äußere Rechtsform, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (z.B. BFH-Urteile vom 24. Januar 2012 IX R 69/10, BFH/NV 2012, 1099; vom 15. Februar 2001 III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041, 1044, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten hinsichtlich aller Kriterien des wirtschaftlichen Eigentums, also auch in Bezug auf das für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Rechten zu prüfende Merkmal der rechtlich geschützten, auf den Erwerb des Rechts gerichteten Position, die dem Erwerber gegen dessen Willen nicht mehr entzogen werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296; s. auch Senatsurteil vom 12. Dezember 2012 I R 28/11, BFHE 240, 22, Rz 25).
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Dem von der Klägerin herangezogenen BFH-Urteil vom 25. August 1993 XI R 6/93 (BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23) lässt sich Abweichendes nicht entnehmen. Dort heißt es, die Vereinbarung eines Optionsrechts reiche zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums des Optionsberechtigten an den veräußerten Wirtschaftsgütern grundsätzlich nicht aus, weil sie ihn nicht in die Lage versetze, den Erwerber von der tatsächlichen Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich auszuschließen. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Grundaussage zum Übergang wirtschaftlichen Eigentums bei Einräumung von Optionsrechten, der ein spezifischer Bezug zum Merkmal der rechtlich gesicherten Erwerbsposition nicht entnommen werden kann. Außerdem wird die Aussage in dem Urteil ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass es sich im Einzelfall auch anders verhalten kann.
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Auch das BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 IV R 3/07 (BFHE 226, 62, BStBl II 2010, 182) rechtfertigt keine Zweifel an den beschriebenen Grundsätzen. Danach kann eine Anwartschaft auf den Erwerb eines Rechts nicht zum Erwerb wirtschaftlichen Eigentums führen, wenn der Erwerb von der Billigung durch das Bundeskartellamt abhängig ist, auf welche der Erwerber keinen Einfluss hat. Diese Aussage lässt sich nicht dahin deuten, dass die Erwerbsposition ausnahmslos in allen Fällen auch formalrechtlich abgesichert sein muss.
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2. Des Weiteren möchte die Klägerin geklärt wissen, "ob es bei Bestehen von wechselseitigen, nicht gleichlaufenden Optionsrechten, wenn keine rechtlich geschützte, unentziehbare Erwerbsposition vorliegt, für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ausreicht, dass in Bezug auf das Gewinnbezugsrecht auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse abgestellt wird oder ob in diesem Fall ... zwingend erforderlich ist, dass das Gewinnbezugsrecht übergeht".
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Auch diese Frage ist nicht allgemein klärungsfähig, weil die Prüfung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Kriterien für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Rahmen der Gesamtbetrachtung in einer Weise von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt, dass sich allgemeingültige Regeln nicht aufstellen lassen. Im Übrigen kann nach der dargestellten Rechtsprechung kein Zweifel daran bestehen, dass bei der Prüfung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums stets eine Gesamtbildbetrachtung geboten ist.
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3. Entsprechendes gilt für die noch zur Prüfung gestellte Frage, "ob es bei Bestehen von wechselseitigen, nicht gleichlaufenden Optionsrechten, wenn eine rechtlich geschützte, unentziehbare Erwerbsposition nicht vorliegt, für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ausreicht, dass der Erwerber aufgrund seiner bereits bestehenden Mehrheit die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft lenken kann oder ob in diesem Fall die mit dem Anteil verbundenen Stimmrechte zwingend dem Erwerber zustehen müssen". Auch insoweit entzieht sich die Abwägung der einzelnen Kriterien im Rahmen der erforderlichen Gesamtbildbetrachtung einer allgemeingültigen, vom Einzelfall losgelösten Reglementierung. Davon abgesehen muss sich die Klägerin fragen lassen, von welchem wesentlichen wirtschaftlichen Gewicht das mit dem zu erwerbenden Anteil verbundene (Minderheits-)Stimmrecht sein soll, wenn der Erwerber bereits über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt.
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